Leitsatz (redaktionell)

Zum Verhältnis von sozialer und beruflicher Eingliederung.

 

Orientierungssatz

Auch im Rehabilitationsbereich muß die berufliche Ausbildung in 1. Linie unter pädagogischen Gesichtspunkten erfolgen.

 

Normenkette

AFG § 58 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 40 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25; RehaAnO § 10 Nr. 4 Fassung: 1970-07-02; RehaAnO 1970 § 10 Nr. 4 Fassung: 1970-07-02; RehaAnO § 10 Nr. 5 Fassung: 1970-07-02; RehaAnO 1970 § 10 Nr. 5 Fassung: 1970-07-02

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Februar 1975 aufgehoben, soweit es den Anspruch des Klägers vom 4. Mai 1971 an betrifft.

In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger hat die Kosten der Unterbringung des Behinderten K L (L.) - geboren am 5. März 1952 - in der Rehabilitationseinrichtung W vom 1. Januar 1970 bis zum 2. Mai 1974 getragen. In der Einrichtung, die der Pflegeanstalt B angeschlossen ist und zum Evangelisch-Lutherischen Diakoniewerk N gehört, war L. bereits seit dem 2. Januar 1969 untergebracht. Er nahm zusammen mit anderen Behinderten an einem "arbeitstherapeutischen Versuch" in der Firma B (Fa. B.) teil. Dort arbeiteten die Behinderten unter Aufsicht einer von der Rehabilitationseinrichtung gestellten Fachkraft. L. wurde am 1. März 1974 probeweise aus der Einrichtung entlassen, nachdem sich eine Familie bereiterklärt hatte, ihn aufzunehmen und zu betreuen.

Am 4. Mai 1971 beantragte L. Berufsausbildungsbeihilfe (BAB). Das Arbeitsamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 3. August 1971 ab. Der vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 4. April 1972). Die Klage, mit der der Kläger Aufhebung der Bescheide und Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der BAB an ihn bis zur Höhe seiner Aufwendungen für L. begehrte, hat das Sozialgericht (SG) Bayreuth mit Urteil vom 10. Januar 1974 abgewiesen. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz beantragt, das Urteil des SG aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die beantragte BAB zu gewähren und dem Kläger bis zur Höhe seiner Aufwendungen zu erstatten.

Mit Urteil vom 13. Februar 1975 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Der Kläger verfolge im anhängigen Verfahren nicht etwaige Ansprüche des Behinderten gegen die Beklagte auf Förderung der beruflichen Bildung, sondern seinen Erstattungsanspruch. Indessen sei dieser Anspruch nicht begründet. L. sei allerdings Behinderter i. S. der §§ 56 ff des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Aber die Beklagte sei nur für Maßnahmen der Arbeits- und Berufsförderung zuständig. Dagegen sei die medizinische Rehabilitation und die soziale Eingliederung von Behinderten nicht ihre Aufgabe. In der Rehabilitationseinrichtung W. sei zwar mit arbeits- und sozialtherapeutischen Maßnahmen auch die berufliche Eingliederung der Behinderten vorbereitet worden; zu diesem Zweck würden die in dem Heim untergebrachten Jugendlichen in gewerblichen und industriellen Betrieben eingesetzt und dort an eine normale Arbeitshaltung gewöhnt und auf das ihnen entsprechende Leistungsniveau gebracht. Die Unterbringung und Betreuung des L. im Heim sei aber vor allem durch Schwierigkeiten im Bereich der sozialen Eingliederung veranlaßt gewesen. Insbesondere habe er wegen seiner Unselbständigkeit im täglichen Sorgebereich eine beschützende Umgebung gebraucht. Auch soweit mit der Maßnahme die Arbeitsfähigkeit des L. erprobt und geübt worden sei, sei dies hauptsächlich im Rahmen seiner sozialen Eingliederung geschehen. Die Maßnahme sei nicht wesentlich auf die Eingliederung in eine dem Behinderten entsprechende Beschäftigung ausgerichtet gewesen. Hauptsächlich seien andere als rein arbeits- und berufsbezogene Ziele verfolgt worden. Aus den gleichen Gründen sei eine nur annähernd genaue zeitliche Planung der Maßnahme nicht möglich gewesen. Sie dauere je nach den Verhältnissen des Einzelfalles zwischen einem und fünf Jahren.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 2, 3, 56 und 40 Abs. 1 AFG durch das LSG. Er macht geltend, beim Einsatz des L. in der Fa. B. habe es sich im wesentlichen um eine berufsfördernde Maßnahme gehandelt. Das werde schon dadurch bewiesen, daß L. am 2. Mai 1974 in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis übernommen werden konnte. Die berufliche Förderung habe allerdings nur durch den Aufenthalt in einer Einrichtung sichergestellt werden können. Daher sei sowohl die Ausbildung in der Fa. B. wie auch die Betreuung und Förderung im Heim als eine geschlossene Maßnahme der beruflichen Förderung Behinderter anzusehen. Jede berufliche Förderung geistig Behinderter falle zu einem wesentlichen Teil in den Bereich der sozialen Rehabilitation. Zur sozialen Anpassung als Bestandteil der beruflichen Rehabilitation Behinderter gehöre die Befähigung, den Arbeitsplatz selbständig zu erreichen, die Gewöhnung an Regelmäßigkeit, Pünktlichkeit und Ordnung am Arbeitsplatz sowie die Anpassung an Mitarbeiter und Gruppenleiter.

Der Kläger beantragt,

1.

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Februar 1975 und des Sozialgerichts Bayreuth vom 10. Januar 1974 sowie den Bescheid des Arbeitsamtes A vom 3. August 1971 idF des Widerspruchsbescheides vom 4. April 1972 aufzuheben,

2.

die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts Ausbildungsförderung für K L, geb. 5. März 1952, zu gewähren und die vom 1. Januar 1970 zustehende Berufsausbildungsbeihilfe bis zum Abschluß der Berufsausbildungsmaßnahme dem Kläger bis zur Höhe seiner Aufwendungen zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist in rechter Form und Frist eingelegt und zulässig.

Soweit der Kläger Aufhebung der Bescheide und Verurteilung zur Gewährung von BAB beantragt, liegt keine - im Revisionsverfahren unzulässige - Klageänderung vor. Der Kläger hatte in der ersten Instanz Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben. Im Antrag vor dem LSG fehlte der Antrag auf Aufhebung der Bescheide. Das LSG hat daraus zu Unrecht geschlossen, der Kläger verfolge nur die reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG. Vielmehr ist das Vorbringen des Klägers dahin auszulegen, daß er den Aufhebungsantrag nicht fallen lassen wollte. Diese vom Wortlaut des Antrags abweichende Auslegung gebietet sich deshalb, weil der Kläger in der Berufungsbegründung nichts vorgebracht hat, was auf ein Übergehen oder eine Beschränkung auf die reine Leistungsklage schließen läßt. Er hat im Gegenteil die Überleitung des Anspruchs nach § 90 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ausdrücklich erwähnt. Dementsprechend hat er in der Revisionsinstanz seinen Antrag klargestellt und begehrt nunmehr eindeutig auch Aufhebung der Bescheide. Der in allen Instanzen gestellte Leistungsantrag läßt nicht erkennen, daß es sich um den mit der reinen Leistungsklage geltend zu machenden Erstattungsanspruch handeln sollte, vielmehr hat der Kläger ausdrücklich Gewährung der Ausbildungsförderung für L. beantragt.

Die Revision ist, soweit sie den Anspruch des Klägers vom 4. Mai 1971 an betrifft, in dem Sinne begründet, daß das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Dem Kläger kann der übergeleitete Anspruch des L. auf BAB zustehen. Die Feststellungen des LSG reichen jedoch für eine abschließende Entscheidung des Senats nicht aus.

Mit Schreiben vom 28. September 1970 hat der Kläger den Anspruch des L. auf sich übergeleitet (§ 90 BSHG).

Der Anspruch des L. könnte nach § 58 AFG i. V. m. § 40 AFG begründet sein. Nach den bindenden Feststellungen des LSG ist L. Behinderter i. S. der §§ 56 ff AFG. Die Förderung der beruflichen Ausbildung Behinderter richtet sich nach § 40 AFG.

Berufsfördernde Maßnahmen i. S. des § 40 AFG müssen zunächst pädagogischer Art sein. Dies folgt schon aus ihrer Einordnung in den Unterabschnitt "Förderung der beruflichen Bildung", denn unter Bildung ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zu verstehen. Bei den Maßnahmen zu Grundausbildungs- und Förderungslehrgängen ergibt sich der pädagogische Charakter auch eindeutig aus dem Begriff des Lehrgangs. Darüber hinaus wird nach § 34 AFG nur die Teilnahme an Maßnahmen mit Unterricht gefördert. Die Behinderten der Rehabilitationseinrichtung W. sind nach den Feststellungen des LSG in Betrieben eingesetzt worden, um an eine normale Arbeitshaltung gewöhnt und auf das ihnen entsprechende Leistungsniveau gebracht zu werden. Ihre Leistungsfähigkeit ist erprobt und geübt worden. Dabei hat es sich um eine pädagogische Maßnahme gehandelt, falls die Behinderten von Lehrmeistern oder ähnlichen Personen erzieherisch und lehrend geleitet worden sind. Das LSG wird dies noch feststellen müssen. Eine Beschäftigung ohne das Ziel der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten ist keine Bildungsmaßnahme. Dagegen kann schon die Erprobung der Leistungsfähigkeit unter diesen Begriff fallen, zumal da nach § 41 AFG sogar die bloße Feststellung von Kenntnissen und Fertigkeiten als Bildungsmaßnahme anzusehen ist. Insbesondere im Hinblick auf die sehr lange Dauer der Aufnahme des L. in W ist indessen zweifelhaft, ob er während der gesamten Zeit, für die Förderung begehrt wird, an einer Bildungsmaßnahme teilgenommen hat oder wann seine Tätigkeit zu einem reinen Arbeitseinsatz geworden ist. Das LSG hat ausgeführt, die Förderung der Arbeitshaltung und Arbeitsleistung des L. sei bereits geraume Zeit vor seiner Entlassung aus der Pflegeanstalt abgeschlossen gewesen. Festzustellen bleibt aber noch der genaue Zeitpunkt.

Die BA fördert nach §§ 58 i. V. m. 40 AFG nur Maßnahmen der beruflichen Bildung. Im Falle des L. war die Maßnahme sowohl nach ihrem Ziel wie auch nach ihrem Inhalt beruflicher Art, denn nach den Feststellungen des LSG diente der Einsatz der geistig behinderten Jugendlichen in den Betrieben der Vorbereitung ihrer beruflichen Eingliederung und war auch nach dem Gegenstand der Maßnahme beruflicher Art.

Nach der Ansicht des LSG scheitert der Förderungsanspruch des L. daran, daß Unterbringung und Betreuung im Heim vor allem durch Schwierigkeiten im Bereich der sozialen Eingliederung veranlaßt gewesen seien. L. habe eine beschützende Umgebung gebraucht. Der Schwerpunkt der Maßnahme habe somit im Bereich der medizinischen Therapie und sozialen Erziehung gelegen. Dazu hat der Senat bereits entschieden, daß Maßnahmen der Heilbehandlung i. S. des § 1237 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF nicht von der Beklagten zu fördern sind (BSG Urteil vom 15. Juni 1976 - 7 RAr 143/74 -). Auch die soziale Erziehung gehört nicht in den Aufgabenbereich der BA (vgl. dazu BSG Urteil vom 26. Mai 1976 - 12/7 RAr 41/75 -). Das LSG nimmt im angefochtenen Urteil aber zu Unrecht an, daß die Unterbringung und Betreuung des L. im Heim und sein Arbeitseinsatz bei der Fa. B. als einheitliche Maßnahme anzusehen seien. In der Vorschrift des § 45 geht das AFG indessen selbst davon aus, daß die Kosten für Unterkunft und Verpflegung durch eine Fortbildungsmaßnahme entstehen können. Unterkunft und Verpflegung werden hier also nicht als Bestandteil der Maßnahme bewertet. Es ist deshalb nicht einzusehen, warum die Unterbringung in einem Heim Teil der Bildungsmaßnahme selbst sein sollte. Dementsprechend regelt § 17 Abs. 2 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (AReha) vom 2. Juli 1970 (ANBA S. 637) den erhöhten Bedarf für den Lebensunterhalt bei Unterbringung des auszubildenden Behinderten in einem Wohnheim. Dabei geht es um die Höhe der Kosten und nicht um die Förderung dem Grunde nach. Diese richtet sich gemäß §§ 40 AFG i. V. m. 10 Nr. 4 und 5 AReha nach dem Ziel des Lehrgangs. Für die Förderung der Bildungsmaßnahme dem Grunde nach ist es unerheblich, wodurch die Unterbringung des Behinderten in einem Heim bedingt war. Im Falle des L. ist nicht entscheidend, was die Aufnahme in die Rehabilitationseinrichtung W. veranlaßt hat, sondern ob der Einsatz bei der Fa. B. die Voraussetzung des § 10 Nr. 4 oder 5 AReha erfüllt hat.

Das LSG hat weiter festgestellt, auch die Erprobung und Übung der Arbeitsfähigkeit des L. sei hauptsächlich im Rahmen seiner sozialen Eingliederung geschehen. Damit wird aber der berufliche Bezug des Arbeitseinsatzes bei der Fa. B. als Voraussetzung einer Bildungsmaßnahme nicht ausgeschlossen. Allerdings hat der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) ausgeführt, Maßnahmen der sozialen Eingliederung seien von der BA nicht zu fördern, auch wenn der Behinderte dieses Ziel durch eine Beschäftigungstherapie oder die Ausübung von Arbeit anstrebt (BSG aaO).

Dann handelt es sich aber im Gegensatz zum vorliegenden Fall gar nicht um eine Bildungsmaßnahme. Daß eine Bildungsmaßnahme nach ihrem Endziel oder Motiv der sozialen Eingliederung dient, kann ihrem Charakter als beruflich nicht entgegenstehen. Man mag sie dann vielleicht mit dem LSG als "arbeitstherapeutische Maßnahme" bezeichnen. Dadurch wird aber nicht verhindert, daß der unmittelbare Zweck die berufliche Bildung sein kann.

An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, daß das LSG festgestellt hat, die Maßnahme sei nicht ausschließlich oder wesentlich auf die Eingliederung in eine Beschäftigung ausgerichtet gewesen. Das LSG versteht nämlich unter "Maßnahme" hier offenbar nicht nur den Einsatz im Betrieb, sondern die Unterbringung in der Pflegeanstalt mit diesem Einsatz. Dagegen hält der Senat für wesentlich, daß der Einsatz im Betrieb eine berufliche Maßnahme gewesen ist.

Im einzelnen ist in der AReha geregelt, welche Maßnahmen gefördert werden. Die AReha 1970 ist auch für die Gerichte bindendes Satzungsrecht. Sie ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen und ist mit den hier einschlägigen Vorschriften der §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 und 10 Nr. 4 und 5 eine im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung (§ 58 Abs. 1 AFG aF i. V. m. § 39 AFG) bleibende und mit höherrangigen Rechtsnormen nicht in Widerspruch stehende Konkretisierung des gesetzlichen Auftrages an die BA, bei ihren Maßnahmen die besonderen Verhältnisse der Behinderten zu berücksichtigen (§ 56 AFG aF). Die von der Revision gegen die gesetzliche Grundlage der AReha 1970 erhobenen Bedenken sind daher unbegründet.

Bei der Fa. B. wurde, wie den Feststellungen des LSG entnommen werden kann, weder eine Ausbildung i. S. des § 10 Nr. 1 und 2 AReha noch ein Grundausbildungslehrgang oder Einzelmaßnahmen zur Vorbereitung auf bestimmte Berufsbereiche i. S. des § 10 Nr. 3 AReha durchgeführt. Die Feststellungen des LSG reichen aber nicht aus, um zu entscheiden, ob es sich dabei um einen Lehrgang i. S. des § 10 Nr. 4 oder 5 AReha gehandelt hat. Das LSG wird diese Feststellungen nachzuholen haben und bei seiner neuen Entscheidung folgendes weiter berücksichtigen müssen:

Wenn die Maßnahme den Erfordernissen des § 10 Nr. 4 oder 5 AReha entspricht, ist weiter ihre Eignung i. S. des § 34 AFG und die Eignung des L. i. S. des § 36 AFG i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 - 4 AReha zu prüfen. Eignung in diesem Sinne bedeutet einmal den Besitz von Fähigkeiten und Kenntnissen, die eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten, d. h., es wahrscheinlich erscheinen lassen, daß der Teilnehmer das Lehrgangsziel erreichen wird; außerdem muß der Teilnehmer an der Bildungsmaßnahme aufgrund seiner körperlichen (gesundheitlichen) Beschaffenheit unter Berücksichtigung seiner Behinderung voraussichtlich in der Lage sein, den Anforderungen objektiv gerecht zu werden, die der mit der Maßnahme angestrebte Beruf an ihn stellen wird (vgl. BSGE 39, 291, 294). Falls es sich um eine Maßnahme nach § 10 Nr. 5 AReha gehandelt hat, würde es genügen, wenn erwartet werden durfte, daß L. in einer Werkstatt für Behinderte würde arbeiten können (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 AReha). Die Eignung in diesem Sinne muß während der ganzen Maßnahme vorliegen. Wenn sie wegfällt, sind vom Zeitpunkt des Wegfalls an die Voraussetzungen für die Förderung nicht mehr gegeben.

Die Teilnahme wäre von vornherein nicht zu fördern, wenn L. schon bei ihrem Beginn keiner Vorbereitung auf das für ihn optimal erreichbare Berufsziel mehr bedurfte (Urteil des 12. Senats des BSG aaO). Das wäre anzunehmen, wenn L. vorher schon den Bildungsstand erreicht hätte, der für die von ihm äußerstenfalls erreichbare Tätigkeit in der Werkstatt für Behinderte oder Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist.

Der 12. Senat des BSG verlangt im schon erwähnten Urteil, Mindestziel der beruflichen Eingliederung müsse eine spätere leistungsangemessene Entlohnung sein, die den Regelsatz eines Haushaltsvorstandes i. S. des Sozialhilferechts nicht unterschreite. Im vorliegenden Fall braucht der erkennende Senat darauf aber nicht einzugehen. Nach den vom LSG in Bezug genommenen Akten hat das Evangelisch-Lutherische Diakoniewerk am 10. Mai 1973 die Erwartung ausgedrückt, daß L. in der Lage sein müsse, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Am 12. Februar 1974 hat das Werk dem Kläger mitgeteilt, der Arbeitgeber des L. übernehme die Unterbringungskosten bei der Familie Sch. in Höhe von mtl. 400,- DM und sei bereit, ihn nach positivem Verlauf des Entlassungsversuchs in ein rentenversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Der Regelsatz eines Haushaltsvorstandes nach § 22 des Bundessozialhilfegesetzes betrug 1974 in Bayern 232,- DM. Wenn das LSG eine höhere leistungsangemessene Entlohnung des L. nach der hier streitigen Zeit oder die oben behauptete Erwartung feststellen kann, ist damit das vom 12. Senat verlangte Mindestziel erreicht. Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß für die Förderung Behinderter jedenfalls keine höhere Entlohnung erwartet werden muß.

Soweit der Kläger BAB für die Zeit vor dem 4. Mai 1971 begehrt, ist die Revision zurückzuweisen.

Der Anspruch des L. auf BAB kann gemäß § 45 AReha erst ab Antragstellung bestehen. Nach den unangefochtenen Feststellungen des LSG hat L. den Antrag erst am 4. Mai 1971 gestellt.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Urteil des LSG vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651833

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