Leitsatz (amtlich)
Eine wegen Berufsunfähigkeit iS des RKG § 35 aF gewährte Knappschaftsrente kann nur entzogen werden, wenn der Empfänger der Rente infolge einer wesentlichen Änderung in seinen Verhältnissen nicht mehr berufsunfähig iS des § 35 aaO ist. RKG § 86 ist auf Knappschaftsrenten alter Art nicht anwendbar.
Normenkette
RKG §§ 35, 86 Fassung: 1957-05-21
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Schlußurteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 5. April 1960 aufgehoben.
Das Urteil des Knappschaftsoberversicherungsamts für das Saarland vom 27. Juni 1956 wird abgeändert.
Der Entziehungsbescheid der Beklagten vom 21. März 1955 wird aufgehoben, soweit er nicht bereits aufgehoben ist.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in allen drei Rechtszügen zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Beklagte hatte dem Kläger durch Bescheid vom 21. März 1955 mit Ablauf des Monats März 1955 die bis dahin gewährte Knappschaftsrente entzogen. Da der Kläger als Verwaltungsangestellter beschäftigt war, nahm die Beklagte an, er habe sich neue Kenntnisse und Fähigkeiten angeeignet, die ihn in die Lage versetzten, Tätigkeiten nachzugehen, die seiner früheren Arbeit eines Kohlenhauers gleichwertig seien (§ 60 des Saarknappschaftsgesetzes - SKG - in Verb. mit § 1293 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -).
Den Bescheid der Beklagten hatte der Kläger in der ersten Instanz ohne Erfolg angefochten. Mit der Berufung an das Landessozialgericht (LSG) hatte er die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und des Entziehungsbescheides sowie die "Weitergewährung der Knappschaftsrente, bzw. ab 1. Januar 1957 der Bergmannsrente, über den Entziehungstag hinaus" beantragt.
Das Berufungsgericht hatte durch "Teilurteil" vom 9. Februar 1960 das angefochtene Urteil und den Entziehungsbescheid "teilweise" aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die Knappschaftsrente über den 1. März 1955 hinaus bis zum 31. Dezember 1956 zu gewähren. Es ließ sich bei seiner Entscheidung von der Auffassung leiten, daß aus der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit einer tatsächlich ausgeübten Tätigkeit allein die Entziehung der Knappschaftsrente nicht gerechtfertigt werden könne; vielmehr müsse für die Zeit bis zum Inkrafttreten des Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetzes (KnVNG) gefordert werden, daß der neue berufliche Wirkungskreis und die knappschaftlich verrichtete Beschäftigung nicht nur gleichwertig, sondern auch gleichartig seien. Das Arbeitsgebiet eines einfachen Büroangestellten sei aber von dem eines Kohlenhauers völlig verschieden. Infolgedessen sei die Entziehung nach altem Recht nicht zulässig gewesen.
Dieses "Teilurteil" ist mit einem Rechtsmittel nicht angefochten worden.
Nach Beweisaufnahme wies das LSG durch "Schlußurteil" vom 5. April 1960 die Berufung zurück, "soweit sie den Knappschaftsrentenanspruch ab 1. Januar 1957 betrifft". Wegen des Sachverhalts verwies das Berufungsgericht auf den Tatbestand des Teilurteils vom 9. Februar 1960. Hinsichtlich der Anträge stellte es fest, daß die Beteiligten die früheren Anträge unter Berücksichtigung des Teilurteils gestellt hätten. In der Sache selbst nahm das Berufungsgericht an, daß dem Kläger über den 31. Dezember 1956 hinaus ein Rentenanspruch nicht mehr zustehe. Denn nunmehr müsse er sich gemäß § 86 Abs. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) entgegenhalten lassen, daß er auf Grund neuer Kenntnisse und Fähigkeiten aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung eines Gemeindeangestellten einen Entgelt erziele, welcher der für ihn maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage entspreche. Infolgedessen gelte er nicht mehr als vermindert bergmännisch berufsfähig. Die angeführte Bestimmung des § 86 Abs. 2 RKG sei auch auf solche Rentenansprüche anwendbar, die - wie der vorliegende Anspruch - vor Verkündung des KnVNG festgestellt worden seien.
Gegen das dem Kläger am 25. April 1960 zugestellte Urteil hat dieser am 2. Mai 1960 die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er hat diese am 24. Mai 1960 begründet. Er beanstandet als wesentlichen Verfahrensmangel, daß das angefochtene Urteil so gut wie überhaupt keinen Tatbestand enthalte, also die nach § 136 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vorgeschriebene gedrängte Darstellung des Sachverhalts vermissen lasse, und im besonderen die von den Beteiligten erhobenen Ansprüche nicht genügend kennzeichne. Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Parteien die früheren Anträge unter Berücksichtigung des Teilurteils gestellt hätten, lasse nicht sicher genug erkennen, welche Anträge gemeint seien. - In sachlicher Hinsicht habe das Berufungsgericht die Rechtsnatur des angefochtenen Verwaltungsakts verkannt. Dieser treffe über die Rentenansprüche des Klägers ab 1. Januar 1957 keine Regelung. Der angefochtene Verwaltungsakt, durch den ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zurückgenommen werde, stelle selbst einen Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung dar. Für die Frage, ob ein solcher Verwaltungsakt rechtmäßig sei, komme es allein auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses an. Darüber habe sich das LSG hinweggesetzt, anstatt den angefochtenen Bescheid vollständig aufzuheben. Denn daß die Rentenentziehung rechtswidrig gewesen sei, habe bereits das Teilurteil festgestellt. - Schließlich könne auch der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht gefolgt worden, soweit es angenommen habe, die Vorschrift des Art. 2 § 31 KnVNG habe nicht die Bedeutung einer Garantie des einmal errungenen sozialen Besitzstandes. Dieser Auffassung stehe der klare Wortlaut des Gesetzes entgegen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil, das Urteil des Knappschaftsoberversicherungsamts für das Saarland vom 27. Juni 1956 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. März 1955, soweit dieser nicht aufgehoben ist, aufzuheben,
hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet.
I. Das Berufungsurteil enthält keinen vollständigen Tatbestand. Der mit "Tatbestand" überschriebene Abschnitt des Urteils verweist "wegen des Sachverhalts" lediglich "auf den Tatbestand des Teilurteils vom 9. Februar 1960" und fügt die Mitteilung hinzu, daß "die Parteien die früheren Anträge unter Berücksichtigung des Teilurteils" stellten. Dagegen wendet sich die Revision mit der Rüge, die bloße Bezugnahme auf den Inhalt des Teilurteils sei keine ausreichende Schilderung des Sach- und Streitstandes. Die Revision macht somit einen Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Nr. 5 SGG geltend.
Die Rüge ist als solche berechtigt. Denn der Tatbestand des Schlußurteils bietet für sich allein keine genügende Grundlage für das Verständnis der Entscheidungsgründe. Das Gesetz schreibt aber vor, daß aus dem Urteil vollständig zu entnehmen ist, auf welchen Sach- und Streitstand das Gericht sein Erkenntnis stützt.
Gleichwohl greift der Revisionsangriff nicht durch. Die zivilgerichtliche Rechtsprechung hat in ständiger Übung die Bezugnahme auf den Tatbestand eines früheren, in derselben Instanz ergangenen Zwischen- und Teilurteils genügen lassen und derartige Vorweisungen denjenigen gleichgestellt, die in § 313 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO), also in der mit § 136 Abs. 2 Satz 1 SGG nahezu wörtlich übereinstimmenden Vorschrift, aufgeführt sind (RGZ 55, 412; 56, 28; 57, 149; OGH BrZ 1.6.1950, NJW 1950, 696; Wieczorek, ZPO § 313 III c 6 mit Nachw.). In RGZ 56, 30 ist diese Rechtsprechung damit gerechtfertigt worden, daß den Parteien der in Bezug genommene Tatbestand durch die Zustellung des vorher ergangenen Urteils bekannt geworden sei und von ihnen ohne Weiterungen auf die Notwendigkeit einer Berichtigung hin habe geprüft werden können. Deshalb müsse die Analogie zu der Bestimmung des § 543 ZPO Platz greifen, wonach beim Tatbestand eines Berufungsurteils auf das Urteil erster Instanz zurückgegriffen werden dürfe. Ob nun die Vorschrift des § 543 ZPO über § 202 SGG auf das sozialgerichtliche Prozeßrecht zu übernehmen ist, kann dahinstehen (vgl. BSG 16.12.1959 SozR SGG § 136 Bl. Da 2 Nr. 8 = NJW 1960, 1077; aber auch BVerwG, 17.4.1958, DVBl 1958, 545). An dem daraus in der reichsgerichtlichen Judikatur abgeleiteten Gedanken ist allgemein - auch für den Sozialgerichtsprozeß - unter der Bedingung festzuhalten, daß der in dem Schlußurteil verwertete Sach- und Streitstand, soweit es nötig ist, ergänzt, im übrigen aber klar, sicher und erschöpfend zu erkennen ist (vgl. RGZ 55, 412).
Diesen Anforderungen ist im vorliegenden Fall genügt. Der Sachverhalt ist in dem Tatbestand des Teilurteils fast geschlossen wiedergegeben. Der von dem Berufungsgericht zusätzlich geprüfte Vergleich zwischen der für den Kläger maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage und dem bezogenen Arbeitsentgelt wird zwar ebenfalls nicht im Tatbestand des Schlußurteils, sondern - urteilstechnisch unrichtig - in den Entscheidungsgründen behandelt und selbst in diesem Einzelpunkt wird das Berufungsurteil der Aufgabe einer in sich abgerundeten, aus sich heraus verständlichen Sachdarstellung nicht gerecht. Dennoch ist hier bei dem einfach gelagerten Tatsachenstoff ohne Mühe zu ersehen, auf welchen Feststellungen die Entscheidung beruht. Daher kann das Berufungsurteil in der vorliegenden Form hingenommen werden.
II. An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts deswegen, weil die erhobenen Ansprüche im Schlußurteil selbst nicht genau gekennzeichnet, sondern ebenfalls im Wege der summarischen Verweisung und lediglich mit der Einschränkung aufgenommen worden sind, daß dem Teilurteil Rechnung getragen werde. Diese unscharfe, wenn auch ausdeutbare Ausdrucksweise ist freilich nicht mit der Vorschrift des § 136 Abs. 2 Satz 2 SGG zu vereinbaren. Sie muß um so mehr als ein Mangel empfunden werden, als die von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zum Schluß gestellten Anträge nicht - wie es § 122 Abs. 1 SGG vorschreibt - in die Sitzungsniederschrift aufgenommen worden sind (vgl. BSG 2, 277, 280). Dennoch wirkt sich hier die inkorrekte Fassung nicht nachteilig auf den Tatbestand des Urteils aus. Es bleibt nicht undeutlich oder zweifelhaft, welchen Streitstoff das angefochtene Urteil im einzelnen behandelt; das, worauf sich die Entscheidung bezieht, ist greifbar abgegrenzt. Für die gegenwärtige Instanz kann unbedenklich davon ausgegangen werden, daß die früheren, in der Verhandlung vor Erlaß des Teilurteils gestellten Anträge zu dem - vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus - noch unerledigten Umfang aufrechterhalten blieben. Im Hinblick auf die Klageanträge bedeutet das: das Berufungsgericht sah sich mit der Frage befaßt, ob der Entziehungsbescheid rechtswidrig sei, soweit die Knappschaftsrente über den 31. Dezember 1956 hinaus beansprucht werde. Dieses Streitthema ist unschwer und widerspruchsfrei aus dem Gesamtzusammenhang zu ermitteln. In Anbetracht dieses eindeutigen Interpretationsergebnisses bleibt die unvollkommene Ausführung des Berufungsurteils kein ernsthaftes Hindernis für die revisionsrichterliche Nachprüfung; deshalb müssen die erwähnten verfahrensrechtlichen Vorwürfe der Revision ihr Ziel verfehlen.
III. Das Berufungsgericht hat es für die Beurteilung der Frage, ob dem Kläger für die Zeit ab 1. Januar 1957 der Anspruch auf die umgestellte Knappschaftsrente zusteht, auf § 86 Abs. 2 RKG abgestellt. Es meint, diese, die Entziehung von Renten behandelnde Vorschrift sei auch auf solche Fälle anzuwenden, in denen die Leistung vor der Rentenrechtsreform des Jahres 1957 zuerkannt worden war, denn in der Regel - sofern nicht das Gegenteil ausdrücklich bestimmt sei - gelte das RKG in der durch das KnVNG geschaffenen Fassung ganz einheitlich sowohl für alle festgestellten wie für alle noch festzustellenden Ansprüche. Da nun bezüglich des § 86 RKG etwas von der Regel Abweichendes nicht bestimmt sei, habe man für Rentenbezugszeiten ab 1. Januar 1957 von dieser Entziehungsnorm auszugehen. - Diese Auffassung will das Berufungsgericht sogar ungeachtet des Umstandes gelten lassen, daß der Entziehungsbescheid nicht nach, sondern vor dem Inkrafttreten des Reformgesetzes ergangen war. Dieser Auffassung des Berufungsgerichts ist nicht zu folgen.
§ 86 RKG rechtfertigt bereits seinem Wortlaut und Inhalt nach nicht die Entziehung der wegen Berufsunfähigkeit im Sinne des § 35 RKG aF bewilligten Knappschaftsrente. Diese Bestimmung betrifft lediglich die Entziehung der mit der Reformgesetzgebung eingeführten Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 RKG nF oder der Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit im Sinne der §§ 46 und 47 RKG nF. Daraus folgt, daß die Entziehungsvorschrift des § 86 RKG die Renten alter Art weder vor noch nach der Umstellung erfaßt. Denn die "Umstellung" der unter anderen tatbestandlichen Voraussetzungen und zu anderen Bedingungen gewährten früheren Renten bedeutet nicht, daß diese Rechte völlig in die Leistungsformen des neuen Rechts umgewandelt worden seien. Soweit § 86 RKG die Tatbestandsmerkmale beschreibt, welche die Entziehung der Bergmannsrente zulassen und gebieten, stellt die Vorschrift - vereinfachend ausgedrückt - in ihrem Tatbestand die Umkehrung der Voraussetzungsseite des § 45 Abs. 2 RKG dar. Diese Norm, in welcher der Begriff der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit erläutert ist, stimmt aber nicht mit § 35 RKG aF überein und unterscheidet sich sogar so wesentlich von ihr, daß auch eine entsprechende Anwendung von § 86 RKG auf ältere Bezugsrechte ausgeschlossen erscheint. Die Tatbestandsgrenzen des "Versicherungsfalls" sind in der jüngeren Vorschrift (§ 45 Abs. 2 RKG nF) weiter abgesteckt. Bislang war die Knappschaftsrente u. a. bereits dann zu gewähren, wenn der Versicherte nicht mehr einer Tätigkeit nachzugehen vermochte, die seiner bergmännischen Berufsarbeit "gleichartig" war (BSG 5, 72). Das neue Recht läßt demgegenüber eine Verweisung auf eine andersartige Beschäftigung in einem weiteren Rahmen zu und begnügt sich mehr, wenn auch nicht ausschließlich, mit dem bisher schon anzustellenden Einkommensvergleich ("Gleichwertigkeit").
Gerade an dieses Moment der Gleichwertigkeit knüpft aber § 86 Abs. 2 RKG an. Dagegen soll es unerheblich sein, daß die neue Beschäftigung nicht auf einem gleichartigen, ja überhaupt nicht auf einem bergmännischen Gebiete liegt und in einem knappschaftlichen Betriebe nicht einmal vorkommt. Von seinem Standpunkt aus folgerecht, hat denn auch das LSG entschieden, daß die bewilligte Knappschaftsrente mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts allein deswegen entzogen werden dürfe, weil sich der Kläger in der Zeit nach der Rentengewährung lediglich das Leistungsvermögen zu einer seinem früheren Kohlenhauerberuf nicht artverwandten Büroarbeit angeeignet habe. Und das soll sogar nach Ansicht des Berufungsgerichts zulässig sein, obgleich die vor der Rechtsänderung maßgeblichen Vorschriften eine derartige Entziehungsmaßnahme nicht gestattet hätten.
Für einen solchen Eingriff in die nach früherem Recht begründete Rechtsstellung gibt das Gesetz keine Handhabe. Im KnVNG fehlt eine übergangsrechtliche Vorschrift wie die des Art. 2 § 24 ArVNG, die auch in Altfällen den Versicherungsträger zur Entziehung der Renten nach Maßgabe des neuen Rechts ermächtigt. Wegen des Fehlens einer entsprechenden Übergangsvorschrift gilt im Knappschaftsrecht der Grundsatz, von dem das zwischenzeitliche Recht zwar nicht ausgesprochenermaßen, aber in seinen Ausnahmen erkennbar beherrscht wird, daß nämlich für Versicherungsfälle, welche vor Inkrafttreten des Reformgesetzes eingetreten sind, die alte Ordnung fortgilt. Dieser Gedanke tritt in seiner positiven Ausprägung besonders klar in Art. 2 § 31 Abs. 1 KnVNG hervor. Bezüglich des vor Inkrafttreten des Gesetzes begründeten Anspruchs auf Rente nach § 35 RKG aF ergibt sich dies ferner nicht weniger deutlich aus dem Gesetz. Das Bestehen eines solchen vor der Rechtsänderung erhobenen, aber nicht vorher bindend festgestellten Anspruchs ist nicht von den Voraussetzungen des neuen Rechts abhängig, sondern nach bisherigem Recht zu beurteilen. Das galt sogar noch über den 1. Januar 1957 hinaus. Nach Art. 3 § 6 KnVNG ist der neue Begriff der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit (§ 45 Abs. 2 RKG) erst vom ersten Tage des auf die Verkündung des Gesetzes folgenden Monats an (das ist der 1. Juni 1957) anzuwenden. Indem der Gesetzgeber dem Begriff der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit keine auf den 1. Januar 1957 rückwirkende Geltung beigelegt hat, wollte er die bis zur Verkündung des Gesetzes erworbenen, über die Grenzen des § 45 Abs. 2 RKG nF hinausgehenden Ansprüche schützen. Diese Ansprüche sollten nicht deshalb in Frage gestellt sein, weil nach dem neuen Begriff strengere Tatbestandserfordernisse zu erfüllen waren, um das Recht auf die Leistung zu besitzen.
Diese offenkundige Absicht des Gesetzgebers wäre aber vereitelt, wenn jene nach den älteren Vorschriften zu gewährenden Renten sogleich wieder nach § 86 RKG hätten entzogen werden können. Ein derartiges Ergebnis wäre widersinnig; es ist vom Gesetzgeber gewiß nicht gewollt. Was aber für jene noch nicht festgestellten Bezugsrechte gilt, ist aus derselben rechtlichen Erwägung heraus auch in einer umfassenderen Bedeutung für die vor dem 1. Januar 1957 entstandenen Ansprüche richtig. Deshalb können die nach dem früheren § 35 RKG begründeten Rechte ganz allgemein nur dann entzogen werden, wenn der Versicherte imstande ist, gegenwärtig eine versicherungspflichtige Tätigkeit auszuüben, die der bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit nicht nur gleichwertig, sondern auch gleichartig ist.
Das hat das Berufungsgericht verkannt. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben; der Klage gegen den Entziehungsbescheid hingegen stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen