Leitsatz (amtlich)
Die auf Zeit gebildeten Senate dürfen auch in anderen als in den gemäß SGG § 214 geregelten Fällen entscheiden. In solchen Senaten darf den Vorsitz ständig ein Landessozialgerichtsrat führen. Hilfsrichter dürfen in solchen Senaten zwar zur Vertretung, zu ihrer besonderen Ausbildung beim LSG und zur Bewältigung eines vorübergehenden Geschäftsanfalls, jedoch stets nur für vorübergehende Zeit verwendet werden. Die gleichzeitige Mitwirkung von zwei Hilfsrichtern in einem Senat ist in jedem Falle vorschriftswidrig.
Normenkette
SGG § 214 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 551 Abs. 1 Nr. 1; SGG § 202 Fassung: 1953-09-03, § 210 Fassung: 1958-06-25
Tenor
Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Mai 1958 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Dem Kläger wurde durch Bescheid des Versorgungsamts (VersorgA.) F - Außenstelle H - vom 25. September 1951 anerkannt, daß seine Leiden "Rheumatismus der Rücken- und Beinmuskulatur mit nervenentzündlichen Erscheinungen, Hornhautfleck- und Aderhaut-Netzhautnarbe links" Folgen von schädigenden Einwirkungen im Sinne des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) sind. Den Anspruch auf Rente lehnte das VersorgA. ab, weil die durch diese Gesundheitsstörungen bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) des Klägers weniger als 25 v. H. betrage. Einen späteren Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Verschlimmerung seiner Versorgungsleiden lehnte das VersorgA. F - Außenstelle H - mit Bescheid vom 10. April 1953 ab. Das Sozialgericht (SG.) Kassel, auf welches die vom Kläger eingelegte Berufung mit dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage übergegangen war, wies die Klage mit Urteil vom 9. Mai 1955 ab. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Klägers wurde durch Urteil des 9. Senats des Hessischen Landessozialgerichts (LSG.) vom 6. Mai 1958 zurückgewiesen. An der Verhandlung und Entscheidung wirkten mit: Landessozialgerichtsrat K als Vorsitzender, Sozialgerichtsrat Dr. H und Sozialgerichtsrat O als beisitzende Berufsrichter sowie zwei Landessozialrichter als ehrenamtliche Beisitzer.
Gegen das am 16. Mai 1958 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Mai 1958, beim Bundessozialgericht (BSG.) eingegangen am 11. Juni 1958, Revision eingelegt und diese begründet. Er beantragt:
das Urteil des Hessischen LSG. vom 6. Mai 1958. das Urteil des SG. Kassel vom 9. Mai 1955 sowie den Bescheid des VersorgA. F vom 10. April 1953 aufzuheben und den Beklagten dem Grunde nach zu verurteilen, dem Kläger eine Rente nach einer MdE. um 25 v. H. zu gewähren, ferner dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten,
hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen.
Der Kläger macht geltend, der erkennende Senat des LSG. sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weder hätte ein Landessozialgerichtsrat als Vorsitzender, noch hätten zwei Sozialgerichtsräte als Berufsrichter mitwirken dürfen. Zwar sei der erkennende Senat im Geschäftsverteilungsplan des Hessischen LSG. als "Zeitsenat" bezeichnet worden, könne aber nicht als Zeitsenat angesehen werden. Zeitsenate dürften nur über die sogenannten Altfälle, d. h. die im § 214 SGG geregelten Fälle, entscheiden; nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 1958 sei der 9. Senat des LSG. aber auch zur Entscheidung über Berufungen gegen Urteile der Sozialgerichte aus den Jahren 1955 bis 1957 zuständig. Die Entscheidung in solchen Fällen gehöre aber zum Aufgabengebiet der ordentlichen Senate. Der 9. Senat habe daher als ordentlicher Senat entschieden und hätte darum gemäß §§ 33 ff. SGG mit einem Senatspräsidenten als Vorsitzender und zwei Landessozialgerichtsräten als mitwirkende Berufsrichter besetzt sein müssen.
Weiterhin führt der Kläger aus, daß selbst dann, wenn der 9. Senat des LSG. als Zeitsenat gemäß § 210 SGG anzusehen sei, dieser Senat deshalb nicht ordnungsmäßig besetzt gewesen sei, weil zwei Sozialgerichtsräte als beisitzende Berufsrichter mitgewirkt hätten. Hilfsrichter dürften nur ausnahmsweise für vorübergehende Zeit herangezogen werden. Von einem vorübergehenden Geschäftsanfall könne beim 9. Senat nicht gesprochen werden, da die Berufungen bei allen Senaten des Hessischen LSG. gleichmäßig angestiegen seien.
Zur Sachentscheidung des LSG. führt der Kläger aus, daß das LSG. den § 30 BVG unrichtig angewandt habe. Der Kläger sei als Landwirt durch seine Versorgungsleiden besonders in seiner Berufsausübung benachteiligt, so daß schon aus diesem Grunde seine MdE. mit mindestens 25 v. H. zu bewerten und ihm folglich auch eine Rente zu gewähren sei.
Der Beklagte beantragt:
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, daß Zeitsenate auch andere als die sogenannten Altfälle entscheiden dürfen, deshalb hätte in dem 9. Senat des LSG. auch ein Landessozialgerichtsrat den Vorsitz führen dürfen. Die Mitwirkung von zwei Sozialgerichtsräten als Hilfsrichter in diesem Senat sei nicht zu beanstanden. Der Sinn des § 210 SGG lasse dies zu, denn sein Zweck sei zu verhindern, daß mit dem Zeitpunkt des Auslaufens der Zeitsenate ein "Überhang" an Landessozialgerichtsräten bestehe.
Der Senat hat eine dienstliche Äußerung des Präsidenten des Hessischen LSG. über die Bildung des 9. Senats und dessen Besetzung eingeholt. Danach ist der 9. Senat als Senat auf Zeit mit Wirkung vom 1. April 1955 gebildet worden. Zum Vorsitzenden dieses Senats ist seit dem 12. September 1955 gemäß Beschluß des Präsidiums des Hessischen LSG. Landessozialgerichtsrat K bestimmt worden. Als sonstige Berufsrichter gehörten dem 9. Senat - von kürzeren Zeiten abgesehen, in denen die dem Senat als Richter Zugeteilten noch nicht zum Sozialgerichtsrat ernannt worden waren - stets 2 - 3 Sozialgerichtsräte an, und zwar zur Zeit der angefochtenen Entscheidung des LSG. die Sozialgerichtsräte Dr. H und O Sozialgerichtsrat Dr. H gehörte dem Senat seit dem 5. Februar 1957 an, nachdem er kurz vorher zum Berufsrichter in der Sozialgerichtsbarkeit auf Lebenszeit ernannt, in eine Planstelle (Besoldungsgruppe R 8, jetzt A 13 b) beim SG. Kassel eingewiesen und sodann an das LSG. abgeordnet worden war. Sozialgerichtsrat O gehörte dem Senat seit dem 1. August 1957 an, nachdem auch er kurz vorher zum Berufsrichter in der Sozialgerichtsbarkeit auf Lebenszeit ernannt, in eine Planstelle (Besoldungsgruppe R 8, jetzt A 13 b) beim SG. Frankfurt a. M. eingewiesen und sodann zum LSG. abgeordnet worden war. Sowohl die Abordnung dieser beiden Sozialgerichtsräte zum LSG. durch den Hessischen Minister für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr als auch die Zuweisung dieser beiden Sozialgerichtsräte als Mitglieder des 9. Senats durch das Präsidium des Hessischen LSG. ist ohne zeitliche Begrenzung erfolgt. Später hat der Hessische Minister für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr mit einem Schreiben vom 23. Oktober 1958 die Abordnung bis zum 31. Dezember 1959 befristet. Inzwischen ist aber die Abordnung des Sozialgerichtsrats O vorzeitig mit Wirkung vom 1. Januar 1959 und die des Sozialgerichtsrats Dr. H mit Wirkung vom 1. Februar 1959 aufgehoben worden.
Beim Hessischen LSG. waren z. Zt. der Auskunft des Präsidenten des Hessischen Landessozialgerichts (8.10.58) 15 Planstellen für Landessozialgerichtsräte (Besoldungsgruppe R 6, jetzt A 15) vorgesehen und besetzt. Von diesen Landessozialgerichtsräten waren drei als Vorsitzende in Zeitsenaten bestimmt. Außerdem waren zum Landessozialgericht 9 Sozialgerichtsräte abgeordnet und dort als Hilfsrichter tätig.
Im übrigen wird zur Darstellung des Tatbestandes auf den Inhalt der Schriftsätze des Klägers vom 19.5. und 17.11.58, des Beklagten vom 17.7.58 und 15.1.59 sowie auf die Schreiben des Präsidenten des Hessischen LSG. vom 8.10., 24.11.58 und 14.1.59 und dessen fernmündliche Auskunft vom 29. Januar 1959, die in den Akten vermerkt und den Beteiligten mitgeteilt worden ist, Bezug genommen.
Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft, weil der Kläger einen wesentlichen Mangel des Verfahrens gerügt hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Der 9. Senat des Hessischen LSG. war bei der Entscheidung des angefochtenen Urteils in der Sitzung am 6. Mai 1958 nicht vorschriftsmäßig besetzt.
Die Ansicht des Klägers, daß der Senat deshalb nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei, weil nicht ein Senatspräsident, sondern Landessozialgerichtsrat K den Vorsitz geführt hat, trifft allerdings nicht zu. Zwar bestimmt § 34 SGG - entsprechend §§ 117, 62 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) -, daß den Vorsitz im Senat eines LSG. der Präsident oder ein Senatspräsident führt. Der Sinn dieser Vorschrift ist, daß ein besonders erfahrener und durch seine Ernennung zum Senatspräsidenten als besonders befähigt anerkannter Richter die Güte und Stetigkeit der Rechtsprechung des Senats beeinflussen und mit dazu beitragen soll, das Ansehen des Gerichts und das diesem entgegenzubringende Vertrauen der Rechtsuchenden zu stärken (vgl. Kern, Gerichtsverfassungsgesetz, 2. Aufl., S. 132; BGHZ. 10 S. 130; 15 S. 135; 16 S. 254; 20 S. 355; BGHSt. 2 S. 71). Von dem Grundsatz des § 34 SGG macht jedoch § 210 Abs. 2 SGG eine Ausnahme und läßt zu, daß in den auf Zeit gebildeten Senaten, die noch bis zum 31. Dezember 1960 tätig sein dürfen, den Vorsitz ein anderer Berufsrichter des LSG. führt. Eine solche Regelung konnte der Gesetzgeber unbedenklich treffen, denn von dem von ihm selbst aufgestellten Grundsatz der Güte und Stetigkeit der Rechtsprechung konnte er Ausnahmen im § 210 Abs. 2 SGG zulassen. Durch die Bestellung eines Landessozialgerichtsrats als Vorsitzenden eines Zeitsenats wird der durch die Verfassung gewährleistete Grundsatz der Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 GG) und der im Art. 101 GG ausgesprochene Grundsatz nicht berührt, weil es sich bei dem Landessozialgerichtsrat um ein ständiges Mitglied des LSG. handelt, dessen Unabhängigkeit durch seine Bestellung zum Vorsitzenden des Senats nicht beeinträchtigt wird. Bei besonderen Umständen ist durch Gesetz schon des öfteren zugelassen worden, daß der Vorsitz in einem Spruchkörper nicht von dem grundsätzlich dazu berufenen und in seiner Stellung hervorgehobenen Richter, sondern von einem anderen Mitglied des Gerichts eingenommen wird (§ 32 des Gesetzes über das Verfahren in Versorgungssachen v. 10.1.1922 - RGBl. I S. 59 - und § 4 der VO über Maßnahmen auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung und der Rechtspflege v. 1.9.1939 - RGBl. I S. 1658 -). Auch für die im § 210 SGG getroffene zeitlich begrenzte Ausnahmeregelung war der Umstand maßgebend, daß mit der Errichtung der Sozialgerichte diese in der Anfangszeit besonders belastet sind (vgl. Begründung zu § 55 - übereinstimmend mit dem späteren § 210 SGG - des Reg. Entwurfs eines Sozialgerichtsgesetzes, Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode 1949, Drucks. Nr. 4225, S. 19, und Begründung zu § 1 Nr. 11 - übereinstimmend mit § 210 SGG i. d. F. des Gesetzes v. 23.8.1958 - des Reg. Entwurfs eines 2. Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes, Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode 1953, Drucks. Nr. 3415 S. 8). Wenngleich diese Anfangsbelastung bei den Landessozialgerichten auch überwiegend durch die sogenannten Altfälle, d. h. die gemäß § 214 SGG zur Entscheidung durch die Landessozialgerichte kommenden Fälle, entstanden ist, so ist weder im § 210 SGG zum Ausdruck gekommen noch aus dem Zweck dieser Vorschrift zu schließen noch aus den amtlichen Begründungen zu dieser Vorschrift zu ersehen, daß die auf Zeit gebildeten Senate des LSG. nur sogenannte Altfälle zu entscheiden haben. Abgesehen von der Unzweckmäßigkeit einer solchen Regelung, wie sie bestände, wenn die Ansicht des Klägers zuträfe, wäre eine solche Regelung im Hinblick auf Art. 101 GG auch insofern bedenklich, als aus der Gesamtheit der bei den Landessozialgerichten zur Entscheidung kommenden Fälle für eine bestimmte Gruppe die Bildung eines besonderen Spruchkörpers ermöglicht wäre, ohne daß der Sache nach dazu im wesentlichen ein anderer Anlaß bestünde, als ihr zeitlicher Anfall beim LSG. Ist somit gemäß § 210 SGG nicht erforderlich, daß die auf Zeit gebildeten Senate des LSG. nur über sogenannte Altfälle entscheiden, so konnte der 9. Senat des Hessischen LSG. im vorliegenden Fall, bei dem es sich nicht um einen Altfall handelt, in der Besetzung mit Landessozialgerichtsrat K als Vorsitzender tätig werden. Der Senat war insoweit nicht unvorschriftsmäßig besetzt.
Dagegen rügt der Kläger zutreffend, daß der 9. Senat des Hessischen LSG. insofern unvorschriftsmäßig besetzt war, als in der Sitzung am 6. Mai 1958 die Sozialgerichtsräte Dr. H und O als Berufsrichter mitwirkten. Gemäß § 33 SGG werden die Senate eines LSG. in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei Landessozialrichtern tätig. Als Berufsrichter im Sinne dieser Vorschrift sind die ständigen Mitglieder des LSG., die Landessozialgerichtsräte, anzusehen. Das folgt daraus, daß die Berufsrichter als Richter auf Lebenszeit ernannt (§ 6 Abs. 2 SGG i. V. mit § 6 GVG) und in eine Planstelle bei einem bestimmten Gericht eingewiesen werden, weil erst dadurch die Vorschrift über ihre Unversetzbarkeit (§ 6 SGG i. V. mit § 8 GVG) einen Inhalt bekommt. Dies geht ferner aus § 32 Abs. 2 SGG hervor, der zur Bestellung als Hilfsrichter bei Landessozialgerichten nur "auf Lebenszeit ernannte Richter anderer Gerichte" vorsieht und damit den Gegensatz zu den Richtern des LSG., die in eine Planstelle bei diesem Gericht eingewiesen sind, hervorkehrt. In dieser Vorschrift kommt der allgemeine, dem GVG wie dem SGG im Interesse der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit der Gerichte zugrunde liegende Gedanke zum Ausdruck, daß das Richteramt grundsätzlich nur von Richtern ausgeübt wird, die auf Lebenszeit an das betreffende Gericht berufen sind (BGHZ 22 S. 142). Diese Richter, die ständig dem betreffenden Gericht angehören, gewährleisten die Einheitlichkeit der Rechtsprechung dieses Gerichts, und diese Richter, die von diesem Gericht grundsätzlich nicht abberufen werden können, sind völlig unabhängig. Schließlich wird dadurch, daß nur ständige Mitglieder eines Gerichts als Berufsrichter in einem Spruchkörper mitwirken können, die Güte der Rechtsprechung gewährleistet. Dies gilt vornehmlich für die Gerichte höherer Instanz, bei denen die Güte der Rechtsprechung letztlich der Grund für ihre Errichtung überhaupt ist. Der Gesetzgeber hat diesem Gedanken Ausdruck gegeben, indem er bestimmt hat, daß bei den oberen Bundesgerichten ausnahmslos nur ständige Mitglieder in den Spruchkörpern mitwirken dürfen und daß bei den Gerichten zweiter Instanz für die Mitwirkung von anderen als ständigen Mitgliedern dieser Gerichte strengere Voraussetzungen gefordert werden (§ 32 SGG, § 118 GVG) als bei den Gerichten erster Instanz für die Mitwirkung nichtständiger Mitglieder in Spruchkörpern dieser Gerichte (§ 11 Abs. 3 SGG, § 10 Abs. 2 GVG).
Von dem Grundsatz, daß nur ständige Mitglieder eines Gerichts in seinen Spruchkörpern als Berufsrichter mitwirken dürfen, hat das SGG Ausnahmen zugelassen. Es schreibt im § 11 Abs. 3 und § 32 Abs. 2 (§ 70 Abs. 2, § 118 GVG) vor, wer an Stelle eines ständigen Mitgliedes als Hilfsrichter in einem Spruchkörper mitwirken kann, und regelt im § 27 Abs. 3, § 37 SGG (§ 70 Abs. 1, § 117 GVG), wann ein Hilfsrichter mitwirken kann. Für den vorliegenden Fall sind die an das "wer", d. h. die an die Person des Hilfsrichters geknüpften Voraussetzungen erfüllt. Gemäß § 32 Abs. 2 SGG dürfen als Hilfsrichter bei den Landessozialgerichten nur Richter mitwirken, die auf Lebenszeit ernannte Richter anderer Gerichte sind. Das trifft auf die in der Sitzung des 9. Senats am 6. Mai 1958 als Berufsrichter mitwirkenden Sozialgerichtsräte Dr. H und O zu, welche auf Lebenszeit ernannte Richter beim SG. Kassel und beim SG. Frankfurt a. M. sind. Jedoch liegen im vorliegenden Fall nicht die Voraussetzungen des "wann" vor, d. h. die Voraussetzungen, unter denen das Gesetz die Mitwirkung von Hilfsrichtern in einem Senat des LSG. zuläßt.
Ebenso wie das GVG (§ 70 Abs. 1, 117) kennt auch das SGG kraft ausdrücklicher Vorschrift nur die Mitwirkung von Hilfsrichtern zur "Vertretung" von verhinderten ständigen Mitgliedern des Gerichts (§§ 27, 37 SGG). In der Literatur und in der Rechtsprechung zum GVG ist jedoch einheitlich die Auffassung vertreten, daß der § 70 GVG nur einen Fall der Mitwirkung von Hilfsrichtern in einem Spruchkörper regelt. Zur Begründung wird ausgeführt, daß die Entstehungsgeschichte des § 70 GVG dies bestätige (BGHZ 12 S. 1 ff. mit näheren Ausführungen), der in dieser Vorschrift ausgeprägte Rechtsgedanke lasse auch in anderen Fällen die Mitwirkung von Hilfsrichtern zu. Danach dürfen Hilfsrichter außerdem dann mitwirken, wenn sie zu ihrer richterlichen Ausbildung an ein Gericht abgeordnet sind, und ferner dann, wenn bei einer Geschäftsüberlastung ein dringendes Bedürfnis nach richterlicher Hilfeleistung ihre Beiordnung notwendig macht. Jedoch darf die Beiordnung von Hilfsrichtern auch in den vom Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Fällen nur Übergangscharakter besitzen und nicht dazu dienen, einen Dauerzustand herbeizuführen; sie ist nur für eine vorübergehende Zeit zulässig. Mit der Beiordnung von Hilfsrichtern wird nämlich nicht nur die Güte der Rechtsprechung des betreffenden Spruchkörpers - insbesondere bei den Spruchkörpern der Gerichte höherer Instanz - beeinflußt, sondern auch der Grundsatz der Stetigkeit der Rechtsprechung, weil mit der Beiordnung von Hilfsrichtern notwendigerweise ein häufiger Wechsel in der Zusammensetzung der Richterkollegien verbunden ist. as aber besonders die unbeschränkte und unbegrenzte Beiordnung von Hilfsrichtern verbietet, ist der in der Verfassung (Art. 97 GG) niedergelegte und im GVG wie im SGG (§ 1 SGG, § 1 GVG) nochmals zum Ausdruck gekommene Grundsatz der Unabhängigkeit der Rechtspflege von Einflüssen der Politik und der Verwaltung. Hilfsrichter sind auch dann, wenn es sich, wie im vorliegenden Fall, um Richter handelt, die eine Planstelle bei einem anderen Gericht haben, nicht im gleichen Umfang unabhängig wie die Richter, die bei dem betreffenden Gericht eine Planstelle einnehmen. Dadurch, daß sie jederzeit vom Widerruf ihrer Abordnung bedroht sind - selbst wenn die Abordnung für eine längere Zeit ausgesprochen war -, ist zu besorgen, daß sie sich in ihrer sachlichen Unabhängigkeit bedroht fühlen; andererseits begegnen die Rechtsuchenden mit Mißtrauen einem Gericht, das mit Richtern besetzt ist, die auf diese Art von der Justizverwaltung abhängig sind (BVerfG 4 S. 331 (345)). Die Gefahr, sich den Ansichten der Vorsitzenden ihrer Spruchkörper und den Vertretern der Justizverwaltung geneigt zu zeigen, besteht, wenn auch unbewußt, umsomehr dann, wenn die Abordnung von Hilfsrichtern an ein Gericht höherer Instanz von der Justizverwaltung im Hinblick auf eine beabsichtigte Beförderung oder eine beabsichtigte Einweisung in eine Planstelle bei dem höheren Gericht erfolgt ist; diese Gefahr besteht selbst dann, wenn auch nur die Hilfsrichter ihrer Abordnung eine derartige Absicht beimessen (vgl. BGHZ 22 S. 142). Aus diesen Gründen dürfen in den Fällen der Vertretung, der Nachwuchsausbildung und der Geschäftsüberlastung Hilfsrichter zwar abgeordnet und verwendet werden, jedoch nur für vorübergehende Zeit. Einem nicht nur vorübergehenden Bedürfnis an zusätzlichen Richterkräften muß die Justizverwaltung dadurch abhelfen, daß sie neue Planstellen für Richter schafft und besetzt (Kern a. a. O. § 12 S. 71 und § 17 S. 100/101; Kern in JZ 56 S. 167/168; Siegert in NJW 57 S. 1622 ff; Wieczoreck, GVG und Nebengesetze, § 70 GVG Anm. B und § 118 Anm. A; Lindenmaier-Möhring, § 70 GVG Nr. 3, Nr. 4 BVerfG 4 S. 331 (345); BGHZ 12 S. 1; 20 S. 209, S. 250, 22 S. 142; BGHSt. 8 S. 159 ff; 9 S. 107; NJW 55 S. 1805).
Diese für das Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit aus den Grundsätzen der Verfassung und des GVG hergeleiteten Beschränkungen für die Mitwirkung von Hilfsrichtern müssen auch für die Beiordnung von Hilfsrichtern auf dem Gebiet der Sozialgerichtsbarkeit gelten, weil sowohl die Verfahrensgrundsätze wie auch die Grundsätze des GVG, die im SGG lediglich eine für die Sozialgerichtsbarkeit entsprechende Formulierung gefunden haben, insoweit die gleichen sind. Auch die aus dem Wesen der Sozialgerichtsbarkeit herzuleitenden, von den Vorschriften des GVG in mancher Beziehung abweichenden Vorschriften des SGG erfordern nicht, andere Maßstäbe an die Mitwirkung von Hilfsrichtern in Spruchkörpern der Sozialgerichte anzulegen. Der Senat trägt daher keine Bedenken, die Mitwirkung der Sozialgerichtsräte Dr. H und O als Hilfsrichter in der Sitzung des 9. Senats des Hessischen LSG. am 6. Mai 1958 schon deshalb für unzulässig zu halten, weil ihre Mitwirkung nicht vorübergehender Art war. Der Senat brauchte nicht zu entscheiden, welche Zeit allgemein noch als "vorübergehende" für die Mitwirkung von Hilfsrichtern in Spruchkörpern der Sozialgerichte angesehen werden kann. Im vorliegenden Fall steht für den Senat fest, daß die Mitwirkung der Sozialgerichtsräte Dr. H und O nicht nur vorübergehender Art zur Bewältigung eines Geschäftsanfalles war. Seit dem 1. April 1955, dem Zeitpunkt der Errichtung des 9. Senats, sind ständig nur Hilfsrichter als mitwirkende Berufsrichter in diesem Senat tätig gewesen. Wenngleich die Sozialgerichtsräte Dr. H und O auch erst seit dem 5. Februar und 1. August 1957 als Hilfsrichter in diesem Senat tätig waren, so ist die Zeit ihrer Mitwirkung doch nur ein zeitliches Glied in der ununterbrochenen Kette der Besetzung des 9. Senats mit Hilfsrichtern. Daß ihre Tätigkeit beim LSG. nicht nur vorübergehend zur Bewältigung eines Geschäftsanfalles in Anspruch genommen wurde, geht ferner aus ihrer zu Anfang zeitlich unbegrenzten Abordnung sowie auch daraus hervor, daß beim Hessischen LSG. und beim 9. Senat insbesondere ein derartiger Geschäftsanfall bestand, der nicht durch eine vorübergehende Abordnung von Hilfsrichtern erledigt werden konnte. Zur Bewältigung des Geschäftsanfalles waren zu den 12 beim LSG. ständig tätigen Landessozialgerichtsräten weitere 9 Hilfsrichter abgeordnet worden, und von diesen waren wiederum dem 9. Senat zwei bis drei zugeteilt. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit - und das muß gleichermaßen für die Sozialgerichtsbarkeit gelten - ist als Zeichen einer Abordnung von Hilfsrichtern, die nicht nur "vorübergehend" zur Bewältigung eines außerordentlichen Geschäftsanfalles erfolgte, stets die ungewöhnlich hohe Anzahl von Hilfsrichtern im Verhältnis zur Zahl der ständigen Mitglieder angesehen worden, sei es, daß dieses Mißverhältnis bei einem Gericht oder bei einem Spruchkörper bestand (BGHZ 12 S. 1; 20 S. 209 und S. 250; BGHZ 22 S. 142; BGHSt. 8 S. 159; 9 S. 107; NJW 55 S. 1805). Auch einem außerordentlichen, aber nicht vorübergehenden Geschäftsanfall, darf die Justizverwaltung nicht mit der Abordnung von Hilfsrichtern begegnen; sie darf dies nur in der bis zur Schaffung und Besetzung der erforderlichen Planstellen benötigten Zeit. Diese Zeit war aber inzwischen verstrichen. Deshalb war die Besetzung des 9. Senats mit Hilfsrichtern, zum mindesten in dem Zeitpunkt, als die Sozialgerichtsräte Dr. H und O mitwirkten und sich herausgestellt hatte, daß der Geschäftsanfall sich nicht durch eine vorübergehende Abordnung von Hilfsrichtern bewältigen ließ, nicht zulässig und daher nicht vorschriftsmäßig.
Außerdem war der 9. Senat des Hessischen LSG. in der Sitzung am 6. Mai 1958 aber auch deshalb unvorschriftsmäßig besetzt, weil zwei Hilfsrichter gleichzeitig mitwirkten. Wenn schon durch die Mitwirkung eines Hilfsrichters in einem mehrgliedrigen Spruchkörper sowohl die Grundsätze der Güte, Stetigkeit und Unabhängigkeit der Rechtsprechung als auch das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Rechtsprechung beeinträchtigt werden, so wird diese Gefahr durch die gleichzeitige Mitwirkung zweier Hilfsrichter in einem Maße vergrößert, daß sie nicht mehr tragbar ist, weil auf diesem Wege die erwähnten Grundsätze gleichsam ausgehöhlt würden. Ob diese Gefahr in der Sozialgerichtsbarkeit im Verhältnis zur ordentlichen Gerichtsbarkeit eine besondere Beachtung erfordert, weil die Spruchkörper der Sozialgerichtsbarkeit auch noch mit ehrenamtlichen Beisitzern besetzt sind (§ 3 SGG), die den Kreisen der am Verfahren Beteiligten angehören (§ 12 Abs. 2 - 4, § 33 SGG und in dauerndem Wechsel mitwirken, und ob es daher umsomehr erforderlich ist, darauf zu achten, daß die den Spruchkörpern angehörenden Berufsrichter die Unabhängigkeit, Stetigkeit und Güte der Rechtsprechung gewährleisten, mag dahingestellt bleiben. Auch ungeachtet dieser für die Sozialgerichtsbarkeit anzustellenden Erwägungen widerspricht die gleichzeitige Mitwirkung von zwei Hilfsrichtern in einem Spruchkörper rechtsstaatlichen Grundsätzen, zu denen ebenso wie die Unabhängigkeit der Rechtsprechung auch die in den Gerichtsverfassungsgesetzen getroffenen Vorschriften über die Besetzung der Spruchkörper gehören (BVerfG 4 S. 412 (416)). Die Besetzung eines Spruchkörpers mit zwei Hilfsrichtern zugleich ist daher nicht zu billigen. Im vorliegenden Falle kommt hinzu, daß auch der Vorsitzende - wenngleich nach dem Gesetz in einem Zeitsenat zulässig - kein Senatspräsident war, so daß sämtliche Berufsrichter des 9. Senats in ihrer Stellung nicht den Anforderungen entsprachen, die an die Besetzung eines ordentlichen Senats zu stellen sind. Der Bundesgerichtshof (BGH.) hat zwar in mehreren Entscheidungen die Mitwirkung von zwei Hilfsrichtern in einem Spruchkörper nicht als vorschriftwidrig angesehen. Er hat diese Ansicht teils ausdrücklich ausgesprochen (BGHZ in ZZP Bd. 69 S. 28 ff. und in NJW 57 S. 1762; BGHZ 12 S. 1 ff.; BGHSt. in NJW 53 S. 1034 und NJW 59 S. 108; vgl. auch Brackmann in WzS 1958 S. 189 (294) ohne nähere Begründung), teils stillschweigend gebilligt, indem er den Umstand, daß in dem betreffenden Fall zwei Hilfsrichter mitgewirkt hatten, nicht als besonderen Umstand für die Frage der vorschriftsmäßigen Besetzung des Spruchkörpers hervorgehoben hat (Lindenmaier-Möhring, § 70 GVG Nr. 6; BGHSt. in NJW 55 S. 1805; BGHSt. 8 S. 159; 9 S. 107; BGHZ 22 S. 142). Die Begründung des BGH, ist jedoch nicht überzeugend. Wenn ausgeführt wird (ZZP Bd. 69 S. 29), daß Hilfsrichter, die im Einklang mit den einschränkenden Regeln des Gerichtsverfassungsrechts bestellt und einem Spruchkörper zugeteilt sind, dort die gleiche Stellung wie die dem Spruchkörper angehörenden Planrichter haben, und daß innerhalb der Spruchkörper der Vorsitzende die Geschäfte verteilt und die Mitglieder zu den Sitzungen heranzieht, so ist damit weder zur Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen allgemein Hilfsrichter Mitglieder in einem Spruchkörper sein dürfen, noch zu der besonderen Frage, ob "die einschränkenden Regeln des Gerichtsverfassungsrechts" die gleichzeitige Mitwirkung von zwei Hilfsrichtern in einem Spruchkörper zulassen, Stellung genommen. Wenn in einer anderen Entscheidung (BGHZ 12 S. 1 = NJW 54 S. 505) ausgeführt wird, daß die Besetzung eines OLG-Senats mit zwei Hilfsrichtern als Dauereinrichtung nicht geduldet werden könne, im besonderen Falle aber die ungewöhnlichen Verhältnisse der Nachkriegszeit und die besonderen Übergangsverhältnisse im Lande Baden-Württemberg nicht völlig außer Betracht bleiben dürften, so spricht diese, auf einen ganz bestimmten Ausnahmefall zugeschnittene Begründung, die im übrigen auf die sachlichen Bedenken gegen eine derartige Besetzung nicht weiter eingeht, eher für als gegen die Auffassung, daß grundsätzlich nicht zwei Hilfsrichter gleichzeitig in einem Spruchkörper mitwirken dürfen.
Wenn ferner in einer anderen Entscheidung (BGHSt. in NJW 59 S. 108) - die zudem die Besetzung einer Hilfsstrafkammer betrifft - ausgeführt wird, die Besetzung eines solchen Spruchkörpers mit zwei Hilfsrichtern für unzulässig zu halten, verbiete schon eine vernünftige Staatswirtschaft, wäre leere Förmelei, sei der Rechtspflege unwürdig und umgehe das Gesetz, so läßt diese Art der Begründung erkennen, daß im wesentlichen haushaltrechtliche Erwägungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind. Diese Art der Betrachtung stößt aber auf grundsätzliche Bedenken. Haushaltrechtliche Erwägungen können nicht für die Auslegung von Gesetzen ausschlaggebend sein; nicht das Gesetz hat dem Haushalt zu folgen, sondern der Haushalt als Akt der Exekutive - nur der Form nach in ein Gesetz gekleidet - hat dem Gesetz zu folgen (§ 24 Reichshaushaltsordnung). Wenn daher haushaltrechtliche Erwägungen gegenüber den Grundsätzen der Verfassung und des Gerichtsverfassungsrechts zurücktreten müssen, so kann das nicht als leere "Förmelei" und noch weniger als "Umgehung des Gesetzes" bezeichnet werden.
Im übrigen ist in anderen Entscheidungen des BGH, in denen die Mitwirkung von zwei Hilfsrichtern in einem Spruchkörper ausdrücklich für zulässig angesehen wurde, keine nähere Begründung gegeben, sondern nur auf andere Entscheidungen verwiesen (so in NJW 57 S. 1762 mit dem Hinweis auf BGHZ 12 S. 1; und in NJW 53 S. 1034 mit dem Hinweis auf BGHSt. 1 S. 274, in welcher der BGH. jedoch zu der besonderen Frage der Mitwirkung von zwei Hilfsrichtern gar nicht Stellung genommen hat.)
Bedenken gegen die bisherige Rechtsprechung hat in letzter Zeit bereits der 5. Zivilsenat des BGH angedeutet (BGHZ 22 S. 142 (148)). Eindeutig gegen die gleichzeitige Mitwirkung von zwei Hilfsrichtern in einem Spruchkörper hat sich das OLG Karlsruhe in einem Urteil vom 3. April 1957 (NJW 57 S. 1367) mit eingehender Begründung ausgesprochen. Die gleiche Ansicht ist in der Literatur von Kern (JZ 56 S. 168, S. 410, S. 541/542) und von Siegert (NJW 1957 S. 1623 unter V; DRiZ 1958 S. 191 unter IV) vertreten worden. Die Ansicht, daß der Verfassungsgrundsatz von der Unabhängigkeit der Rechtspflege und die Grundsätze des GVG von der Güte und der Stetigkeit der Rechtspflege die gleichzeitige Mitwirkung von zwei Hilfsrichtern in keinem Fall zulassen, gewinnt nicht nur in der Rechtsprechung und Literatur an Boden, sondern hat sich bereits in Gesetzen und Gesetzesentwürfen niedergeschlagen. So ist bereits in dem Gesetz vom 12. Mai 1958 über die Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg (GBl. Baden-Württemberg 1958 S. 131, dort. Art. 3 Nr. 2 und Nr. 8 = Neufassung des § 6 Abs. 2 Satz 1 und des § 15 Abs. 3) bestimmt, daß in den Spruchkörpern der Verwaltungsgerichte nicht mehr als ein Hilfsrichter mitwirken darf. Ferner ist im § 18 des Entwurfs einer Bundesverwaltungsgerichtsordnung, aufgestellt von der Vereinigung der Präsidenten der Verwaltungsgerichte des Bundesgebiets in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der Innenministerien der Länder der Bundesrepublik (DVBl. 1951 S. 569), im § 19 des Regierungsentwurfs einer Verwaltungsgerichtsordnung (Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode 1957, Drucks. Nr. 55 vgl. dort auch Begründung zu §§ 15 bis 19), im § 16 Abs. 1 und Abs. 4 des Regierungs-Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Finanzgerichtsbarkeit (Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode 1957, Drucks. Nr. 127) und im § 25 des Regierungsentwurfs eines deutschen Richtergesetzes (Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode 1957, Drucks. Nr. 516) vorgesehen, daß bei einer gerichtlichen Entscheidung nicht mehr als ein Hilfsrichter mitwirken darf. Der Grund, aus welchem in diesen Gesetzesentwürfen das Verbot der Mitwirkung von zwei Hilfsrichtern in einem Spruchkörper ausdrücklich ausgesprochen worden ist, liegt nicht etwa darin, daß neue, in diesen Gesetzesentwürfen entwickelte Grundsätze eine solche Regelung fordern, sondern diese Regelung ist damit begründet worden, daß sie aus den herkömmlichen Grundsätzen der Verfassung wie des Gerichtsverfassungsrechts notwendig sind (vgl. insbesondere Begründung zu § 24 und zu § 25 des Regierungsentwurfs eines deutschen Richtergesetzes a. a. O.). Der Senat ist daher der Ansicht, daß aus den angegebenen Gründen auch in der Sozialgerichtsbarkeit die gleichzeitige Mitwirkung von zwei Hilfsrichtern in einem Senat des LSG. unzulässig ist.
Diese für die Mitwirkung von Hilfsrichtern allgemein geltenden Beschränkungen haben durch § 210 SGG keine Ausnahme erfahren. Durch diese Vorschrift ist für die auf Zeit gebildeten Senate nur hinsichtlich der Vorsitzenden die eine Ausnahme getroffen worden, daß abweichend von der Grundregel des § 34 Abs. 1 SGG ausnahmsweise auch ein Landessozialgerichtsrat den Vorsitz führen kann. Was dagegen die Mitwirkung von Hilfsrichtern betrifft, so unterscheiden sich die auf Zeit gebildeten Senate von den ordentlichen Senaten nicht (BSG. 5 S. 289 (291)). Zu einer anderen Auffassung bietet weder der Wortlaut des § 210 SGG einen Anlaß noch der Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Wenn der Beklagte meint, daß haushaltrechtliche Erwägungen für den Erlaß dieser Vorschrift maßgebend gewesen sind, so mag diese Ansicht zutreffen; diesen Erwägungen ist aber bereits mit der Erleichterung für die Besetzung der Stelle des Vorsitzenden Rechnung getragen. Hätte der Gesetzgeber darüber hinaus Erleichterungen durch Besetzung der Zeitsenate mit Hilfsrichtern schaffen wollen, so hätte er dies auch zum Ausdruck gebracht. Dies ist umso mehr anzunehmen, als in den Vorläufern des Sozialgerichtsgesetzes, der RVO und dem Gesetz über das Verfahren in Versorgungssachen, dann, wenn abweichend von der Regel für gewisse Zeiten hinsichtlich der Besetzung der Senate des Reichsversicherungsamts (RVA.) und des Reichsversorgungsgerichts (RVGer.) Ausnahmen geschaffen wurden, die ausgedehntere Verwendung von Hilfsrichtern stets ausdrücklich erlaubt worden ist (§ 89 RVG in der bis zum Inkrafttreten des SGG geltenden Fassung und Art. 6 § 10 der Siebenten Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung vom 25.5.1935 - RGBl. I S. 694; §§ 27, 32 des Gesetzes über das Verfahren in Versorgungssachen vom 10.1.1922 - RGBl. S. 59 - und i. d. F. des Gesetzes vom 20.3.1928 - RGBl. I S. 71 -).
Soweit der Beklagte meint, mit der Ermächtigung zur Bildung von Zeitsenaten für die Zeit bis zum 31. Dezember 1960 (§ 210 SGG i. d. F. des Gesetzes v. 23.8.1958) habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß diese Zeit noch als "vorübergehende" angesehen werden solle, um damit bis zu diesem Zeitpunkt die Mitwirkung von Hilfsrichtern in Senaten des LSG. zu ermöglichen, kann seiner Ansicht nicht gefolgt werden. Weder aus der amtlichen Begründung zu § 210 SGG in der Fassung des Gesetzes vom 3. September 1953, noch aus der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift in der Fassung des Gesetzes vom 23. August 1958 kann diese Ansicht hergeleitet werden, so daß unerörtert bleiben kann, inwieweit diese Gesetzesbegründungen überhaupt zur Auslegung des Gesetzes herangezogen werden könnten. Zur Begründung ist dort angeführt, daß die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit durch erhebliche Rückstände vorbelastet seien und deshalb für eine absehbare Übergangszeit die Bildung von Zeitspruchkörpern mit einer besonderen Besetzung erforderlich sei. Danach kommt die Auffassung des Beklagten nicht einmal andeutungsweise in den amtlichen Begründungen zum Ausdruck (Begründung zu § 55 - übereinstimmend mit dem späteren § 210 SGG a. F. - des Regierungsentwurfs eines Sozialgerichtsgesetzes, Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode 1949, Drucks. 4225 S. 19; Begründung zu § 1 Nr. 11 - übereinstimmend mit dem späteren § 210 SGG n. F. - des Regierungsentwurfs eines 2. Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes, Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode 1953, Drucks. Nr. 3415 S. 8). Aus der im § 210 SGG getroffenen Bestimmung, daß in einem Zeitsenat auch ein Landessozialgerichtsrat den Vorsitz führen kann, geht vielmehr hervor, daß der Gesetzgeber die Zeit, für welche Zeitsenate gebildet werden können, nicht als eine "vorübergehende" angesehen hat. Für eine vorübergehende Zeit wäre nämlich nach der Rechtsprechung und nach der Übung der Gerichte ohnehin die Bildung eines Hilfsspruchkörpers oder, auch ohne die Bildung eines besonderen Hilfsspruchkörpers, die Besetzung eines Senats vertretungsweise mit einem Landessozialgerichtsrat als Vorsitzender möglich gewesen (Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, Bd. 5 § 63 GVG Anm. A; Löwe-Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 20. Aufl. § 63 GVG Anm. 10 a; BGHZ 15 S. 135, 20 S. 209; BGHSt. 8 S. 159, 9 S. 107, 10 S. 179; BGHSt. in NJW 1953 S. 1034; NJW 1958 S. 429; NJW 59 S. 108). Aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber im § 210 SGG den Vorsitz in einem Zeitsenat geregelt hat, und nicht anzunehmen ist, daß er etwas Überflüssiges regeln wollte, ist zu schließen, daß der Gesetzgeber die Zeit, für die Zeitsenate gebildet werden können, nicht als "vorübergehend" angesehen hat. Ist sonach ein gemäß § 210 SGG gebildeter Zeitsenat nicht ein Hilfsspruchkörper im Sinne der erwähnten Rechtsprechung, und ist ferner die Zeit, für welche Zeitsenate gebildet werden können, nicht als vorübergehend anzusehen, so entfallen bereits damit die Voraussetzungen, unter denen es nach Ansicht des Beklagten möglich wäre, Zeitsenate ständig mit Hilfsrichtern und auch mit 2 Hilfsrichtern zugleich zu besetzen. Es erübrigen sich demnach auch Erörterungen darüber, ob eine Regelung, wie sie der Beklagte aus § 210 SGG herleiten möchte, mit den Grundsätzen der Verfassung vereinbar wäre.
Schließlich versagt für die Begründung der Ansicht des Beklagten auch der Hinweis auf das Urteil des 9. Senats des BSG. vom 23. August 1957 (BSG. 5 S. 289 (292)), in welchem von der "haushaltrechtlichen Natur" der Bestimmungen des § 210 SGG gesprochen wird. Abgesehen davon, daß sich diese Entscheidung mit dem § 210 nur insoweit befaßt, als in ihm das zulässige Verhältnis der Zahl der Zeitspruchkörper zur Zahl der ordentlichen Spruchkörper festgelegt ist, hat der Senat in seiner Urteilsbegründung im Anschluß an Erörterungen über die Besetzung der Stelle des Vorsitzenden in Zeitspruchkörpern ausdrücklich hervorgehoben, daß sich ordentliche Spruchkörper und Spruchkörper auf Zeit in ihrer Besetzung nicht unterscheiden. Jedenfalls geht aus der erwähnten Entscheidung des 9. Senats weder hervor, daß die haushaltrechtliche Natur des § 210 SGG es zuließe, diese Vorschrift allgemein über ihren Wortlaut hinaus auszulegen, noch geht insbesondere aus ihr hervor, daß die Natur dieser Vorschrift eine Auslegung zuließe, nach der Zeitspruchkörper auch noch in anderer Beziehung als hinsichtlich des Vorsitzenden anders als ordentliche Spruchkörper besetzt werden können. Haushaltrechtliche Auswirkungen hat der § 210 SGG in gleicher Weise wie jede andere Vorschrift eines Gerichtsverfassungsgesetzes über die Besetzung von Spruchkörpern. Das bedeutet bei dem Primat eines Gerichtsverfassungsgesetzes gegenüber dem Haushalt aber weiter nichts, als daß - wie bereits oben ausgeführt - der Haushalt den Erfordernissen des Gerichtsverfassungsrechts Rechnung zu tragen hat. Es soll nicht verkannt werden, daß gerade die Besetzung der Zeitspruchkörper in der Sozialgerichtsbarkeit wegen der zeitlichen Begrenzung ihres Bestehens haushaltrechtliche Schwierigkeiten bereiten kann. Diesen Schwierigkeiten zu begegnen, ist jedoch grundsätzlich nicht Aufgabe der Rechtsprechung, sondern Aufgabe der Haushaltsgestaltung. Bei unüberwindlichen haushaltrechtlichen Schwierigkeiten bliebe nur der Weg, den Gesetzgeber zu veranlassen, durch Änderung des Gerichtsverfassungsrechts oder des Verfahrensrechts, insbesondere durch Einschränkung der Rechtsmittelmöglichkeiten, Abhilfe zu schaffen. Haushaltrechtliche Erwägungen konnten deshalb für den erkennenden Senat nicht bestimmend sein, abweichend von den Verfassungsgrundsätzen und von den aus den Vorschriften des SGG sich ergebenden Grundregelungen, die insoweit auch keine Ausnahme durch § 210 SGG erfahren haben, die Besetzung eines Zeitsenats eines LSG. mit zwei Hilfsrichtern zugleich als vorschriftsmäßig anzusehen. Der 9. Senat des Hessischen LSG. war daher in seiner Sitzung am 6. Mai 1958 auch insofern nicht vorschriftsmäßig besetzt, als gleichzeitig zwei Hilfsrichter, nämlich die Sozialgerichtsräte Dr. H und O als Berufsrichter mitwirkten.
Der Kläger hat die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts gerügt, seine Revision ist daher wegen dieses Verfahrensmangels statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Damit ist die Revision aber auch begründet; denn auf diesem Verfahrensmangel, der auch in der Sozialgerichtsbarkeit als unbedingter Revisionsgrund gilt (§ 202 SGG i. V. mit § 551 Nr. 1 ZPO), beruht das angefochtene Urteil (§ 162 Abs. 2 SGG). Es mußte daher ohne weitere Prüfung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückverwiesen werden (BSG. 5 S. 176 (177)).
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 2324251 |
BSGE, 137 |
NJW 1959, 911 |
MDR 1959, 433 |