Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Verfahrensmangel. ordnungsgemäße Besetzung der Senate beim LSG. Hilfsrichter. außerordentliche Arbeitsbelastung
Orientierungssatz
1. Der erkennende Senat ist mit der einheitlichen Rechtsprechung des BSG der Auffassung, dass die gleichzeitige Mitwirkung von zwei Hilfsrichtern in einem Senat in jedem Fall vorschriftswidrig und damit unzulässig ist. Ob aber ein Senat bei der Beschäftigung auch nur eines Hilfsrichters nicht vorschriftsmäßig, also unzulässig besetzt ist, hängt von den Umständen ab. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG können bei den LSGen - auch in den nach § 210 SGG errichteten Zeitsenaten - Hilfsrichter nur zur Vertretung von verhinderten ständigen Mitgliedern des Gerichts, zu ihrer beruflichen Ausbildung oder zur beruflichen Fortbildung des richterlichen Nachwuchses und zur Bewältigung eines vorübergehenden Geschäftanfalles, dabei stets auch nur für eine vorübergehende Zeit, verwendet werden.
2. Allein aus der Zeitdauer der Beschäftigung von Hilfsrichtern darf noch nicht auf eine unzulässige Dauerbeschäftigung geschlossen werden. Deshalb kann auch einer außerordentlichen Arbeitsbelastung eines LSG, die sich nach Errichtung der Sozialgerichtsbarkeit über mehrere Jahre erstreckte, mit einer Bestellung von Hilfsrichtern abgeholfen werden.
Normenkette
SGG § 210 Fassung: 1953-09-03, § 32 Fassung: 1993-09-03, § 32ff Fassung: 1993-09-03
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen vom 4. Juli 1962 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Mit rechtskräftig gewordenem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen vom 5. November 1957 wurde die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Oberversicherungsamtes (OVA) Münster vom 8. September 1950, mit dem die Klage auf Anerkennung eines Anfallsleidens als Schädigungsfolge abgewiesen worden war, zurückgewiesen. Das Urteil des damaligen 12. Senats - eines Senats auf Zeit - des LSG erging unter Mitwirkung
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des Landessozialgerichtsrates |
Dr. M als Vorsitzenden, |
des Landessozialgerichtsrates W und |
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des Sozialgerichtsrates |
Dr. H |
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als weiterer Berufsrichter |
sowie der ordnungsgemäß berufenen ehrenamtlichen Landessozialrichter.
Gegen dieses Urteil vom 5. November 1957 hat der Kläger am 15. März 1962 wegen unvorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts Nichtigkeitsklage beim LSG Nordrhein-Westfalen in Essen erhoben und geltend gemacht, die Fehlbesetzung des LSG habe darin bestanden, daß im 12. Senat unzulässigerweise ständig ein, zeitweise sogar zwei Hilfsrichter mitgewirkt hätten; von dieser unzulässigen Besetzung habe er erst durch die Auskunft des Präsidenten des LSG vom 2. März 1962 erfahren.
Das LSG hat festgestellt, seinem damaligen 12. Senat hätten bis Mitte Dezember 1956 ein Landessozialgerichtsrat und zwei Hilfsrichter, in der Folgezeit zwei Landessozialgerichtsräte und ein Hilfsrichter angehört; bei dem angefochtenen Urteil (5. November 1957) habe Sozialgerichtsrat Dr. H als Hilfsrichter mitgewirkt, der am 1. April 1957 vom Sozialgericht (SG) Düsseldorf an das LSG abgeordnet und am 19. Dezember 1957 in eine Planstelle des LSG als Landessozialgerichtsrat eingewiesen worden sei.
Das LSG hat die Nichtigkeitsklage mit Urteil vom 4. Juli 1962 abgewiesen: Die Klage sei formgerecht und auch fristgerecht erhoben worden; denn es erscheine glaubhaft, daß der Kläger erst durch die Auskunft vom 2. März 1962 von der - gerügten - Besetzung des früheren 12. Senats Kenntnis erhalten habe. Es könne dahingestellt bleiben, ob der 12. Senat zu der Zeit, als in ihm noch zwei Hilfsrichter mitgewirkt hätten, in vorschriftsmäßiger Besetzung entschieden habe oder nicht. Im Geschäftsjahr 1957 und insbesondere am 5. November 1957, dem Tag des Erlasses des angefochtenen Urteils, sei seine Besetzung jedenfalls nicht zu beanstanden; denn in dieser Zeit habe ihm nur noch ein Hilfsrichter angehört, neben zwei Landessozialgerichtsräten, von denen einer gemäß § 210 Abs. 2 SGG zum Vorsitzenden bestellt gewesen sei. Im übrigen sei anerkannten Rechts, daß an zweitinstanzlichen Gerichten wie dem LSG nicht in eine Planstelle eingewiesene, aber bereits an einem anderen Gericht auf Lebenszeit angestellte Richter als Hilfsrichter beschäftigt werden dürften, sofern dies zur Vertretung von ständigen Mitgliedern des Gerichts, zur Fortbildung oder Überprüfung des richterlichen Nachwuchses (sogenannte Qualifikation) oder zur Bewältigung eines außergewöhnlichen Geschäftsanfalles nötig sei. Verlangt werde in jedem Falle, daß die Mitwirkung von Hilfsrichtern keinen Dauerzustand darstelle, sondern Übergangscharakter behalte. Diese Voraussetzungen - mit Ausnahme der einer Vertretung planmäßiger Senatsmitglieder - seien im vorliegenden Falle gegeben, insbesondere auch die einer - nicht als Dauerbelastung anzusehenden - außerordentlichen Geschäftsbelastung durch im Jahre 1957 noch bestehende typische Übergangsverhältnisse nach Errichtung der Sozialgerichtsbarkeit.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses ihm am 15. August 1962 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 30. August 1962, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 31. August 1962, Revision eingelegt. Mit der am 6. November 1962 - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 15. November 1962 - eingegangenen Revisionsbegründungsschrift vom 5. November 1962 hat er die Revision begründet. Er rügt mit ihr die Verletzung der §§ 32 und 210 SGG und trägt vor, allein schon die Tatsache, daß im früheren 12. Senat des LSG mehr als drei Jahre lang nach Einführung der Sozialgerichtsbarkeit im Jahre 1954 Hilfsrichter tätig gewesen seien, lasse eine vorschriftswidrige Besetzung erkennen; denn bei einem solchen Zeitraum könne von einem Übergangscharakter nicht mehr die Rede sein. Im übrigen könne auch das Verhältnis der Zahl der Hilfsrichter zur Zahl der Planstelleninhaber nicht unbeachtet bleiben; im vorliegenden Fall hätten beim LSG 40 planmäßigen Berufsrichtern 19 Hilfsrichter gegenübergestanden.
Der Kläger beantragt,
1. unter Aufhebung des Urteils des LSG Nordrhein-Westfalen vom 4. Juli 1962 das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 5. November 1957 aufzuheben und insoweit der Nichtigkeitsklage des Klägers gemäß § 179 SGG i. V. m. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO stattzugeben,
2. den Rechtsstreit zur Verhandlung in der Hauptsache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beruft sich zur Begründung seiner Rechtsauffassung insbesondere auch auf die Vorschrift des § 210 a SGG idF des Dritten Änderungsgesetzes zum SGG vom 16. Mai 1960. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.
Der Kläger hat die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) form- und fristgerecht eingelegt und begründet; das Rechtsmittel ist deshalb zulässig.
Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Dabei kann allerdings den Bedenken des Beklagten gegen die Auffassung des LSG, daß es bei der Frage der fristgerechten Erhebung der Nichtigkeitsklage auf die Kenntnis des Klägers selbst vom Anfechtungsgrund ankomme, nicht gefolgt werden. Der Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, der Kläger sei im Verfahren vor dem früheren 12. Senat des LSG durch Verbandsvertreter des Verbandes der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands (VdK) vertreten gewesen; er müsse sich die Kenntnis dieser Verbandsvertreter über die Besetzung der Senate - auch mit Hilfsrichtern - zurechnen lassen; im übrigen habe er auch nach Empfang des Urteils aus dessen Rubrum ersehen können, daß ein Hilfsrichter (Sozialgerichtsrat Dr. H) an der Entscheidung mitgewirkt habe. Hierbei ist schon nicht richtig, daß der Kläger - bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung vor dem 12. Senat des LSG - durch Verbandsvertreter des VdK vertreten gewesen ist; denn mit Schreiben vom 20. Juli 1957 hatte der Prozeßbevollmächtigte M dem LSG mitgeteilt, daß der Kläger nicht mehr durch den VdK vertreten werde. In der Folgezeit hat dann der Kläger seine Interessen auch selbst wahrgenommen, ebenso ist er im Termin zur mündlichen Verhandlung am 5. November 1957 persönlich (allein) erschienen. Darüber hinaus hat aber der Kläger seine Nichtigkeitsklage vom 15. März 1962 gar nicht auf die ihm schon aus der mündlichen Verhandlung am 5. November 1957 bekannte Mitwirkung des Sozialgerichtsrates Dr. H am Urteil vom 5. November 1957 gestützt, sondern vielmehr darauf, daß der frühere 12. Senat des LSG von seiner Errichtung an ständig und nicht nur vorübergehend mit Hilfsrichtern, zunächst mit zwei, sodann mit einem, und deshalb - nach seiner Auffassung - zu keiner Zeit bis zum Erlaß des Urteils vom 5. November 1957 ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. Die Kenntnis über die Besetzung des 12. Senats des LSG von seiner Errichtung an bis zum Urteil vom 5. November 1957 (bis Mitte Dezember 1956 zwei Hilfsrichter, danach - bis Mitte November 1957 - ein Hilfsrichter) aber hat der Kläger, wie das LSG festgestellt hat, erst durch die Auskunft vom 2. März 1962 erhalten, so daß er auch seine vor dem Ablauf von fünf Jahren nach Rechtskraft des Urteils vom 5. November 1957 erhobene Nichtigkeitsklage - innerhalb eines Monats nach Erhalt dieser Kenntnis - darauf stützen konnte (§ 586 ZPO).
Das LSG hat aber auch zutreffend entschieden, daß die fristgerecht und ordnungsgemäß erhobene Nichtigkeitsklage unbegründet ist. Denn entgegen der Auffassung des Beklagten sind die §§ 32 und 210 SGG im Verfahren vor dem 12. Senat des LSG mit abschließendem Urteil vom 5. November 1957 nicht verletzt. Nach § 33 SGG werden die Senate eines LSG in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei Landessozialrichtern tätig; dabei konnte bis zum 31. Dezember 1960 in den zunächst - und dann nur bis zu diesem Zeitpunkt - nach dem Gesetz (§ 210 SGG) zugelassenen Zeitsenaten an Stelle eines vorsitzenden Senatspräsidenten (§ 34 SGG) ein anderer Berufsrichter des LSG den Vorsitz führen. Als weitere Berufsrichter i. S. des § 33 SGG sind die ständigen Mitglieder des LSG, die Landessozialgerichtsräte, anzusehen. Das folgt daraus, daß die Berufsrichter auf Lebenszeit ernannt und in eine Planstelle bei einem bestimmten Gericht eingewiesen werden. Das ergibt sich weiter aus der Vorschrift des § 32 Abs. 2 SGG, die zur Bestellung als Hilfsrichter bei den LSGen nur auf Lebenszeit ernannte Richter anderer Gerichte vorsieht und somit nachdrücklich auf den Unterschied zwischen den in eine Planstelle eines Landessozialgerichts eingewiesenen Berufsrichtern und den gegebenenfalls bei diesem LSG bestellten Hilfsrichtern hinweist. Damit kommt gleichzeitig der allgemeine und im Interesse der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit der Gerichte notwendige Grundsatz zum Ausdruck, daß das Richteramt - grundsätzlich - nur von Richtern ausgeübt werden darf, die auf Lebenszeit an das betreffende Gericht berufen worden sind (BGHZ 22, 142). Aus § 32 Abs. 2 SGG folgt aber auch, daß Hilfsrichter - auf Lebenszeit ernannte Richter anderer Gerichte - bei einem LSG bestellt werden "dürfen".
Aus alldem ergibt sich, daß bei der Besetzung des früheren 12. Senats des LSG mit einem Landessozialgerichtsrat als Vorsitzendem und zunächst zwei Sozialgerichtsräten, später einem Landessozialgerichtsrat und einem Sozialgerichtsrat, die persönlichen Voraussetzungen der Mitglieder des Senats erfüllt waren; denn Sozialgerichtsräte sind auf Lebenszeit bei einem SG ernannte Richter. Das wird im übrigen auch von der Revision nicht bestritten.
Die Frage, wie das Verfahren und insbesondere wie die Entscheidungen des 12. Senats des LSG zu beurteilen sind, in denen dieser in der Besetzung mit seinem nach § 210 SGG ordnungsgemäß bestellten Vorsitzenden und zwei Sozialgerichtsräten tätig gewesen ist, brauchte der erkennende Senat im vorliegenden Fall nicht zu prüfen, da im Verfahren des Klägers und bei Erlaß des Urteils vom 5. November 1957 neben dem Vorsitzenden und einem weiteren Landessozialgerichtsrat nur ein Hilfsrichter, der Sozialgerichtsrat Dr. H, mitgewirkt hat. Der erkennende Senat ist aber mit der einheitlichen Rechtsprechung des BSG hierzu (BSG 9, 137, 143; 11, 22) der Auffassung, daß die gleichzeitige Mitwirkung von zwei Hilfsrichtern in einem Senat in jedem Fall vorschriftswidrig und damit unzulässig ist. Ob aber ein Senat bei der Beschäftigung auch nur eines Hilfsrichters nicht vorschriftsmäßig, also unzulässig besetzt ist, hängt von den Umständen ab. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG aaO) können bei den LSGen - auch in den nach § 210 SGG errichteten Zeitsenaten - Hilfsrichter nur zur Vertretung von verhinderten ständigen Mitgliedern des Gerichts, zu ihrer beruflichen Ausbildung oder zur beruflichen Fortbildung des richterlichen Nachwuchses und zur Bewältigung eines vorübergehenden Geschäftsanfalles, dabei stets auch nur für eine vorübergehende Zeit, verwendet werden. Daß vorliegend Sozialgerichtsrat Dr. H über Gebühr lange Zeit beim LSG beschäftigt gewesen wäre, wird von der Revision nicht behauptet; dies war auch nicht der Fall. Denn nach einem Vermerk in den Akten des LSG (Bl. 131 R) ist Dr. H am 1. April 1957 vom SG Düsseldorf zum LSG abgeordnet und bereits am 19. Dezember 1957 als Landessozialgerichtsrat in eine Planstelle eingewiesen worden. Diesen Daten kann im übrigen auch entnommen werden, daß die Abordnung des Dr. H - offenbar mit dem Ziel der Übernahme als Landessozialgerichtsrat - seiner beruflichen Aus- und Fortbildung dienen sollte. Dagegen meint die Revision, eine vorschriftswidrige Besetzung des 12. Senats des LSG ergebe sich schon daraus, daß bei ihm am Tage des Erlasses des Urteils vom 5. November 1957, also mehr als drei Jahre nach Errichtung der Sozialgerichtsbarkeit, überhaupt noch Hilfsrichter verwendet worden seien. Das widerspreche der Rechtsauffassung, daß die Verwendung von Hilfsrichtern nur für eine vorübergehende Zeit zulässig sei und nur Übergangscharakter haben dürfe, nicht aber dazu führen könne, einen Dauerzustand herbeizuführen. Einem nicht nur vorübergehenden Bedürfnis an zusätzlichen Richterkräften müsse die zuständige Justizverwaltung durch Schaffung und Besetzung neuer Richterplanstellen abhelfen. Hierbei trifft zu, daß die Mitwirkung von Hilfsrichtern an einem LSG nur vorübergehend und nur zur Abwicklung eines außerordentlichen Geschäftsanfalles erfolgen und nicht zu einem Dauerzustand führen darf (BSG 9, 137, 142, 143). Entgegen der Auffassung der Revision darf aber allein aus der Zeitdauer der Beschäftigung von Hilfsrichtern noch nicht auf eine unzulässige Dauerbeschäftigung geschlossen werden. Hiernach durfte auch einer außerordentlichen Arbeitsbelastung eines LSG, die sich nach Errichtung der Sozialgerichtsbarkeit über mehrere Jahre erstreckte, mit einer Bestellung von Hilfsrichtern abgeholfen werden. Die mit der Errichtung der Sozialgerichtsbarkeit entstandenen unvermeidbaren Anlaufschwierigkeiten sowie die diesen Gerichten zur Entscheidung übertragenen sogenannten Altfälle (§§ 214, 215 SGG) bewirkten bei den LSGen eine außergewöhnliche Arbeitsüberlastung, die auch im Jahre 1957 noch fortdauerte. Das ist im übrigen auch die Auffassung des 1. Senats des BSG (vgl. Beschluß vom 28. Januar 1961 - 1 RA 57/60 -) und des 9. Senats (vgl. Beschluß vom 4. April 1962 - 9 RV 1126/59). Nach diesen Entscheidungen waren die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit noch in den Jahren 1958 bis 1960 bzw. im Jahre 1959 außergewöhnlich überlastet, so daß die Beschäftigung von Hilfsrichtern als vorübergehende Maßnahme auch in diesen Jahren gerechtfertigt war. Von einer vorübergehenden Überlastung in diesem Sinne ist auch der Gesetzgeber ausgegangen; er hat durch das Zweite Änderungsgesetz zum SGG vom 25. Juni 1958 für die Zeit vom 1. Juli 1958 bis zum 31. Dezember 1960 über das bis dahin geltende Recht hinaus noch eine Anzahl von Vorschriften erlassen, die der Bewältigung dieser außerordentlichen Belastung dienen sollten: die Verlängerung des § 210 SGG über den 31. Dezember 1958 hinaus bis zum 31. Dezember 1960, die Zulassung eines höheren Anteils der Zeitsenate sowie die weitgehende Änderung des § 216 SGG, ebenfalls beschränkt auf die Zeit bis zum 31. Dezember 1960. Damit aber haben die gesetzgebenden Körperschaften zu erkennen gegeben, daß sie noch im Sommer 1958 nach reiflicher Prüfung einen besonderen, aber vorübergehenden Notstand der Sozialgerichtsbarkeit angenommen haben, der bis zum Ablauf der gestellten Frist auch außerordentliche Maßnahmen rechtfertigte. In diesem Zusammenhang ist auch die Beschäftigung von Hilfsrichtern zu sehen, soweit es sich um die Frage handelt, ob ein vorübergehendes Bedürfnis für ihre Verwendung bestand. Die gesetzgebenden Organe haben diese Frage im Frühjahr 1960 nochmals geprüft und sie bei den Beratungen des Dritten Änderungsgesetzes zum SGG vom 16. Mai 1960 nochmals bejaht, auch hier allerdings wieder mit der Beschränkung auf die Zeit bis zum 31. Dezember 1960. Dabei hat gerade auch der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages (BT-Drucks. 1757) die Bedenken, die gegen das beabsichtigte Gesetz zu § 210 a SGG geltend gemacht werden konnten, eingehend erwogen und besonderen Wert auf die Feststellung gelegt, daß nur die außerordentliche Situation, die sich aus der Geschäftslage der SGe ergebe, die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der gesetzlichen Maßnahme begründe. Auch der erkennende Senat kann bei Abwägung aller Umstände nicht zu der Überzeugung kommen, daß die Beschäftigung von Hilfsrichtern bei einem Senat des LSG, wenn sie in der Zeit selbst bis in das Geschäftsjahr 1960 hinein stattgefunden hat, rechtsstaatlichen Grundsätzen widerspricht. Deshalb können auch gegen die Beschäftigung von Hilfsrichtern beim LSG Nordrhein-Westfalen im November 1957 keine Bedenken erhoben werden.
Schließlich kann auch das Vorbringen des Klägers, im Geschäftsjahr 1957 und im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils vom 5. November 1957 sei die Zahl der Hilfsrichter beim LSG Nordrhein-Westfalen im Verhältnis zur Zahl der ständigen planmäßigen Mitglieder ungewöhnlich und unzulässig hoch gewesen, das Revisionsbegehren nicht begründen. Dabei ist das vom 4. Senat des BSG in dem von der Revision angeführten Urteil vom 19. Januar 1961 (BSG 13, 275, 278) angenommene "Normenverhältnis", bei dem 2 Hilfsrichtern 12 Landessozialgerichtsräte gegenüberstanden, ohne Belang. Denn die Entscheidung besagt nicht, daß in jedem Fall das Verhältnis der Zahl der Hilfsrichter zur Zahl der planmäßigen Richter 1 : 6 nicht überschreiten dürfe. Entscheidend ist vielmehr die Geschäftslage und insbesondere die vorübergehende außerordentliche Belastung des jeweiligen Gerichts. Das bedeutet, daß in Fällen einer ungewöhnlich hohen vorübergehenden Belastung des Gerichts auch dann noch nicht von einer - zahlenmäßig - unzulässigen Bestellung von Hilfsrichtern gesprochen zu werden braucht, wenn - wie beim LSG Nordrhein-Westfalen im November 1957 - in insgesamt 18 Senaten 40 planmäßigen Berufsrichtern 19 Hilfsrichter so gegenüberstanden, daß im Durchschnitt auf je einen Senat ein Hilfsrichter entfiel. Der erkennende Senat brauchte sich im vorliegenden Falle jedoch nicht näher mit dieser Frage zu befassen. Denn bei der Prüfung, ob eine nicht ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts vorliegt, ist nicht nur bedeutsam, daß bei einer vorübergehenden außergewöhnlichen Geschäftsüberlastung die Zahl aller an das LSG hierfür abgeordneten Hilfsrichter außer Verhältnis zu den bei dem LSG vorhandenen Planstellen steht, sondern es ist ebenso wesentlich, daß ein Mißverhältnis zwischen der Gesamtzahl der Hilfsrichter des LSG und dem Umfang der außergewöhnlichen Belastung bei diesem Gericht festzustellen ist (vgl. Beschluß des 9. Senats des BSG vom 4. April 1962 - 9 RV 1126/59 -). Hierzu hat aber die Revision nichts vorgetragen, insbesondere hat sie zu dem hier von ihr gerügten Verfahrensverstoß keine Tatsachen und Beweismittel bezeichnet (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG), die dartun könnten, daß die Besetzung des LSG im November 1957 mit 19 Hilfsrichtern - gegenüber 40 Landessozialgerichtsräten - im Mißverhältnis zum Gesamtumfang der damals bestehenden außergewöhnlichen Belastung des LSG gestanden hätte. Eine dahingehende Prüfung ist dem Revisionsgericht - mangels Schlüssigkeit des Vorbringens des Klägers hierzu - deshalb verwehrt.
Nach allem ist die Feststellung des Berufungsgerichts, daß durch die Mitwirkung von Hilfsrichtern in den Spruchkörpern des LSG im November 1957 und durch die Mitwirkung des Sozialgerichtsrates Dr. H an der Entscheidung vom 5. November 1957 die Richterbank des damaligen 12. Senats des LSG nicht vorschriftswidrig besetzt gewesen sei, rechtlich nicht zu beanstanden; das LSG hat die Nichtigkeitsklage des Klägers zu Recht abgewiesen.
Aus denselben Gründen mußte auch die Revision als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Vorschrift des § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen