Entscheidungsstichwort (Thema)

Übermäßige Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit

 

Orientierungssatz

1. § 11 des Honorarverteilungsmaßstabs der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe idF vom 4.2.1984 ist nicht wegen Verstoßes gegen übergeordnetes Recht ungültig (vgl BSG 10.4.1987 6 RKa 51/86 = SozR 2200 § 368f Nr 14). Das gilt auch, soweit für beteiligte Krankenhausärzte ein Drittel der Grenzwerte zugrundezulegen ist. Insbesondere ergibt sich die Ungültigkeit nicht daraus, daß die Beteiligung einen entsprechenden Bedarf voraussetzt. Ein quantitativer Umfang der Tätigkeit des beteiligten Krankenhausarztes wird dadurch nicht vorgegeben.

2. Gegenüber den niedergelassenen Kassenärzten ist eine Differenzierung sachlich gerechtfertigt und im Hinblick auf eine ausreichende ärztliche Betreuung der Patienten geboten.

 

Normenkette

RVO § 368f Abs 1 S 5, § 368a Abs 4, § 368a Abs 8 S 3

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 28.01.1987; Aktenzeichen L 11 Ka 66/86)

SG Dortmund (Entscheidung vom 22.04.1986; Aktenzeichen S 22 Ka 71/85)

 

Tatbestand

Der Kläger ist Chirurg und Chefarzt an einem Krankenhaus. Er ist an der kassenärztlichen Versorgung beteiligt. Mit den streitigen Bescheiden kürzte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung die Vergütung seiner kassenärztlichen Leistungen für die Quartale III und IV/1984 wegen übermäßiger Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit.

Der § 11 des Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten (HVM) bestimmt idF des Beschlusses der Vertreterversammlung der Beklagten vom 4. Februar 1984, daß zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit eines Arztes gemäß § 368f Abs 1 Satz 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) die nach Prüfung anerkannten Punktzahlen aus der Abrechnung der RVO-Krankenkassen, der landwirtschaftlichen Krankenkassen, der Bundesknappschaft und der Sozialhilfeträger einer Begrenzung unterliegen. Kürzungen sind vorzunehmen, wenn die Quartalsabrechnung eines Arztes sowohl den Punktzahlen- als auch den Fallzahlengrenzwert überschreitet. Die im HVM festgesetzten Grenzwerte sind nach 19 Arztgruppen unterschieden und aus den durchschnittlichen Punkt- und Fallzahlen der jeweiligen Arztgruppe im zweiten Quartal 1983 errechnet; die durchschnittliche Punktzahl ist um 120 %, die durchschnittliche Fallzahl um 100 % erhöht. An die Stelle der Punktzahlengrenzwerte für die einzelne Arztgruppe tritt der Durchschnitts-Punktzahlengrenzwert aller Ärzte, wenn dieser Wert größer ist (ohne Laborärzte: 1.040.000). Die den Punktzahlengrenzwert überschreitende Punktzahl wird bei einer Überschreitung des Fallzahlengrenzwertes bis 10 % um 10 %, von 11 bis 20 % um 20 %, von 21 bis 30 % um 30 %, von 31 bis 40 % um 40 % und ab 41 % um 50 % gekürzt. Vertreter- und Notfälle bleiben unberücksichtigt. Bei der Gruppe der Chirurgen beträgt der Punktzahlengrenzwert 917.000 und der Fallzahlengrenzwert 1.000. Für die an der kassenärztlichen Versorgung beteiligten und ermächtigten Krankenhausärzte - ausgenommen die Pathologen - ist ein Drittel der Grenzwerte zugrunde zu legen. Die Honorarabrechnungen im Ersatzkassenbereich werden für den Umfang der Kürzungsmaßnahmen nicht berücksichtigt. Soweit Ärzte auch Sprengelärzte der Bundesknappschaft sind und hinsichtlich der Behandlung von Knappschaftsversicherten unmittelbar mit der Bundesknappschaft abrechnen, werden diese Honorarabrechnungen ebenfalls weder allgemein bei der Ermittlung der Fall- oder Punktzahlen noch im Einzelfall bei der Ermittlung eines Kürzungsbetrages berücksichtigt. Soweit Ärzte die Behandlung von Versicherten der Bundesknappschaft über die Beklagte abrechnen, werden diese Abrechnungen bei Anwendung des § 11 HVM allgemein und im Einzelfall einbezogen.

Die Kürzungen sollten erstmals für das 3. Quartal 1984 erfolgen. Die später wiederholt geänderte Vorschrift (nun § 12 HVM) wurde mit Wirkung vom 1. März 1986 an um die Arztgruppe der Nuklearmediziner erweitert. Mit Geltung ab 1. Oktober 1986 wurde ein neunter Absatz eingefügt, wonach der Vorstand im Einzelfall bei den Arztgruppen Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, Nervenärzte mit CT, Nuklearmediziner, Pathologen sowie Radiologen mit CT von einer Begrenzung der Honorarforderungen ganz oder teilweise absehen kann, wenn gegenüber der Arztgruppe völlig abweichende Tatbestände dies rechtfertigen.

In den beiden streitbefangenen Quartalen III und IV/1984 überschritt der Kläger mit 2.102 und 1.673 Behandlungsfällen den für ihn geltenden Fallzahlengrenzwert von 334 um mehr als das Fünffache. Da er auch den Punktzahlengrenzwert überschritt, kürzte die Beklagte den Überhang an Punktzahlen um jeweils 50 %. Das ergab Kürzungsbeträge von 44.909,76 DM für das Quartal III/1984 und 16.274,-- DM für das Quartal IV/1984. Die Widersprüche des Klägers wies die Beklagte zurück.

Im gerichtlichen Verfahren hat der Kläger geltend gemacht, § 11 HVM verstoße gegen § 368f Abs 1 RVO, und zwar schon deshalb, weil das für die Änderung des HVM erforderliche Benehmen mit den zuständigen Verbänden der Krankenkassen nicht hergestellt worden sei; die Krankenkassen seien lediglich zur geplanten Neufassung des HVM gehört worden. Die Vorschrift sei nicht hinreichend differenziert. Insbesondere werde nicht vor der Kürzungsmaßnahme ein bestimmter Anteil für die Sachkosten abgesetzt. Die Differenzierung der Punkt- und Fallzahlengrenzwerte für niedergelassene Ärzte einerseits und beteiligte oder ermächtigte Krankenhausärzte andererseits sei rechtswidrig. Es sei widersprüchlich, Krankenhausärzte zur ausreichenden ärztlichen Versorgung der Versicherten zu beteiligen, ihnen andererseits aber eher die Honoraransprüche zu kürzen. Da die Beteiligung wegen des Bedürfnisses ausgesprochen werde, verböten sich schon deshalb abweichende Grenzwerte. Im Krankenhausbedarfsplan bestehe zudem die Möglichkeit, beteiligte Krankenhausärzte mit einem vollen Kassenarztsitz zu berücksichtigen. Den Umfang seiner Tätigkeit im stationären Bereich könne der Krankenhausarzt im Einvernehmen mit dem Krankenhausträger regeln.

Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Das für den Erlaß der Vorschrift des § 11 HVM erforderliche Benehmen der Beklagten mit den Verbänden der Krankenkassen sei hergestellt worden. Vor der Beschlußfassung der Vertreterversammlung seien die Verbände von der geplanten Vorschrift unterrichtet und die vorgesehene Fassung in der gebotenen Weise mit ihnen erörtert worden. Eine Anhörung der Verbände nach der Beschlußfassung der Vertreterversammlung sei nicht erforderlich. Nicht zu beanstanden sei, daß die Beklagte die Punkt- und Fallzahlengrenzwerte nach den Abrechnungswerten in nur einem Quartal festgesetzt habe. Die Notwendigkeit, das Bedürfnis für die Beteiligung zu prüfen, schließe nicht die Anwendung einer Honorarbegrenzungsregelung auf den Krankenhausarzt aus. Vom Kläger könne nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, daß er seine Aufgaben als Chefarzt auf nachgeordnete Ärzte delegieren könne und daß er deshalb in weitem Umfang für die ambulante kassenärztliche Versorgung frei sei. Der Chefarzt müsse nämlich sein berufliches Wissen in erster Linie in vollem Umfang seiner Leistungsfähigkeit dem Arbeitgeber zur Verfügung stellen. Deshalb sei die Festsetzung der Punkt- und Fallzahlengrenzwerte für beteiligte und ermächtigte Krankenhausärzte auf ein Drittel der für niedergelassene Ärzte geltenden Werte nicht sachwidrig. Die Beklagte könne und müsse bei der generellen Regelung des § 11 HVM davon ausgehen, daß Krankenhausärzte in der Regel primär bei der stationären Versorgung der Patienten des Krankenhauses und nicht bei der ambulanten Versorgung tätig werden. Es bestehe keine uneingeschränkte Standespflicht des Arztes, alle Patienten, die ihn aufsuchen, auch zu behandeln; vielmehr ende das Wahlrecht des Patienten auch an einer einschränkenden Bestimmung des HVM. § 11 HVM sei auch hinreichend differenziert. Sachwidrig sei es auch nicht, daß die prozentuale Höhe der Kürzung mit zunehmender Überschreitung der Fallzahlengrenzwerte ansteige. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, bei Anwendung des § 11 HVM die Abrechnung der einzelnen Ärzte im Ersatzkassenbereich zu berücksichtigen. Bedenklich sei zwar, daß Sprengelärzte, die und soweit sie ihre Behandlungsfälle von Knappschaftsversicherten unmittelbar mit der Bundesknappschaft abrechnen, bei der Anwendung des § 11 HVM außer Betracht blieben. In der Arztgruppe der Chirurgen gebe es aber keine Sprengelärzte. Der Punktzahlengrenzwert aller Ärzte würde sich bei Einbeziehung der Sprengelärzte nur geringfügig verändern.

Der Kläger macht mit der Revision geltend, eine Differenzierung zwischen den Grenzwerten der niedergelassenen und der Krankenhausärzte sei unzulässig. Das Kassenarztrecht gehe im Rahmen der Bedarfsplanung ausdrücklich von der Möglichkeit aus, daß auch ein beteiligter Krankenhausarzt vom Umfang her eine Tätigkeit wie ein zugelassener Kassenarzt ausübe. Es werde in der Planung vorgeschrieben, daß im Rahmen des Planungsblattes D ein Krankenhausarzt nach § 29 der Zulassungsordnung für Kassenärzte (ZO-Ärzte) ohne Katalog mit einem Faktor zwischen 0,1 und 1,0 zu berücksichtigen sei. Nach § 368a Abs 8 RVO habe der beteiligte Krankenhausarzt für die Dauer und den Umfang seiner Beteiligung die gleichen Rechte und Pflichten wie ein zugelassener Kassenarzt. Der Umfang der kassenärztlichen Tätigkeit eines Krankenhausarztes hänge vom Umfang seiner Beteiligung oder Ermächtigung ab. Wenn er nur für wenige Leistungen beteiligt sei, rechne er naturgemäß nur eine kleine Fallzahl ab, je umfangreicher der Beteiligungskatalog, desto umfangreicher sei auch die Sprechstundentätigkeit des Krankenhausarztes. § 11 HVM verletze die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, des Übermaßverbots und der Rechtsstaatlichkeit. An der kassenärztlichen Versorgung werde der Krankenhausarzt nur beteiligt bei Vorlage einer Erklärung des Krankenhausträgers, daß die Krankenhausversorgung durch die Ausübung der kassenärztlichen Tätigkeit nicht beeinträchtigt werde. Der Krankenhausarzt könne in der Regel nur diagnostische Leistungen durchführen; während ein niedergelassener Arzt von seinen Patienten pro Quartal mehrfach aufgesucht werde und die therapeutischen Leistungen in der Regel zeitaufwendig seien, sehe der beteiligte Arzt den Patienten in der Regel nur einmal, bei ihm fielen dagegen in der Zeiteinheit sehr viel mehr Punkte an. Er, der Kläger, habe eine Vielzahl von Notbehandlungsfällen zur Abrechnung vorgelegt, die entgegen § 11 Abs 1 Satz 3 HVM in die Grenzwert-Berechnungen und damit in die Honorarkürzungsmaßnahmen eingeflossen seien.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Januar 1987 - L 11 Ka 66/86 - aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22. April 1986 - S 22 Ka 71/85 - zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Mit einer auch nach Auffassung des erkennenden Senats zutreffenden Begründung hat das LSG zu Recht die Klage gegen die Kürzungsbescheide abgewiesen.

Wie der Senat bereits entschieden hat, ist die besondere Vorschrift des § 11 HVM idF vom 4. Februar 1984 nicht wegen Verstoßes gegen übergeordnetes Recht ungültig (Urteil des Senats vom 10. April 1987 - 6 RKa 51/86 -).

§ 11 HVM verstößt insbesondere nicht gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, des Übermaßverbots und der Rechtsstaatlichkeit. Mit dem Einwand, das Krankenhaus müsse vor der Beteiligung erklären, daß die Krankenhausversorgung durch die Ausübung der kassenärztlichen Tätigkeit nicht beeinträchtigt werde, vermag der Kläger nicht durchzudringen. Diese Erklärung ist nicht darauf gerichtet und nicht geeignet, eine Überbeschäftigung in der kassenärztlichen Tätigkeit zu verhüten. Die Erklärung des Krankenhauses besagt keinesfalls, daß der Krankenhausarzt uneingeschränkt und vollzeitig für die kassenärztliche Versorgung tätig sein kann.

Durch die Bestimmung des § 11 HVM soll verhindert werden, daß der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt aufgrund einer Überbeschäftigung für die Versorgung und ärztliche Betreuung der einzelnen Kassenpatienten nicht mehr ausreichend zur Verfügung steht. Die Begrenzung der kassenärztlichen Tätigkeit ist geeignet und erforderlich, um diesen Zweck zu erreichen und ist den Kassenärzten zumutbar. Wenn ein Arzt sowohl den Punktzahlen- als auch den Fallzahlengrenzwert des § 11 HVM überschreitet und sein Leistungsvolumen umfangreicher ist als das doppelte Leistungsvolumen einer durchschnittlichen Praxis, so erscheint die Annahme der Beklagten gerechtfertigt, daß er auf die einzelnen Fälle nicht die Zeit und Mühe verwenden kann, die eine persönliche Leistungserbringung in der gesetzlich vorgeschriebenen Qualität erfordert. Es ist auch nicht sachwidrig, daß die Beklagte unterschiedliche Grenzwerte für einzelne Arztgruppen festgelegt hat und dabei von den tatsächlichen in einem früheren Quartal abgerechneten Leistungen ausgegangen ist. Die Differenzierung nach 19 Arztgruppen genügt den Anforderungen, die an eine erste Begrenzungsregelung zu stellen sind. Vom Kläger wird auch nicht geltend gemacht, daß innerhalb des Fachgebiets der Chirurgen eine weitere Differenzierung notwendig wäre, für eine solche Notwendigkeit sind keine Umstände erkennbar.

Die Sonderregelung für beteiligte und ermächtigte Krankenhausärzte läßt - wie der Senat im Urteil vom 10. April 1987 dargelegt hat - ebenfalls keinen ihrer Gültigkeit entgegenstehenden Verstoß gegen übergeordnetes Recht erkennen. Das berufliche Hauptbetätigungsfeld der beteiligten Ärzte liegt im Krankenhausbereich. Demgegenüber stellt die kassenärztliche Tätigkeit im Rahmen der Beteiligung und Ermächtigung des einzelnen Krankenhausarztes eine Nebentätigkeit dar. Es ist angemessen, diesem Umstand durch eine Herabsetzung der Grenzwerte auf ein Drittel der für die niedergelassenen Kassenärzte geltenden Grenzwerte Rechnung zu tragen. Zu Unrecht wendet der Kläger ein, die Bestimmung des § 368f Abs 1 Satz 5 RVO sehe keine Differenzierung zwischen zugelassenen, beteiligten und ermächtigten Ärzten vor, und der beteiligte Krankenhausarzt habe die gleichen Rechte und Pflichten wie der zugelassene Kassenarzt. Die übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Kassenarztes soll verhütet werden, um zu gewährleisten, daß er für die Versorgung und ärztliche Betreuung der einzelnen Kassenpatienten ausreichend zur Verfügung steht (vgl BVerfGE 33, 171). Im Hinblick auf diesen Zweck muß berücksichtigt werden, daß die Krankenhausärzte die kassenärztliche Versorgung der Versicherten von vornherein nur mit zeitlicher Einschränkung übernehmen können. Der Umfang der Tätigkeit, deren Ausdehnung verhütet werden soll, ist kleiner als bei niedergelassenen Kassenärzten, so daß für die Bestimmung der Grenze des Übermaßes naturgemäß andere Werte gelten müssen. Dem steht nicht entgegen, daß die beteiligten Krankenhausärzte für die Dauer und den Umfang ihrer Beteiligung die Rechte und Pflichten der Kassenärzte haben (§ 368a Abs 8 Satz 3 RVO). Ihre Rechte und Pflichten sind wie diejenigen der zugelassenen Ärzte durch § 368f Abs 1 Satz 5 RVO eingeschränkt. Wenn § 368a Abs 8 RVO die Möglichkeit einer unmittelbaren Beteiligung an der kassenärztlichen Versorgung offen läßt, also einer Beteiligung nicht auf Überweisung, so ergibt sich daraus keineswegs zwangsläufig ein Umfang der Ambulanz entsprechend dem Umfang der Praxis eines niedergelassenen Kassenarztes. Der Kläger bezieht sich insoweit zu Unrecht auf den Auftrag zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung. Der Sicherstellungsauftrag des § 368n Abs 1 RVO richtet sich an die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Dagegen ist der einzelne Kassenarzt zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet (§ 368a Abs 4 RVO). Seine Pflicht geht dahin, die ärztliche Behandlung von Versicherten im Rahmen des Leistungsvermögens des Arztes zu übernehmen und die übernommene Behandlung gesetz- und vertragsgemäß durchzuführen. Wenn, wie im Fall der übermäßigen Ausdehnung der Praxis, nicht mehr gewährleistet ist, daß der Arzt sich dem einzelnen Patienten in ausreichendem Maße zuwenden kann, ist er grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, die Übernahme der Behandlung abzulehnen.

Die Ungültigkeit der besonderen Grenzwerte für Krankenhausärzte ergibt sich auch nicht daraus, daß diese nach § 368a Abs 8 RVO zu beteiligen sind, soweit ein Bedarf besteht. In § 29 Abs 2 ZO-Ärzte werden die ärztlichen Leistungen aufgeführt, die die Beteiligung in der Regel umfaßt. Ein quantitativer Umfang der Tätigkeit des beteiligten Krankenhausarztes wird aber aufgrund des § 368a Abs 8 RVO nicht vorgegeben; insbesondere kann sich in einem unterversorgten Gebiet, wo mehrere Ärzte eines Fachgebietes fehlen, aus der Beteiligung eines Krankenhausarztes nicht für ihn die Pflicht ergeben, den gesamten Bedarf abzudecken. Der Bedarf rechtfertigt es grundsätzlich nicht, daß der einzelne Krankenhausarzt seine Tätigkeit übermäßig ausdehnt. Zwar hängt der Umfang der kassenärztlichen Tätigkeit eines Krankenhausarztes auch vom Umfang seiner Beteiligung ab. Die Abhängigkeit besteht aber nicht im quantitativen Sinn, sondern bezieht sich auf den Leistungskatalog. Der beteiligte Arzt darf nur Leistungen erbringen, für die er der Art nach beteiligt ist. Insoweit ist es aber nicht zwangsläufig vorgegeben, daß ein umfangreicher Katalog eine umfangreiche Sprechstundentätigkeit nach sich zieht. Ein noch so umfangreicher Katalog würde es jedenfalls nicht rechtfertigen, vom Gebot der ausreichenden Versorgung und Betreuung jedes einzelnen Patienten abzusehen. Der Katalog im Beteiligungsbeschluß hat mit Vorschriften zur Verhütung der übermäßigen Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit nichts zu tun.

Wenn nach den Bedarfsplanungsrichtlinien die Berücksichtigung von Krankenhausärzten mit einem Faktor von (zwischen 0,1 und) 1,0, also ein Umfang ihrer Tätigkeit wie bei einem niedergelassenen Arzt vorgesehen ist, so ist damit nur der Rahmen für den von der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) aufzustellenden Bedarfsplan abgesteckt (§ 368 Abs 4 RVO). Die Richtlinien müssen auch die Möglichkeit extremer Einzelfälle einbeziehen. Vorschriften zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit können und müssen sich hingegen am typischen Fall orientieren. Keinesfalls können die Richtlinien die Bestimmung des § 368f Abs 1 Satz 5 RVO modifizieren. Eine andere Frage ist es, ob die Beklagte das Honorar eines beteiligten Krankenhausarztes auch dann nach § 11 HVM kürzen dürfte, wenn sie ihn im Bedarfsplan mit 1,0 eingesetzt hat. Der Kläger hat nicht behauptet, daß seiner Beteiligung ein (ohne ihn ungedeckter) Bedarf von 1,0 zugrundeliegt.

Bei der Behauptung des Klägers, daß die Leistungen der beteiligten Krankenhausärzte weniger zeitaufwendig seien als diejenigen der niedergelassenen Kassenärzte und daß sie pro Zeiteinheit sehr viel mehr Punkte erbrächten, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen im Revisionsverfahren, das der Senat nicht beachten kann. Dasselbe gilt für die Darlegung, der Kläger habe eine Vielzahl von Notbehandlungsfällen zur Abrechnung vorgelegt, die in die Grenzwertberechnungen und damit in die Honorarkürzungsmaßnahme eingeflossen seien.

Die Revision ist aus allen diesen Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652480

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