Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit einer Honorarbegrenzungsregelung bei übermäßiger Ausdehnung einer Kassenarztpraxis

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Regelung der Honorarbegrenzung wegen übermäßiger Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit (andere Regelungsprinzipien als im Urteil vom 10.4.1987 6 RKa 51/86).

 

Orientierungssatz

1. Die Regelungsprinzipien der Grenzwertbestimmung nach Leistungspunktzahlen je nach einzelnen Arztgruppen, der gegenüber der durchschnittlichen Punktzahl der Fachgruppe um das Doppelte angesetzten Punktzahlengrenzwerte, die zum Zwecke der Berücksichtigung des Sachkostenanteils nach einzelnen Arztgruppen vorzunehmende Ermäßigung dieser Punktzahlen und der Kürzung der damit verbleibenden Überschreitungspunktzahl um 50% bzw je nach Ersatzkassenfällen um 30% sind in ihrem Zusammenwirken nach allgemeiner Erfahrung durchaus geeignet, einer übermäßigen Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit allgemein und tendenziell entgegenzuwirken.

2. Es verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot (Ungleichbehandlungsverbot), daß eine Honorarbegrenzungsregelung das Leistungsvolumen des beteiligten Arztes in Höhe der Hälfte des Leistungsvolumens des niedergelassenen Arztes ansetzt. Auch darin, daß die KÄV sich bei der Festlegung der Grenzpunktzahl an den Durchschnittswerten der Fachgruppen der niedergelassenen Kassenärzte orientiert, liegt kein Verstoß gegen Art 3 GG.

 

Normenkette

RVO § 368f Abs 1 S 5, § 368n Abs 1; GG Art 3 Abs 1; GG Art 12 Abs 1; RVO § 368a Abs 8

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 23.04.1986; Aktenzeichen L 11 Ka 29/85)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 13.03.1985; Aktenzeichen S 2 Ka 117/84)

 

Tatbestand

Der Kläger ist Chefarzt der Inneren Abteilung des Hospitals z. H. G.in K. und an der kassenärztlichen Versorgung beteiligt. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) kürzte die Vergütung seiner kassenärztlichen Leistungen für die Quartale I und II/1983 wegen übermäßiger Ausdehnung seiner kassenärztlichen Tätigkeit. Die Beteiligten streiten darüber, ob diese Kürzung rechtmäßig ist.

§ 7 des Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten (HVM) bestimmt in der Fassung des Beschlusses der Vertreterversammlung der Beklagten vom 3. Dezember 1983, daß zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit eines Arztes gemäß § 368f Abs 1 Satz 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) die nach Prüfung anerkannten Punktzahlen aus der Abrechnung der RVO-Kassen einer Begrenzung unterliegen. Kürzungen sind vorzunehmen, wenn die Quartalsabrechnung eines Arztes den nach 20 Arztgruppen unterschiedenen und aus einer Verdoppelung der durchschnittlichen Punktzahlen der jeweiligen Arztgruppe bestehenden Punktzahlengrenzwert überschreitet. Für die an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Krankenhausärzte ist der jeweilige halbe Punktzahlengrenzwert maßgebend. Vor der Kürzung werden die abgerechneten Punktzahlen je nach Arztgruppe um bestimmte Prozentsätze ermäßigt, um die Kosten der ärztlichen Sachleistungen zu berücksichtigen. Die verbleibende Überschreitungszahl wird um 50 % gekürzt, die Kürzung ermäßigt sich jedoch je nach Anzahl der abgerechneten Ersatzkassenfälle bis zu 30 % und nochmals um 10 % dann, wenn der Arzt 50 oder mehr Abrechnungsscheine für den ärztlichen Notfalldienst und Urlaubs- bzw Krankheitsvertretung abgerechnet hat.

Mit den Bescheiden vom 4. Juli 1983 und 11. Oktober 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1984 hat die Beklagte die Honorarforderungen des Klägers für das 1. und 2. Quartal 1983 wegen entsprechender Überschreitung des für ihn geltenden Punktzahlengrenzwerts um insgesamt 14.911,76 DM gekürzt. Klage und Berufung des Klägers hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem Urteil ua ausgeführt: Die Bemessung des Grenzwertes bei Chefärzten nach der Hälfte der für die Fachgruppe geltenden Punktzahlen sei rechtmäßig. Auch die Honorarbegrenzung allein nach Punktzahlengrenzwerten sei nicht zu beanstanden. Dies sei umso eher sachgerecht, als nach den Erfahrungen der Beklagten die Kombination von Punktzahlen- und Fallzahlengrenzwerten dem gesetzlichen Auftrag zur Honorarbegrenzung nur unzureichend gerecht geworden sei, weil insbesondere das Überschreiten der Fallzahlengrenzwerte ohne eigentliche Änderung der Praxisführung habe leicht verhindert werden können. Für eine einzelfallhafte Widerlegung des Vorwurfs der übermäßigen Ausdehnung sei schon deswegen kein Raum, weil es keine Parallelen zur Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 368n Abs 5 RVO gebe; wer die Grenzwerte des § 7 HVM der Beklagten überschreite, der habe eine übermäßig ausgedehnte Praxis. Die Anwendung der erst am 25. Dezember 1982 verkündeten Neufassung der Honorarbegrenzungsregelung bereits auf das erste Quartal 1983 habe für den Kläger auch nicht in der Weise die Grenze des Zumutbaren überschritten, daß er sich nicht mehr auf die neue Regelung hätte einstellen können. Der Kläger habe auch nicht dargetan, welche Vorkehrungen er bei einem größeren Zwischenraum zwischen Bekanntgabe und Inkrafttreten getroffen hätte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Vorschrift des § 7 HVM der Beklagten würden sein - des Klägers - Recht auf Gleichbehandlung nach Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) verletzen. Hiergegen richte sich vorrangig die Revision. Der HVM der Beklagten differenziere in verfassungswidriger Weise zwischen der Gruppe der zugelassenen und der beteiligten Ärzte. Für die Berücksichtigung von nur 50 % der für die zugelassenen Ärzte geltenden Punktzahlengrenzwerte würden die unterschiedlichen Teilnahmeformen kein ausreichendes Differenzierungskriterium darstellen. Andererseits würde die bloße Anbindung an die Gruppe der niedergelassenen Ärzte bestehende Unterschiede nicht beachten. Der HVM der Beklagten verstoße aber auch deshalb gegen Art 3 GG, weil er allein auf einen Punktzahlengrenzwert und nicht kumulativ auf einen Fallzahlengrenzwert abstelle, wodurch der Maßstab entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), dessen Urteil vom 15. März 1981 (SozR 2200 § 368f RVO Nr 8) entgegenstehe, und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu wenig differenziert sei. Es sei offensichtlich, daß ein derartiger HVM zu willkürlichen Ergebnissen führe. Darüber hinaus müsse es dem beteiligten Arzt im Einzelfall offenbleiben, den rein statistischen Vorwurf und die damit ausgesprochene Vermutung der übermäßigen Ausdehnung seiner Tätigkeit zu entkräften. Neben seiner besonderen qualitativen Leistungserbringung sei auch nicht berücksichtigt worden, daß nahezu alle Patienten auf Überweisung behandelt würden.

Der Kläger stellt den Antrag, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. April 1986 - L 11 Ka 29/85 -, sowie das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13. März 1985 - S 2 Ka 117/84 - und die Bescheide der Beklagten vom 4. Juli 1983 und 11. Oktober 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1984 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Da die Satzung der Beklagten und deren HVM kein Bundesrecht darstellt, sich ihr Geltungsbereich aber auch nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt, sind diese Bestimmungen (als solche) revisionsrechtlich nicht überprüfbar (§ 162 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Die Entscheidung des Vordergerichts über das Bestehen und den Inhalt des von ihm herangezogenen Rechts der Beklagten ist für den Senat bindend (§ 202 SGG iVm § 562 der Zivilprozeßordnung). Das gilt insbesondere für die Entscheidung darüber, ob der HVM einer KÄV in der satzungsrechtlich vorgeschriebenen Weise beschlossen und bekanntgegeben worden ist. Das Revisionsgericht aber hat lediglich zu prüfen, ob diese Bestimmungen mit revisiblem Recht, also mit dem Bundesrecht zu vereinbaren sind (vgl hier und im folgenden das Urteil des Senats vom 10. April 1987 - 6 RKa 51/86 -).

Die streitige Regelung soll einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Kassenarztes entgegenwirken. Die gesetzliche Ermächtigung für diese Regelung gibt § 368f Abs 1 Satz 5 RVO. Da sie sich innerhalb der Gesamtvorschrift über die (von der Krankenkasse an die KÄV zu entrichtende) Gesamtvergütung - § 368f RVO - befindet, kann dies nur bedeuten, daß die Vergütung des Kassenarztes zur Erreichung des genannten Zweckes begrenzt werden kann. Insoweit ist diese Ermächtigung hinreichend bestimmt und - unter dem Gesichtspunkt rechtsstaatlicher Gewaltenteilung - verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl BVerfGE 33, 171: Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde gegen BSGE 22, 218; ferner Beschluß des BVerfG vom 27. August 1981 - 1 BvR 638/81 - gemäß § 93a Abs 3 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes -BVerfGG-: Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde gegen BSG SozR 2200 § 368f RVO Nr 8, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte).

Durch diese Ermächtigung hat der Gesetzgeber der Beklagten eine eigene (beschränkte) Normsetzungsbefugnis erteilt. Da er nicht näher geregelt hat, mit welchen konkreten Mitteln gegen eine übermäßige Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit vorgegangen werden kann, steht der Beklagten auch insoweit eine breite Regelungsfreiheit zu. Sie ist in der Wahl ihrer Mittel grundsätzlich frei, soweit ihre Regelung nur geeignet sein kann, der übermäßigen Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit entgegenzuwirken und soweit die Regelung mit dem Bundesrecht - einfachem Recht und Verfassungsrecht - vereinbar ist. Daß die streitige Regelung der übermäßigen Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit entgegenwirken soll, ist unstreitig. Darauf aber, ob sie den mit ihr angestrebten Zweck in jedem Einzelfall erreicht, kommt es nicht an. Es genügt vielmehr, wenn die Regelung im allgemeinen der übermäßigen Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit entgegenzuwirken geeignet ist (BSGE 22, 218, 223). Daß eine solche allgemeine Eignung hier vorliegt, ist aber offensichtlich. Die von der Beklagten gewählten Regelungsprinzipien (erstens) der Grenzwertbestimmung nach Leistungspunktzahlen je nach einzelnen Arztgruppen, (zweitens) der - nach der Feststellung des LSG - gegenüber der durchschnittlichen Punktzahl der Fachgruppe um das Doppelte angesetzten Punktzahlengrenzwerte, (drittens) die zum Zwecke der Berücksichtigung des Sachkostenanteils nach einzelnen Arztgruppen vorzunehmende Ermäßigung dieser Punktzahlen und (viertens) der Kürzung der damit verbleibenden Überschreitungspunktzahl um 50 % bzw je nach Ersatzkassenfällen um 30 % sind in ihrem Zusammenwirken nach allgemeiner Erfahrung durchaus geeignet, einer übermäßigen Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit allgemein und tendenziell entgegenzuwirken.

Die streitige Regelung verstößt nicht gegen den Sicherstellungsauftrag des § 368n Abs 1 RVO. Haben danach die Kassenärztlichen Vereinigungen dafür Sorge zu tragen, daß die kassenärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht, also auch zweckmäßig und ausreichend ist (§ 368e RVO), so dienen diesem Ziel auch die zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit getroffenen Maßnahmen. Denn dadurch soll gerade erreicht werden, daß genügend Ärzte für eine gründliche und sorgfältige Behandlung persönlich zur Verfügung stehen. Bei einer übermäßigen Ausdehnung der Kassenpraxis ist aber nicht mehr die Gewähr gegeben, daß sich der Arzt jedem seiner Patienten in dem gesetzlich erforderlichen Maße zuwenden kann. Das gilt für beteiligte Ärzte in gleicher Weise wie für niedergelassene Ärzte.

Durch die streitige Regelung wird der Anspruch des Versicherten auf freie Wahl des Kassenarztes (§ 368d RVO) nicht verletzt. Dieses Wahlrecht verpflichtet keinen zugelassenen Arzt, mehr Patienten aufzunehmen, als er bei gesetz- und vertragsgemäßer Behandlung im Rahmen seines Leistungsvermögens behandeln kann.

Eine solche Verpflichtung läßt sich auch nicht aus anderen Bestimmungen oder Grundsätzen herleiten. Eine zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Versicherten ist bei der sich aus der Natur der Sache ergebenden Begrenzung der ärztlichen Leistungskapazität nur möglich, wenn der Arzt im Rahmen einer insoweit vertretbaren Begrenzung verbleibt. Daraus ergibt sich, daß der Kassenarzt grundsätzlich das Recht hat, bei einer Überschreitung dieses Rahmens die Übernahme weiterer - wenn nicht notfallartiger - Behandlungen abzulehnen.

Eine Berufsausübungsregelung, um die es sich hier handelt, kann durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch andere Rechtsvorschriften, etwa durch satzungsrechtliche Vorschriften getroffen werden (Art 12 Abs 1 Satz 2 GG; BVerfGE 71, 162, 172 mwN). Sie ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet sind, die Regelung unter vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt und insoweit erforderlich erscheint und die damit erfolgte Beschränkung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt und dem Betroffenen zumutbar ist (BVerfG 70, 1, 28 mwN). Wie oben bereits ausgeführt wurde (- zur Regelungsfreiheit der vom Gesetzgeber ermächtigten Beklagten -), ist die streitige Regelung im allgemeinen der übermäßigen Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit entgegenzuwirken geeignet. Das Ziel der Regelung, eine übermäßige Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit zu verhüten, ist im Interesse der ausreichenden Versorgung des Versicherten gerechtfertigt und erforderlich (vgl die oben zur Ermächtigung zitierte Rechtsprechung des BVerfG). Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Die Kürzung setzt erst ein, wenn der Kassenarzt mit seinen Punktzahlen die durchschnittlichen Punktzahlen seiner Arztgruppe um das Doppelte überschreitet, erfolgt auch erst nach der Ermäßigung um einen Sachkostenanteil und wird im übrigen in nicht höherem Maße als um 50 % der dann noch verbleibenden Überschreitung vorgenommen. Wie das LSG überzeugend ausgeführt hat, ist dadurch, daß die zum ersten Quartal 1983 in Kraft getretene Neufassung des HVM erst am 25. Dezember 1982 verkündet worden ist, für den Kläger auch nicht die Grenze der Zumutbarkeit überschritten worden. Die Revision hat keine Gesichtspunkte vorgebracht, die geeignet sein könnten, die streitige Regelung trotz ihrer Eignung, ihrer rechtfertigenden Erforderlichkeit und ihrer Verhältnismäßigkeit als für den Kläger unzumutbar anzusehen. Mit der streitigen Regelung soll lediglich der gesetzliche Sicherstellungsauftrag realisiert werden. Die Beklagte war auch in den vorangegangenen Zeiträumen bemüht, diesem Auftrag entsprechend gegen eine übermäßige Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit anzugehen. Im übrigen wurde vom Kläger nicht vorgebracht, welche erst später vorgenommenen Umstellungen bei einem früheren Verkündungstermin entsprechend früher vorgenommen worden wären.

Nach dem sich aus Art 3 GG ergebenden Gebot der Gleichbehandlung darf eine Person (Personengruppe) nicht besser oder schlechter gestellt werden als eine andere, ihr vergleichbar gegenübergestellte Person (Personengruppe), wenn es dafür an einer rechtlich zureichenden sachlichen Begründung fehlt. Der an den Gleichheitssatz gebundene Gesetzgeber kann daher ohne rechtlich hinreichende sachliche Gründe keine gesetzlichen Gleichbehandlungen von Ungleichem bzw keine Ungleichbehandlungen von Gleichem vornehmen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 1986, 6 RKa 3/85, mwH). Das gilt auch für die Beklagte hinsichtlich des von ihr gesetzten HVM.

Es verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot (Ungleichbehandlungsverbot), daß die streitige Regelung das Leistungsvolumen des beteiligten Arztes in Höhe der Hälfte des Leistungsvolumens des niedergelassenen Arztes ansetzt. Sollte der Krankenhausarzt tatsächlich seine Krankenhaustätigkeit, für die er voll entlohnt wird, so einschränken können, daß ihm die ambulante kassenärztliche Tätigkeit in einem ähnlichen Umfange wie dem hauptberuflich tätigen, niedergelassenen Kassenarzt möglich ist, so brauchte dieser Umstand von der KÄV bei der hier streitigen Regelung jedenfalls nicht berücksichtigt werden. Aber auch darin, daß die Beklagte bei der Festlegung der Grenzpunktzahl sich an den Durchschnittswerten der Fachgruppen der niedergelassenen Kassenärzte orientiert, liegt kein Verstoß gegen Art 3 GG. Die grundsätzliche Vergleichbarkeit des beiderseitigen Leistungsvolumens und des beiderseitigen, durch die Fachgebiete geprägten Leistungsspektrums wird nicht notwendig dadurch beseitigt, daß der beteiligte Arzt durch den ihm vorgeschriebenen Leistungskatalog beschränkt ist. Allerdings könnte der Fall eintreten, daß der Leistungskatalog des beteiligten Arztes einseitig mit überdurchschnittlich hoch angesetzten Punktwerten ins Gewicht fällt. Dies würde aber nicht dazu führen, die Regelung schon für die streitige Zeit als ungültig anzusehen. Der Beklagten ist insoweit die vom BVerfG für Anfangsregelungen zugebilligte Zeit zur Sammlung von Erfahrungen zuzugestehen.

Auch insoweit, als der Kläger das bloße Abstellen auf Punktzahlengrenzwerte rügt, vermag er nicht durchzukommen. Es ist nicht ersichtlich und wurde auch von der Revision nicht dargetan, inwiefern dieses Prinzip der Grenzwertbestimmung etwas mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung zu tun haben soll, aus dem allein das Erfordernis der hinreichenden Differenzierung herzuleiten ist. Was der Kläger insoweit geltend macht, betrifft lediglich die Frage der Geeignetheit, die hier sowohl bei der Prüfung der ausreichenden Ermächtigung als auch bei der Prüfung anstand, ob die verfassungsmäßigen Voraussetzungen einer Berufsausübungsregelung vorliegen, was beides oben bejaht wurde. Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Senat in seinem Urteil vom 5. März 1981 - 6 RKa 1/80 - (SozR 2200 § 368f RVO Nr 8) nicht zum Ausdruck gebracht, daß derartige Honorarbegrenzungsregelungen notwendig auf einer Kombination von Punktzahlen- und Fallzahlengrenzwerten beruhen müßten (vgl im übrigen das Urteil des Senats vom 30. März 1977 - 6 RKa 13/76 - SozR 2200 § 368f RVO Nr 6).

Die Beklagte hat, wie oben ausgeführt, einen breiten Regelungsspielraum, und sie kann die Zweckmäßigkeit ihrer Regelung auch nur durch das Sammeln von Erfahrung verbessern. Das LSG hat mit Recht zum Ausdruck gebracht, daß bei der hier angewandten Methode der Grenzwertbestimmung keine wesentlichen Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber der Wirtschaftlichkeitsprüfung bestehen, die vorab vorzunehmen und auf andere Zwecke gerichtet ist. Dem Umstand, daß Leistungen spezialisierter Ärzte wegen höherer Praxissachkosten (zB teurer Geräte) mit hohen Punktzahlen bewertet sind, wird dadurch Rechnung getragen, daß vor der Kürzung die abgerechneten Punktzahlen je nach Arztgruppe um bestimmte Prozentsätze ermäßigt werden.

Soweit in dem Vorbringen des Klägers, den Vorwurf der übermäßigen Ausdehnung im Einzelfall widerlegen zu wollen, eine Verfahrensrüge wegen unterlassener Aufklärung (§ 103 SGG) gesehen werden mag, kann er damit nicht durchdringen. Das LSG hat eine entsprechende Prozeßhandlung mit Recht abgelehnt. Die hier streitige Methode der Beklagten zur Feststellung der übermäßigen Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit erbringt, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, den vollen Nachweis des Übermaßes, nicht bloß eine widerlegbare Vermutung. Das hätte, wie sich schon aus den obigen Ausführungen ergibt, selbst dann zu gelten, wenn der Kläger tatsächlich seine Krankenhaustätigkeit derart eingeschränkt hätte, daß er die ambulante kassenärztliche Tätigkeit über den von der Beklagten zugrunde gelegten Umfang hinaus ausüben konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1664846

NJW 1988, 2327

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