Beteiligte
Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen |
Landwirtschaftliche Alterskasse Berlin |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 18. März 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht zur beklagten landwirtschaftlichen Alterskasse für den Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 14. Dezember 1996.
Die 1964 geborene Klägerin war die – bis Januar 1999 – nicht getrennt lebende Ehefrau eines zur Beklagten beitragspflichtigen Landwirts. Die Beklagte stellte ihre Versicherungspflicht nach § 1 Abs 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) mit Bescheid vom 22. August 1995 fest. Die im April 1995 beantragte Befreiung nach § 3 Abs 1 ALG, welche die Klägerin mit dem regelmäßigen Bezug von Arbeitslosenhilfe (Alhi) begründete, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. August 1995 ab. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 1996). Aufgrund einer ab 15. Dezember 1996 aufgenommenen Beschäftigung befreite die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 20. Mai 1997 von der Versicherungspflicht.
Die Klage auf Befreiung von der Versicherungspflicht für den Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 14. Dezember 1996 hat das Sozialgericht (SG) Nordhausen mit Urteil vom 3. August 1998 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Thüringer Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 18. März 1999 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei der Alhi handele es sich nicht um Erwerbsersatzeinkommen nach § 3 Abs 4 ALG, sie sei keine „vergleichbare Leistung von einem Sozialleistungsträger” iS dieser Vorschrift. Zum einen stehe Alhi nur bei Bedürftigkeit auch unter Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens des jeweiligen Lebenspartners zu. Es könne jedoch nicht Sinn und Zweck des § 3 ALG sein, die Versicherungspflicht bei eigener Bedürftigkeit und der des Lebenspartners entfallen zu lassen. Zudem werde nach herrschender Meinung die Alhi nicht als Erwerbsersatzeinkommen iS des auch für die Alterssicherung der Landwirte geltenden § 18a Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften der Sozialversicherung – (SGB IV) – mit einem zu § 3 Abs 4 ALG ähnlichen Wortlaut – verstanden. Soweit § 116 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) die Alhi als eine Entgeltersatzleistung bezeichne, sei zu beachten, daß diese Vorschrift nicht für die Alterssicherung der Landwirte gelte und die Begriffe Erwerbsersatzeinkommen und Entgeltersatzleistung nicht identisch sein dürften. Zudem sei wegen der grundsätzlichen Subsidiarität der Alhi davon auszugehen, daß die Produktionsaufgaberente nach dem Gesetz zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) vorrangig zu zahlen sei. Deshalb könne die Alhi nicht unter § 8 Abs 1 FELEG fallen, wonach der Grundbetrag der Produktionsaufgaberente ruhe, wenn diese Leistung ua mit Erwerbsersatzeinkommen iS des § 3 Abs 4 ALG zusammentreffe.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 3 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 4 ALG. Die Befreiungsmöglichkeit werde eingeräumt, wenn wegen anderweitigen Einkommens wie hier im Falle von Alhi schon eine Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung bestehe. § 153 Satz 2 SGB III stelle Alhi mit der – ausdrücklich von der Versicherungspflicht befreienden – Leistung von Unterhaltsgeld gleich. Ebenso wie das Arbeitslosengeld (Alg) handele es sich bei Alhi um eine Lohnersatzleistung, die von der Höhe des ausfallenden früheren Einkommens abhängig sei. § 198 SGB III bestimme den Anspruch auf Alg und Alhi als einheitlichen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit. Die versagte Befreiung begegne verfassungsrechtlichen Bedenken aus der Sicht der Art 3 und 6 Grundgesetz (GG), da die Klägerin trotz anderweitig hinreichender Absicherungen für das Alter nicht auf die Rente von der Beklagten verzichten dürfe. Ihr sei nicht die Möglichkeit eingeräumt worden, die gesetzliche Vermutung ihrer Landwirtseigenschaft zu widerlegen. Für den Zeitraum 1995 bis 1996 habe sie ca DM 6.000,– an Beiträgen zur Beklagten zu entrichten, ohne eine Gegenleistung erwarten zu können.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Thüringer Landessozialgerichts vom 18. März 1999 und des Sozialgerichts Nordhausen vom 3. August 1998 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. August 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 1996 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1995 bis 14. Dezember 1996 von der Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Alhi zähle nicht zu den „vergleichbaren Leistungen von einem Sozialleistungsträger” iS des § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG und damit nicht zu Erwerbsersatzeinkommen nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG. Bei dieser Leistung überwiege, ebenso wie bei der Kriegsopferfürsorge und der Sozialhilfe, der fürsorgerechtliche Charakter gegenüber dem Lohnersatzcharakter. Eine anderweitige Absicherung spreche nicht gegen die Einbeziehung in den Personenkreis der Alterssicherung der Landwirte, welche auf eine „ausreichende” anderweitige Absicherung abstelle (Hinweis auf BT-Drucks 12/5889). Die Einkommensdefinition des § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG sei aus dem alten § 3c Abs 2 Buchst c des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) in dem Wissen übernommen worden, daß nach der Praxis der landwirtschaftlichen Alterskassen bereits dort die Alhi nicht zum anrechenbaren Erwerbsersatzeinkommen gezählt worden sei. Soziale Härten seien mit der Beitragspflicht nicht verbunden, da die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aus der Alhi von der Bundesanstalt für Arbeit getragen und in der Alterssicherung der Landwirte der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des einzelnen im Rahmen des Beitragszuschußrechts Rechnung getragen werde.
II
Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht zur Beklagten wegen des Bezugs von Alhi. Bei dieser Leistung handelte es sich nicht um eine „vergleichbare Leistung von einem Sozialleistungsträger” iS des § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG.
Die Klägerin, die im streitigen Zeitraum als nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin eines Landwirts nach § 1 Abs 3 Satz 1 iVm Abs 1 Nr 1 ALG zur Beklagten versicherungspflichtig ist, erfüllt wegen des Bezugs von Alhi – ein weiterer Befreiungsgrund kommt nicht in Betracht – nicht den Befreiungstatbestand des § 3 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 4 Satz 1 und Satz 2 Nr 2 ALG.
Nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG werden Landwirte auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, so lange sie regelmäßig ua „Erwerbsersatzeinkommen (Abs 4) beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft ein Siebtel der Bezugsgröße überschreitet”. Der Begriff „Erwerbsersatzeinkommen” wird wiederum in Abs 4 Satz 1 dahingehend definiert, daß hierzu Leistungen zählen, „die aufgrund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen”. Hierzu zählen insbesondere (nach Satz 2 Nr 2) „Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld … oder Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem Arbeitsförderungsgesetz (ab dem 1. Januar 1998: Dritten Buch Sozialgesetzbuch) und vergleichbare Leistungen von einem Sozialleistungsträger”.
Die Gesetzgebungsmaterialien zu § 3 Abs 4 ALG (im ursprünglichen Gesetzentwurf noch § 2 Abs 2, s BT-Drucks 12/5700, S 9, 71; BT-Drucks 12/7599 S 8) geben hierzu keinen näheren Aufschluß. Allerdings wurde mit dieser Vorschrift der Regelungsgehalt des früheren § 3c Abs 2 GAL fast wörtlich übernommen. Zu dieser, mit dem Dritten Agrarsozialen Ergänzungsgesetz (3. ASEG) vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2475) eingeführten Norm (über die Voraussetzungen für den damals neu eingeführten Beitragszuschuß) hieß es jedoch in der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drucks 10/3483 S 17) ausdrücklich: „Vergleichbare Sozialleistungen nach Absatz 2 Buchstabe c sind beispielsweise das Mutterschaftsurlaubsgeld, Kurzarbeiter- und Schlechtwettergeld, nicht aber Leistungen mit fürsorgerechtlichem Charakter wie Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe”.
Daß diese Erwägung auch im Rahmen des § 3 Abs 4 ALG zutrifft, ergibt sich zunächst daraus, daß sämtliche in § 3 Abs 4 Satz 2 Nrn 1 und 2 ALG ausdrücklich angeführten Leistungen ohne jegliche Bedürftigkeitsprüfung gewährt werden; sie können damit tatsächlich iS des § 3 Abs 4 Satz 1 ALG „Erwerbseinkommen … ersetzen”. Dagegen setzt die Alhi voraus, daß der arbeitslose Arbeitnehmer bedürftig ist, also seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht (§ 134 Abs 1 Nr 3, § 137 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz ≪AFG≫; § 190 Abs 1 Nr 5, § 193 Abs 1 SGB III). Schon dies spricht dafür, Alhi nicht als „Erwerbsersatzeinkommen” iS des § 3 ALG anzusehen.
Daß das aus den Materialien zu § 3c Abs 2 GAL gewonnene Argument auch auf § 3 Abs 4 ALG zutrifft, ergibt sich gleichermaßen aus dem FELEG. Nach § 8 Abs 1 FELEG idF des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (ASRG 1995), mit dem auch § 3 Abs 4 ALG eingeführt wurde, ruht der Grundbetrag der Produktionsaufgaberente teilweise, wenn sie ua mit „Erwerbsersatzeinkommen iS des § 3 Abs 4 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte” zusammentrifft. Die Vorschrift des § 8 FELEG verwies jedoch bis zum ASRG pauschal auf das „Einkommen … im Sinne des § 3c Abs 2” GAL; die mit dem ASRG 1995 insoweit verbundenen Abweichungen wiederum bezeichnen die entsprechenden Gesetzesmaterialien als „ohne wesentliche inhaltliche Änderung” (BT-Drucks 12/5700 S 100). Damit hat auch der Gesetzgeber des ASRG 1995 die Alhi als grundsätzlich gegenüber der Produktionsaufgaberente subsidiär angesehen. Würde man – mit der Klägerin – die Alhi als „Erwerbsersatzeinkommen” nach § 3 Abs 4 ALG zurechnen, ergäbe sich jedoch die gegenteilige Rechtsfolge: Nach § 138 Abs 3 Nr 4 AFG (§ 194 Abs 3 Nr 5 SGB III) gelten bei der Berechnung der Alhi Leistungen nicht als Einkommen, die unter Anrechnung der Alhi erbracht werden.
Zur Frage der Heranziehung zu zwei getrennten Altersversorgungssystemen ist darauf hinzuweisen, daß das ALG für die Alterssicherung der Landwirte nur eine Teilabsicherung gewährleistet, neben der auch anderweitig zB Vermögen oder Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zum Zwecke der Alterssicherung aufgebaut werden können und sollen. Der einheitliche Pflichtbeitrag dient dem Erwerb einer Teilversorgung von weniger als der Hälfte einer durchschnittlichen Rente in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl Senatsurteil vom 30. Juni 1999 – B 10 LW 17/98 R, Umdruck S 6 f; Senatsurteil vom 8. Oktober 1998 – B 10 LW 2/98 R, EzS 130/434).
Gegen das Auslegungsergebnis des Senats sprechen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Zusammenspiel der Regelungen von AFG (jetzt: SGB III) und ALG führt vielmehr in der Regel dazu, daß Landwirte, die Alhi beziehen, ihre Beiträge zur Alterssicherung der Landwirte nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen zu tragen haben. Dies erklärt sich aus folgendem:
Die Gewährung von Alhi setzt Bedürftigkeit voraus. Hieraus folgt, daß – jedenfalls regelmäßig – der betroffene Landwirt (oder Ehegatte: § 1 Abs 3 ALG) einen nicht unerheblichen Anspruch auf Beitragszuschuß zu den Beiträgen zur Beklagten hat. Nach § 33 ALG besteht Anspruch auf den Beitragszuschuß in voller Höhe (80 % des Beitrags) bis zu einem jährlichen Einkommen von DM 16.000,– (bzw für Ehepaare bis zum doppelten Betrag: § 32 Abs 2 ALG). Der vom Betroffenen persönlich zu tragende Rest von 20 % des Beitrags (im Jahre 1995 also – Wert des Beitrittsgebiets nach § 7 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 1995 ≪BGBl I 1994, 3806≫ – DM 47,40/Monat) ist wiederum bei der Bedürftigkeitsprüfung für die Alhi vom Einkommen abzusetzen (§ 138 Abs 2 Nr 2 AFG, nunmehr § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III). Dies aber bedeutet nichts anderes, als daß der Betrag der der Klägerin zustehenden Alhi jedenfalls dann um genau den Betrag ansteigt, der als (Rest-)Beitrag zur Beklagten zu entrichten ist, wenn eigenes Einkommen – zB aus Landwirtschaft – auf die Alhi anzurechnen ist. Dieser Absenkung der Eigenleistung an dem Beitrag zur Alterssicherung der Landwirte auf DM 0,–/Monat stehen nicht unerhebliche Leistungsansprüche gegenüber. Für den Regelfall, daß der Landwirt in der gesetzlichen Rentenversicherung die Wartezeit von 60 Monaten zurückgelegt hat, führt nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG (idF des Gesetzes vom 15. Dezember 1995, BGBl I 1814) jeder Beitrag zu Rentenansprüchen. Nach der genannten Vorschrift werden nämlich auf die Wartezeiten nach dem ALG die Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet.
Soweit sich die Klägerin gegen ihre Beitragspflicht zur Beklagten mit der Argumentation wendet, ihr Ehemann lebe von ihr getrennt und sie habe zu keinem Zeitpunkt „auf dem Hof” gewohnt oder dort mitgearbeitet, weist der Senat darauf hin, daß die grundsätzliche Versicherungspflicht des – nicht getrennt lebenden – Ehegatten eines Landwirts nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 25. November 1998, BSGE 83, 145 sowie vom 12. Februar 1998, BSGE 81, 294) keine verfassungsrechtlichen Bedenken aufwirft. Dies gilt erst recht für eine – wie oben erläutert – in der Regel vorteilhafte Versicherungspflicht, bei der die Beiträge typischerweise nicht zu Lasten der Versicherten gehen. Da die Klägerin ferner im Erörterungstermin vom 26. Januar 1999 vor dem LSG erklärt hat, sie lebe – erst – „ab diesem Monat” von ihrem Ehemann getrennt, kann dieser Umstand für den streitigen Zeitraum (1995 bis 1996) keine Berücksichtigung finden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
DStR 2000, 1321 |
NZS 2000, 409 |
SozSi 2001, 70 |