Entscheidungsstichwort (Thema)

Chefarztbeteiligung. Widerruf. Befristung

 

Orientierungssatz

1. Die Beteiligung eines leitenden Krankenhausarztes an der kassenärztlichen Versorgung ist zu widerrufen, soweit die Notwendigkeit nicht (mehr) besteht.

2. Die vage Möglichkeit einer zukünftigen Änderung der Versorgungslage reicht nicht aus, um die Befristung einer Beteiligung zu rechtfertigen. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats, wonach künftige Entwicklungen nur dann in die Entscheidung über eine Beteiligung mit einbezogenen werden können, wenn hierfür schon konkrete Anhaltspunkte gegeben sind (vgl BSG vom 13.11.1985 6 RKa 19/84 = BSGE 59, 148, 154 mwH). Diese Rechtsprechung bezieht sich auf die Befristung, mit der eine Beteiligung bei ihrer Gewährung versehen wird. Bei der Umwandlung einer unbefristeten in eine befristete Beteiligung (Änderungswiderruf) sind eher noch strengere Anforderungen zu stellen.

3. Die Regelung in dem vor einem SG geschlossenen Teilvergleich, die Beteiligung des Chefarztes für bestimmte Leistungen fortbestehen zu lassen, ersetzt nicht die vom Berufungsausschuß in dem rechtlich vorgeschriebenen Verfahren zu treffende Entscheidung (§ 368b RVO und § 368c Abs 2 Nr 6 und Nr 11 RVO iVm §§ 29f und §§ 36 ff ZO-Ärzte).

4. Wurde die Beteiligung an der kassenärztlichen Versorgung nach § 368a Abs 8 RVO unbefristet erteilt, kann die Umwandlung in eine befristete Beteiligung nur aufgrund einer Bedürfnisprüfung ergehen.

 

Normenkette

RVO § 368a Abs 8 Fassung: 1977-06-27, §§ 368b, 368c Abs 2 Nr 6 Fassung: 1955-08-17, § 368c Abs 2 Nr 11 Fassung: 1977-06-27; ZO-Ärzte § 29 Abs 2, § 29 Abs 5, § 36

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 12.03.1986; Aktenzeichen L 11 Ka 66/85)

SG Dortmund (Entscheidung vom 02.05.1985; Aktenzeichen S 22 Ka 34/84)

 

Tatbestand

Streitig ist der Teilwiderruf einer Chefarztbeteiligung iS des § 368a Abs 8 der Reichsversicherungsordnung (RVO).

Der Kläger ist Leitender Arzt der nuklearmedizinischen Abteilung des St.-M.-Hospitals in L.. Durch Beschluß des Zulassungsausschusses vom 9. Juli 1975 wurde er gemäß § 29 Abs 2 der Zulassungsordnung für Kassenärzte (ZO-Ärzte) an der kassenärztlichen Versorgung beteiligt, und zwar für "nuklearmedizinische Leistungen (sowohl Diagnostik als auch Therapie)". Am 13. November 1980 entschied der Zulassungsausschuß, daß der Beschluß vom 9. Juli 1975 widerrufen und der Kläger nur noch für "nuklearmedizinische ambulante Diagnostik auf Überweisung durch Kassenärzte bis zum 30.11.1982" beteiligt wird. Zur Begründung führte er aus: Nach den eigenen Erklärungen des Klägers könne nur die Diagnostik, nicht aber die Therapie ambulant betrieben werden. Hinsichtlich der Diagnostik sei es im Interesse der Versicherten geboten, die bisher erteilte Genehmigung weiterhin aufrechtzuerhalten. Für den möglichen Fall einer Änderung der kassenärztlichen Verhältnisse am Ort sei jedoch eine Befristung nach § 29 Abs 5 Satz 1 ZO-Ärzte vorzunehmen.

Dagegen legten der Kläger und die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV), die Beigeladene zu 5), Widerspruch ein. Der Kläger wandte sich gegen die Befristung. Die KÄV beantragte eine Beschränkung der Beteiligung auf bestimmte Leistungen. Sie wies ua darauf hin, daß in nächster Zeit in der Gemeinschaftspraxis der beiden niedergelassenen Radiologen an die vorhandene Gamma-Kamera eine Datenverarbeitungsanlage angeschlossen werde und dann dort weitere Leistungen möglich seien.

Über die Widersprüche entschied der beklagte Berufungsausschuß durch Beschluß vom 12. Januar 1984 (ausgefertigt und abgesandt am 17. Februar 1984). Er hob die vom Zulassungsausschuß ausgesprochene Befristung auf und befristete die Beteiligung nun bis zum 31. Dezember 1984. Den Widerspruch der KÄV wies er zurück. Er begründete seine Entscheidung wie folgt: Die Befristung einer Beteiligung nach § 29 Abs 5 Satz 1 ZO-Ärzte sei in das pflichtgemäße Ermessen des Zulassungsausschusses gestellt. Spekulationen und vage Möglichkeiten könnten aber nicht Grundlage pflichtgemäßen Verwaltungsermessens sein. Für die Befristung bis zum 30. November 1982 seien überzeugende Argumente nicht zu erkennen. Dagegen rechtfertige sich die Befristung bis zum 31. Dezember 1984 daraus, daß in der Gemeinschaftspraxis der niedergelassenen Radiologen die Datenverarbeitungsanlage im Laufe des Jahres 1984 angeschlossen werde. Nach Abschluß der Installation werde eine Überprüfung des Umfangs der Beteiligung notwendig sein. Die mit diesem Gerät zu erbringenden Leistungen könnten nicht mehr Gegenstand des Beteiligungskatalogs des Klägers sein. Der Widerspruch der KÄV sei unbegründet, weil gegenüber dem Beschluß vom 9. Juli 1975 keine grundlegende Änderung der Verhältnisse festzustellen sei.

Der Kläger hat das Sozialgericht (SG) angerufen und beantragt, die angefochtenen Bescheide der Zulassungsinstanzen insoweit aufzuheben, als die Beteiligung befristet wurde. In einem Teilvergleich ist vom Beklagten lediglich anerkannt worden, den Kläger vom 1. Januar 1985 an mit bestimmten Leistungen an der kassenärztlichen Versorgung zu beteiligen. Im übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Auch die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben.

Das Landessozialgericht (LSG) stützt seine Entscheidung im wesentlichen auf folgende Gründe: Das Klageziel gehe dahin, die 1975 ausgesprochene Beteiligung - abgesehen von den therapeutischen Leistungen - weiterhin uneingeschränkt zu behalten; das Begehren des Klägers erschöpfe sich nicht in der bloßen Aufhebung der Befristung für die erneut ausgesprochene Beteiligung. Bei dem Widerruf einer Beteiligung handele es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, es sei daher entscheidend auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung abzustellen (wie bei der Entziehung einer Kassenzulassung). In Anbetracht der aufschiebenden Wirkung der eingelegten Rechtsbehelfe sei kein rechtliches Interesse an einer Entscheidung darüber zu erkennen, ob die angefochtenen Bescheide im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig gewesen sind. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung entsprächen sie jedenfalls den gesetzlichen Anforderungen. Die Beteiligung des Klägers habe nach § 29 Abs 5 Satz 2 ZO-Ärzte eingeschränkt werden können, weil (insoweit) die Voraussetzungen der Beteiligung nicht mehr vorlägen. Unerheblich sei, ob sie im Zeitpunkt des Ausspruchs der Beteiligung vorgelegen haben; auf eine Änderung der Verhältnisse komme es nicht an. Die Beteiligung stehe unter dem Vorbehalt des Widerrufs und erlaube daher grundsätzlich keine Berufung auf einen Vertrauensschutz. Nach § 368a Abs 8 RVO könne eine Beteiligung nur ausgesprochen werden, wenn sie notwendig sei, um eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Bei der Feststellung dieser Voraussetzung stehe den Zulassungsinstanzen ein vom Gericht nur beschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Soweit noch streitig, ließen die angefochtenen Bescheide keinen fehlerhaften Gebrauch des Beurteilungsspielraums erkennen. Das gelte insbesondere für die Einschätzung, daß die am Ort vorhandene Gemeinschaftspraxis der beiden Radiologen weitgehend in der Lage sei, auch die nuklearmedizinische Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Für eine Überlastung der Gemeinschaftspraxis bestünden keine Anhaltspunkte. Es sei daher den in diese Richtung zielenden Beweisanträgen des Klägers nicht nachzugehen. In diesem Zusammenhang komme es auch nicht auf die Bedarfsplanung für Radiologen an. Es sei zwar richtig, daß in L. nur zwei Radiologen niedergelassen seien, obwohl der Bedarfsplan drei Radiologen vorsehe. Es sei jedoch ein weiterer Radiologe an der kassenärztlichen Versorgung beteiligt. Außerdem gehe es in diesem Rechtsstreit nicht um den Bereich der Radiologie, sondern um eine der in Buchst D Ziff 3 der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte nicht aufgeführten Gruppen von Gebietsärzten, für die der Bedarf aufgrund der örtlichen Verhältnisse zu ermitteln sei. Es gebe keinen Anhalt, daß über die mit dem Vergleich zuerkannten Leistungen hinaus ein Bedarf an nuklearmedizinischen diagnostischen Leistungen bestehe. Auf die unterschiedlichen Kenntnisse und Erfahrungen der Ärzte komme es nicht an, eine fachliche Bewertung der ärztlichen Leistungen sei insoweit ausgeschlossen. Bei der Beurteilung der Versorgungslage (auf dem Gebiet der Nuklearmedizin) könnten die Leistungen des benachbarten Fachgebietes (Radiologie) berücksichtigt werden. Die speziellen Kenntnisse des Klägers seien in der ihm belassenen Beteiligung hinreichend berücksichtigt. Soweit der Kläger dies bestreite, habe er eine nähere Spezifizierung unterlassen. Es sei Aufgabe des Arztes, seine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen, soweit sie sich in einem besonderen Leistungsangebot niederschlügen, vorzutragen.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 368a Abs 8 RVO und des § 29 Abs 2 und 5 ZO-Ärzte sowie einen Verstoß gegen Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) bzw § 128 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Zu Unrecht stelle das LSG zentral auf die Prüfung des Bedürfnisses für die Beteiligung ab. Die Zulassungsinstanzen hätten sich im Hinblick auf eine mögliche Veränderung der Versorgungslage ausschließlich mit der Zulässigkeit der Befristung der Beteiligung befaßt. Die Klage richte sich gegen diese Befristung (zur Teilanfechtungsklage vgl BSG vom 13. November 1985 - 6 RKa 19/84 -). Der Beklagte habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nach Anschaffung des Rechners durch die Gemeinschaftspraxis der Umfang der Beteiligung erneut zu überprüfen sei. Er habe also eine Bedürfnisprüfung nicht vorab durchführen wollen. Es sei daher unzulässig, wenn das LSG die vom Beklagten vorgenommene Befristung als antizipierten Widerruf der Beteiligung gewertet habe. Die Befristung der Beteiligung bis zum 31. Dezember 1984 sei rechtswidrig, denn der Beklagte habe bei seiner Entscheidung noch nicht feststellen können, welche Leistungen die beiden niedergelassenen Radiologen in Zukunft zu erbringen in der Lage sein würden. Bei einer ungewissen Entwicklung der Bedarfslage sei die Befristung unzulässig (BSG aaO). Abgesehen davon, daß die Bedürfnisfrage nicht Gegenstand des Verfahrens sei, hätte das LSG auf den Zeitpunkt der angefochtenen Verwaltungsentscheidung abstellen müssen. Seine Rechtsauffassung, bei der Bedürfnisprüfung sei von den Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung auszugehen, erweise sich als fehlerhaft (BSG aaO und vom 14. Dezember 1982 - 6 RKa 24/81 -). Eine gegenüber 1975 andere Beurteilung des Bedürfnisses sei zudem schon deshalb ausgeschlossen, weil sich die Zahl der niedergelassenen Radiologen nicht verändert habe und er (der Kläger) nach wie vor der einzige Nuklearmediziner im Versorgungsgebiet sei. Der Standpunkt des LSG, die Beteiligung stehe unter dem Vorbehalt des Widerrufs und erlaube daher grundsätzlich keine Berufung auf einen Vertrauensschutz, widerspreche dem Gebot der Rechtssicherheit und dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung; das Verwaltungshandeln wäre unberechenbar und nicht mehr justitiabel. Das Urteil des LSG sei auch deshalb aufzuheben, weil es festgestellt habe, die angefochtenen Bescheide ließen (hinsichtlich der Verneinung eines Bedürfnisses für eine weitere Beteiligung) keinen fehlerhaften Gebrauch des Beurteilungsspielraums erkennen. Tatsächlich hätten aber die Zulassungsinstanzen Erwägungen dieser Art überhaupt nicht angestellt. Sie hätten vielmehr zum Zeitpunkt der Entscheidung ein Bedürfnis für die Beteiligung ausdrücklich bejaht und lediglich im Hinblick auf die Befristung ausgeführt, daß sich in der Zukunft möglicherweise die Versorgungslage verändere. Die vage Feststellung des LSG, die nuklearmedizinische Versorgung der Versicherten sei durch die Gemeinschaftspraxis der Radiologen "weitgehend" gesichert, beruhe auf einem unvollständig ermittelten Sachverhalt und werde den Erfordernissen der qualitativen Bedürfnisprüfung nicht gerecht. Wenn es nach Ansicht des LSG auf die Bedarfsplanung für Radiologen nicht ankomme, dann sei es nicht nachvollziehbar, warum er (als Nuklearmediziner) an der Existenz der beiden niedergelassenen Radiologen gemessen werde. Soweit das LSG die Beteiligung eines weiteren Radiologen berücksichtige, verkenne es, daß es nur darauf ankomme, ob die kassenärztliche Versorgung durch niedergelassene Kassenärzte ausreichend sichergestellt sei. Das Bedarfssoll für das Gebiet der Nuklearmediziner sei nicht ermittelt worden. Der Umstand, daß die Bedarfsplanungs-Richtlinien keine eigenen Meßzahlen für dieses Fachgebiet ausweisen, berechtige nicht dazu, bei der Bedarfsermittlung von der Leistungserbringung durch andere Gebietsarztgruppen auszugehen. Bei der Nuklearmedizin handele es sich um ein selbständiges Fachgebiet, das gleichrangig und gleichwertig neben der Radiologie stehe. Auch das Bundessozialgericht (BSG) stelle allein darauf ab, ob die fachärztliche Versorgung durch niedergelassene Ärzte der gleichen Facharztgruppe sichergestellt sei. Schließlich habe das LSG den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt. In die Entscheidung sei ein Vergleich der Abrechnungsziffern einbezogen worden, zu dem er sich nicht habe äußern können. Auch die der Entscheidung zugrunde gelegten Gesamt-Fallzahlen der niedergelassenen Radiologen seien ihm nicht bekanntgegeben worden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. März 1986 - L 11 Ka 66/85 - und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 2. Mai 1985 - S 22 Ka 34/84 - abzuändern und den Beschluß des Zulassungsausschusses vom 13. November 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 12. Januar 1984 insoweit aufzuheben, als dadurch seine Beteiligung befristet wurde.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 5) beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Mit der Revisionserwiderung legt der Beklagte einen Beschluß des Zulassungsausschusses für den Regierungsbezirk A.I vom 21. Mai 1987 vor, durch den die Beteiligung des Klägers, die in dem vor dem SG geschlossenen Teilvergleich zuerkannt worden war, um einige Leistungen erweitert wurde.

Die Beigeladenen zu 1) bis 4) haben sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Die Vorinstanzen haben seine Klage zu Unrecht abgewiesen.

Der Kläger greift die angefochtenen Bescheide insoweit an, als seine Beteiligung an der kassenärztlichen Versorgung befristet wurde. Damit wendet er sich gegen den Widerruf der ihm 1975 zuerkannten unbefristeten Beteiligung. Davon geht auch das LSG aus. Soweit der Kläger geltend macht, seine Klage richte sich nur gegen die Befristung, ist nicht die Schlußfolgerung erlaubt, er wolle den Widerruf seiner ursprünglichen Beteiligung uneingeschränkt hinnehmen und seine Klage auf die Befristung der neu ausgesprochenen Beteiligung, also auf eine Nebenbestimmung iS des § 32 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) beschränken. Dafür spricht auch nicht sein Hinweis auf das Urteil des Senats vom 13. November 1985 - 6 RKa 19/84 - (BSGE 59, 148 = SozR 2200 § 368a RVO Nr 14), das auf eine Teilanfechtungsklage gegen die - von Anfang an vorgenommene - Befristung einer Beteiligung ergangen ist. Die Ausführungen des Klägers zum Vertrauensschutz lassen keinen Zweifel an seinem Begehren zu, die Umwandlung der unbefristeten in eine befristete Beteiligung und damit den der Umwandlung zugrundeliegenden Widerruf der unbefristeten Beteiligung aufzuheben.

Der Widerruf ist, soweit angefochten, rechtswidrig. Die vom Zulassungsausschuß vorgenommene Umwandlung der unbefristeten Beteiligung in eine bis zum 30. November 1982 befristete Beteiligung wurde bereits vom beklagten Berufungsausschuß als rechtswidrig erkannt und aufgehoben. Aber auch die vom Beklagten am 12. Januar 1984 getroffene Entscheidung, die Geltungsdauer der Beteiligung - jedenfalls zunächst - bis zum 31. Dezember 1984 zu begrenzen, kann wegen erheblicher Rechtsmängel keinen Bestand haben. Soweit durch die angefochtenen Bescheide der Umfang der Beteiligung eingeschränkt wurde (nur noch Beteiligung für Diagnostik auf Überweisung durch Kassenärzte), ist der Widerruf nicht angefochten worden.

Die einem leitenden Krankenhausarzt eingeräumte Beteiligung an der ambulanten kassenärztlichen Versorgung kann nach § 29 Abs 5 Satz 2 ZO-Ärzte nur widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen, die zur Beteiligung geführt haben, nicht mehr vorliegen. Aus der Abhängigkeit dieser Vorschrift von der gesetzlichen Regelung der Beteiligung (§ 368a Abs 8 RVO) und aus den Grundprinzipien des kassenärztlichen Leistungssystems (insbesondere der vorrangigen Verpflichtung und Berechtigung der niedergelassenen Kassenärzte zur Leistungserbringung) ergibt sich zwar die Richtigkeit der Rechtsauffassung des LSG, daß die Beteiligung unter dem Vorbehalt des Widerrufs steht und daher grundsätzlich keine Berufung auf einen Vertrauensschutz erlaubt (BSG SozR 5520 § 29 ZO-Ärzte Nrn 3 bis 5). Der Widerruf einer Beteiligung ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil gegenüber ihrer Gewährung eine wesentliche Änderung nicht nachzuweisen ist. Es kommt also entscheidend auf die Verhältnisse zur Zeit des Widerrufs an. Der leitende Krankenhausarzt, der die übrigen Voraussetzungen erfüllt, ist auf seinen Antrag an der kassenärztlichen Versorgung zu beteiligen, soweit dies notwendig ist, um eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Beteiligung ist zu widerrufen, soweit diese Notwendigkeit nicht (mehr) besteht. Die Feststellungslast trägt derjenige, der ein Recht in Anspruch nimmt, also für die Gewährung der Beteiligung der Krankenhausarzt und für den Widerruf der Beteiligung der Zulassungs- bzw Berufungsausschuß. Bei der Prüfung der Notwendigkeit der Beteiligung steht jedoch den Zulassungsinstanzen ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist.

Anders als das LSG kommt der Senat zu dem Ergebnis, daß der Beklagte von seinem Beurteilungsspielraum einen rechtsfehlerhaften Gebrauch gemacht hat. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die bloße Absicht der beiden in einer Gemeinschaftspraxis niedergelassenen Radiologen, im Laufe des Jahres 1984 eine Datenverarbeitungsanlage einzurichten, den Beklagten berechtigte, über die Beteiligung des Klägers neu zu entscheiden, oder ob er die Realisierung dieser Absicht hätte abwarten müssen (zumal die Absicht schon früher geäußert und dann doch zunächst nicht realisiert worden war). Der Beklagte geht selbst davon aus, daß die vage Möglichkeit einer zukünftigen Änderung der Versorgungslage nicht ausreicht, um die Befristung einer Beteiligung zu rechtfertigen. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats, wonach künftige Entwicklungen nur dann in die Entscheidung über eine Beteiligung mit einbezogen werden können, wenn hierfür schon konkrete Anhaltspunkte gegeben sind (BSGE 59, 148, 154 mwH). Diese Rechtsprechung bezieht sich auf die Befristung, mit der eine Beteiligung bei ihrer Gewährung versehen wird. Bei der Umwandlung einer unbefristeten in eine befristete Beteiligung (Änderungswiderruf) sind eher noch strengere Anforderungen zu stellen. Darüber muß hier jedoch nicht entschieden werden, denn der Beklagte führte überhaupt keine Überprüfung der Versorgungslage durch. Er nahm zwar an, daß die niedergelassenen Ärzte durch die geplante Einrichtung einer Datenverarbeitungsanlage zu weiteren Leistungen befähigt werden und die mit diesem Gerät zu erbringenden Leistungen nicht mehr Gegenstand des Leistungskatalogs des Klägers sein können. Er traf aber keine Entscheidung darüber, für welche Leistungen die Beteiligung des Klägers nicht mehr notwendig sein wird und für welche Leistungen die Beteiligung unbefristet fortbestehen muß. Nach dem ausdrücklichen Vorbehalt in seinem Beschluß wollte er erst nach Installation der Anlage den Umfang der zu belassenden Beteiligung überprüfen.

Eine ordnungsgemäße Überprüfung der Versorgungslage (Bedürfnisprüfung) holte der Beklagte auch nicht später nach. Die Regelung in dem vor dem SG geschlossenen Teilvergleich, die Beteiligung des Klägers für bestimmte Leistungen fortbestehen zu lassen, ersetzt nicht die vom Beklagten in dem rechtlich vorgeschriebenen Verfahren zu treffende Entscheidung (§ 368b RVO und § 368c Abs 2 Nr 6 und Nr 11 RVO iVm §§ 29 f und §§ 36 ff ZO-Ärzte). Einen von seinen Mitgliedern gefaßten Beschluß legte der Beklagte nicht vor.

Soweit das LSG auf die Verhältnisse zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung abstellt, beachtet es nicht, daß dem Beklagten - dem Berufungsausschuß in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung - bei der Bedürfnisprüfung ein Beurteilungsspielraum zusteht. Die Tatsachenfeststellungen des LSG erlauben nicht den Schluß, daß im vorliegenden Fall nur eine einzige Entscheidung, nämlich die im Teilvergleich getroffene Regelung, rechtlich vertretbar ist. Es kommt daher auf die Beurteilung des Beklagten an, also auf die Beurteilung des Ausschusses in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung.

Die Tatsachenfeststellungen des LSG lassen es schon zweifelhaft erscheinen, ob der Bedarf an nuklearmedizinischer Diagnostik in quantitativer Hinsicht ausreichend abgedeckt ist. Wenn man mit dem LSG und dem Beklagten die im Versorgungsgebiet niedergelassenen Radiologen als Leistungserbringer auf nuklearmedizinischem Sektor mitberücksichtigt, müssen auch auf der Bedarfsseite beide Leistungsgebiete zusammen betrachtet werden. Allein auf dem Gebiet der Radiologie ist ein Soll von drei Ärzten festgestellt. Das Soll auf nuklearmedizinischem Gebiet ist nicht ermittelt. Der Bedarf an nuklearmedizinischen Leistungen wird aber jedenfalls das auf dem Gebiet der Radiologie festgestellte Soll erhöhen. Dem Gesamtbedarf in beiden Fachgebieten stehen zwei niedergelassene Ärzte (die Gemeinschaftspraxis der beiden Radiologen) und ein beteiligter Arzt gegenüber. Da die beteiligten Krankenhausärzte ihre Arbeitskraft nur zum Teil in der ambulanten kassenärztlichen Versorgung einsetzen, können sie im allgemeinen nicht voll in Ansatz gebracht werden. Die Gegenüberstellung der erforderlichen und der vorhandenen Ärzte läßt deshalb nicht ohne weiteres den Schluß zu, daß eine Versorgungslücke in quantitativer Hinsicht nicht mehr besteht. Auch bei der Bedürfnisprüfung in qualitativer Hinsicht kann auf eine Beurteilung der Zulassungsinstanzen nicht verzichtet werden.

Der Beschluß des Zulassungsausschusses vom 21. Mai 1987, ausgefertigt am 30. Juni 1987, ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Abgesehen davon, daß es sich bei diesem Beschluß nicht um eine Entscheidung des Beklagten handelt (vgl BSG SozR 1500 § 96 SGG Nr 32), gilt § 96 SGG nicht für das Revisionsverfahren (§ 171 Abs 2 SGG).

Der Klage war daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663029

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