Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Februar 1976 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Anzeigen über witterungsbedingten Arbeitsausfall auf Baustellen der Klägerin in der Woche vom 26. Februar bis 2. März 1973 rechtzeitig erstattet worden sind.
Die für diese Woche auf zwei Formblättern der Bundesanstalt für Arbeit (BA) erstatteten, an den Direktor des Arbeitsamtes Würzburg gerichteten Sammelanzeigen wurden gemeinsam der Post als einfache Briefsendung zur Beförderung übergeben. Als Datum der Erstellung dieser Anzeigen ist jeweils der 2. März 1973 (Freitag) angegeben. Der verwendete Briefumschlag trägt den Stempel des Postamts Ochsenfurt vom 16. April 1973 (Montag), 13.00 Uhr. Die Anzeigen sind am 17. April 1973 beim Arbeitsamt Würzburg eingegangen.
Mit Bescheid vom 18. April 1973 lehnte die Beklagte die Zahlung von Schlechtwettergeld (SWG) ab, weil die Anzeigen über die Arbeitsausfälle nicht unverzüglich erstattet worden seien. Widerspruch und Klage gegen diese Entscheidung blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 1973, Urteil des Sozialgerichts -SG-Würzburg vom 10. Dezember 1974).
Die Berufung hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 5. Februar 1976 zurückgewiesen. Das LSG ist der Auffassung: Bei der Anzeige nach § 84 Abs. 1 Nr. 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) handele es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung oder zumindest um eine auf einen Rechtserfolg gerichtete „geschäftsähnliche Handlung”, die entsprechend den Vorschriften über Willenserklärungen im bürgerlichen Recht (§ 130 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches –BGB–) erst im Zeitpunkt ihres Zugangs wirksam werde…. Rechtzeitig erstattet im Sinne des § 15 Abs. 3 der Anordnung des Verwaltungsrates der BA über die Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft (Winterbau-Anordnung – WA) vom 4. Juli 1972 (ANBA S. 511) sei die Anzeige nur, wenn sie den Poststempel des letzten Arbeitstages der Kalenderwoche trage oder wenn sie zumindest am Montag der folgenden Kalenderwoche beim Arbeitsamt eingehe. Keines dieser Merkmale sei erfüllt. Der Bauunternehmer könne sich gegen das Risiko einer nicht ordnungsgemäßen Beförderung der Sendung durch die Post, insbesondere gegen die nicht rechtzeitige Leerung des Briefkastens und die Abstempelung des Briefes am Ausfalltag bzw am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche durch die Versendung der Anzeige durch Einschreiben oder dadurch schützen, daß er selbst oder durch seine Hilfskräfte für die sofortige Abstempelung des Briefes beim Postamt Sorge trage. Eine derartige Vorsorge zu Beweiszwecken könne dem Bauunternehmer in Anbetracht der Bedeutung und Eilbedürftigkeit der Arbeitsausfallanzeige zugemutet werden.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 84 Abs. 1 Nr. 3 AFG iVm §§ 14 Abs. 3, 15 Abs. 3 WA. Aufgrund dieser Vorschriften könne nur der Nachweis gefordert werden, daß die Sammelanzeige noch am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche der Post zur Beförderung übergeben worden sei. Dieser Nachweis müsse sich auch auf andere Weise als durch den Poststempel auf dem für die Anzeige verwendeten Briefumschlag führen lassen. Die vom SG und LSG unterlassene Beweisaufnahme darüber, wann die Anzeige der Post zur Beförderung übergeben worden sei, müsse nachgeholt werden.
Die Klägerin beantragt (dem Sinne nach),
die Urteile des Bayerischen LSG und des SG Würzburg aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Arbeitsamtes Würzburg in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zu verurteilen, der Klägerin für 68 in ihrem Bauunternehmen auf verschiedenen Baustellen beschäftigte Arbeitnehmer SWG für die Ausfalltage in der Woche vom 26. Februar bis 2. März 1973 zu zahlen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG.
Die Zurückverweisung ist geboten, weil gemäß § 75 Abs. 2 SGG die Beiladung des Betriebsrats der Klägerin erforderlich war. Der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat bereits in einem Urteil vom 29. August 1974 – 7 RAr 17/72 – (BSGE 38, 94 = SozR 1500 § 75 Nr. 4) entschieden, daß im Verfahren über die Gewährung von Kurzarbeitergeld nach dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) die Betriebsvertretung notwendig beizuladen ist. Die dort aufgeführten Gründe gelten auch im Rahmen des Verfahrens zur Gewährung von SWG nach dem AFG. Der 7. Senat hat aus der Befugnis der Betriebsvertretung, anstelle des Arbeitgebers die Kurzarbeitsanzeige zu erstatten und den Antrag auf Lohnausfallvergütung zu stellen (§ 188 Abs. 1 und 2 AVAVG) gefolgert, daß der Betriebsvertretung im Rahmen der Gewährung von Kurzarbeitergeld die Stellung eines Prozeßstandschafters der betroffenen Arbeitnehmer eingeräumt worden ist und daß dieser verfahrensrechtlichen Stellung ein materiell-rechtliches Kontrollrecht entspricht, das seiner Art nach zu den Kontrollrechten nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes gehört. Die gleiche Auffassung hat der 7. Senat inzwischen auch für die Gewährung von SWG (§ 88 Abs. 1 und 2 AFG) und die Gewährung von Wintergeld –WG– (§ 81 Abs. 3 AFG) vertreten (SWG: Urteil vom 30. September 1975 – 7 RAr 94/73 und Urteil vom 21. Juni 1977 – 7 RAr 7/76 – [zur Veröffentlichung bestimmt]; WG: Urteil vom 20. April 1977 – 7 RAr 55/75 – [zur Veröffentlichung bestimmt]).
Der Senat schließt sich dieser Auffassung des 7. Senats an. § 88 Abs. 1 und 2 AFG räumen der Betriebsvertretung in gleicher Weise wie § 188 AVAVG und § 81 Abs. 3 AFG die Stellung eines Prozeßstandschafters ein, wobei dieser verfahrensrechtlichen Stellung ein materielles Kontrollrecht entspricht, das seiner Punktion nach den Rechten aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes zuzurechnen ist. Aufgrund dieses eigenständigen Rechts ist auch dort, wo der Betriebsrat von seinem Recht, als Prozeßstandschafter tätig zu werden, keinen Gebrauch macht, eine Beiladung notwendig, weil dieses Recht der Betriebsvertretung durch die Entscheidung des Rechtsstreits unmittelbar betroffen wird und deshalb eine Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann.
Das Unterlassen der notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG ist bei einer zulässigen Revision von Amts wegen als Verfahrensmangel zu beachten (BSG SozR 1500 § 75 Nr. 1; Urteile des erkennenden Senats vom 16. Dezember 1976 – 12/3/12 RK 23/74 und vom 28. April 1977 – 12 RK 30/76). Da die Beiladung in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden kann (§ 168 SGG), ist eine Zurückverweisung an das LSG geboten.
Bei seiner Entscheidung wird das LSG das Urteil des BSG vom 22. Juni 1977 – 7/12/7 RAr 127/75 (zur Veröffentlichung bestimmt) zu berücksichtigen haben.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen