Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensübernahme. Rechtsweg für Streit um Mithaftung eines Dritten für öffentlich-rechtliche Forderung
Leitsatz (amtlich)
Wer das Vermögen desjenigen übernimmt, der kraft verbindlicher Entscheidung zu Unrecht empfangene Sozialleistungen zurückzahlen muß (§ 419 BGB), kann als Mithaftender durch Verwaltungsakt in Anspruch genommen werden (Aufgabe von BSG 11.11.1966 10 RV 87/65 = BSGE 25, 268 = SozR Nr 20 zu § 47 VerwVG). Die Verwaltung kann nicht unmittelbar gegen ihn klagen.
Orientierungssatz
Für den Streit um die Mithaftung eines Dritten gemäß § 419 BGB für eine öffentlich-rechtliche Forderung in einer Angelegenheit der Kriegsopferversorgung ist der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit gegeben.
Normenkette
BGB § 419 Abs 1; SGG § 51 Abs 1, §§ 53, 54 Abs 5; SGB 10 § 50 Abs 1 S 1; SGB 10 § 50 Abs 3 S 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 19.12.1984; Aktenzeichen L 10 V 70/84) |
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 22.03.1984; Aktenzeichen S 12 V 150/82) |
Tatbestand
Die Versorgungsverwaltung verlangt von der Beklagten die Erfüllung einer Schuld ihres Vaters wegen der Übernahme seines Vermögens aufgrund des § 419 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). 1983 hat sie gegen die Beklagte beim Sozialgericht (SG) auf Zahlung von 6.227,20 DM geklagt. Der 1973 verstorbene Vater mußte nach einem bis zum Landessozialgericht (LSG) erfolglos angefochtenen Bescheid vom 19. November 1953 der Verwaltung 6.892,-- DM an zu Unrecht nach der Sozialversicherungsdirektive Nr 27 und dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhaltenen Versorgungsbezügen zurückerstatten. Der Betrag verminderte sich durch verschiedene Tilgungsleistungen. 1972 übertrug der Vater die auf ihn entfallende ideelle Hälfte eines Erbbaurechts sowie den Anteil an der anderen Hälfte, den er 1971 durch den Tod seiner Ehefrau als gesetzlicher Erbe erworben hatte, auf die Beklagte. Diese veräußerte 1977 das gesamte Erbbaurecht für 66.000,-- DM, nachdem sie den übrigen Teil der Mutter teils unmittelbar durch den Erbgang und teils durch die Übertragung der Erbanteile ihrer Geschwister erworben hatte. Die Verwaltung errechnete einen Reinerlös von 22.130,-- DM aus dem Verkauf. Das SG hat die Leistungsklage abgewiesen (Urteil vom 22. März 1984). Das LSG hat die Berufung des klagenden Landes zurückgewiesen (Urteil vom 19. Dezember 1984). Den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit hat es angenommen (§ 51 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), weil ein Anspruch aus der Kriegsopferversorgung streitig sei, der kraft Mithaftung nach § 419 BGB erfüllt werden solle. Für die Klage fehle aber das Rechtsschutzbedürfnis; denn der Kläger könne das erstrebte Ziel auf einfachere Weise erreichen: durch einen Verwaltungsakt gegenüber der Beklagten und ein anschließendes Verwaltungszwangsverfahren, evtl nach Landesrecht mit Hilfe der zuständigen Gemeindebehörde als Vollstreckungsbehörde, die auch gegen eine nach bürgerlichem Recht leistungspflichtige Person vorgehen dürfe.
Der Kläger rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine Verletzung der §§ 51, 52 und 54 SGG. Für die Klage fehle nicht das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Der Weg über ein Verwaltungszwangsverfahren sei nicht einfacher als die Klage und zudem mit größeren Risiken behaftet. Das Land habe keine Weisungsbefugnis gegenüber einer mit der Vollstreckung zu befassenden Gemeindebehörde. Für ein weiteres Verfahren wegen Einwänden gegen die Mithaftung, woran das Land nicht beteiligt werde, seien die "ordentlichen Gerichte" zuständig. Die Verwaltung müsse auch damit rechnen, daß ein Haftungsbescheid, den sie erlasse, aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG(BSGE 25, 268) aufgehoben werde.
Der Kläger beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 6.227,20 DM an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte ist in diesem Verfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind zuständig für die Entscheidung über die nach §§ 53, 54 Abs 5 SGG erhobene Leistungsklage, wofür dieser Rechtsweg gegeben sein muß (BSGE 32, 145, 149 = SozR Nr 49 zu § 51 SGG); davon ist das LSG zutreffend ausgegangen (1). Das Berufungsgericht hat auch mit Recht die Klage mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig erklärt (2).
1.
Der Kläger begehrt die Erfüllung einer Geldschuld von der Beklagten aufgrund einer Vermögensübernahme. Dieser Klageanspruch ist öffentlich-rechtlicher Art und gehört zu den Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung, über die die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 Abs 1 SGG zu entscheiden haben. Maßgebend für diese Zuordnung ist das Rechtsverhältnis, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird (ständige Rechtsprechung, zB BSGE 39, 260, 261 = SozR 3100 § 52 Nr 1; BSGE 54, 286, 287 = SozR 3870 § 8 Nr 1; BSGE 56, 140 = SozR 1500 § 51 Nr 34; BSGE 58, 89, 91 = SozR 2200 § 611 Nr 3). Das ist hier die Rückabwicklung einer Kriegsopferversorgungs-Beziehung zwischen dem klagenden Land und dem Vater der Beklagten. Nach rechtsverbindlicher Entscheidung (§ 77 SGG) hatte der Vater die zu Unrecht aus der Kriegsopferversorgung erhaltenen Versorgungsbezüge zurückzuerstatten. Für diese "Kehrseite" der vorausgegangenen Leistungsbeziehung ist derselbe Rechtsweg gegeben wie für das Rechtsverhältnis, das dem Vater die Sozialleistungen verschafft hat (BSGE 39, 260, 261f; BGHZ 72, 56 = NJW 1978, 1385).
An dieser Rechtsnatur des umstrittenen Anspruchs, der die zuständige Gerichtsbarkeit bestimmt, ändert sich nichts dadurch, daß die Beklagte als Mithaftende die Schuld ihres Vaters gegenüber der Versorgungsverwaltung erfüllen soll (BVerwGE 35, 170 = Buchholz 427.3 § 350a LAG Nr 25; BGHZ 72, 56, 59ff; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 2. Aufl 1981, § 51, Rz 16 und 18; Peters/Sautter/Wolff, Komm zur Sozialgerichtsbarkeit, Band I, § 51, Anm 9, a, S 123/16; aA Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band I/1, S 187v II; für nicht mehr geltendes Recht: BFHE 57, 209, 210; BGH, NJW 1962, 2351). Ob eine solche Mithaftung, auf die der Klageanspruch ergänzend gestützt wird, besteht, ist allerdings in diesem Rechtsstreit nicht zu entscheiden. Sie kommt indes auch aufgrund öffentlichen Rechts in Betracht. Nach § 419 Abs 1 BGB kann ein Gläubiger seine Forderung auch gegen denjenigen geltend machen, der das Vermögen seines Schuldners vertraglich übernommen hat. Diese unabdingbare Mithaftung (§ 419 Abs 3 BGB) betrifft nach der systematischen Stellung des § 419 im BGB die Rechte des Gläubigers einer bürgerlich-rechtlichen Forderung. Aber der in dieser Regelung enthaltene Rechtsgedanke vermag sinngemäß als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch eine Mithaftung für öffentliche Ansprüche zu begründen (BGH, NJW 1962, 2351; BGHZ 72, 56, 59ff; BFHE 57, 209, 210 f; 98, 298, 300; BFH 5. Februar 1986 - I R 78/82 -; BVerwG Buchholz 427.7 § 40 RepG Nr 2; anscheinend auch BFHE 140, 6, 7; Fikentscher, Schuldrecht, 7. Aufl 1985, S 379; Weber in: BGB-RGR-Kommentar, 12. Aufl 1978, § 419, Rz 78; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Komm zur Abgabenordnung und zur Finanzgerichtsordnung, Stand: 1986, § 33 AO 1977, Rz 7 und 8; § 191 AO, Rz 26). Jene Schutzbestimmung soll dem Gläubiger den Zugriff auf das Vermögen erhalten, das vor der Übertragung auf einen anderen seine Befriedigung sicherte (BFHE 102, 197, 199 f). Eine solche Sicherung ist um so mehr im Interesse der öffentlichen Hand geboten; sie soll verhindern, daß der Schuldner einer öffentlich-rechtlichen Forderung deren Befriedigung durch eine Vermögensveräußerung endgültig vereiteln kann. Ein solcher Schutz der Versorgungsverwaltung, die aus Steuermitteln zu leisten hat, ist gerade in einem Fall wie dem gegenwärtigen dringend erforderlich, wenn die Pflicht, zu Unrecht bezogene öffentliche Leistungen zurückzuerstatten, bereits rechtsverbindlich festgestellt worden ist.
In ähnlicher Weise richtet sich die Zuständigkeit nach einer öffentlich-rechtlichen und auch speziell sozialrechtlichen Forderung gegen eine Gesellschaft, wenn der Anspruch von einem persönlich haftenden Gesellschafter erfüllt werden soll; nicht maßgebend ist dann die dem Privatrecht zuzurechnende Rechtsbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, in der die Mithaftung des letztgenannten gründet (BSGE 40, 96, 97 ff = SozR 2200 § 393 Nr 2; BSGE 56, 76, 78 f = SozR 7685 § 13 Nr 1; SozR 7680 § 176 Nr 2; im Ergebnis auch BSGE 45, 279 = SozR 2200 § 723 Nr 4; SozR Nr 1 zu § 380 RVO; Nr 2 zu § 393). Das gilt ebenso für die Erbenhaftung (BSG SozR 3610 § 5 Nr 3). Schließlich hat die Sozialgerichtsbarkeit über eine sozialrechtliche Forderung auch dann zu entscheiden, wenn sie kraft eines Konkursrechtes gegen einen Konkursverwalter, auf den die Verfügungsbefugnis über die Konkursmasse übergegangen ist, geltend gemacht wird (BSGE 32, 263, 264 = SozR Nr 5 zu § 28 RVO; BGHZ 55, 224; 60, 64).
2.
Rechtsschutz ist nach § 53 SGG auf eine Klage nicht zu gewähren, wenn dafür kein Bedürfnis besteht. So ist es hier. Die erhobene Klageart kommt für den gegenwärtigen Fall nicht in Betracht. Nach § 54 Abs 5 SGG ist eine reine Leistungsklage nur dann zulässig, "wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte", dh allein für Streitigkeiten zwischen Gleichgeordneten, deren Beziehung der eine nicht gegenüber dem anderen im Über- und Unterordnungsverhältnis hoheitlich regeln kann (Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 54 Anm 6, c). Das gilt nicht für das Verhältnis zwischen den Beteiligten dieses Rechtsstreits.
Allerdings konnte der Kläger aufgrund eines Urteils des 10. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) annehmen, er dürfe nicht durch einen Bescheid gegen die Beklagte vorgehen, so daß eine Leistungsklage geboten wäre. Der 10. Senat hat einen Verwaltungsakt, durch den ein festgestellter Anspruch auf Rückerstattung von Kriegsopferversorgungsleistungen gegenüber einem Dritten aufgrund des § 419 BGB geltend gemacht wurde, für rechtswidrig erklärt (BSGE 25, 268, 269 ff = SozR Nr 20 zu § 47 VerwVG). Dieser Ansicht folgt der erkennende Senat nicht. Die Abweichung gebietet aber keine Anrufung des Großen Senats nach § 42 SGG; denn der 10. Senat, der für Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung zuständig war, besteht nicht mehr, und seine Aufgaben hat kein anderer Senat als der erkennende unmittelbar übernommen. Der BGH ist der Auffassung des 10. Senats in seinem Urteil, das sich mit jener Entscheidung befaßt (BGHZ 72, 56), nicht in einer tragenden Begründung beigetreten, so daß eine Rechtsvereinheitlichung durch den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) nicht herbeigeführt zu werden braucht.
Die Beklagte haftet persönlich für die gegenüber ihrem Vater rechtsverbindliche festgestellte Leistungsschuld (§ 66 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 1 Satz 1 SGB X vom 18. August 1980 -BGBl I 1469-, § 24 Abs 2, Art II § 1 Nr 11 SGB I, §§ 1 und 2 Abs 1 Buchstabe b Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes -BVwVG- vom 27. April 1953 - BGBl I 157 -/ 14. Dezember 1976 -BGBl I 3341-). "Persönlich" haftet in diesem Sinn auch derjenige, der entsprechend § 419 BGB in Anspruch genommen wird, obwohl sich die Haftung auf das übernommene Vermögen beschränkt (§ 419 Abs 2 Satz 1 BGB; Engelhardt, Verwaltungsvollstreckungsgesetz - Verwaltungszustellungsgesetz, 1979, § 2 VwVG, Anm 1, b; Sadler, Verwaltungsvollstreckungsgesetz, 1983, § 2, Anm 2; Rietdorf/Waldhausen/Voss, Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl 1981, VV zu § 4 S 35; § 10, Erl 1). Will die Verwaltung die Beklagte wegen dieses Schuldüberganges in Anspruch nehmen, kann und muß sie ihr einen Haftungsbescheid erlassen. Diese hoheitliche Maßnahme ist Voraussetzung für eine evtl notwendige Verwaltungszwangsvollstreckung gegen die Beklagte als Vollstreckungsschuldnerin.
Diese Vorgehensweise hält der Kläger grundsätzlich für geboten. Er hält aber in solchen Fällen wahlweise auch eine Leistungsklage für zulässig, um durch Urteil die Voraussetzung für eine Verwaltungsvollstreckung gegen den Dritten schaffen zu lassen. Das ist indes mit der allgemeinen Aufgabenverteilung unter den staatlichen Gewalten nicht vereinbar (BSGE 3, 135, 140 f; 6, 97, 99; 50, 262, 263 f = SozR 2200 § 28 Nr 4; im Ergebnis ebenso: BVerwG Buchholz 232 § 172 BBG Nr 3; anderer Ansicht Meyer-Ladewig, aaO, § 54 Rz 37; Rz 17 vor § 51; uneinheitlich: Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 54, Anm 6, c, S 185/13-4/7 und 4/8 "Einzelfälle"). Die Verwaltung regelt öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse, wie hier eines gegeben ist, durch Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X); die Gerichte kontrollieren auf Klage die Verwaltungstätigkeit. Die Erstattung zu Unrecht bezogener Leistungen (jetzt: infolge einer Rücknahme nach § 45 iVm § 50 Abs 1 SGB X) ist durch einen Verwaltungsakt zu verlangen (jetzt: § 50 Abs 3 SGB X), und zwar auch gegenüber einem entsprechend § 419 BGB mithaftenden, wie noch bei der Erörterung des Vollstreckungsrechts aufgezeigt wird. In solchen Fällen muß die Verwaltung ein Verwaltungsverfahren, in dem die Voraussetzungen für den Erlaß eines Verwaltungsaktes zu prüfen sind und ein Bescheid abschließend evtl zu ergehen hat (§ 8 SGB X), durchführen; dies ist nicht in ihr Ermessen gestellt; denn sie muß aufgrund von Rechtsvorschriften von Amts wegen tätig werden (§ 18 Satz 2 Nr 1 SGB X). Kraft allgemeinen Verfassungsauftrages zum Gesetzesvollzug (Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl 1983, § 22 Rz 1) und nach Haushaltsrecht hat die Versorgungsverwaltung die Versorgungsleistungen, die zu Unrecht zu Lasten des Bundes ausgegeben wurden, vom Empfänger - hier vom Mithaftenden - als gesetzliche Einnahmen zurückzufordern (Art 120 Satz 1 GG iVm § 1 Abs 1 Nr 8 und § 21 des I. Überleitungsgesetzes vom 28. April 1955 -BGBl I 193-/ 8. Juni 1977 -BGBl I 801-; § 34 Abs 1 und 2 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung -BHO- vom 19. August 1969 -BGBl I 1284-/14. Juli 1980 -BGBl I 955-, § 34 Abs 1 und 2 Landeshaushaltsordnung vom 14. Dezember 1971 -GVNW 397).
Die ausschließliche Verweisung auf ein Verwaltungsverfahren und der Entscheidungsvorrang der Verwaltung dienen auch dem Schutz des Bürgers, der wegen einer öffentlich-rechtlichen Forderung in Anspruch genommen werden soll. Er müßte, statt unmittelbar mit einer Klage überzogen werden zu können, vor dem Erlaß eines Verwaltungsaktes angehört werden (§ 24 SGB X, § 10 Abs 1 Satz 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen -VwVG NW- vom 13. Mai 1980 -GVNW 510-; dazu BSG SozR 1200 § 34 Nr 12; 1300 § 24 Nrn 4 und 6), und ihm stände für die Anfechtung eine zweite Verwaltungsinstanz offen (§§ 78ff SGG). Wenn das Bundesverwaltungsgericht in einzelnen Fällen hoheitlicher Beziehungen eine Leistungsklage der Verwaltung gegen einen Bürger zugelassen hat, was im Schrifttum kritisiert wird (zB Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl 1986, Rz 32 vor § 40; § 42 Rz 10, 11 und 12), so braucht deswegen nicht der GmSOGB angerufen zu werden; denn die hier maßgebenden Vorschriften, besonders § 54 Abs 5 SGG und § 50 Abs 1 und 3 SGB X, gelten für die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht. - Der 8. Senat des BSG hat in einem Rechtsstreit, den ein Amtsgericht verbindlich an das Sozialgericht verwiesen hatte (§ 52 Abs 2 SGG), die Leistungsklage einer Krankenkasse gegen eines ihrer Mitglieder für zulässig erklärt (SGb 1984, 161 mit abl Anm von Kopp, aaO, 163). Von dieser Entscheidung weicht der erkennende Senat nicht ab; denn sie betraf einen Schadensersatzanspruch, nicht das - hier umstrittene - sozialrechtliche Leistungsverhältnis, das durch Verwaltungsakte zu regeln ist. -
Wenn der Kläger meint, ein Gerichtsverfahren mit einer Leistungsklage sei "einfacher" als das von ihm einzuhaltende Verwaltungsverfahren, und deshalb sei ein Rechtsschutzbedürfnis nicht ausgeschlossen (BSG SozR 1500 § 53 Nr 2), so läßt er folgendes außer acht: Dieser Grundsatz mag für Klagen von Bürgern gegen Träger der öffentlichen Gewalt gelten, aber nicht umgekehrt. Im übrigen bestehen nicht die Schwierigkeiten des Verwaltungszwangsverfahrens, auf die der Kläger seine Ansicht stützt. Ein Verwaltungsvollstreckungsverfahren bliebe der Verwaltung selbst dann nicht erspart, wenn sie in diesem Rechtsstreit einen Titel gegen die Beklagte erstritte und wenn diese die Zahlung verweigerte (§ 200 Abs 2 SGG). Die Umständlichkeit eines gerichtlichen Rechtsschutzverfahrens, in dem die Beklagte sich gegen ihre Mithaftung wendete (§ 7 Abs 1 VwVG NW; BSGE 35, 236, 237 von Mutius -Hg-, Handbuch der öffentlichen Verwaltung, Band 1, 1984, S 290 ff, Rz 114 ff), könnte eine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG nicht rechtfertigen.
Die Zuständigkeit des Klägers für einen Verwaltungsakt, der die Leistungsklage ausschließt, wird durch Vorschriften über die Verwaltungsvollstreckung nicht berührt, sondern gerade bestätigt. Wohl obliegt in Nordrhein-Westfalen die Vollstreckung von Forderungen der Kriegsopferversorgung den Gemeinden als Vollstreckungsbehörden (§ 66 Abs 2 Halbsatz 2 SGB X, § 5 Abs 2 B-VwVG, § 1 Abs 2, § 2 Abs 1 Satz 2 Nr 2 VwVG NW, Verordnung über die Bestimmung der Vollstreckungsbehörden iS des § 66 Abs 2 SGB X vom 20. November 1981 - GVNW 682 -). Aber ungeachtet dessen veranlaßt die zuständige Verwaltungsbehörde die hoheitliche Gläubigerin, hier der Kläger, das Zwangsverfahren (§ 66 Abs 2 Halbsatz 1 SGB X). Das geschieht durch eine Vollstreckungsanordnung (§ 3 Abs 1 und 4 B-VwVG). Dies ist allerdings kein Verwaltungsakt, sondern ein innerdienstlicher Auftragsakt (BVerwG, NJW 1961, 332 = DVBl 1961, 134; Vorberg/van Nuis, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, VII. Teil, 1968, S 38 f; Brunn aaO, S 259, 280, Rz 65). Als anderes Verwaltungszwangsverfahren könnte - entgegen der Ansicht des LSG und des Klägers - nicht ein eigenständiges nach den §§ 2 und 3 B-VwVG durchgeführt werden, sondern nur gemäß § 66 Abs 4 Satz 1 SGB X eine Zwangsvollstreckung entsprechend der Zivilprozeßordnung. In beiden Fällen darf das Vollstreckungsverfahren ua erst nach Erlaß eines Leistungsbescheides, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist, eingeleitet werden (§ 3 Abs 2 Buchstabe a B-VwVG). Nachdem ein solcher Verwaltungsakt (jetzt § 50 Abs 1 und 3 SGB X) gegen den Vater der Beklagten als Selbstschuldner (§ 2 Abs 1 Buchstabe a B-VwVG) ergangen und verbindlich geworden war, müßte er gegenüber der Vermögensübernehmerin als Vollstreckungsschuldnerin im Sinn der Haftungsschuldnerin (§ 2 Abs 1 Buchstabe b B-VwVG, § 4 Abs 1 Buchstabe b, § 10 Abs 1 Satz 2 VwVG NW) durch einen Haftungsbescheid ergänzt werden (Carl, Betriebsberater 1985, 1783 ff; Rietdorf/Waldhausen/Voss, aaO, § 4, Erl. 3 und 5; Engelhardt, aaO, § 2, Anm 1, b; BFHE 118, 533 für einen Duldungsbescheid gemäß § 2 Abs 2 B-VwVG). Dies steht der Leistungsklage entgegen. Die schriftliche Zahlungsaufforderung an die Beklagte vom 18. November 1981 kann allerdings nicht rückschauend als ein solcher Haftungsbescheid gedeutet werden; sonst wäre die Beklagte infolge Fristablaufs um ihr Recht zur Anfechtung gebracht.
Die Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde zum Erlassen des Haftungsbescheides nach § 10 Abs 1 Satz 1 VwVG NW gilt im gegenwärtigen Fall nicht. Dieser Verwaltungsakt, den vielmehr die Verwaltung des Gläubigers zu erlassen hat, geht dem Vollstreckungsverfahren nach Bundesrecht, das Landesrecht bricht (Art 31 GG), voraus, nach landesrechtlichen Vorschriften richtet sich aber, wie dargelegt, ausschließlich die Vollstreckung, nicht ihre in § 3 Abs 2 Buchstabe a B-VwVG geregelte Voraussetzung. Zudem ist schon fraglich, was das Revisionsgericht nicht zu entscheiden hat (§ 162 SGG), ob die auf bürgerlich-rechtliche Haftungen beschränkte landesrechtliche Bestimmung des § 10 VwVG NW überhaupt anzuwenden ist, wenn eine Vermögensübernahme sich - wie hier - nach einem dem § 419 BGB entsprechenden Grundsatz des öffentlichen Rechts bestimmt.
In dem Bescheid über die Leistungspflicht kraft Haftung müßten die Vermögensanteile, die die Beklagte nicht von ihrem Vater unmittelbar erworben hat, außer Betracht bleiben. Zur vollständigen Regelung ist ergänzend zu prüfen, ob und inwieweit wegen einer besonderen Härte, namentlich einer nachträglichen Verschuldung, nach § 59 Abs 1 Satz 1 Nr 3 S 1 BHO von der Erstattung abgesehen werden kann, wie dies der Senat bereits zu § 50 Abs 1 SGB X im Verhältnis zum ursprünglichen Erstattungsschuldner (§ 2 Abs 1 Buchstabe a B-VwVG) entschieden hat (BSG SozR 1300 Art 2 § 40 Nr 8 S 11f). Bei der Haftung eines Dritten ist diese Prüfung deshalb besonders geboten, weil der Dritte nicht schlechter stehen soll als der ursprüngliche Erstattungsschuldner, dessen schutzwürdige Interessen bereits im Verfahren der Rücknahme des Leistungsbescheides zu beachten sind (§ 45 Abs 2 SGB X). Das Ergebnis dieser Prüfung ist eine nach außen wirksame Entscheidung (vgl Heuer/Dommach, Handbuch der Finanzkontrolle, Stand Januar 1986, § 59 BHO Anm IV, 6). Diese Entscheidung, die einer Vollstreckung vorauszugehen hat, könnten die Gerichte, die evtl gegen den Haftungsbescheid angerufen werden, nicht selbst treffen, sondern bloß gemäß § 54 Abs 2 Satz 2 SGG auf Ermessensfehler kontrollieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen