Entscheidungsstichwort (Thema)

Verteilung der Gesamtvergütung. Honorarverteilungsmaßstab. Vergütungsbegrenzung. übermäßige Ausdehnung der Kassenpraxis. Sicherstellungsauftrag. persönliche Leistungserbringung. Anfangsregelung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Vergütungsbegrenzung im Honorarverteilungsmaßstab, durch die eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Kassenarztes verhütet werden soll.

 

Orientierungssatz

1. Aus verfassungsrechtlicher Sicht bestehen gegen § 368f Abs 1 S 5 RVO keine Bedenken (vgl Beschluß des BVerfGG vom 27.8.1981 - 1 BvR 638/81 - gemäß § 93a Abs 3 BVerfGG).

2. Bei einer übermäßigen Ausdehnung der Kassenpraxis ist nicht mehr die Gewähr gegeben, daß sich der Arzt jedem seiner Patienten in dem Maße zuwenden kann, wie es die ihm aufgegebene persönliche Leistungserbringung erfordert (§ 32 Abs 1 ZO-Ärzte, § 4 ÄBMV).

3. Eine Begrenzungsregelung im Honorarverteilungsmaßstab verletzt nicht deshalb Gesetzesrecht, weil sie die Überweisungstätigkeit sowie die Mutterschaftsvorsorge und die Früherkennungsmaßnahmen einbezieht. Für diese Leistungsbereiche gelten keine rechtlichen Besonderheiten, die dem Kassenarzt eine gebotene Begrenzung seiner Tätigkeit unmöglich machen.

4. Gerade bei einer Regelung nach § 368f Abs 1 S 5 RVO darf die Fallzahl nicht vernachlässigt werden; die Punktzahlen allein erlauben keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Ausdehnung der Praxis.

5. Es erscheint gerechtfertigt, bei einem Arzt, der sowohl den Punktzahlengrenzwert als auch den Fallzahlengrenzwert überschreitet, davon auszugehen, daß er auf den einzelnen Fall nicht die Zeit und Mühe aufwenden kann, die eine persönliche Leistungserbringung in der gesetzlich vorgeschriebenen Qualität erfordert.

6. Die an den durchschnittlichen Punkt- und Fallzahlen der jeweiligen Arztgruppe sich orientierenden Grenzwerte werden auf Dauer kein zuverlässiger Maßstab mehr sein, wenn die Ersatzkassenmitglieder unberücksichtigt bleiben. Dasselbe gilt für den Kürzungsmaßstab (Kürzungssatz), der sich allein nach den Fallzahlen richtet.

7. Die Ermächtigungsnorm des § 368f Abs 1 S 5 RVO betrifft nur die Verteilung der von den RVO-Kassen zu entrichtenden Gesamtvergütung. Ihre Wortfassung läßt es aber zu, jedenfalls bei der für die Höhe der Kürzung maßgebenden Fallzahl, auch die "Tätigkeit des Kassenarztes" im vertragsärztlichen Bereich zu berücksichtigen.

8. Die Gültigkeit einer Anfangsregelung mit gröberer Typisierung ist umso weniger anzuzweifeln, je größer der den Kassenärzten belassene Toleranzbereich ist (der Bereich zwischen den Durchschnittswerten der Fachgruppe und den Grenzwerten).

9. Für eine Begrenzungsregelung iS des § 368f Abs 1 S 5 RVO kommt es nicht auf den Umfang der Leistungsberechtigung an, vielmehr darauf, in welchem Umfang der Arzt unter Berücksichtigung seiner sonstigen beruflichen Verpflichtung für die ambulante Versorgung der Versicherten zur Verfügung steht.

 

Normenkette

RVO § 368f Abs 1 S 5; GG Art 3 Abs 1; GG Art 12 Abs 1; RVO § 368n Abs 1, § 368e; ZO-Ärzte § 32 Abs 1 S 1; BMV-Ä § 4 Abs 1 S 1; RVO § 368a Abs 4, § 525c

 

Verfahrensgang

SG Dortmund (Entscheidung vom 22.04.1986; Aktenzeichen S 22 Ka 129/85)

 

Tatbestand

Der Kläger ist Chefarzt der Abteilung für Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie am Kreiskrankenhaus S.. Er ist auch an der kassenärztlichen Versorgung beteiligt. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) kürzte die Vergütung seiner kassenärztlichen Leistungen für die Quartale III und IV/1984 wegen übermäßiger Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit. Die Beteiligten streiten darüber, ob diese Kürzungen rechtmäßig sind.

§ 11 des Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten (HVM W-L) bestimmt in der Fassung des Beschlusses der Vertreterversammlung der Beklagten vom 4. Februar 1984, daß zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der kassenärztlichen Tätigkeit eines Arztes gemäß § 368f Abs 1 Satz 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) die nach Prüfung anerkannten Punktzahlen aus der Abrechnung der RVO-Krankenkassen, der Landwirtschaftlichen Krankenkassen, der Bundesknappschaft und der Sozialhilfeträger einer Begrenzung unterliegen. Kürzungen sind vorzunehmen, wenn die Quartalsabrechnung eines Arztes sowohl den Punktzahlen- als auch den Fallzahlengrenzwert überschreitet. Die im HVM W-L festgesetzten Grenzwerte sind nach 19 Arztgruppen unterschieden und aus den durchschnittlichen Punkt- und Fallzahlen der jeweiligen Arztgruppe im zweiten Quartal 1983 errechnet; die durchschnittliche Punktzahl ist um 120 %, die durchschnittliche Fallzahl um 100 % erhöht. An die Stelle der Punktzahlengrenzwerte für die einzelne Arztgruppe tritt der Durchschnitts-Punktzahlengrenzwert aller Ärzte, wenn dieser Wert größer ist (ohne Laborärzte: 1.040.000). Die den Punktzahlengrenzwert überschreitende Punktzahl wird bei einer Überschreitung des Fallzahlengrenzwertes bis 10 % um 10 %, von 11 bis 20 % um 20 %, von 21 bis 30 % um 30 %, von 31 bis 40 % um 40 % und ab 41 % um 50 % gekürzt. Vertreter- und Notfälle bleiben unberücksichtigt. Bei der Gruppe der Chirurgen beträgt der Punktzahlengrenzwert 917.000 und der Fallzahlengrenzwert 1.000. Für die an der kassenärztlichen Versorgung beteiligten und ermächtigten Krankenhausärzte - ausgenommen die Pathologen - ist ein Drittel der Grenzwerte zugrunde zu legen.

Die Kürzungen sollten erstmals für das dritte Quartal 1984 erfolgen. Die später wiederholt geänderte Vorschrift (nun § 12) wurde mit Wirkung vom 1. März 1986 an um die Arztgruppe der Nuklearmediziner erweitert. Mit Geltung ab 1. Oktober 1986 wurde ein 9. Absatz angefügt, wonach der Vorstand im Einzelfall bei den Arztgruppen Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, Nervenärzte mit CT, Nuklearmediziner, Pathologen sowie Radiologen mit CT von einer Begrenzung der Honorarforderungen ganz oder teilweise absehen kann, wenn gegenüber der Arztgruppe völlig abweichende Tatbestände dies rechtfertigen.

In den beiden streitbefangenen Quartalen III und IV/84 überschritt der Kläger mit 660 bzw 612 Behandlungsfällen den für die Arztgruppe der Chirurgen geltenden und für Krankenhausärzte auf ein Drittel herabgesetzten Fallzahlengrenzwert von 334 um 97,6 % bzw 83,3 %. Da er auch den Punktzahlengrenzwert überschritt, kürzte die Beklagte den Überhang an Punktzahlen um jeweils 50 %. Das ergab Kürzungsbeträge von DM 8.252,97 und DM 5.024,09. Die Widersprüche des Klägers wies die Beklagte zurück. Sie vertrat die Auffassung, den Besonderheiten einer Praxis oder einer Arztgruppe sowie der persönlichen Leistungsfähigkeit eines Arztes werde durch die hohen Grenzwerte in angemessener Weise Rechnung getragen.

Vor dem Sozialgericht (SG) hat der Kläger unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren beanstandet, die Entscheidungen der Beklagten berücksichtigten nicht die Besonderheiten in seiner Praxisführung. Zu rügen sei die mangelnde Differenzierung. Die Anwendung des HVM auf seine Honoraranforderungen verstoße gegen Art 3 und Art 12 des Grundgesetzes (GG).

Das SG hat "die angefochtenen Bescheide" aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die am 4. Februar 1984 beschlossene Neufassung des § 11 HVM W-L sei rechtswidrig. Zwar bestünden keine formalrechtlichen Bedenken am ordnungsgemäßen Zustandekommen der Vorschrift. Auch die Festlegung der Grenzwerte für Krankenhausärzte auf ein Drittel der Grenzwerte für niedergelassene Ärzte sei nicht zu beanstanden; bei Krankenhausärzten stehe die Tätigkeit am Krankenhaus im Mittelpunkt, die ihre Arbeitskraft grundsätzlich weitgehend ausfülle, gleichgültig ob sie im stationären oder ambulanten Bereich verwendet werde. § 11 HVM W-L verstoße aber gegen wichtige Grundsätze des Kassenarztrechts und werde nicht durch den gesetzlichen Auftrag des § 368f Abs 1 Satz 5 RVO gedeckt. Ein Verstoß gegen den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag der KÄV (§ 368n Abs 1 RVO) liege darin, daß die ärztliche Tätigkeit zwingend auf ein bestimmtes Maß begrenzt werde, ohne die Prüfung zuzulassen, ob die Einschränkung die kassenärztliche Versorgung gefährde. Bei Überweisungen bestimmten diese den Umfang der ärztlichen Tätigkeit. Bei allen ärztlichen Leistungen, die nur an wenigen Stellen oder nur von wenigen Ärzten erbracht werden könnten, bedeute das "grobe Mittel der Zurückweisung" (von Patienten), daß ärztliche Hilfe gar nicht oder zu spät geleistet werde. Diese Gefahr bestehe ganz allgemein dann, wenn die erforderliche medizinische Versorgung durch einen anderen Arzt in einer für den Patienten angemessenen Weise unter zumutbaren Bedingungen nicht möglich sei. Die ärztliche Versorgung müsse Vorrang vor der Begrenzung der ärztlichen Tätigkeit haben. Zudem sei die Leistungsfähigkeit der Ärzte individuell sehr unterschiedlich und überschreite nicht selten die am Durchschnitt sich orientierenden Grenzwerte. § 11 HVM W-L verstoße außerdem gegen das Differenzierungsgebot. Es sei eine weitere Differenzierung nach Fachgruppe (zB neben der Nuklearmedizin die Strahlentherapie) vorzunehmen. Vor allem müsse bei der Ermittlung der Grenzwerte der für die einzelnen Fachgruppen unterschiedlich hohe spezifische Kostenanteil unberücksichtigt bleiben. Zu beanstanden sei ferner, daß Begrenzung und Honorarkürzung unabhängig vom Umfang der ärztlichen Tätigkeiten in anderen Bereichen seien (als Vertragsarzt für die Ersatzkassen und als Sprengelarzt für die Bundesknappschaft). Schließlich widerspreche es dem Grundgedanken des § 368f Abs 1 Satz 5 RVO, daß die Anzahl der Behandlungsfälle das Ausmaß der Kürzung bestimme. Das führe zu ungerechten Ergebnissen, wo die Überschreitung der Grenzwerte bei den Punkt- und Fallzahlen nicht in demselben Maße erfolge. Außerdem verführe diese Regelung zu Manipulationen an den Fallzahlen.

Mit der Sprungrevision rügt die Beklagte, das Urteil des SG stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Die von ihr in § 11 HVM W-L getroffene Regelung entspreche in jeder Hinsicht dieser Rechtsprechung. Das BSG habe in mehreren Entscheidungen festgestellt, daß im Hinblick auf § 368f Abs 1 Satz 5 RVO Maßnahmen zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der Kassenpraxis zulässig seien, insbesondere die Festlegung von auf Durchschnittswerten der jeweiligen Gebietsgruppe basierenden Grenzwerten nicht beanstandet werden könne. Ihre Regelung sei auch genügend differenziert. Im übrigen handele es sich nicht um einen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung der Ärzte. Bei einer Kürzung um maximal 50 % (der den Punktzahlengrenzwert überschreitenden Punktzahlen) sei eine Erstattung der Sachkosten in jedem Falle gegeben.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22. April 1986 - S 22 Ka 129/85 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er widerspricht dem SG nur, soweit es ausführt, er könne sich nicht auf die genannten grundgesetzlichen Bestimmungen berufen; das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe entschieden, daß auch die Rechtsposition des an der kassenärztlichen Versorgung beteiligten Krankenhausarztes dem Schutz des Art 12 GG unterliege (Beschluß vom 23. Juli 1963 - 1 BvL 1, 4/61 -). Im übrigen erwiesen sich die vom SG angestellten Erwägungen als richtig und tragfähig. Die Besonderheiten bei einer Beteiligung nach § 368a Abs 8 RVO (Bedürfnisprüfung, besondere Spezialisierung und Qualifikation) machten es erforderlich, die Honorarbegrenzungsregelung gleichermaßen auf niedergelassene Kassenärzte einerseits und auf leitende Krankenhausärzte andererseits anzuwenden. Der Hinweis im Urteil des Senats vom 5. März 1981, eine weitere Differenzierung sei (noch) nicht zwingend geboten gewesen (bei einem HVM aus dem Jahre 1977), zeige bereits, daß der Senat schon damals Bedenken gehabt habe, ob eine Differenzierung lediglich nach Facharztgruppen sowie Honoraranforderung und Zahl der Behandlungsfälle genüge. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sich die Medizin weiter spezialisiert habe, bedürfe es verfeinerter Unterscheidungsmerkmale. Ein erster entscheidender Unterschied zu den niedergelassenen Ärzten liege darin, daß er (der Kläger) als beteiligter Chirurg nur auf Überweisung tätig werden dürfe. Ferner werde übersehen, daß im Bereich der leitenden Krankenhausärzte hoch spezialisierte Chirurgen zu finden seien. Er sei ausschließlich unfallchirurgisch tätig. Die Grenzwerte der Orthopäden, deren Tätigkeit der unfallchirurgischen verwandt sei, lägen mehr als 50 % über den Grenzwerten der Gesamtheit der Chirurgen. Zudem rechne er über das kassenärztliche Unfallheilverfahren viele Leistungen ab, die ohne die Besonderheit des kassenärztlichen Unfallheilverfahrens Notfälle wären. Einem Arzt, der im Rahmen des von den Zulassungsinstanzen geprüften Bedürfnisses tätig geworden sei, könne nicht der Vorwurf der übermäßigen Ausdehnung der Kassenpraxis gemacht werden; andernfalls läge eine Widersprüchlichkeit im System vor. Die Beschränkung der Grenzwerte für Krankenhausärzte auf ein Drittel der Werte für niedergelassene Ärzte sei völlig willkürlich. Durch Delegation im stationären Bereich sei es ihm möglich, die ambulanten Patienten persönlich zu versorgen. Als hoch spezialisierter Arzt nehme er teuere Geräte in Anspruch, so daß ihm bei der vorgenommenen Kürzung nicht einmal der an den Krankenhausträger abzuführende Kostenanteil verbleibe. Der den niedergelassenen Ärzten bewilligte Bonus - und damit Spielraum - sei ein Vielfaches höher als bei den beteiligten Krankenhausärzten (Grenzwerte bei der Fallzahl: 200 % zu 66 %, Differenz 134 %). Das SG beanstande auch zu Recht, daß der HVM das Ausmaß der Kürzung nur an der Überschreitung des Fallzahlengrenzwertes ausrichte. Das könne nicht richtig sein, weil dadurch Ärzte mit niedrigeren Fallzahlen trotz hoher Honoraranforderung ungerechtfertigt begünstigt würden.

 

Entscheidungsgründe

Die Sprungrevision der Beklagten ist insofern begründet, als das Urteil des SG aufzuheben und die Streitsache an dieses Gericht zurückzuverweisen ist.

Entgegen der Ansicht des SG ist die Vorschrift des § 11 HVM W-L idF vom 4. Februar 1984 nicht wegen Verstoßes gegen übergeordnetes Recht ungültig. Das SG hat aufgrund seiner Ansicht nicht mehr geprüft, ob die Vorschrift im vorliegenden Fall zutreffend angewendet worden ist. Diese Prüfung hat es nun nachzuholen.

Beim HVM W-L handelt es sich um nichtrevisibles Satzungsrecht; sein Geltungsbereich erstreckt sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus (§ 162 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Die Entscheidung des SG über das Bestehen und den Inhalt von nichtrevisiblem Recht ist für die auf die Sprungrevision ergehende Entscheidung maßgebend (§ 202 SGG iVm § 562 der Zivilprozeßordnung). Das gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, ob der HVM einer KÄV in der satzungsrechtlich vorgeschriebenen Weise beschlossen und bekanntgegeben worden ist. Das Revisionsgericht hat lediglich die Vereinbarkeit mit revisiblem Recht zu prüfen, also vor allem die Vereinbarkeit mit Bundesrecht.

Der Senat hat bereits mehrfach über die Zulässigkeit der normativen - satzungsrechtlichen - Regelung einer KÄV entschieden, die wie § 11 HVM W-L mit einer Begrenzung der Vergütung des Kassenarztes das Ziel verfolgt, einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Kassenarztes entgegenzuwirken (BSGE 21, 235; 22, 218; 26, 164; SozR 2200 § 368f RVO Nr 6 und Nr 8; Urteil vom 9. Mai 1985 - 6 RKa 39/83 -). Die gesetzliche Ermächtigung für eine derartige Regelung findet sich in § 368f Abs 1 Satz 5 RVO. Diese Vorschrift ist Teil der gesetzlichen Regelung über die Verteilung der von den Krankenkassen an die KÄV für die gesamte kassenärztliche Versorgung zu entrichtenden Gesamtvergütung. Bei der Verteilung der Gesamtvergütung unter die Kassenärzte ist ein Verteilungsmaßstab anzuwenden, den das normgebende Organ der KÄV, die Vertreterversammlung (§ 368m RVO), festzusetzen hat. Der Verteilungsmaßstab soll zugleich sicherstellen, daß eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Kassenarztes verhütet wird. Dies kann nur bedeuten, daß erforderlichenfalls die Vergütung des Kassenarztes zu begrenzen ist. Dem widerspricht nicht die Bestimmung des § 368f Abs 1 Satz 4 RVO. Zwar sind Art und Umfang der Leistungen des Kassenarztes der Verteilung der Gesamtvergütung zugrunde zu legen, sie müssen aber nicht alleiniger Maßstab der Vergütung sein. Das ergibt sich bereits aus dem zweiten Halbsatz der Bestimmung, wonach eine Verteilung der Gesamtvergütung nur nach der Zahl der Behandlungsfälle (Krankenscheine) nicht zulässig ist. Aus verfassungsrechtlicher Sicht bestehen gegen § 368f Abs 1 Satz 5 RVO keine Bedenken (vgl BVerfGE 33, 171: Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde gegen BSGE 22, 218; Beschluß des BVerfG vom 27. August 1981 - 1 BvR 638/81 - gemäß § 93a Abs 3 BVerfGG: Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde gegen BSG SozR 2200 § 368f RVO Nr 8, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte).

Die hier umstrittene Regelung des § 11 HVM W-L verstößt nicht gegen Grundsätze des Kassenarztrechts. Das SG nimmt einen Verstoß gegen den Sicherstellungsauftrag der KÄV (§ 368n Abs 1 RVO) an, weil die ärztliche Tätigkeit zwingend auf ein bestimmtes Maß begrenzt werde, ohne die Prüfung zuzulassen, ob die Begrenzung die kassenärztliche Versorgung gefährdet. Die Annahme des SG beruht auf unzutreffenden Folgerungen aus den die Sicherstellungsfrage regelnden gesetzlichen Vorschriften. Diese Vorschriften nehmen eine Aufteilung der Aufgaben und Pflichten innerhalb des kassenärztlichen Versorgungssystems vor. Der allgemeine Grundsatz des § 368 Abs 1 Satz 1 RVO, daß Ärzte, Zahnärzte und Krankenkassen zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten und ihrer Angehörigen zusammenwirken, erfährt durch die unmittelbar anschließende Verweisung auf die Vorschriften der §§ 368a bis 368s RVO eine Konkretisierung. Danach wird unterschieden zwischen dem Aufgaben- und Verantwortungsbereich der KÄV bzw der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) und den Pflichten des einzelnen Kassenarztes. Der Sicherstellungsauftrag des § 368n Abs 1 RVO richtet sich an die KÄVen und die KÄBV. Diese haben die den Krankenkassen obliegende ärztliche Versorgung in dem in § 368 Abs 2 RVO bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, daß die kassenärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Sie haben deshalb dafür Sorge zu tragen, daß die Versicherten diejenige ärztliche Behandlung erhalten, die zur Heilung und Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig und ausreichend ist (§ 368e RVO). Diesem Ziel dienen auch Maßnahmen, die zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Kassenarztes getroffen werden. Dadurch soll erreicht werden, daß Ärzte in genügender Anzahl an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmen können und für eine gründliche und sorgfältige Behandlung persönlich zur Verfügung stehen. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die KÄV in einem unterversorgten Gebiet eine übermäßige Ausdehnung einer Kassenpraxis ausnahmsweise hinnehmen will, ist ihrem Regelungsermessen überlassen. Wenn sie eine solche Ausnahmeregelung nicht vorsieht, ist das rechtlich nicht zu beanstanden. Es wird ihr in der Regel auf andere Weise möglich sein, einer bestehenden oder drohenden Unterversorgung abzuhelfen. Ihre Verpflichtung hierzu wird ua durch § 368r Abs 2 Satz 2 RVO idF des Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes (KVWG) vom 28. Dezember 1976 (BGBl I 3871) bestätigt. Zu denken ist vor allem an die Förderung und Niederlassung weiterer Ärzte (zB durch Umsatzgarantien in unterversorgten und Zulassungsbeschränkungen in anderen Gebieten, vgl § 16 Abs 4 Buchst a der Zulassungsordnung für Kassenärzte -ZO-Ärzte idF vom 20. Juli 1977), an die Beteiligung und Ermächtigung anderer Ärzte (§ 368a Abs 8 RVO, §§ 29 ff ZO-Ärzte, §§ 14 ff des Bundesmantelvertrages-Ärzte -BMV-Ärzte-) und an eine stärkere Inanspruchnahme poliklinischer Einrichtungen von Hochschulen (§ 368a Abs 1 iVm § 368d Abs 1 Satz 3 und § 368n Abs 3 Satz 3 ff RVO). Unter Umständen kommt vorübergehend auch die Genehmigung der Beschäftigung eines Assistenten nach § 32 Abs 2 Satz 2 ff ZO-Ärzte in Betracht, die allerdings die Frage aufwirft, ob eine solche Beschäftigung, wenn sie eine Unterversorgung ausgleichen soll, bei der Anwendung des § 11 HVM W-L Berücksichtigung finden muß; es sind dann immerhin zwei Ärzte, wenn eventuell auch nur teilweise, in einer Praxis tätig. In einem solchen Fall ist unter Umständen an eine entsprechende Anwendung der für Gemeinschaftspraxen vorgesehene Regelung zu denken, soweit der Assistent die Arbeitskraft eines Arztes ersetzt.

Die Verpflichtung des einzelnen Kassenarztes, durch seine Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung zu deren Sicherstellung beizutragen (§ 368a Abs 4 RVO), besteht darin, die ärztliche Behandlung von Versicherten im Rahmen seines Leistungsvermögens zu übernehmen und die übernommene Behandlung gesetz- und vertragsgemäß durchzuführen. Bei einer übermäßigen Ausdehnung der Kassenpraxis ist nicht mehr die Gewähr gegeben, daß sich der Arzt jedem seiner Patienten in dem Maße zuwenden kann, wie es die ihm aufgegebene persönliche Leistungserbringung erfordert (§ 32 Abs 1 ZO-Ärzte; § 4 BMV-Ärzte). Die sich daraus für die KÄV gerade zur Erfüllung des Sicherstellungsauftrages ergebende Notwendigkeit, für eine Einschränkung des Umfangs einer übermäßig ausgedehnten Kassenpraxis zu sorgen, bringt den Kassenarzt nicht, wie das SG meint, in einen unlösbaren Konflikt. Er ist in diesem Falle grundsätzlich berechtigt, die Übernahme der Behandlung von Patienten abzulehnen. Selbstverständlich darf er dies nicht bei Notfällen. Dabei handelt es sich aber in der Regel um Einzelfälle, die nicht den Umfang seiner Praxis bestimmen. Sie werden zudem im § 11 HVM W-L ausdrücklich von der Begrenzungsregelung ausgenommen. Macht ein Arzt geltend, daß er aufgrund seines Behandlungsschwerpunkts viele "Notfälle" versorgen muß (zB ein Unfallarzt), so ist diesem Vorbringen bei der Anwendung der Vorschrift nachzugehen. Von einem Kassenarzt wird ferner erwartet werden können, daß er solche Patienten nicht zurückweist, die objektive Schwierigkeiten haben, eine andere Praxis aufzusuchen. Wenn Patienten in ihrem Wohnbereich keinen Arzt finden, der sich zur Übernahme der Behandlung in der Lage sieht, wird ein zwingender Grund iS des § 368d Abs 2 RVO anzunehmen sein, der es ihnen ohne Belastung mit Mehrkosten erlaubt, einen anderen als einen der nächsterreichbaren Kassenärzte in Anspruch zu nehmen. Sie können im Rahmen des § 194 RVO die Übernahme der erforderlichen Fahrkosten geltend machen. Auch wenn die Behandlung in einer weiter entfernt liegenden Praxis oder Poliklinik mit gewissen Nachteilen für den jeweiligen Patienten verbunden ist, wird sie doch der Behandlung in einer ortsnäheren, aber überlasteten Praxis vorzuziehen sein.

Die Begrenzungsregelung verletzt auch nicht deshalb Gesetzesrecht, weil sie die Überweisungstätigkeit sowie die Mutterschaftsvorsorge und die Früherkennungsmaßnahmen einbezieht. Für diese Leistungsbereiche gelten keine rechtlichen Besonderheiten, die dem Kassenarzt eine gebotene Begrenzung seiner Tätigkeit unmöglich machen. Eine Überweisung soll grundsätzlich nicht auf einen namentlich genannten Kassenarzt ausgestellt werden (§ 19 Abs 4 BMV-Ärzte; § 368d Abs 1 Satz 1 RVO); sie ist also im Regelfall nicht an einen bestimmten Arzt gerichtet. Aber selbst eine Überweisung an einen bestimmten Arzt kann diesen nicht zu einer die leistungsgerechte Versorgung der Patienten gefährdenden übermäßigen Ausdehnung seiner Praxis zwingen. Soweit solche Überweisungen zahlenmäßig überhaupt ins Gewicht fallen, hat der beauftragte Arzt entweder die überweisenden Ärzte zu einer Änderung ihres Überweisungsverhaltens zu veranlassen oder Einschränkungen in anderen Leistungsbereichen vorzunehmen. Der Kassenarzt ist jedenfalls in der Lage, sich dem Zweck der Begrenzungsregelung entsprechend zu verhalten. Nichts anderes ergibt sich für den Bereich der Mutterschaftsvorsorge und der Früherkennungsmaßnahmen. Die Werbung für diese Maßnahmen bedeutet nicht, daß der Arzt sie unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit durchführen muß.

Soweit das SG zu dem Ergebnis kommt, § 11 HVM W-L werde nicht durch § 368f Abs 1 Satz 5 RVO gedeckt, führt es Gründe an, die auf verfassungsrechtlichen Erwägungen beruhen. Aus ihnen ergibt sich jedoch ebensowenig wie aus den verfassungsrechtlichen Einwendungen des Klägers, daß die umstrittene HVM-Regelung ungültig ist. Eine Berufsausübungsregelung, um die es sich hier handelt, kann durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch andere Rechtsvorschriften, insbesondere durch satzungsrechtliche Vorschriften getroffen werden (Art 12 Abs 1 Satz 2 GG; BVerfGE 71, 162, 172 mwN). Sie ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie rechtfertigen, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und die durch sie bewirkte Beschränkung den Betroffenen zumutbar ist (BVerfGE 70, 1, 28 mwN). Sie muß ferner, um Art 3 Abs 1 GG gerecht zu werden, die Unterschiede berücksichtigen, die typischerweise innerhalb einer Berufsgruppe bestehen (BVerfGE 33, 171, 183). Handelt es sich um komplexe Sachverhalte, so kann es vertretbar sein, daß dem Normgeber zunächst eine angemessene Zeit zur Sammlung von Erfahrungen eingeräumt wird und daß er sich in diesem Anfangsstadium mit gröberen Typisierungen und Generalisierungen begnügen darf, die unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität namentlich deshalb gerechtfertigt sein können, weil eine Verfeinerung die Gefahr mangelnder Wirksamkeit mit sich bringen kann (BVerfGE 70, 1, 34; 33, 171, 189 f).

Zunächst gilt auch im vorliegenden Fall, was der Senat in seinem Urteil vom 5. März 1981 (SozR 2200 § 368f RVO Nr 8) zu einer entsprechenden Regelung des HMV der KÄV Nordrhein im Anschluß an BVerfGE 33, 171 gesagt hat. § 11 HVM W-L dient dem Interesse des Gemeinwohls; es soll mit ihm verhindert werden, daß der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt aufgrund einer Überbeschäftigung für die Versorgung und ärztliche Betreuung der einzelnen Kassenpatienten nicht mehr ausreichend zur Verfügung steht (BVerfGE aaO S 186). Die Begrenzung der kassenärztlichen Vergütung ist geeignet und erforderlich, um den angestrebten Zweck zu erreichen, denn es bietet sich keine andere wirksame und weniger einschneidende Möglichkeit an, die kassenärztliche Tätigkeit von außen her in Grenzen zu halten (BVerfGE aaO S 187). Sie ist den Kassenärzten zumutbar. Einerseits handelt es sich nicht um einen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit der Ärzte, denn die Begrenzung der Vergütung setzt erst ein, wenn der Kassenarzt mit seiner Gesamtpunktzahl (Honoraranforderung) die durchschnittliche Gesamtpunktzahl seiner Arztgruppe um mehr als 120 % und mit seiner Fallzahl die durchschnittliche Fallzahl seiner Arztgruppe um mehr als 100 % überschreitet; die Kürzung beträgt zudem höchstens 50 % der Überschreitungssumme. Andererseits ist der angestrebte Zweck für das Gemeinwohl von großer Bedeutung (BVerfGE aaO, S 188).

Soweit das SG bereits diese Voraussetzungen einer zulässigen Berufsausübungsregelung als nicht erfüllt ansieht, verkennt es die rechtlichen Gegebenheiten. Es hält die Regelung für ungeeignet, weil sie der Fallzahl eine zu große Bedeutung beimesse und damit die mit § 368f Abs 1 Satz 5 RVO verfolgte Absicht ins Gegenteil verkehre; sie benachteilige den Arzt, der trotz großer Fallzahl seine Tätigkeit verantwortungsbewußt einschränke, während sie demjenigen Vorteile bringe, der bei geringen Fallzahlen den Umfang seiner Tätigkeit ausdehne. Dem ist erstens entgegenzuhalten, daß es nicht zutrifft, wie das SG in diesem Zusammenhang andeutet, es werde auf die Fallzahl "als alleiniges Kriterium für den Umfang der ärztlichen Tätigkeit" abgestellt; vielmehr wird eine übermäßige Ausdehnung erst angenommen, wenn sowohl bei den Punktzahlen als auch bei der Fallzahl hohe Grenzwerte überschritten werden. Ein Kassenarzt mit hoher Fallzahl, aber eingeschränktem Leistungsumfang (zB ein Internist ohne eigene Labor- und Röntgendiagnostik) wird auch bei erheblicher Überschreitung des Fallzahlengrenzwertes erst spät in die Kürzungszone gelangen (ein Internist mit einem Fallwert von 600 Punkten - gegenüber dem dem Punktzahlengrenzwert von 1.291.000 zugrundeliegenden durchschnittlichen Fallwert der Fachgruppe von ca 838 Punkten - befindet sich auch bei einer dreifachen Fallzahl von 2.100 - gegenüber der dem Fallzahlengrenzwert von 1.400 zugrundeliegenden durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe von 700 - noch unterhalb des Punktzahlengrenzwertes). Dagegen geht bei einer Praxis mit voller Leistungsbreite mit der Erhöhung der Fallzahl auch eine entsprechende Erhöhung des Gesamtleistungsvolumens einher. Fallzahl und Leistungsaufwand pro Fall ergeben den Umfang der Praxis. Dem SG ist zweitens entgegenzuhalten, daß die Fallzahl gerade bei einer Regelung nach § 368f Abs 1 Satz 5 RVO nicht vernachlässigt werden darf; die Punktzahlen allein erlauben keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Ausdehnung der Praxis. Eine hohe Punktzahl bei niedriger Fallzahl spricht eher für eine besondere Praxisausrichtung (Spezialisierung auf Krankheiten, deren Behandlung einen relativ großen Leistungsaufwand erfordert) oder für eine unwirtschaftliche Behandlungsweise, die nach anderen Kriterien zu beurteilen, in einem anderen Verfahren zu prüfen (§ 368n Abs 5 RVO) und bei der Festsetzung der Vergütung auf andere Weise zu berücksichtigen ist (Honorarabstriche, die sich an dem festgestellten unwirtschaftlichen Mehraufwand zu orientieren haben).

Der Einwand des SG, die Leistungsfähigkeit eines Kassenarztes übersteige nicht selten die Grenzwerte, ist schon deshalb unbeachtlich, weil seine Richtigkeit durch nichts belegt ist. Die Grenzwerte sind so hoch festgesetzt, daß selbst ein Arzt mit dem doppelten Leistungsvolumen einer durchschnittlichen Praxis der betreffenden Arztgruppe von der Vergütungsbegrenzung noch nicht erfaßt wird. Beachtet man ferner, daß bei der Ermittlung des Durchschnittswertes alle Praxen berücksichtigt werden, also neben den weniger leistungsfähigen auch die sehr leistungsfähigen, so erscheint es gerechtfertigt, bei einem Arzt, der sowohl den Punktzahlengrenzwert als auch den Fallzahlengrenzwert überschreitet - dessen Leistungsvolumen folglich umfangreicher ist als das doppelte Leistungsvolumen einer durchschnittlichen Praxis -, davon auszugehen, daß er auf den einzelnen Fall nicht die Zeit und Mühe aufwenden kann, die eine persönliche Leistungserbringung in der gesetzlich vorgeschriebenen Qualität erfordert. Der Einwand des SG läßt aber vor allem außer acht, daß der KÄV bei der Festsetzung der Grenzwerte ein Regelungsermessen zusteht. Das BVerfG sieht den Sinn in der Verleihung der Satzungsautonomie darin, den entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen die Regelung solcher Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen können, eigenverantwortlich zu überlassen (BVerfGE 33, 125, 156). Dies gilt besonders dann, wenn der Gesetzgeber einer autonomen Körperschaft - wie hier der KÄV durch § 368f Abs 1 Satz 2 ff RVO - ausdrücklich aufgibt, bestimmte Angelegenheiten in eigener Zuständigkeit zu regeln. Die gerichtliche Kontrolle muß sich in solchen Fällen auf die Prüfung beschränken, ob die autonome Körperschaft bei der getroffenen Regelung die gesetzlichen Grenzen überschritten hat.

Eine Mißachtung der dem Satzungsgeber gezogenen Grenzen ergibt sich insbesondere nicht aus den Beanstandungen des SG, die Grenzwerte trügen nicht dem sehr unterschiedlichen Ausmaß der Belastung bei den einzelnen ärztlichen Verrichtungen und dem unterschiedlichen Kostenanteil Rechnung. So allgemein stellen diese Beanstandungen weder die Eignung der Regelung infrage, noch lassen sie den Schluß auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes zu. Entgegen der Auffassung des SG kann davon ausgegangen werden, daß das Gesamthonorarvolumen des Arztes sowohl das Ausmaß seiner Belastung als auch den unterschiedlichen Kostenanteil berücksichtigt. Die Gesamtpunktzahl, die das Gesamthonorarvolumen darstellt, wird aus der punktmäßigen Bewertung der vom Arzt erbrachten Leistungen errechnet. Der von der KÄBV und den Bundesverbänden der Krankenkassen gebildete Bewertungsausschuß hat einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen Leistungen vereinbart (E-BMÄ), der den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander bestimmt; er ist in bestimmten Zeitabständen auch daraufhin zu überprüfen, ob die Leistungsbeschreibung und ihre Bewertungen noch dem Stand der medizinisch-technischen Entwicklung sowie dem Erfordernis der Rationalisierung und der Wirtschaftlichkeit entsprechen (§ 368g Abs 4, § 368i Abs 8 bis 10 RV0). Die Punktzahlen geben nicht nur den Wert der Dienstleistungen des Arztes wieder, sie enthalten auch die allgemeinen Praxiskosten und die durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten und Apparaten entstehenden Kosten (Allgem. Best. I Nr 3 BMÄ'78). Dementsprechend hat die Beklagte bei den Arztgruppen unterschiedliche Grenzwerte festgesetzt, wobei die erheblichen Abweichungen im Punktzahlengrenzwert insbesondere auch auf dem verschieden hohen Kostenaufwand beruhen (vgl zB die Abweichungen bei den Nervenärzten und Radiologen mit und ohne CT). Eine andere Frage ist, worauf noch zurückzukommen sein wird, ob die festgesetzten Grenzwerte für alle an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte gelten und welche Grenzwerte im Einzelfall maßgebend sind.

Richtig ist allerdings, daß die Kürzung selbst unabhängig von den unterschiedlich hohen Kostenanteilen festgesetzt wird. Insbesondere dann, wenn die Gesamtfallzahl des Arztes so hoch liegt, daß der Punktzahlenüberhang um den Höchstsatz von 50 % gekürzt wird, kann nicht ausgeschlossen werden, daß nach Abzug des Kostenanteils dem Kassenarzt für die Behandlungsfälle, die über der Fallzahlengrenze liegen, keine oder nur eine geringe Vergütung seiner eigenen Leistungen verbleibt. Eine solche Betrachtungsweise, die sich auf die Vergütung der über der Fallzahlengrenze liegenden Behandlungsfälle beschränkt, wird jedoch den Gegebenheiten nicht gerecht. Die dem Arzt zur Verfügung stehende Zeit verteilt sich auf alle seine Behandlungsfälle. Von einer übermäßigen Ausdehnung der Kassenpraxis werden daher grundsätzlich alle Behandlungsfälle betroffen; der Aufwand des Arztes an Zeit und Mühe wird bei den meisten seiner Behandlungsfälle geringer sein. Es ist nicht unbillig, dafür auch nur eine geringere Vergütung zu gewähren. Im Kostenbereich wirkt sich eine hohe Fallzahl in der Regel ebenfalls aus. Die stärkere Ausnutzung der Praxiseinrichtung, insbesondere der Praxisräume und der Geräte, aber auch des nichtärztlichen Personals wird den durchschnittlichen Kostenanteil pro Behandlungsfall entsprechend mindern. Bezieht man die Kürzung auf alle Behandlungsfälle, so ergibt sich keine unzumutbare Belastung. Beispielsweise wird ein Internist, der den Fallzahlengrenzwert um 25 % überschreitet (das entspricht der Fallzahl von zweieinhalb Durchschnittspraxen), bei der den Punktzahlengrenzwert überschreitenden Punktzahl um 30 %, bei der Gesamtpunktzahl jedoch nur um ungefähr 3,6 % gekürzt (Punktzahlengrenzwert: 1.291.000 = um 120 % erhöhte durchschnittliche Punktzahl einer internistischen Praxis - die durchschnittliche Punktzahl beträgt also: 586.818 - Fallzahlengrenzwert 1.400 = um 100 % erhöhte durchschnittliche Fallzahl - also durchschnittliche Fallzahl: 700 - daraus errechnet sich ein durchschnittlicher Fallwert von 586.818 : 700 = 838,31 - die Überschreitung des Fallzahlengrenzwertes von 1.400 um 25 % ergibt eine Fallzahl von 1.750 - die Gesamtpunktzahl des Arztes beträgt demnach bei uneingeschränkter Leistungsbreite pro Fall, also bei Zugrundelegung des durchschnittlichen Fallwertes von 838,31: 1.467.041 - der Grenzwert wird um 176.041 überschritten - die Kürzung dieses Überhangs um 30 % beträgt 52.812 - das entspricht einer Kürzung der Gesamtpunktzahl des Arztes um ca 3,6 %).

Unbefriedigend ist allerdings die umstrittene Begrenzungsregelung deshalb, weil sie einen erheblichen Bereich der Tätigkeit des Kassenarztes nicht erfaßt. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 5. März 1981 (SozR 2200 § 368f RVO Nr 8) zu einer im ersten Quartal 1978 gültigen Regelung einer anderen KÄV darauf aufmerksam gemacht, daß vor allem gegen die Nichtberücksichtigung der vertragsärztlichen Tätigkeit für die Ersatzkassen Bedenken bestehen. Diese Bedenken haben sich zwischenzeitlich verstärkt. Die Zunahme der Mitgliederzahl der Ersatzkassen, die seit längerer Zeit zu beobachten ist, läßt die Annahme zu, daß sich die Tätigkeit der Kassenärzte für die Ersatzkassen im allgemeinen ausgeweitet hat. Der Anteil der Ersatzkassen am Krankenversicherungsschutz ist zwischen 1976 und 1982 von 23 % auf 26 % angestiegen, der Anteil der gesetzlichen Krankenkassen von 67 % auf 64 % gefallen (Statistisches Jahrbuch 1977, 63 und 1986, 65). Ferner liegt nahe, daß in den einzelnen Praxen je nach Wohngebiet die Anteile unterschiedlich hoch sind. Die an den durchschnittlichen Punkt- und Fallzahlen der jeweiligen Arztgruppe sich orientierenden Grenzwerte werden deshalb auf Dauer kein zuverlässiger Maßstab mehr sein, wenn die Ersatzkassenmitglieder unberücksichtigt bleiben. Dasselbe gilt für den Kürzungsmaßstab (Kürzungssatz), der sich allein nach den Fallzahlen richtet. Schließlich ist zu befürchten, daß eine auf den Bereich der RVO-Kassen beschränkte Regelung den Kassenarzt veranlassen wird, seine Tätigkeit vor allem oder ausschließlich in diesem Bereich zu begrenzen oder sogar weitgehend einzustellen. Dies aber wäre nicht im Sinne der Bestimmung des § 525c Abs 1 RVO, die sicherstellen will, daß der Vertragsarzt auch den Mitgliedern der RVO-Kassen zur Verfügung steht.

Die aufgezeigten Bedenken führen aber nicht dazu, die Regelung schon jetzt als ungültig ansehen zu müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Beklagte mit dieser Regelung in der hier maßgeblichen Fassung vom 4. Februar 1984 erstmals eine derartige Vergütungsbegrenzung eingeführt hat und ihr deshalb, wie das BVerfG für Anfangsregelungen anerkennt (siehe oben), eine angemessene Zeit zur Sammlung von Erfahrungen zuzugestehen ist. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, daß der Senat bisher die Nichtberücksichtigung des Ersatzkassenbereiches toleriert hat. Die Verpflichtung zur Anpassung an geänderte Verhältnisse und Berücksichtigung der gesammelten Erfahrungen (vgl SozR 2200 § 368f RVO Nr 8 mwN) können für die Beklagte und auch andere KÄVen mit ähnlichen Regelungen die Notwendigkeit ergeben, durch eine Änderung oder Ergänzung ihrer Regelungen den hier geäußerten Bedenken abzuhelfen. Der Senat kann nicht erkennen, daß einer solchen Abhilfe unüberwindliche Hindernisse im Wege stehen. Zwar betrifft die Ermächtigungsnorm des § 368f Nr 5 RVO nur die Verteilung der von den RVO-Kassen zu entrichtenden Gesamtvergütung. Ihre Wortfassung läßt es aber zu, jedenfalls bei der für die Höhe der Kürzung maßgebenden Fallzahl, auch die "Tätigkeit des Kassenarztes" im vertragsärztlichen Bereich zu berücksichtigen (vgl § 7 Abs 4 Buchst a HVM Nordrhein, § 6a Abs 5 Buchst b HVM Koblenz, § 9 Ziff I Abs 5 HVM Trier). Im übrigen gilt § 368f Abs 1 RVO für die Verträge der Ersatzkassen über die vertragsärztliche Versorgung sinngemäß (§ 525c Abs 2 RVO idF vom 27. Juni 1977).

Die von Kassenärzten ausgeübte Tätigkeit als Sprengelarzt für die Bundesknappschaft, deren Nichtberücksichtigung das SG ebenfalls beanstandet hat, ist gegenüber der vertragsärztlichen Tätigkeit für die Ersatzkassen im ganzen gesehen sicherlich von geringerem Umfang. Aus ihrer Nichtberücksichtigung ergeben sich daher in bezug auf die Gültigkeit der Begrenzungsregelung als solcher keine weitergehenden Konsequenzen. Wenn es zutrifft, wie die Beklagte behauptet, daß sie den Umfang der Sprengelarzttätigkeit eines Kassenarztes nicht feststellen kann, wird sie auch künftig nicht in der Lage sein, diese Tätigkeit bei der Prüfung der Ausdehnung der Tätigkeit des Kassenarztes zu berücksichtigen. Eine andere Frage ist jedoch, ob die Sprengelarzttätigkeit eine Verfälschung der Grenzwerte des § 11 HVM W-L dadurch bedingt, daß die Zahl der als Sprengelärzte tätigen Kassenärzte und ihre Belastung durch diese Tätigkeit in den einzelnen Arztgruppen recht unterschiedlich ist (angeblich sollen in der Arztgruppe der Chirurgen keine Kassenärzte als Sprengelärzte tätig sein, in anderen Arztgruppen dagegen viele Kassenärzte). Wenn bei der Ermittlung der für die Grenzwerte maßgebenden Durchschnittswerte der einzelnen Arztgruppe auch Sprengelärzte berücksichtigt werden, die nur in geringem Umfang kassenärztlich tätig sind und dementsprechend nur mit geringen Werten in die Berechnung der Beklagten eingehen, können sich für die betreffende Arztgruppe Durchschnittswerte ergeben, die erheblich unter dem Durchschnittswert einer normalen Kassenpraxis liegen. Dann entsprächen auch die Grenzwerte dieser Arztgruppe nicht mehr dem der Begrenzungsregelung innewohnenden Prinzip, daß dem Kassenarzt ein Toleranzbereich bis 120 % über dem Punktzahlendurchschnitt und bis 100 % über dem Fallzahlendurchschnitt der Arztgruppe verbleiben soll. Daraus ergäbe sich eine Ungleichbehandlung der einzelnen Arztgruppen, deren Ausmaß davon abhängig wäre, in welchem Umfang die Leistungen für die Bundesknappschaft über die KÄV abgerechnet oder von Sprengelärzten erbracht werden. Eine solche Ungleichbehandlung hätte zwar nicht die Ungültigkeit der gesamten Begrenzungsregelung zur Folge, jedoch unter Umständen die Ungültigkeit derjenigen Grenzwerte, die mit dem genannten Grundprinzip der Begrenzungsregelung unvereinbar wären. Die auf solchen Grenzwerten beruhenden Kürzungsbescheide könnten keinen Bestand haben. Die Vertreterversammlung der Beklagten hätte insoweit die Grenzwerte neu festzusetzen, wobei die zugrunde zu legenden Durchschnittswerte der Arztgruppe ohne die Werte der nur teilweise kassenärztlich tätigen Sprengelärzte zu berechnen wären. Gleiches hätte zu gelten, wenn eine gewichtige Zahl von Ärzten einer Arztgruppe aus anderen Gründen nur in einem erheblich eingeschränkten Umfang über die KÄV abrechnen sollte.

Die vorgenommene Differenzierung nach 19 Arztgruppen genügt den Anforderungen, die an eine erste Begrenzungsregelung zu stellen sind. Dies gilt auch hier unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sich die Beklagte die Erfahrungen anderer KÄVen mit ähnlichen Regelungen nutzbar machen konnte. Es lag nahe, wie geschehen, von der Fachgebietseinteilung der Muster-Weiterbildungsordnung auszugehen (DÄ 1985, 1018). Die Beklagte hat für alle Fachgebiete, auf die es bei der Sicherstellung der ambulanten kassenärztlichen Versorgung vor allem ankommt, eigene Grenzwerte festgesetzt. Soweit Fachgebiete nicht aufgenommen worden sind (zB Arbeitsmedizin, Hygiene, Mikrobiologie, öffentliches Gesundheitswesen, Pharmakologie und Toxikologie, Rechtsmedizin sowie Neurochirurgie), lassen sich dafür sachliche Gründe anführen. Es handelt sich um Fachgebiete, deren Leistungsspektren eine abweichende Regelung rechtfertigen, sei es, weil die Leistungen im ambulanten Versorgungsbereich, wenn überhaupt, nur in einem begrenzten Umfang anfallen und deshalb Begrenzungsmaßnahmen entbehrlich sind, sei es, weil eine persönliche Leistungserbringung durch den Arzt selbst nicht in gleichem Maße wie in den anderen Fachgebieten erforderlich ist, oder sei es deshalb, weil bei einem neuen oder Veränderungen ausgesetzten Fachgebiet das für die Festsetzung der Grenzwerte benötigte Zahlenmaterial noch keine zuverlässigen Folgerungen erlaubt. In diesem Zusammenhang erscheint es fraglich, wie es sich mit dem Gebiet der Nuklearmedizin verhält, das erst in einer späteren Fassung der Begrenzungsregelung gesondert ausgewiesen worden ist. Ob die Beklagte diese Arztgruppe zunächst überhaupt nicht der Begrenzungsregelung unterstellen wollte oder einer anderen Arztgruppe zugeordnet hat, ist der Regelung selbst nicht ohne weiteres zu entnehmen. Die Regelungsabsicht der Vertreterversammlung der Beklagten wird sich evtl daraus ergeben, bei welcher Arztgruppe die Punkt- und Fallzahlenwerte der Nuklearmediziner berücksichtigt wurden. Ob eine eventuelle Zuordnung rechtlich vertretbar ist, wird von einer Vergleichbarkeit der für die Grenzwerte maßgebenden Umstände abhängen. Wenn die Werte einer nicht gesondert ausgewiesenen Gruppe von Ärzten völlig außerhalb des Rahmens der Werte einer im übrigen vergleichbaren Arztgruppe liegen, wäre es systemwidrig, für beide Arztgruppen die gleichen Grenzwerte gelten zu lassen.

Gleiche Erwägungen können die Notwendigkeit weiterer Differenzierungen innerhalb eines Fachgebietes ergeben. Ärzte, die verpflichtet sind, im wesentlichen nur in einem Teilgebiet tätig zu sein (§ 17 der Muster-Weiterbildungsordnung aaO), werden auf längere Sicht gesondert festgesetzte Grenzwerte beanspruchen können, wenn die durchschnittlichen Punkt- und Fallzahlen ihres Teilgebiets erheblich von den entsprechenden Zahlen des übergeordneten Gebiets abweichen (uU bei dem einen oder anderen Teilgebiet innerhalb der Chirurgie und der inneren Medizin). Aber auch für die Einführung eines derart verfeinerten Maßstabs muß der KÄV eine Erfahrungszeit zugebilligt werden. Die Gültigkeit einer Anfangsregelung mit gröberer Typisierung ist umso weniger anzuzweifeln, je größer der den Kassenärzten belassene Toleranzbereich ist (der Bereich zwischen den Durchschnittswerten der Fachgruppe und den Grenzwerten). Dieser Toleranzbereich ist im vorliegenden Fall großzügig bemessen. Einen zusätzlichen Ausgleich sieht Absatz 4 des § 11 HVM W-L vor, wonach an die Stelle der Punktzahlengrenzwerte für die einzelnen Arztgruppen der Durchschnitts-Punktzahlengrenzwert aller Ärzte gemäß Absatz 3 tritt, wenn dieser Wert größer ist. Dabei handelt es sich offensichtlich um den Durchschnittswert aller Ärzte ohne Laborärzte, denn nur dieser ist in Absatz 3 ausgewiesen.

Die Zulässigkeit typisierender Regelungen schließt ein, daß besondere Verhältnisse von Einzelfällen keine Berücksichtigung finden müssen. Das kann in Bezug auf eine Regelung, die den Kassenarzt zu einer Begrenzung seiner Praxis veranlassen soll, dann zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, wenn dem Kassenarzt die Begrenzung seiner Tätigkeit wegen von ihm nicht zu beeinflussenden Umständen unmöglich ist. In einem solchen Fall kann evtl aus übergeordneten rechtlichen Gesichtspunkten die Anwendung der Begrenzungsregelung ausgeschlossen sein. Für die Annahme einer solchen Ausnahmesituation reicht jedoch nicht aus, daß der Arzt aus subjektiven Erwägungen, zB weil er aus Gründen der Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung sich dazu für berechtigt hält, von einer Einschränkung seiner übermäßig ausgedehnten Praxis Abstand nimmt. Sie wäre jedoch in Betracht zu ziehen, wenn der Arzt zur Ausweitung seiner Praxistätigkeit durch Rechtsvorschriften gezwungen wird, die dem HVM der KÄV vorgehen. In diese Richtung zielt der Einwand, der Umfang der kassenärztlichen Tätigkeit werde weitgehend von Vorschriften bestimmt, die den Einsatz von medizinischen Großgeräten betreffen. Dieser Einwand verliert jedoch seine Bedeutung, wenn gleichartige Geräte in erreichbarer Nähe (zB in poliklinischen Einrichtungen einer Hochschule) zur Verfügung stehen. Offenbar rechnet aber auch die Vertreterversammlung der Beklagten mit Ausnahmesituationen, die der Anwendung der Begrenzungsregelung entgegenstehen. Sie hat ihrer Regelung (nun § 12 HVM W-L) einen 9. Absatz hinzugefügt, wonach der Vorstand der Beklagten im Einzelfall bei den Arztgruppen der Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgen, Nervenärzte mit CT, Nuklearmediziner, Pathologen sowie Radiologen mit CT von einer Begrenzung der Honoraranforderungen wegen übermäßiger Ausdehnung ganz oder teilweise absehen kann, wenn gegenüber der Arztgruppe völlig abweichende Tatbestände dies rechtfertigen. Bei dieser Ergänzung handelt es sich nicht um eine Verfeinerung des Regelungsmaßstabs, deren Bedeutung sich auf die zukünftige Zeit beschränken müßte, sondern um eine nachträgliche Vervollständigung der Regelung, die eine von Anfang an vorgelegene, aber erst im nachhinein erkannte Regelungslücke (Bedürfnis für eine Ausnahmeregelung) schließt. Eine vorgezogene Anwendung auf anhängige Fälle aus der Zeit seit Einführung der Vergütungsbegrenzung ab dem 3. Quartal 1984 erscheint daher angezeigt. Desgleichen kann das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung eine entsprechende Anwendung auf Einzelfälle bei anderen Arztgruppen gebieten. Ein sachlicher Grund für eine Beschränkung der Ausnahmeregelung auf die ausdrücklich genannten Arztgruppen ist nicht ohne weiteres ersichtlich. Sollte ein solcher Grund fehlen, wäre eine erweiterte Anwendung geboten, wenn sich ergäbe, daß eine gleiche Ausnahmesituation auch bei anderen Arztgruppen vorliegt.

Die in § 11 HVM W-L gewählte Kürzungsmodalität ist jedenfalls insofern bedenkenfrei, als mit der Fallzahlenüberschreitung der Kürzungssatz ansteigt. Da die Höhe des Kürzungsbetrages auch von der Höhe der Punktzahlenüberschreitung abhängt, ist nicht zu beanstanden, daß sich der Kürzungssatz selbst lediglich nach der Fallzahlenüberschreitung richtet. Es ist sachlich begründet, dem Kassenarzt sein Fehlverhalten durch eine Erhöhung des Kürzungssatzes um so stärker bewußt zu machen, je höher er den Fallzahlengrenzwert überschreitet. Das Ansteigen des Kürzungssatzes bis auf 50 % ist damit ausreichend gerechtfertigt. Nicht befriedigend ist allerdings die grobe Kürzungsstaffelung, die zur Folge hat, daß wenige Behandlungsfälle dafür ausschlaggebend sein können, ob auf die gesamte Punktzahlenüberschreitung ein um 10 % höherer oder niedrigerer Kürzungssatz zur Anwendung kommt. Überschreitet beispielsweise ein Radiologe mit CT den für seine Arztgruppe geltenden Punktzahlengrenzwert von 3.872.000 um 30 % (= 1.161.000), so beträgt der Unterschied der Punktzahlenkürzung von Stufe zu Stufe der 10 %-Staffelung immerhin 116.100 Punkte. Dieses Ergebnis ließe sich vermeiden, wenn der Kürzungssatz entsprechend den (gerundeten) Prozentpunkten der Fallzahlenüberschreitung anstiege. Eine solche Kürzung wäre ein milderes Mittel und daher vorzuziehen, wenn es in gleicher Weise geeignet wäre und Gründe der Praktikabilität nicht entgegenstünden. Nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist eine Maßnahme, die in die Freiheit der Berufsausübung eingreift, insoweit nicht erforderlich, als eine weniger eingreifende Maßnahme ebenso geeignet ist, den angestrebten Zweck zu erreichen. Aber auch hier gilt, was das BVerfG zu den Anforderungen an eine Anfangsregelung gesagt (s.o.) hat. Wegen der gröberen Typisierung ist § 11 HVM W-L nicht ungültig. Die Beklagte ist aber gehalten, die Erwägungen des Senats bei einer der nächsten Überprüfungen der Regelung zu berücksichtigen. Überprüfungen sind von Zeit zu Zeit schon deshalb veranlaßt, weil sich die den Grenzwerten zugrundeliegenden Verhältnisse ändern können.

Die Sonderregelung für beteiligte und ermächtigte Krankenhausärzte läßt ebenfalls keinen ihrer Gültigkeit entgegenstehenden Verstoß gegen übergeordnetes Recht erkennen. Das berufliche Hauptbetätigungsfeld dieser Ärzte liegt im Krankenhausbereich, wozu natürlich auch die ambulante Tätigkeit in poliklinischen Einrichtungen zu rechnen ist. Demgegenüber stellt die kassenärztliche Tätigkeit im Rahmen der Beteiligung und Ermächtigung des einzelnen Krankenhausarztes eine Nebentätigkeit dar. Es ist angemessen, diesem Umstand durch eine Herabsetzung der Grenzwerte auf ein Drittel der für die niedergelassenen Kassenärzte geltenden Grenzwerte (= 2/3 der durchschnittlichen Praxis eines hauptberuflich im kassenärztlichen Bereich tätigen Arztes) Rechnung zu tragen. Zu Unrecht wird eingewandt, es sei rechtswidrig, die im Rahmen des Bedarfs zugelassene Tätigkeit des Krankenhausarztes (§ 368a Abs 8 RVO) durch eine Satzungsregelung der KÄV nach § 368f Abs 1 Satz 5 RVO weiter einzuschränken. Die Versorgungslücke, die zur Beteiligung bzw Ermächtigung geführt hat, kann ebensowenig wie bei den Kassenärzten der Sicherstellungsauftrag des § 368n Abs 1 RVO es rechtfertigen, die neben der hauptberuflichen Tätigkeit im Krankenhaus ausgeübte kassenärztliche Nebentätigkeit übermäßig auszudehnen. Auch in diesem Falle wäre es nicht gewährleistet, daß sich der Chefarzt persönlich der Behandlung des einzelnen Patienten in dem erforderlichen Maße widmen kann. Der Krankenhausarzt kann sich nicht darauf berufen, er könne seine persönliche Tätigkeit im Krankenhausbereich durch Delegation auf nachgeordnete Krankenhausärzte einschränken und stehe daher weitgehend den Kassenpatienten zur Verfügung. Sollte der Krankenhausarzt tatsächlich seine Krankenhaustätigkeit, für die er eine volle Vergütung erhält, so einschränken, daß er die ambulante kassenärztliche Tätigkeit in einem ähnlichen Umfange ausüben könnte, wie der hauptberuflich im kassenärztlichen Bereich tätige niedergelassene Arzt, so wäre dies von der KÄV bei der Regelung der kassenärztlichen Versorgung nicht zu berücksichtigen. Soweit der Krankenhausarzt geltend macht, er gehöre einer im HVM nicht erfaßten Arztgruppe an oder es sei bei ihm eine Ausnahmesituation gegeben, gelten die Ausführungen in den voranstehenden Abschnitten entsprechend.

Unbegründet sind auch die sonstigen Einwendungen, die von Krankenhausärzten gegen die hier umstrittene Begrenzungsregelung vorgebracht werden. Die Ansicht, § 368f Abs 1 Satz 5 RVO gelte nur für die Kassenärzte im eigentlichen Sinne (die zugelassenen Ärzte iS des § 368a Abs 1 RVO), läßt außer acht, daß alle Regelungen, die den Leistungsbereich der kassenärztlichen Versorgung betreffen (insbesondere die Art und Güte der Leistungserbringung und die Vergütung der Leistungen), grundsätzlich für alle an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte gelten. Soweit in bezug auf die für die beteiligten und ermächtigten Krankenhausärzte geltende Sonderregelung (Herabsetzung der Grenzwerte auf ein Drittel) eine ungenügende Differenzierung beanstandet wird, zeigt sich die Berechtigung der vom BVerfG aaO geäußerten Befürchtung, daß eine Verfeinerung die Gefahr mangelnder Wirksamkeit mit sich bringen kann. Die unzähligen Möglichkeiten unterschiedlicher Beteiligungen und Ermächtigungen sprechen hier für sich. Zudem läßt der Umfang einer solchen Teilnahmeberechtigung nicht ohne weiteres Rückschlüsse darauf zu, welcher Praxisumfang hingenommen werden kann. So besagt die Beschränkung einer Beteiligung auf wenige Leistungsarten nicht, daß der Kassenarzt aufgrund der Bedarfssituation von weniger Patienten in Anspruch genommen werden muß als ein anderer Krankenhausarzt, der in einem weiteren Umfang beteiligt ist. Für eine Begrenzungsregelung iS des § 368f Abs 1 Satz 5 RVO kommt es nicht auf den Umfang der Leistungsberechtigung an, vielmehr darauf, in welchem Umfang der Arzt unter Berücksichtigung seiner sonstigen beruflichen Verpflichtung für die ambulante Versorgung der Versicherten zur Verfügung steht. Ferner liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß insoweit, als die Pathologen nicht in die für die Krankenhausärzte geltende Sonderregelung einbezogen worden sind, eine willkürliche Unterscheidung getroffen worden ist. Schließlich ist der Einwand unbeachtlich, der beteiligte bzw ermächtigte Krankenhausarzt müsse für die ambulante Behandlung der Versicherten unter Umständen einen höheren Betrag an den Krankenhausträger abführen, als er von der KÄV für die der Kürzung unterworfenen Behandlungsfälle (vor allem in den höheren Kürzungsbereichen) erhält. Zum einen können Vereinbarungen zwischen dem Arzt und dem Krankenhausträger die KÄV nicht hindern, die zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Zum anderen kann der Krankenhausarzt durch Einhaltung der Grenzwerte die hier angesprochenen finanziellen Nachteile vermeiden. Damit wäre gerade das erreicht, was die Begrenzungsregelung beabsichtigt.

Fragen der Anwendung des § 11 HVM W-L auf den vorliegenden Einzelfall sind von dem nach der Zurückverweisung wieder für die Entscheidung zuständigen Sozialgericht zu klären.

Dem SG wird auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens überlassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1664737

NJW 1988, 2324

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