Leitsatz (amtlich)
Der Empfang von Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung schließt ohne Rücksicht auf deren Höhe nach KGKG § 3 Abs 3 iVm KGG § 3 Abs 2 Nr 7 auch das nach KGKG § 35 rückwirkend vom 1961-04-01 an zu gewährende Zweitkindergeld aus.
Normenkette
RVO § 559b Abs. 2 S. 1 Fassung: 1961-07-18, § 583; KGKG §§ 38, 3 Abs. 3, § 35; KGG § 3 Abs. 2 Nr. 7
Tenor
1.) Die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. Juli 1963 werden, soweit sie den von dem Kläger erhobenen Anspruch auf Zweitkindergeld betreffen, als unbegründet zurückgewiesen.
2.) Die Revision der Beigeladenen wird, soweit sie beantragt festzustellen, daß sie nicht verpflichtet sei, dem Kläger vom 1. April bis zum 30. Juni 1961 die Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe des gesetzlichen Zweitkindergeldes zu gewähren, als unzulässig verworfen.
3.) Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger hat vier eheliche Kinder, H-P, geb. 1946, G, geb. 1949, M, geb. 1950 und B-H, geb. 1952. Er bezieht für die Folgen eines Arbeitsunfalles von der Beigeladenen eine Unfallrente in Höhe von 60 % der Vollrente, zu der für sämtliche Abkömmlinge Kinderzulagen gewährt werden. Diese betrugen für die Kinder P und G zunächst je 14,98 DM. Ab Juli 1961 erhöhte die Beigeladene die Kinderzulage für das Kind G auf 25.- DM.
Im Oktober 1961 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Zweitkindergeld. Mit Bescheid vom 14. Oktober 1961 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, weil der Kläger für sein zweites Kind G Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhalte und daher ein Anspruch auf Zweitkindergeld nach § 3 Abs. 3 des Kindergeldkassengesetzes (KGKG) in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Nr. 7 des Kindergeldgesetzes (KGG) ausgeschlossen sei. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.
Nachdem auch die für die Gewährung der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung zuständige Bayerische Bau-Berufsgenossenschaft es abgelehnt hatte, dem Kläger für sein zweites Kind G bereits für die Zeit vom 1. April bis 30. Juni 1961 erhöhte Kinderzulage zu zahlen, erhob dieser Klage gegen die Bescheide der Beklagten und beantragte, sie zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 1961 Zweitkindergeld zu gewähren. Das Sozialgericht (SG) lud die Bayerische Bau-Berufsgenossenschaft nach § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bei und gab mit Urteil vom 15. Mai 1962 dem Antrag des Klägers statt, da die Ausschlußvorschrift des § 3 Abs. 3 KGKG erst mit der Änderung des § 559 b Abs. 2 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO), d. h. mit der Anpassung der Kinderzulage an das Zweitkindergeld nach dem KGKG, am 23. Juli 1961 in Kraft getreten sei. Berufung wurde zugelassen.
Auf die Berufung der Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG auf und wies die Klage ab. Es führte in seinen Urteilsgründen aus: Ein Anspruch des Klägers auf Zweitkindergeld sei wegen des Bezuges von Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung ohne Rücksicht auf deren Höhe nach §§ 3 Abs. 3 KGKG, 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG ausgeschlossen. Andererseits müsse aber, wenn für das zweite Kind Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt werde, diese schon vom 1. April 1961 an in Höhe von 25.- DM gezahlt werden, weil sie nach dem Willen des Gesetzgebers ohne Beschränkung auf die Zeit nach Inkrafttreten des KGKG an die Stelle des Zweitkindergeldes gesetzt worden sei.
Revision wurde zugelassen.
Der Kläger hat Revision eingelegt mit dem Antrag
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Augsburg vom 15. Mai 1962 zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, das Berufungsgericht habe zwar richtig erkannt, daß der Gesetzgeber vom 1. April 1961 an einheitlich allen Zweitkindern entweder Kindergeld oder aber Kinderzulage in Höhe von 25.- DM sichern wollte. Dann ergebe sich aber eine Gesetzeslücke, wenn das Zweitkindergeld nach dem KGKG bei Antragstellung bis zum 30. Juni 1962 bereits vom 1. April 1961 an mit diesem Betrag gezahlt, die das Zweitkindergeld ausschließende Zulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung aber erst vom Juli 1961 an auf die gleiche Höhe angehoben werde. Der Gesetzgeber habe vielmehr den Empfängern von Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung für das zweite Kind ebenfalls schon vom 1. April 1961 an mindestens den gleichen Betrag zuwenden wollen, wie ihn die nach dem KGKG Berechtigten für Zweitkinder erhielten. Daher sei die Beklagte verpflichtet, ihm für die streitige Zeit Zweitkindergeld, zumindest aber den Differenzbetrag zwischen diesem und der Kinderzulage aus der Unfallversicherung, zu gewähren.
Die Beigeladene hat gleichfalls Revision eingelegt und beantragt,
das angefochtene LSG-Urteil dahin abzuändern, daß sie nicht verpflichtet sei, dem Kläger für die Zeit vom 1. April 1961 bis 30. Juni 1961 den Differenzbetrag zwischen der bereits gewährten Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung und dem Zweitkindergeld nachzuzahlen,
hilfsweise,
das Urteil des Bayer. LSG vom 17. Juli 1963 aufzuheben und die Entscheidung des SG Augsburg vom 15. Mai 1962 zu bestätigen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Sie ist der Meinung, eine Gesetzeslücke liege nicht vor, so daß eine Erhöhung der Zulage für Zweitkinder aus der gesetzlichen Unfallversicherung erst vom 1. Juli 1961 an gewährt werden könne. Zwar möge es unsozial erscheinen, daß die Unfallversicherten für drei Monate schlechter gestellt würden als die Bezieher von Zweitkindergeld nach dem KGKG, doch gehe dies rechtlich und sachlich nicht zu ihren Lasten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, es handele sich bei der fehlenden Anpassung der Kinderzulage für Zweitkinder in der gesetzlichen Unfallversicherung für die fragliche Zeit an das Zweitkindergeld nicht um eine Gesetzeslücke, sondern um ein bewußtes Schweigen des Gesetzgebers, weshalb die Gerichte nicht befugt seien, eine abweichende oder ergänzende Regelung zu treffen. Darüber hinaus müßte dem Kläger, wenn man sich seiner Ansicht anschließe, entweder neben der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung das volle Zweitkindergeld gewährt werden - was dem Grundsatz des Verbots von Doppelleistungen widerspreche - oder ihm sei der Unterschiedsbetrag zwischen dem Zweitkindergeld und der Kinderzulage zu zahlen, womit jedoch ein dem KGKG völlig fremdes Teilkindergeld geschaffen werde.
II
Ebenso wie die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision des Klägers ist auch die nach der gleichen Vorschrift statthafte Revision der Beigeladenen zulässig, weil sie durch das Urteil des LSG beschwert ist. Die Beschwer setzt bei einem Beigeladenen nicht voraus, daß das angefochtene Urteil zu seinen Ungunsten von seinen in der Vorinstanz gestellten Anträgen abweicht, sondern liegt bereits dann vor, wenn das angefochtene Urteil seinem Inhalt nach für ihn ungünstig ist (BSG 9, 251; BSG vom 30. Juni 1964 - 7 RKg 2/63). Dies ist vorliegend der Fall, weil das LSG den gegen die Beklagte erhobenen Zweitkindergeld-Anspruch abgewiesen und zudem in der Begründung ausgeführt hat, die Beigeladene sei für die fragliche Zeit zur entsprechenden Erhöhung der Kinderzulage verpflichtet. Die Beigeladene wäre im Falle der Rechtskraft des Berufungsurteils - da diese nach § 141 SGG auch für und gegen sie wirkt - daran gehindert, geltend zu machen, nicht sie sei zur Erhöhung der Kinderzulage, sondern die Beklagte zur Zahlung des Zweitkindergeldes verpflichtet.
Unzulässig ist dagegen der von der Beigeladenen in erster Linie gestellte Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern und zu ergänzen, daß sie nicht verpflichtet sei, dem Kläger für die streitige Zeit den Differenzbetrag zwischen der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung und dem Zweitkindergeld nachzuzahlen. Mit diesem Antrag erstrebt die Beigeladene dem Inhalt nach eine Feststellung des Revisionsgerichts dahin, daß sie nicht zur Erhöhung der Kinderzulage für die Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 1961 verpflichtet sei. Diese Frage ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Streitgegenstand ist vielmehr allein die vom Kläger beantragte Aufhebung der Bescheide der Beklagten und der von ihm erhobene Zweitkindergeld-Anspruch für die Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 1961 (vgl. BSG 9, 20; 2, 225, 229), nicht dagegen die Höhe der für die gleiche Zeit von der Beigeladenen an den Kläger zu zahlenden Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch das Berufungsgericht hat in seinem Urteil nur über diesen vom Kläger erhobenen Zweitkindergeld-Anspruch entschieden. Wenn es dabei gleichzeitig in den Urteilsgründen die Auffassung vertreten hat, die Beigeladene müsse für den streitigen Zeitraum die Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung bis zur Höhe des gesetzlichen Zweitkindergeldes anheben, so beziehen sich diese Ausführungen nicht mehr auf den Streitgegenstand, werden daher nicht von der Urteilsformel erfaßt, weshalb sie auch nicht in Rechtskraft erwachsen (vgl. BSG 9, 19 ff mit ausführlichem Literaturhinweis; BSG 14, 101, 102). Der Antrag der Beigeladenen, festzustellen, daß sie für den streitigen Zeitraum nicht zur Erhöhung der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung verpflichtet sei, betrifft demnach gleichfalls nicht den Streitgegenstand des Hauptverfahrens. Er bezweckt vielmehr eine der Rechtskraft zugängliche Entscheidung über das Nichtbestehen einer Rechtspflicht der Beigeladenen zur Erhöhung der Kinderzulage für die Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 1961 herbeizuführen. Es handelt sich mithin um eine negative Zwischenfeststellungsklage, die schon deshalb unzulässig ist, weil ein Beigeladener auch im Fall einer notwendigen Beiladung sich nur innerhalb der Klageanträge bewegen (§ 75 Abs. 4 SGG) und keinen neuen Streitgegenstand in den Prozeß einführen kann (vgl. Rohwer-Kahlmann, Komm. z. SGb, § 55 Anm. 19; Peters/Sautter/Wolff, Komm. z. SGb, § 75 Anm. 7 A; BSG 8, 291, 293). Zudem ist in der Revisionsinstanz die Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage generell durch § 168 SGG ausgeschlossen (BGH vom 21. Dezember 1960 in MDR 61, 315; BGHZ 28, 131, 137; Wieczorek, Komm. z. ZPO, § 280 Anm. c II; Rosenberg, 8. Aufl. § 100 II S. 488; vgl. auch BSG 8, 180).
In der Sache selbst konnte die Revision des Klägers ebenso wie die der Beigeladenen jedoch keinen Erfolg haben.
Das vom Kläger erstrebte Zweitkindergeld wurde erstmals durch das Kindergeldkassengesetz vom 18. Juli 1961 (BGBl I 1001) - KGKG - eingeführt. Dieses Gesetz wurde am 22. Juli 1961 verkündet und trat nach seinem § 46 mit Ausnahme des § 39 am 23. Juli 1961 in Kraft. Grundsätzlich durften daher Leistungen nach dem KGKG erst von diesem Zeitpunkt an gewährt werden. Ebenso wurde die durch § 38 KGKG i. V. m. § 559 b Abs. 2 Satz 1 RVO aF vorgenommene Erhöhung der Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 46 KGKG erst zu diesem Zeitpunkt wirksam. Nach § 35 KGKG trat jedoch insoweit eine teilweise Rückwirkung dieses Gesetzes ein, als das Zweitkindergeld und die es ersetzenden Leistungen des § 4 KGKG bereits vom 1. April 1961 an gewährt wurden, wenn der Antrag bis zum 30. Juni 1962 gestellt wurde.
Trotz rechtzeitiger Antragstellung kann indessen dem Kläger auch für diese Zeit Zweitkindergeld nur bewilligt werden, wenn er neben den in § 1 KGKG genannten positiven Anspruchsvoraussetzungen, die bei ihm außer Frage stehen, auch die negativen des § 3 KGKG erfüllt (vgl. Witting/Meier, Kindergeldhandbuch, § 35 KGKG Anm. 1; Lauterbach/Wickenhagen, Komm. z. Kindergeldrecht, § 1 KGG Anm. 5). Diese müssen ebenfalls als echte Voraussetzungen jedes Anspruchs auf Zweitkindergeld, also auch des nach § 35 KGKG rückwirkend eingeräumten, für den Zeitraum, für den der Kläger Zweitkindergeld begehrt, vorliegen. § 3 KGKG, der die negativen Anspruchsvoraussetzungen des Zweitkindergeldes enthält, geht, ebenso wie schon § 3 Abs. 2 KGG vom 13. Dezember 1954 (BGBl I 333) für das Kindergeld von der Tatsache aus, daß den dort genannten Personengruppen andere nach Art und Umfang dem Zweitkindergeld vergleichbare Leistungen gewährt werden. Da aber das gesamte Kindergeldrecht von dem Grundsatz beherrscht wird, Doppelleistungen für dasselbe Kind auszuschließen (vgl. §§ 3 Abs. 1 Satz 1 KGG, 3 Abs. 4 KGAG, 5 Abs. 1 KGEG, 3 KGKG, 7, 8 BKGG), schreibt § 3 KGKG vor, daß in den Fällen, in denen bereits eine dem Zweitkindergeld vergleichbare Leistung für ein Kind gewährt wird, ein Anspruch auf Zweitkindergeld nicht besteht. Zu den dem Zweitkindergeld vergleichbaren und dieses daher ausschließenden Leistungen rechnet § 3 Abs. 3 KGKG auch die in § 3 Abs. 2 Nr. 5, 6 a, 7-9 KGG aufgeführten Leistungen, zu denen die Kinderzulagen zu den Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung - § 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG - gehören (vgl. Reg. Begr. zu § 3 KGKG, BT-Drucks. 2648, III. Wahlperiode 1961, S. 14). Diese schließen auch für die Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 1961 nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 3 KGKG i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG die Gewährung von Zweitkindergeld aus, ohne daß es, wie zB nach § 3 Abs. 3 KGKG i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 7 und Abs. 3 Satz 2 KGG, auf die Höhe der aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährten Kinderzulagen ankommt. Eine derartige Ausnahmeregelung, wie sie für die Kinderzuschüsse zu den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung getroffen wurde, erübrigte sich für die Kinderzulagen zu den Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung, weil durch § 38 KGKG sichergestellt wurde, daß die Kinderzulage für die Zweitkinder aus der gesetzlichen Unfallversicherung mindestens die Höhe des Zweitkindergeldes erreicht.
Dies steht mit der gesamten geschichtlichen Entwicklung des Verhältnisses von Kindergeld und Kinderzulagen zu den Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Einklang: Bei Inkrafttreten des KGG bestanden zwischen den Leistungen nach diesem Gesetz und den Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung noch erhebliche Unterschiede, weshalb § 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG in seiner ursprünglichen Fassung den Anspruch auf Kindergeld für Kinder von Empfängern von Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder von Kinderzuschüssen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur ausschloß, wenn für das dritte und weitere Kind Leistungen gewährt wurden, die mindestens dem Kindergeld nach § 4 Abs. 1 KGG entsprachen. Bereits durch § 1 des Kindergeldanpassungsgesetzes (KGAG) vom 7. Januar 1955 (BGBl I 17) und § 14 des Kindergeldergänzungsgesetzes (KGEG) vom 23. Dezember 1955 (BGBl I 841) wurden jedoch in § 6 des Gesetzes über Zulagen und Mindestleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung und zur Überleitung der Unfallversicherung im Land Berlin (UZG) vom 29. April 1952 (BGBl I 253) die Absätze 7 und 8 angefügt, die sicherstellten, daß die Kinderzulagen in der gesetzlichen Unfallversicherung für das dritte und weitere Kind mindestens den Betrag des Kindergeldes nach dem KGG erreichten. Hierdurch wurden Doppelleistungen von Kindergeld und Kinderzulagen zugunsten einer vorrangigen Gewährung von Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe des Kindergeldes ausgeschlossen. Diese Vorschriften des UZG wurden trotz Aufhebung der übrigen Vorschriften dieses Gesetzes durch § 14 Abs. 3 Nr. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Neuregelung von Geldleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung vom 27. Juli 1957 (BGBl I 1071) aufrechterhalten und in der Folge mehrfach geändert, um sie dem erhöhten Kindergeld anzupassen. So wurde, als Art. I Nr. 3 des Ersten Kindergeldänderungsgesetzes (KGÄndG) vom 27. Juli 1957 (BGBl I 1061) das Kindergeld von 25,- DM auf 30,- DM erhöhte, durch Art. V desselben Gesetzes auch die Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung in § 6 Abs. 7 UZG auf 30,- DM angehoben. Ebenso wurde gleichzeitig mit der Erhöhung des Kindergeldes auf 40,- DM in Art. I Nr. 3 des Zweiten KGÄndG vom 16. März 1959 (BGBl I 153) durch Art. 4 dieses Gesetzes auch die Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung in gleicher Weise erhöht. Zugleich wurde durch Art. I Nr. 1 dieses Gesetzes die in § 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG noch enthaltene Einschränkung, daß das Kindergeld nur dann entfalle, wenn für das dritte oder weitere Kind Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung - oder Rentenversicherung - gewährt werden, die mindestens dem Kindergeld entsprechen, bezüglich der Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ersatzlos gestrichen. Der Gesetzgeber begründete den Wegfall dieser Einschränkung damit, daß zwar bei Verabschiedung des KGG ein einschränkender Zusatz notwendig erschien, weil damals die Leistungen für Kinder in der Sozialversicherung zum Teil noch wesentlich unter dem Kindergeld lagen, künftig aber diese Leistung den Betrag von 40,- DM für das dritte und jedes weitere Kind erreichen oder doch fast erreichen würden (vgl. BT-Drucks. 666, III. Wahlperiode 1957). Gerade in dieser Streichung und ihrer Begründung kommt der bereits in den vorhergehenden Änderungen des UZG erkennbare Wille des Gesetzgebers, die Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung vorrangig vor dem Kindergeld zu gewähren und daher mit diesem in der Höhe gleich zu halten, besonders deutlich zum Ausdruck. Auch später, als die Absätze 7 und 8 des § 6 des UZG durch § 16 Abs. 3 des Zweiten Gesetzes zur vorläufigen Neuregelung von Geldleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung vom 29. Dezember 1960 (BGBl I 1085) mit dem 1. Januar 1961 außer Kraft gesetzt wurden, hat § 7 dieses Gesetzes die bisherige Regelung in § 559 b Abs. 2 RVO aF übernommen und so wiederum sichergestellt, daß die vorrangig zu zahlenden Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung die Höhe des gesetzlichen Kindergeldes erreichten. Dementsprechend wurde auch in der Folgezeit durch § 38 KGKG und neuerdings durch § 36 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) vom 14. April 1964 (BGBl I 265) eine Angleichung der Zulagen für zweite und weitere Kinder aus der gesetzlichen Unfallversicherung an das durch ihren Empfang ausgeschlossene Zweitkindergeld bzw. Kindergeld sichergestellt.
Schließt somit § 3 Abs. 3 KGKG i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG entsprechend der gesamten Konzeption des Kindergeldrechtes auch das rückwirkend vom 1. April 1961 an zu gewährende Zweitkindergeld bei Empfängern von Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus, so kann diese Wirkung nicht im Wege einer ergänzenden oder abändernden Rechtsfindung für den strittigen Zeitraum beseitigt werden. Die Voraussetzungen hierfür hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 1962 (SozR AVAVG § 87 Nr. 10) mit eingehender Begründung dargelegt. Allenfalls könnte im vorliegenden Fall daran gedacht werden, die Ausschlußvorschrift des § 3 Abs. 3 KGKG, § 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG beruhe insofern auf einen Motivirrtum, als sie von einer dem Zweitkindergeld entsprechenden Höhe der Zulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ausgehe, diese aber mangels der nach dem Wortlaut des § 35 KGKG allein dem Zweitkindergeld und den dieses ersetzenden Leistungen gewährten Rückwirkung aber erst vom 23. Juli 1961 an (§ 46 KGKG) die Höhe des Zweitkindergeldes erreichte. Weder aus dem KGKG noch aus den Materialien (aaO) hierzu lassen sich jedoch Anhaltspunkte für einen derartigen Motivirrtum entnehmen. Demgegenüber sind durchaus Erwägungen denkbar, die den Gesetzgeber - ohne Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes - veranlaßt haben könnten, die Ausschlußvorschrift der §§ 3 Abs. 3 KGKG, 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG auch ohne entsprechende rückwirkende Erhöhung der Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung für die Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 1961 voll wirksam werden zu lassen. Hier muß vor allem berücksichtigt werden, daß es sich bei der Einführung des Zweitkindergeldes für die nur von diesem Gesetz begünstigten Personenkreise um eine völlig neue staatliche Sozialleistung handelte, die grundsätzlich für die Zukunft gedacht war. Demgegenüber wurde für die durch §§ 3 Abs. 3 KGKG, 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG vom Bezug des Zweitkindergeldes ausgeschlossenen Empfänger von Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von mindestens 50 % der Vollrente bereits seit langem in Form der Kinderzulage auch für Zweit- und sogar Erstkinder ein Zuschuß zu den durch den Unterhalt dieser Kinder entstehenden Mehrbelastungen gewährt. Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits wiederholt entschieden hat (vgl. BSG 11, 278, 287; 13, 61, 65), muß es aber grundsätzlich dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben, zu bestimmen, ob und inwieweit er neue, für die Zukunft vorgesehene Sozialleistungen bereits rückwirkend gewähren will. Daher erscheint es durchaus möglich und nicht willkürlich, wenn der Gesetzgeber die rückwirkende Vergünstigung des § 35 KGKG nur für die dort begünstigten Personenkreise, die bisher noch keine Leistungen für Zweitkinder erhalten hatten, als einmalige Sondervergünstigung gewähren wollte, ohne gleichzeitig auch für die Bezieher von Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die schon lange Leistungen für Zweit- und sogar Erstkinder erhielten, eine derartige rückwirkende Vergünstigung zu schaffen. Desgleichen ist es denkbar, daß sich der Gesetzgeber, als er eine Sonderregelung der Ausschlußvorschrift der §§ 3 Abs. 3 KGKG, 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG für die Zeit der einmaligen rückwirkenden Gewährung von Zweitkindergeld nicht traf, von Gründen der Rechtssicherheit oder von verwaltungstechnischen Gründen leiten ließ. So hätte einerseits die Zahlung des vollen Zweitkindergeldes für diese Zeit neben der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung eine ungerechtfertigte Besserstellung jenes Personenkreises bedeutet. Andererseits hätte die rückwirkende Gewährung des Differenzbetrages zum vollen Zweitkindergeld eine Neufeststellung der bereits in der Vergangenheit abgeschlossen geleisteten Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und damit verbunden einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand erfordert. Dieser wäre, zumindest in vielen Fällen, angesichts der oft nicht sehr erheblichen Unterschiede zwischen der Höhe der bereits gezahlten Kinderzulagen und dem Zweitkindergeld in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Ertrag für den einzelnen Begünstigten gestanden.
Diese vorstellbaren Gründe des Gesetzgebers, eine Ausnahmeregelung in §§ 3 Abs. 3 KGKG, 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG für die Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 1961 nicht zu schaffen, lassen es angesichts jeglichen Hinweises im Gesetz oder den Gesetzesmaterialien insoweit nicht zu, ohne Verletzung der der richterlichen Rechtsfindung durch Art. 20 Abs. 2 GG gezogenen Grenzen einen Motivirrtum des Gesetzgebers anzunehmen und die vom Kläger angestrebte abändernde Gesetzesauslegung dieser Vorschrift durchzuführen. Aus den gleichen Gründen kann auch nicht davon gesprochen werden, daß die Anwendung dieser Vorschrift für die genannte Zeit zu offensichtlich sinnwidrigen Ergebnissen führt, die ihrerseits eine abändernde Rechtsfindung ermöglichen würden.
Selbst wenn man aber unterstellen sollte, der Gesetzgeber habe mit § 35 KGKG nicht eine einmalige Sonderleistung für diejenigen Zweitkinder gewähren wollen, für die bisher noch keinerlei Leistungen, also auch noch keine Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt wurden, sondern sei auch insoweit davon ausgegangen, daß für die fragliche Zeit Zweitkindergeld und Kinderzulagen unbedingt in gleicher Höhe zu gewähren seien, ist eine abändernde Rechtsfindung in dem vom Kläger erstrebten Sinne trotzdem ausgeschlossen. Sie würde nämlich dem aus der oben aufgezeigten geschichtlichen Entwicklung des Kindergeldrechts zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, bei einer möglichen Anspruchskonkurrenz zwischen Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und Kindergeld nach den Kindergeldgesetzen die Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung als vorrangig, das Kindergeld ausschließend zu behandeln, widersprechen. Hieraus ergibt sich, daß im vorliegenden Fall eine abändernde Rechtsfindung nicht bei §§ 3 Abs. 3 KGKG, 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG, sondern allenfalls bei §§ 35, 38 KGKG in Frage kommen könnte, mit dem Ziel, auch die Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bereits rückwirkend vom Zeitpunkt der Gewährung des Zweitkindergeldes an, also seit dem 1. April 1961, diesem der Höhe nach anzupassen.
Ob eine derartige ergänzende oder abändernde Rechtsfindung zu §§ 35, 38 KGKG möglich ist und daher dem Kläger für die fragliche Zeit ein Anspruch auf Erhöhung der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusteht (zustimmend: Steffen in "Praxis" 63, 13; ablehnend: Louterbach /Wickenhagen, aaO, § 35 KGKG Anm. 2), braucht der erkennende Senat nicht zu entscheiden, weil dies nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Streitgegenstand ist vielmehr, wie oben dargelegt, allein der vom Kläger für die Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 1961 erhobene Anspruch auf Zweitkindergeld, der jedoch nicht begründet ist. Daher ist die Revision des Klägers sowie die der Beigeladenen, soweit sie sich aus ihrem in erster Linie gestellten Feststellungsantrag ergibt, zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen