Orientierungssatz
Zur Frage, ob die schriftliche Bitte eines Prokuristen an die Hauptstelle der BA um Prüfung und Bescheid, ob für die Teilnahme an einem IMEDE-Lehrgang Mittel zur Verfügung gestellt werden könnten als Antrag nach AFuU § 21 Abs 1 oder lediglich als Auskunftsersuchen zu werten ist.
Normenkette
AFuU § 21 Abs. 1 Fassung: 1971-09-09; AFG § 41 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Mai 1975 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten, seine Teilnahme an einem Vorbereitungskurs zur leitenden Führungskraft des IMEDE - Management Development Institute, L/Schweiz - (IMEDE-Lehrgang) zu fördern.
Der 1938 geborene Kläger besitzt die mittlere Reife und eine abgeschlossene Ausbildung als Kaufmannsgehilfe. Im Januar 1961 trat er als gelernter Eisenhändler in die Firma Gebr. R, Eisenhandelsgesellschaft, M, ein. Diese setzte ihn zunächst als Disponenten und später als Abteilungsleiter ein. Als solcher erhielt er im Februar 1967 Handlungsvollmacht und im April 1971 Prokura.
Mit einem Schreiben vom 15. September 1971 wandte sich der Kläger an die Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit (BA). Er schilderte darin seine berufliche Situation und erläuterte seine Absicht, einen IMEDE-Lehrgang zu besuchen. Seine Firma habe es abgelehnt, ihn hierbei finanziell zu unterstützen. Er bitte deshalb "freundlich um Prüfung und Bescheid, ob bei der Bundesanstalt für Arbeit für derartige Zwecke Mittel zur Verfügung gestellt werden können".
Die Beklagte antwortete hierauf durch das zuständige Landesarbeitsamt mit Schreiben vom 5. November 1971. Darin teilte sie dem Kläger u. a. mit, daß die in Betracht kommenden Bestimmungen eine Förderung von beruflichen Bildungsmaßnahmen außerhalb des Geltungsbereiches des Arbeitsförderungsgesetzes nur dann vorsähen, wenn ein den arbeitsmarktpolitischen Bedürfnissen entsprechendes Bildungsangebot im Inland nicht bestehe. Für den IMEDE-Lehrgang in L müßte jedoch davon ausgegangen werden, daß im Bundesgebiet Bildungseinrichtungen mit gleichartiger Zielsetzung vorhanden seien. Das Landesarbeitsamt empfahl dem Kläger, sich im Falle weiterer Fragen an den Förderungsberater des zuständigen Arbeitsamtes München zu wenden.
Vom 10. Januar bis 18. Mai 1972 nahm der Kläger an dem IMEDE-Lehrgang und anschließend bis Ende Juni 1972 an französischen Sprachkursen der "école interlingua-l" teil. Sein Arbeitsverhältnis bei der Firma Gebr. R wurde zum 31. Mai 1972 im gegenseitigen Einvernehmen gelöst und nach Beendigung der Bildungsmaßnahmen in L sowie einer Bundeswehr-Dienstzeit von drei Monaten im November 1972 neu begründet.
Im Juli 1972 beantragte der Kläger, für die in Lausanne durchgeführten Bildungsmaßnahmen Unterhaltsgeld (Uhg) zu gewähren sowie die notwendigen Kosten zu übernehmen bzw. hilfsweise ein Darlehen in Höhe von DM 20.000,- (Formularanträge vom 5. Juli 1972; formloser Antrag vom 12. Juli 1972); dies lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 18. August 1972; Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 1972).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß die Teilnahmebedingungen des IMEDE-Instituts nicht angemessen im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der BA über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 9. September 1971 (ANBA S. 797 - AFuU 1971) gewesen seien (Urteil des SG München vom 11. Januar 1974).
Die Berufung des Klägers hiergegen hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 15. Mai 1975 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die Ablehnung des vom Kläger gestellten Förderungsantrages zutreffend auf § 6 Abs. 5 AFuU 1971 gestützt. Während des hier streitigen Zeitraumes sei im Bundesgebiet ein den arbeitsmarktpolitischen Bedürfnissen entsprechendes Bildungsangebot zur Heranbildung von Führungskräften in der Wirtschaft zumindest in Form des Harzburg-Kollegs vorhanden gewesen. Daran ändere auch das Vorbringen des Klägers nichts, das IMEDE-Institut habe den Teilnehmern im Gegensatz zu vergleichbaren deutschen Instituten einen Computer zur Verfügung gestellt. Denn für die Erlernung der Handhabung und Programmierung von Computern habe auch damals in der Bundesrepublik ein ausreichendes Lehrgangsangebot bestanden. Unter diesen Umständen habe sich die Prüfung erübrigt, ob auch andere von den Beteiligten genannte Einrichtungen bereits damals den vom Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gestellten Anforderungen entsprochen hätten. Das im Geltungsbereich des AFG bestehende Bildungsangebot habe nach § 6 Abs. 5 AFuU 1971 auch dann Vorrang, wenn die außerhalb des Bundesgebietes angebotene Bildungsmaßnahme als besonders qualifiziert gelte. Ob die Förderung des Klägers auch nach § 6 Abs. 4 AFuU 1971 an den Teilnahmebedingungen des Maßnahmeträgers scheitern würde und ob die durchgeführte Bildungsmaßnahme objektiv und subjektiv eine berufliche Fortbildung im Sinne des § 41 AFG gewesen sei, brauche nicht entschieden zu werden. Ferner könne nicht beanstandet werden, daß die Beklagte die beantragte Darlehnsgewährung abgelehnt habe. Der Kläger habe für die Teilnahme an der ausländischen Bildungsmaßnahme keinen wichtigen Grund vorgetragen.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 44, 45 AFG, 6 AFuU 1971, 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und führt hierzu im einzelnen aus: Die Ablehnung der begehrten Förderung könne nicht darauf gestützt werden, daß im Inland eine gleichwertige Ausbildungsmöglichkeit bestehe. Eine dem IMEDE-Lehrgang ähnliche Maßnahme bestehe nicht, weil in dem schweizerischen Institut großräumige Aufgaben gelöst würden, die über das innerbetriebliche Management hinausgingen. Entgegen der Auffassung des LSG könne die bei dem inländischen Angebot fehlende Einbeziehung der Computerarbeit nicht ohne weiteres durch einen EDV-Lehrgang ersetzt werden, weil die Hereinnahme von Computerinformationen und deren Verarbeitung notwendiges Ausbildungsziel des IMEDE-Instituts sei. Das LSG habe es unterlassen, die Ziele der verschiedenen Maßnahmen zu ermitteln und zu vergleichen. Während in Bad Harzburg vor allem Managemententscheidungen im nationalen Rahmen trainiert würden, gehe es bei dem schweizerischen Lehrgang um internationale Entscheidungen, die für den EWG-Bereich immer notwendiger würden. Bei den Lehrgängen handele es sich nicht um mehr oder weniger gleiches, sondern um ein aliud.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile sowie des Bescheides vom 18. August 1972 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 1972 zu verurteilen, Leistungen zur Förderung der Teilnahme an dem IMEDE-Lehrgang vom 10. Januar 1972 bis 18. Mai 1972 - hilfsweise in der Form eines Darlehens - zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung kann dem Förderungsbegehren bereits deshalb nicht stattgegeben werden, weil der Kläger die Förderungsanträge verspätet gestellt habe. Dies gelte sowohl für seinen Antrag vom 5. Juli 1972 als auch für seinen Antrag auf Gewährung eines Darlehens vom 11. Juli 1972. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats sei der Antrag nach § 21 Abs. 1 AFuU 1971 materielle Anspruchsvoraussetzung. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sei das Schreiben des Klägers vom 15. September 1971 nicht als Antrag zu werten. Hierbei handele es sich vielmehr lediglich um eine allgemein gehaltene Anfrage nach Förderungsmöglichkeiten. Demgegenüber sei nach § 21 AFuU 1971 stets ein Antrag auf Förderung der Teilnahme an einer bestimmten Maßnahme erforderlich. Daß der Kläger sein vorbezeichnetes Schreiben selbst nicht als Antrag im Sinne dieser Vorschrift gewertet habe, folge daraus, daß er auf das Antwortschreiben der Beklagten vom 5. November 1971 rund acht Monate lang untätig geblieben sei. Der darin enthaltene ausdrückliche Hinweis auf die für weitere Auskünfte gegebene Zuständigkeit des Arbeitsamtes München sei unbeachtet geblieben. Bis zum Beginn des IMEDE-Lehrganges habe der Kläger hinreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, seine Interessen weiter zu verfolgen.
Selbst wenn das Schreiben vom 15. September 1971 als Antrag zu werten wäre, müßte das Förderungsbegehren abgelehnt werden, weil im vorliegenden Fall nicht die Voraussetzungen der §§ 21 Abs. 3, 6 Abs. 4 und 5 AFuU 1971 erfüllt worden seien. Der Kläger habe weder innerhalb von zwei Monaten nach Beginn des IMEDE-Lehrganges die für die Berechnung der Leistungen erforderlichen Unterlagen vorgelegt noch seien die Teilnahmebedingungen des Maßnahmeträgers angemessen gewesen.
Schließlich scheitere das Förderungsbegehren an dem Vorrang inländischer Bildungsveranstaltungen mit gleicher Zielrichtung, wobei besondere Qualitätsgesichtspunkte unbeachtet bleiben müßten.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Er hat nach den Vorschriften des AFG keinen Anspruch auf Förderung seiner Teilnahme an dem vom 10. Januar bis 18. Mai 1972 durchgeführten IMEDE-Lehrgang.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß der Lehrgang für den Kläger als kaufmännischen Angestellten inhaltlich eine berufliche Fortbildung im Sinne von § 41 AFG darstellt. Er hatte das Ziel, berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten zu erweitern und dem Kläger einen Aufstieg zur leitenden Führungskraft eines Wirtschaftsunternehmens zu ermöglichen. Der Anspruch des Klägers auf Förderung scheitert jedoch daran, daß er diese nicht rechtzeitig im Sinne von § 21 Abs. 1 AFuU 1971 beantragt hat, deren Regelung im vorliegenden Fall deshalb Anwendung findet, weil der Kläger am 10. Januar 1972 in die Bildungsmaßnahme eingetreten ist (§§ 24 Abs. 1 und 2 Satz 1 AFuU 1971). Gemäß § 21 Abs. 1 AFuU 1971 dürfen Leistungen nach dieser Anordnung nur auf Antrag gewährt werden, der schriftlich und rechtzeitig vor Beginn der Maßnahme gestellt werden soll. Wird der Antrag erst nach dem Eintritt in eine Maßnahme gestellt, so werden die Leistungen frühestens vom Zeitpunkt der Antragstellung an gewährt. Der Kläger hat die Antragsfrist versäumt, da er die Förderung erst nach Abschluß des IMEDE-Lehrganges beantragt hat.
Der Leistungsantrag im Bereich der beruflichen Fortbildung ist eine materielle Anspruchsvoraussetzung für Leistungen nach §§ 44 bis 46 AFG. Dies hat der erkennende Senat bereits in Anwendung der Vorschrift des § 21 Abs. 1 AFuU vom 18. Dezember 1969 (ANBA 1970, 90 - AFuU 1969 -) entschieden, gegen deren Wirksamkeit keine Bedenken bestanden (vgl. BSGE 35, 264; BSG SozR 4460 § 21 Nr. 1); das hat gleichermaßen für den Antrag nach § 21 Abs. 1 AFuU 1971 zu gelten. Ob hier - wie das SG meint - die Regelung des § 21 Abs. 1 Satz 4 AFuU 1969 zu berücksichtigen ist, nach der zur Wahrung der Antragsfrist die Willensäußerung des Ratsuchenden genügt, die erkennen läßt, daß er an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung teilnehmen will und Leistungen nach der Anordnung begehrt, kann auf sich beruhen. Nach der Rechtsprechung des Senats wurde der Lehrgangsbewerber dadurch lediglich weitgehend von der Verpflichtung entbunden, die Bildungsmaßnahme zu konkretisieren (BSG SozR 4460 § 21 Nr. 1).
Auf das Erfordernis eines erklärten Teilnahmewillens und Leistungsbegehrens wurde nicht verzichtet. Das Schreiben vom 15. September 1971 ist nicht als Antrag im Sinne des § 21 AFuU 1971 zu werten, weil der Kläger darin noch keinen Leistungsanspruch geltend gemacht hat. Ob eine nicht eindeutige Erklärung als Antrag zu betrachten ist, ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der Begleitumstände, insbesondere des erkennbaren Willens des Erklärenden, zu ermitteln (vgl. auch BSGE 7, 120 f). Die Eingabe des Klägers vom 15. September 1971 enthält jedoch noch kein Leistungsbegehren. Ein solches wird darin allenfalls angekündigt, und zwar vorbehaltlich einer positiven Antwort der Beklagten. Zwar könnte die Bitte "um Prüfung und Bescheid" - isoliert betrachtet - darauf hindeuten, daß der Kläger einen Leistungsanspruch geltend gemacht hat. Aus der nachfolgenden Formulierung, "ob für derartige Zwecke Mittel zur Verfügung gestellt werden können" und "daß bei einem positiven Bescheid die Teilnahme an einem 19-Wochen-Kurs ab Januar 72 möglich wäre", muß jedoch geschlossen werden, daß die Eingabe lediglich eine Anfrage zum Gegenstand gehabt hat. Sie zielte auf die Erlangung einer Information über die Förderungsmöglichkeiten bei einer Teilnahme an einem bestimmten Lehrgang ab, wie sie auch sonst bei persönlichen Informationsbesuchen von Interessierten üblicherweise in Beratungsgesprächen der Arbeitsämter erteilt wird. Daß die Eingabe lediglich auf den Empfang einer Information gerichtet war, folgt ferner daraus, daß sich der Kläger mit der Mitteilung der Beklagten vom 5. November 1971 begnügte und bereits am 10. Januar 1972 an einem IMEDE-Lehrgang teilnahm, ohne den weiteren Hinweisen im Antwortschreiben der Beklagten zu folgen.
Die Auslegung der Eingabe durch den erkennenden Senat als eines reinen Auskunftsersuchens trägt ferner dem Umstand Rechnung, daß der Kläger zum damaligen Zeitpunkt bereits Prokurist war, dem der Unterschied zwischen einer Anfrage einerseits und der Geltendmachung von Leistungsansprüchen andererseits geläufig sein mußte. In diesem Zusammenhang kann es auch nicht unbeachtet bleiben, daß der Kläger sich mit seinem Anliegen an die Hauptstelle, also an die zentrale Geschäftsleitung der BA wandte und nicht an das für Leistungsanträge zuständige Arbeitsamt. Ob eine andere Beurteilung geboten wäre, wenn der Absender eines Schreibens sein Anliegen an die Verwaltung unklar zum Ausdruck bringt und sich dabei an eine unzuständige Dienststelle wendet, weil er aufgrund seines Persönlichkeitsbildes, insbesondere seines beruflichen Werdeganges in der schriftlichen Ausdrucksweise ungewandt und auch sonst unerfahren ist, bleibt offen.
Mangels rechtzeitiger Antragstellung braucht nicht darüber entschieden zu werden, ob der IMEDE-Lehrgang insgesamt eine Bildungsmaßnahme darstellt, deren Besuch nach § 41 Abs. 1 oder § 46 AFG förderungsfähig ist und ob hier die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 und 5 AFuU 1971 erfüllt wurden. Das gilt gleichermaßen für den in diesem Zusammenhang gerügten Verstoß gegen § 103 SGG durch das LSG, weil das angefochtene Urteil bereits aus einem anderen Grunde zutreffend ist (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Nach alledem ist die Revision des Klägers unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen