Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung der nach Ablegung der Laufbahnprüfung bis zum jeweiligen Monatsende weitergezahlten Anwärterbezüge bei der Berechnung des Nachversicherungsbeitrages als beitragspflichtige Einnahmen
Leitsatz (amtlich)
Anwärterbezüge, die nach Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf bis zum Monatsende weitergezahlt werden, sind bei der Nachversicherung als beitragspflichtige Einnahmen zu berücksichtigen.
Normenkette
SGB 4 § 7 Abs. 1 S. 1; SGB 4 § 14 Abs. 1 S. 1; SGB 6 § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; SGB 6 § 8 Abs. 2 S. 1; SGB 6 § 162 Nr. 1; SGB 6 § 181 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 5; SGB 6 § 185 Abs. 1 S. 1; BBesG § 3 Abs. 2, § 59 Abs. 1, § 60 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 11. März 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 857,68 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der klagende Freistaat weitere Nachversicherungsbeiträge iHv 857,68 Euro an den beklagten Rentenversicherungsträger zu zahlen hat.
Der Kläger war Dienstherr der 13 beigeladenen Beamtinnen und Beamten im Vorbereitungsdienst (Anwärter), deren Beamtenverhältnisse auf Widerruf nach Ablegung der Laufbahnprüfung endete. Die Laufbahnprüfungen fanden im Zeitraum zwischen dem 30.1.2004 und dem 2.11.2007 statt. Der Kläger zahlte den Beigeladenen die Anwärterbezüge auch für die Zeit nach Mitteilung der Prüfungsergebnisse jeweils bis zum Ende des laufenden Kalendermonats weiter. Bei der Berechnung der an die Beklagte abzuführenden Nachversicherungsbeiträge legte er hingegen jeweils die Bezüge nicht für den gesamten Monat zugrunde, sondern lediglich anteilig bis zum Tag der schriftlichen Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse, also des Ausscheidens der Anwärter aus dem Beamtenverhältnis.
Mit Bescheid vom 28.11.2008 setzte die Beklagte nach vorheriger Anhörung des Klägers weitere Nachversicherungsbeiträge iHv 901,91 Euro und Säumniszuschläge dem Grunde nach fest. Die bis zum Ende des jeweiligen Ausscheidemonats bezogenen Anwärterbezüge seien nachzuversichern, weil die Anwärter nach § 60 S 1 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) Anspruch auf deren Zahlung hätten. Im anschließenden Klageverfahren hat die Beklagte ihre Beitragsforderung auf 857,68 Euro reduziert.
Das Sozialgericht (SG) hat den vorgenannten Bescheid mit Urteil vom 13.12.2010 aufgehoben. Beitragsbemessungsgrundlage seien die beitragspflichtigen Einnahmen aus der Beschäftigung im Nachversicherungszeitraum. Da die jeweilige Beschäftigung mit dem Ende des Beamtenverhältnisses (Ablegung der Laufbahnprüfung) geendet habe, fehle es hinsichtlich der streitigen Nachversicherungsbeiträge an dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen Arbeitsentgelt und Beschäftigung. Das Landessozialgericht (LSG) hat die SG-Entscheidung mit Urteil vom 11.3.2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die streitigen Anwärterbezüge seien in die Nachversicherung einzubeziehen, weil es sich bei ihnen um Arbeitsentgelt handele. Die Zahlung über den Zeitpunkt der Ablegung der Laufbahnprüfung hinaus bis zum Monatsende habe ihre Ursache im Beamtenverhältnis auf Widerruf. Auch bei dem Teil der Bezüge, der für den Zeitraum nach Ablegung der Laufbahnprüfung gezahlt werde, handele es sich um eine Gegenleistung für die Dienst- und Treuepflichten des Anwärters.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 14 SGB IV iVm §§ 8, 181 SGB VI und der Grundsätze des Beamten- und Besoldungsrechts. Das Beamtenverhältnis auf Widerruf ende jeweils mit Ablauf des Tages, an dem den Anwärtern das Bestehen oder endgültige Nichtbestehen der Laufbahnprüfung schriftlich mitgeteilt werde. Daher handele es sich bei den für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf bis zum Monatsende weiter gezahlten Anwärterbezüge um kein Arbeitsentgelt, das der Nachversicherung unterliege. Vielmehr sei von einer vergönnungsweisen Überlassung einmal gewährter Bezüge auszugehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 11. März 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 13. Dezember 2010 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des klagenden Freistaats ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger die von der Beklagten erhobenen Nachversicherungsbeiträge zu zahlen hat.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 28.11.2008, mit dem diese weitere Nachversicherungsbeiträge für die Beigeladenen jeweils für die Zeit nach Ablegung der Laufbahnprüfung bis zum Ende des laufenden Kalendermonats sowie noch nicht bezifferte Säumniszuschläge gegenüber dem Kläger festgesetzt hat, nur noch insoweit, als Nachversicherungsbeiträge iHv 857,68 Euro im Streit stehen. Auf diesen Betrag hat die Beklagte ihre Beitragsforderung mit von dem Kläger angenommenem Teilanerkenntnis reduziert. Zu Recht hat sie die geltend gemachten Nachversicherungsbeiträge durch Verwaltungsakt festgesetzt. Der für die Nachversicherung zuständige Rentenversicherungsträger ist berechtigt, auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern die Nachentrichtung von Beiträgen durch Verwaltungsakt einzufordern (Senatsurteil vom 1.7.2010 - B 13 R 67/09 R - SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 14; BSG Urteil vom 21.7.1992 - 4 RA 16/91 - Juris RdNr 18 mwN).
2. Die Klage ist zulässig, ohne dass es vor Erhebung der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG) der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte. Denn der Kläger führt die Klage als Land iS von § 78 Abs 1 S 2 Nr 3 SGG.
3. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 28.11.2008 nach Maßgabe des Teilanerkenntnisses rechtmäßig ist. Die nach Ablegung der Laufbahnprüfung jeweils noch bis zum Monatsende gezahlten Anwärterbezüge unterliegen der Nachversicherung.
Rechtsgrundlage für die Forderung der weiteren Nachversicherungsbeiträge ist § 181 iVm § 185 Abs 1 S 1 SGB VI. § 181 SGB VI modifiziert die allgemeinen Vorschriften über die Beitragsermittlung und bestimmt die Berechnungsgrundlagen der zu zahlenden Beiträge, wenn der Dienstherr die in der Vergangenheit liegende und bis zum Ausscheiden des Nachzuversichernden gemäß § 5 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI versicherungsfreie Beschäftigung nachträglich in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Die Berechnung der (Nachversicherungs-)Beiträge erfolgt nach den Vorschriften, die zum Zeitpunkt der Zahlung der Beiträge für versicherungspflichtige Beschäftigte gelten (§ 181 Abs 1 S 1 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage sind gemäß § 181 Abs 2 S 1 SGB VI die beitragspflichtigen Einnahmen aus der Beschäftigung im Nachversicherungszeitraum bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze. Als Tatbestandsvoraussetzungen für die Ermittlung der Beiträge werden gemäß § 181 Abs 2 S 1 SGB VI der Eintritt des Nachversicherungsfalls und die Erzielung beitragspflichtiger Einnahmen im Nachversicherungszeitraum vorausgesetzt (Senatsentscheidung vom 12.2.2004 - B 13 RJ 28/03 R - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2 RdNr 14). Die Beiträge der Nachversicherung werden von den Arbeitgebern, Genossenschaften oder Gemeinschaften getragen (§ 181 Abs 5 SGB VI) und von diesen unmittelbar an den Träger der Rentenversicherung gezahlt (§ 185 Abs 1 S 1 SGB VI).
a) Die Voraussetzungen für eine Nachversicherung der beigeladenen (ehemaligen) Anwärter liegen vor. Nachversichert werden gemäß § 8 Abs 2 S 1 SGB VI Personen, die ua als Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst versicherungsfrei waren, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind oder ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben und Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung nicht gegeben sind. Dies ist hier der Fall: Die Beamtenverhältnisse auf Widerruf der beigeladenen Anwärter endeten jeweils mit dem Ablauf des Tags, an dem ihnen das Bestehen oder endgültige Nichtbestehen der Laufbahnprüfung schriftlich mitgeteilt wurde (vgl § 38 Abs 3 Sächsisches Beamtengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.6.1999 ≪SächsGVBl 1999, 370≫ iVm § 12 Abs 5 Sächsische Laufbahnverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.8.2000 ≪SächsGVBl 2000, 398≫). Damit entfiel jeweils die Versicherungsfreiheit (§ 5 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI), sodass die Beigeladenen mangels ersichtlicher Aufschubtatbestände (vgl § 184 Abs 2 SGB VI) und mangels ersichtlicher Ansprüche oder Anwartschaften auf Versorgung nachzuversichern waren.
b) Die Anwärterbezüge unterliegen auch für die streitgegenständlichen Zeiträume der Nachversicherung. Es handelt sich bei ihnen um beitragspflichtige Einnahmen aus einer Beschäftigung, die dem Nachversicherungszeitraum zuzuordnen sind.
aa) Beitragspflichtige Einnahmen sind gemäß § 162 Nr 1 SGB VI bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung.
Arbeitsentgelt sind gemäß § 14 Abs 1 S 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.
Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs 1 S 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Wie sich bereits aus dem Wortlaut dieser Norm ergibt, ist das Arbeitsverhältnis nur ein möglicher rechtlicher Rahmen von Beschäftigung ("insbesondere"). Die Erbringung abhängiger Erwerbsarbeit ist ebenso im Rahmen öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse denkbar. Die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Beamten sind somit ebenfalls im sozialversicherungsrechtlichen Sinne Beschäftigte (BSG Urteil vom 15.7.2009 - B 12 KR 1/09 R - BSGE 104, 71 = SozR 4-1500 § 75 Nr 10, RdNr 18; speziell zum Beamtenverhältnis auf Widerruf ≪Rechtsreferendariat≫: BSG Urteil vom 12.12.1995 - 5/4 RA 52/94 - SozR 3-2200 § 1232 Nr 6 S 30 ff; vgl auch BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 R 1/13 R - SozR 4-2400 § 14 Nr 19 RdNr 16).
Die weite Begriffsbestimmung des Arbeitsentgelts in § 14 Abs 1 S 1 SGB IV erfasst solche Einnahmen, die dem Versicherten in ursächlichem Zusammenhang mit einer Beschäftigung zufließen (vgl BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 1/11 R - SozR 4-2400 § 14 Nr 16 RdNr 17; BSG Urteil vom 14.3.2012 - B 14 AS 18/11 R - SozR 4-4200 § 30 Nr 2 RdNr 13; BSG Urteil vom 7.3.2007 - B 12 KR 4/06 R - SozR 4-2400 § 14 Nr 8 RdNr 15; BSG Urteil vom 28.1.1999 - B 12 KR 14/98 R - BSGE 83, 266, 267 = SozR 3-2400 § 14 Nr 17 S 36, 38), wobei entsprechend der Weite des Wortlauts keine strengen Anforderungen an den Zusammenhang zwischen Einnahme und Beschäftigung anzulegen sind (vgl BSG Urteil vom 26.5.2004 - B 12 KR 2/03 R - SozR 4-2400 § 14 Nr 2 RdNr 11; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 17.9.2014 - L 8 R 83/13 - Juris RdNr 54; Knospe in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 14 RdNr 25, Stand: Einzelkommentierung 5/2013).
Hierzu gehören unproblematisch die Gegenleistungen des Arbeitgebers oder eines Dritten für eine konkret zu ermittelnde Arbeitsleistung des Beschäftigten und solche Vergütungen, die zugleich einen Anreiz für weitere erfolgreiche Arbeit schaffen sollen, wie Gratifikationen, Gewinnbeteiligungen und sonstige Vorteile (BSG Urteil vom 7.3.2007 - B 12 KR 4/06 R - SozR 4-2400 § 14 Nr 8 RdNr 15; BSG Urteil vom 28.1.1999 - B 12 KR 14/98 R - BSGE 83, 266, 267 = SozR 3-2400 § 14 Nr 17 S 36, 38). Dabei ist es unerheblich, ob die Einnahmen unmittelbar aus der Beschäftigung oder nur mittelbar im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (vgl BSG Urteil vom 29.1.2004 - B 4 RA 19/03 R - SozR 4-8570 § 8 Nr 1 RdNr 12; BSG Urteil vom 26.5.2004 - B 12 KR 2/03 R - SozR 4-2400 § 14 Nr 2 RdNr 11). Ebenso erfasst werden Zahlungen, denen ein Anspruch des Arbeitgebers auf eine Arbeitsleistung nicht gegenübersteht, wie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder das Urlaubsgeld (BSG Urteil vom 14.3.2012 - B 14 AS 18/11 R - SozR 4-4200 § 30 Nr 2 RdNr 13; BSG Urteil vom 28.1.1999 - B 12 KR 14/98 R - BSGE 83, 266, 267 = SozR 3-2400 § 14 Nr 17 S 36, 38). Hingegen handelt es sich bei Einnahmen, die zwar während des Beschäftigungsverhältnisses erzielt wurden, ihren Entstehungsgrund jedoch nicht in der Beschäftigung haben (zB Schadenersatz des Arbeitgebers: BFH Urteil vom 20.9.1996 - VI R 57/95 - Juris RdNr 9), nicht um Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IV (Knospe in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 14 RdNr 25, Stand: Einzelkommentierung 5/2013).
Das Erfordernis des ursächlichen Zusammenhangs umfasst auch den zeitlichen Zusammenhang, sodass ihrem Zweck nach lediglich auf den Zeitraum nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bezogene Leistungen nicht erfasst werden. Zwar gehören zum Arbeitsentgelt auch Einnahmen, die nicht unmittelbar aus der Beschäftigung, sondern nur "im Zusammenhang mit ihr" erzielt werden (§ 14 Abs 1 S 1 SGB IV), was besonders bei einmaligen Einnahmen wie einer Abfindung zutreffen kann. Auch solche Einnahmen müssen jedoch, um als Arbeitsentgelt aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beitragspflichtig zu sein, sich zeitlich dieser versicherungspflichtigen Beschäftigung zuordnen lassen, dh auf die Zeit der Beschäftigung und der Versicherungspflicht entfallen (vgl BSG Urteil vom 25.10.1990 - 12 RK 40/89 - Juris RdNr 19).
bb) Vorliegend handelt es sich bei den vom Kläger gezahlten Anwärterbezügen, die nach der Beendigung des jeweiligen Beamtenverhältnisses auf Widerruf bis zum Ende des laufenden Kalendermonats entrichtet wurden, um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IV, weil diese Bezüge sich dem Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst sachlich und zeitlich zuordnen lassen. Sie unterliegen damit der Nachversicherung.
(1) Das Bundessozialgericht hat bereits entschieden, dass es sich bei der Besoldung eines Beamten um Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IV handelt, weil zu einer Beschäftigung im Sinne dieser Vorschrift auch ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zählt (BSG Urteil vom 4.6.1991 - 12 RK 43/90 - SozR 3-2200 § 180 Nr 7 S 15 f). Gleiches gilt für Anwärterbezüge, die für die Zeit der Ausübung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf im Vorbereitungsdienst gewährt werden (vgl auch BSG Urteil vom 8.11.1989 - 1 RA 21/88 - SozR 2200 § 1402 Nr 11 S 26, 30).
(2) Entgegen der Auffassung des Klägers ist dies für diejenigen Anwärterbezüge, die er als Dienstherr den Beigeladenen für Zeiträume nach der Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf bis zum jeweiligen Monatsende erbracht hat, nicht anders zu beurteilen.
Rechtsgrundlage für die Weitergewährung der Anwärterbezüge ist § 1 Abs 1 Sächsisches Besoldungsgesetz in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 28.1.1998 (SächsGVBl 1998, 50) iVm § 60 S 1 BBesG in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 6.8.2002 (BGBl I 3020). Endet das Beamtenverhältnis eines Anwärters kraft Rechtsvorschrift oder allgemeiner Verwaltungsanordnung mit dem Bestehen oder endgültigen Nichtbestehen der Laufbahnprüfung, werden (ua) die Anwärterbezüge für die Zeit nach Ablegung der Prüfung bis zum Ende des laufenden Monats weitergewährt.
§ 60 S 1 BBesG ist eine Sondervorschrift zugunsten von Anwärtern. Sie knüpft an die beamtenstatusrechtlichen Vorschriften an, nach denen das Widerrufsbeamtenverhältnis des Anwärters mit dem Bestehen oder endgültigen Nichtbestehen der Laufbahnprüfung endet (Dawin in Kugele, BBesG, 2011, § 60 RdNr 2). Grundsätzlich endet der Anspruch auf Besoldung nämlich ansonsten gemäß § 3 Abs 2 BBesG bereits mit Ablauf des Tags, an dem der Beamte aus dem Dienstverhältnis ausscheidet.
(a) Die auf der Grundlage des § 60 S 1 BBesG bis zum Monatsende gewährten Anwärterbezüge sind deshalb Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IV, weil die Anwärter auf diese einen Anspruch (vgl § 194 Abs 1 BGB) haben. Aus dem Wortlaut des § 60 S 1 BBesG und der systematischen Verortung der Vorschrift im Abschnitt über die Anwärterbezüge - nach § 59 Abs 1 BBesG, wonach Anwärter Anwärterbezüge erhalten - ergibt sich, dass diese Bezüge den Anwärtern nicht nur "vergönnungsweise" bis zum Monatsende belassen werden, sondern dass ihnen das Gesetz einen entsprechenden Besoldungsanspruch bis zum Monatsende einräumt (vgl OVG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 18.12.2002 - 2 L 24/01 - Juris RdNr 18; Reich/Preißler, BBesG, 2014, § 59 RdNr 2 iVm § 60 RdNr 3).
Der Unterschied zu einem (bloßen) Belassen der Bezüge beim Anwärter bzw einem Absehen von der Rückforderung wird auch daran deutlich, dass das Besoldungsrecht in § 12 Abs 2 S 3 BBesG eine entsprechende Möglichkeit kennt, aus Billigkeitsgründen von der nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften vorzunehmenden Erstattung überzahlter Bezüge (§ 12 Abs 2 S 1 BBesG) ganz oder teilweise abzusehen.
(b) Entgegen der Ansicht des Klägers hat dieser gesetzlich eingeräumte Besoldungsanspruch der Anwärter auch einen zureichenden Rechtsgrund in dem Beamtenverhältnis auf Widerruf, der es rechtfertigt, die nach dessen Beendigung bis zum Monatsende weitergewährten Bezüge dem (bisherigen) Anwärterbeamtenverhältnis zuzuordnen.
Denn das Rechtsverhältnis des Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst unterscheidet sich grundsätzlich von dem Rechtsverhältnis anderer Beamtengruppen. Dem Anwärter wird kein Amt im statusrechtlichen Sinn übertragen. Das zeitlich beschränkte Dienstverhältnis wird zum Zweck der Ausbildung begründet, wobei der Anwärter während der Zeit der Ausbildung für seinen Dienstherrn nur eine beschränkte Dienstleistung erbringt. Es gibt dementsprechend keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums des Inhalts, dass Angehörige des öffentlichen Dienstes im Ausbildungsverhältnis - mögen sie auch Beamte auf Widerruf sein - zu alimentieren sind (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 7.10.1992 - 2 BvR 1318/92 - Juris RdNr 5; dem folgend: BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 3.7.2007 - 2 BvR 733/06 - Juris RdNr 4; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 24.9.2007 - 2 BvR 442/06 - Juris RdNr 10; s auch BVerfG Beschluss vom 12.4.1972 - 2 BvR 704/70 - BVerfGE 33, 44, 50). Deshalb sind die dem Anwärter im Rahmen der §§ 59 ff BBesG gewährten Anwärterbezüge nicht auf Vollalimentation ausgelegt, sondern stellen lediglich eine Hilfe zur Bestreitung des Lebensunterhalts während der Ausbildungszeit dar (BVerfG aaO). Da der Anwärter während der Ausbildungszeit generell daran gehindert ist, sich seinen Lebensunterhalt durch andere Tätigkeiten zu verdienen (BVerwG Urteil vom 3.9.1970 - II C 34.69 - BVerwGE 36, 61, 66), hat der Dienstherr die finanziellen Voraussetzungen für die Ausbildung der Anwärter und die Ablegung der Laufbahnprüfungen zu schaffen. Dem korrespondiert die Pflicht der Anwärter, sich der Ausbildung ernsthaft zu widmen (vgl BVerwG Urteil vom 23.3.1977 - VI C 8.74 - BVerwGE 52, 183, 188). Ihre Rechtsgrundlage finden die Anwärterbezüge demnach in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl BVerwG Beschluss vom 17.3.2014 - 2 B 45/13 - Juris RdNr 16; BVerwG Beschluss vom 8.12.2009 - 2 B 43/09 - Juris RdNr 6).
Mit der Vorschrift des § 60 S 1 BBesG wollte der Gesetzgeber insoweit eine "Verbesserung gegenüber den bisherigen Bundes- und Länderregelungen" erreichen, als der Anspruch auf Anwärterbezüge nicht mehr - wie im Übrigen weiterhin nach der allgemeinen Regelung des § 3 Abs 2 BBesG - am Tag der Beendigung des Anwärterverhältnisses endet (vgl BT-Drucks 7/1906 S 90 - zu § 63). Damit hat die Weiterzahlung der Anwärterbezüge bis zum Monatsende nach Ablegung der Laufbahnprüfung nach § 60 S 1 BBesG ihren Rechtsgrund im (bisherigen) Anwärterbeamtenverhältnis. Denn der Anwärter soll in der Prüfungszeit auch bis zum Abschluss des Monats seiner Laufbahnprüfung nicht auf die bisherige Hilfe zur Bestreitung des Lebensunterhalts verzichten müssen, soweit der Lebensunterhalt nicht durch ein anderes Dienstverhältnis gedeckt ist. Folgerichtig werden nach § 60 S 2 BBesG in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 6.8.2002 (aaO) denjenigen Beamten, deren Lebensunterhalt durch Anspruch auf Bezüge aus einer hauptberuflichen Tätigkeit bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn oder bei einer Ersatzschule gesichert ist, die Anwärterbezüge nur bis zum Tag vor Beginn dieses Anspruchs belassen.
Die Weiterzahlung der Anwärterbezüge ist zudem auch deshalb in dem (bisherigen) Beamtenverhältnis begründet, weil das Anwärterbeamtenverhältnis der Erlangung der Befähigung für die Beamtenlaufbahn dient. Der Gesetzgeber geht bei Anwärtern - wie im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung auch anhand ihrer Einbeziehung in die Versicherungsfreiheit (§ 5 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI) deutlich wird - typisierend davon aus, dass die Stellung als Anwärter mit Wahrscheinlichkeit in ein (wiederum versicherungsfreies) Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übergehen wird (vgl BT-Drucks 11/4124 S 150 - zu § 5 SGB VI; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 5 RdNr 55, Stand: Einzelkommentierung 4/2014). Dem trägt § 60 S 1 BBesG mit dem Besoldungsanspruch für den Prüfungsmonat Rechnung. Um eine statuslose Zwischenzeit bei solchen Anwärtern zu vermeiden, die eingestellt werden sollen, ist es in der Praxis (sogar) nicht unüblich, das Prüfungszeugnis erst am Tag der Ernennung zum Beamten auf Probe auszuhändigen, was zur Folge hat, dass die Anwärterbezüge bis zu diesem Zeitpunkt weiter gezahlt werden (vgl Buchwald in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, § 60 BBesG RdNr 4, Stand: Einzelkommentierung 7/2010; Plog/Wiedow, Kommentar zum BBG ua mit BBesG, § 60 BBesG RdNr 13, Stand: Einzelkommentierung 3/2012). Im Unterschied zur (echten) Abfindung soll mit der Weitergewährung der Anwärterbezüge bis zum Monatsende kein Verlust künftiger Verdienstmöglichkeiten kompensiert werden, sondern die Weitergewährung der Bezüge dient (auch) als Hilfe zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Anwärters in der Interimsphase bis zur Berufung in ein neues Beamtenverhältnis, zu dem der erfolgreiche Abschluss der Laufbahnprüfung befähigt, sodass auch insoweit ein hinreichender sachlicher Zusammenhang zum (bisherigen) Beamtenverhältnis auf Widerruf besteht.
(c) Soweit vertreten wird, dass die Regelung des § 60 S 1 BBesG (auch) aus Praktikabilitäts- (Plog/Wiedow, Kommentar zum BBG ua mit BBesG, § 60 BBesG RdNr 7, Stand: Einzelkommentierung 3/2012) bzw aus Vereinfachungsgründen und zur Vermeidung von Rückzahlungen geschaffen worden sei (vgl Buchwald in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, § 60 BBesG RdNr 2, Stand: Einzelkommentierung 7/2010), führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen dürfte hierin nicht das zentrale gesetzgeberische Motiv zur Schaffung der Vorschrift gelegen haben, weil dieser Aspekt in den Gesetzesmaterialien nicht erwähnt wird. Zum anderen hat das LSG zutreffend entschieden, dass auch dieser Gesichtspunkt nicht dagegen spricht, die bis zum Monatsende weitergewährten Anwärterbezüge als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt einzustufen.
Nach alledem besteht eine hinreichende Verbindung zwischen der Beschäftigung als Anwärter und der für den Zeitraum nach dem Tag der Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse über das Bestehen oder endgültige Nichtbestehen der Laufbahnprüfung jeweils bis zum Monatsende weitergewährten Anwärterbezüge. Diese Bezüge können sachlich und zeitlich dem Anwärterbeamtenverhältnis zugeordnet werden, sodass es sich bei ihnen ebenfalls um Arbeitsentgelt iS von § 14 Abs 1 S 1 SGB IV und damit um der Nachversicherung unterliegende beitragspflichtige Einnahmen iS des § 181 Abs 2 S 1 SGB VI handelt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos eingelegten Rechtsmittels. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO - vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 S 1 GKG.
Fundstellen
SGb 2016, 31 |
Breith. 2016, 435 |