Leitsatz (redaktionell)
1. Die Frage, ob die frühere Ehefrau unterhaltsberechtigt ist, beurteilt sich weder nach dem tatsächlich bestehenden Maß an Schuld oder Mitschuld, daß die Ehegatten an der Scheidung tragen, noch allein nach dem Inhalt des Schuldausspruchs des Ehescheidungsurteils; die Gewährung von Versorgungsrente nach BVG § 42 aF hängt vielmehr allein davon ab, ob die geschiedene Ehefrau nach den eherechtlichen Vorschriften im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs unterhaltsberechtigt wäre, wenn ihr früherer Ehemann noch leben würde.
Soweit sich der Unterhaltsanspruch nach dem Schuldausspruch des Ehescheidungsurteils richtet, ist dieser für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bindend und kann auf seine sachliche Richtigkeit nicht nachgeprüft werden.
Haben nach dem rechtskräftigen Ehescheidungsurteils sowohl die frühere Ehefrau wie auch ihr früherer Ehemann Schuld an der Scheidung, ohne daß einen von ihnen eine überwiegende Schuld trifft, ist die Frage, ob die frühere Ehefrau Unterhalt von ihrem früherem Ehemann beanspruchen könnte, wenn dieser noch leben würde, nach EheG § 60 zu entscheiden.
Ein Anspruch auf Gewährung eines Unterhaltsbetrages nach EheG § 60 besteht aber nur, wenn und soweit der frühere Ehemann nach seinen Vermögens- und Einkommensverhältnissen sowie unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen und Bedürfnisse hierzu in der Lage ist; er entfällt, wenn und soweit die geschiedene Ehefrau sich selbst unterhalten kann oder unterhaltspflichtige Verwandte vorhanden sind.
Dem Bezug von Fürsorgeleistungen steht nicht entgegen, das unterhaltspflichtige Verwandte vorhanden sind; ein Anspruch hierauf besteht im Gegensatz zu der Regelung in BVG § 42 aF, EheG §§ 60, 63 auch dann, wenn unterhaltspflichtige Verwandte vorhanden sind, diese aber tatsächlich den erforderlichen Unterhalt nicht leisten; selbst dann, wenn ein fürsorgerechtlicher Anspruch besteht, müßte ein solcher nach BVG § 42 aF entfallen.
2. Der Anspruch auf Witwenrente für die Zeit vor dem 1960-06-01 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des 1. NOG-KOV - und für die Zeit vom 1960-06-01 an muß nach unterschiedlichen Voraussetzungen beurteilt werden.
Normenkette
BVG § 42 Fassung: 1950-12-20, § 42 Fassung: 1960-06-27; EheG § 60 Fassung: 1946-02-20, § 63 Fassung: 1946-02-20
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts in München vom 14. Dezember 1960 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die am 16. Mai 1909 geborene Klägerin ist von 1936 bis 1942 mit Karl-Wilhelm B verheiratet gewesen. Die Ehe ist durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 22. Mai 1942 aus beiderseitigem Verschulden rechtskräftig geschieden worden. Der frühere Ehemann der Klägerin ist seit Februar 1945 verschollen.
Am 12. September 1949 beantragte die Klägerin für sich und ihren am 25. April 1938 geborenen Sohn Hans-Jürgen B Versorgungsrente nach dem Bayerischen Körperbeschädigten-Leistungsgesetz (KBLG). Sie legte die Abschrift eines ärztlichen Zeugnisses vom 13. Oktober 1949 vor, nach welchem sie wegen einer vorausgegangenen Erkrankung für die Dauer etwa eines halben Jahres um mehr als 50 v. H. in ihrer Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt war, sowie ein Schreiben des Landratsamts Wertingen - Bezirksfürsorgeverband - vom 28. September 1950, wonach sie seit längerem aus öffentlichen Fürsorgemitteln unterstützt wurde.
Mit Bescheid vom 12. Januar 1951 erkannte das Versorgungsamt (VersorgA) Augsburg die Verschollenheit des früheren Ehemannes der Klägerin als Leistungsgrund im Sinne des Art. 1 Abs. 1 KBLG an und gewährte dem Sohn der Klägerin Waisenrente nach diesem Gesetz, lehnte jedoch die Gewährung von Witwenrente an die Klägerin ab, weil die Ehe zwischen ihr und dem vermißten Karl-Wilhelm B geschieden sei. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin, soweit die Gewährung von Versorgungsbezügen an sie selbst abgelehnt worden war, Berufung nach altem Recht ein, die am 1. Januar 1954 auf das Sozialgericht (SG) übergegangen ist. Im Laufe dieses Verfahrens verpflichtete sich der Beklagte im Vergleich vom 14. Juni 1954, der Klägerin einen neuen Witwen-Rentenbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu erteilen; die Klägerin nahm daraufhin ihre Klage gegen den KBLG-Bescheid vom 12. Januar 1951 zurück. Mit Bescheid vom 26. Oktober 1954 lehnte das VersorgA Augsburg die Gewährung von Versorgungsbezügen an die Klägerin auch nach dem BVG mit der Begründung ab, eine Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehemannes der Klägerin - im Erlebensfalle - sei nicht gegeben, da dieser im Ehescheidungsurteil nicht allein oder überwiegend schuldig gesprochen worden sei. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 1955).
Die hiergegen erhobene Klage hat das SG Augsburg mit Urteil vom 3. November 1955 abgewiesen, weil der frühere Ehemann der Klägerin "dieser nicht unterhaltspflichtig geworden wäre". Auf die Berufung der Klägerin hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in München mit Urteil vom 14. Dezember 1960 das Urteil des SG aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin vom 1. Oktober 1950 an Witwenrente nach dem BVG zu gewähren. In der Begründung hat es ausgeführt, nach § 42 BVG komme es entgegen der Ansicht des Beklagten und des SG nicht allein auf den die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bindenden Schuldausspruch des Ehescheidungsurteils an, sondern darauf, ob der frühere Ehemann der Klägerin im Erlebensfalle nach den eherechtlichen Vorschriften Unterhalt zu gewähren hätte. Dabei sei auch der Unterhaltsbeitrag nach der hier infolge des Schuldausspruchs des Ehescheidungsurteils maßgebenden Vorschrift des § 60 des Ehegesetzes vom 20. Februar 1946 (EheG 1946) Unterhalt im Sinne des § 42 BVG. Zur Leistung eines Unterhaltsbeitrages nach dieser Vorschrift wäre aber der frühere Ehemann der Klägerin im Erlebensfalle verpflichtet gewesen, da die Klägerin Fürsorgeunterstützung beziehe und ihre Erwerbsfähigkeit nach der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung um mehr als 50 v. H. gemindert sei. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses ihm am 18. Januar 1961 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 25. Januar 1961 Revision eingelegt, mit der er beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 18. April 1961 hat der Beklagte die Revision am 2. März 1961 begründet. Er rügt die Verletzung des § 103 SGG; das LSG habe insbesondere nicht ausreichend aufgeklärt, ob die Klägerin unfähig sei, sich selbst zu unterhalten, und ob unterhaltspflichtige Verwandte vorhanden seien.
Die Klägerin beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Das LSG habe ohne Rechtsirrtum darauf verzichten können, weitere Ermittlungen anzustellen, es habe vielmehr mit Recht aus dem Umstand, daß die Klägerin Fürsorgeunterstützung beziehe, den Schluß gezogen, daß die Klägerin nicht in der Lage sei, ihren Unterhalt selbst oder mit Hilfe unterhaltspflichtiger Verwandter zu bestreiten. Ihre eigene zunächst eingelegte Revision hat sie am 22. September 1962 zurückgenommen.
Die durch Zulassung (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) statthafte Revision des Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist mithin zulässig.
Die Revision ist auch begründet.
Der Beklagte rügt zwar lediglich einen wesentlichen Mangel im Verfahren des LSG mit dem Ziel, die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Streitsache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das LSG zu erreichen. Der Senat war jedoch, da die Revision zulässig ist, gehalten, das angefochtene Urteil auch über die erhobene Verfahrensrüge hinaus in vollem Umfange nachzuprüfen (BSG 3, 180, 186). Er hatte daher auch die richtige und vollständige Anwendung der Rechtsnormen, die das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, in seine Beurteilung einzubeziehen.
Das LSG hat bei der Urteilsfindung offenbar übersehen, daß der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Versorgungsbezügen nach § 42 BVG für die Zeit vor dem 1. Juni 1960, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Ersten Neuordnungsgesetzes (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I, 453), und dem Zeitraum nach diesem Stichtag unterschiedlich beurteilt werden muß. Denn durch das 1. NOG ist die für die materiell-rechtliche Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits maßgebliche Vorschrift des § 42 BVG dahin abgeändert worden, daß nicht mehr entscheidend ist, ob der frühere Ehemann der Klägerin in dem Zeitraum, für den die Gewährung der Versorgungsrente beantragt wird, Unterhalt zu gewähren hätte, wenn er noch leben würde (so § 42 BVG i. d. F. vor Inkrafttreten des 1. NOG - BVG aF -), sondern daß es darauf ankommt, ob der verstorbene frühere Ehemann der Klägerin zur Zeit seines Todes Unterhalt zu leisten hatte oder im letzten Jahr vor seinem Tode geleistet hat (so § 42 BVG i. d. F. des 1. NOG - BVG nF -).
Für die Zeit vor dem 1. Juni 1960 hat die Klägerin, deren früherer Ehemann kriegsverschollen ist, gemäß § 42 BVG aF Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung, wenn ihr früherer Ehemann ihr im Erlebensfalle Unterhalt nach den eherechtlichen Vorschriften zu gewähren hätte. Die Frage, ob die Klägerin unterhaltsberechtigt ist, beurteilt sich, wie das LSG im wesentlichen zutreffend ausgeführt hat, weder nach dem tatsächlich bestehenden Maß an Schuld oder Mitschuld, das die Ehegatten an der Scheidung tragen, noch allein nach dem Inhalt des Schuldausspruchs des Ehescheidungsurteils; die Gewährung von Versorgungsrente nach § 42 BVG aF hängt vielmehr allein davon ab, ob die geschiedene Ehefrau nach den eherechtlichen Vorschriften im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs unterhaltsberechtigt wäre, wenn ihr früherer Ehemann noch leben würde (BSG 9, 88, 89). Soweit sich der Unterhaltsanspruch nach dem Schuldausspruch des Ehescheidungsurteils richtet, ist dieser für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bindend und kann auf seine sachliche Richtigkeit nicht nachgeprüft werden (BSG 10, 172). Da nach dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 22. Mai 1942 sowohl die Klägerin wie auch ihr früherer Ehemann Schuld an der Scheidung haben, ohne daß einen von ihnen eine überwiegende Schuld trifft, ist die Frage, ob die Klägerin Unterhalt von ihrem früheren Ehemann beanspruchen könnte, wenn dieser noch leben würde, nach § 60 des EheG 1946 zu entscheiden (BSG 9, 89). Das LSG hat auch zutreffend erkannt, daß der Unterhaltsanspruch nicht erst durch die Gestaltungskraft eines richterlichen Urteils, sondern kraft Gesetzes mit der Rechtskraft der Scheidung entsteht, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (BSG 13, 168, 169).
Ein Anspruch auf Gewährung eines Unterhaltsbetrages nach § 60 EheG 1946 besteht aber nur, wenn und soweit der frühere Ehemann nach seinen Vermögens- und Einkommensverhältnissen sowie unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen und Bedürfnisse hierzu in der Lage ist (Palandt BGB, 21. Aufl. § 60 EheG, Anm. 3; Soergel BGB-Komm., 7. Aufl. § 60 EheG, Anm. 2); er entfällt, wenn und soweit die geschiedene Ehefrau sich selbst unterhalten kann oder unterhaltspflichtige Verwandte vorhanden sind (Palandt aaO § 60 EheG, Anm. 3 und § 63 EheG, Anm. 3 b; Soergel aaO § 60 EheG, Anm. 2 und § 63 EheG, Anm. 2; Hoffmann/Stephan EheG § 60, Anm. 6 A und § 63, Anm. 4 A). Zu den hiernach rechtserheblichen Umständen hat das LSG aber, wie die Revision mit Recht rügt, ausreichende tatsächliche Feststellungen nicht getroffen und dadurch seine Pflicht zu einer vollständigen Sachaufklärung (§ 103 SGG) verletzt.
Im angefochtenen Urteil fehlt zunächst jegliche Feststellung darüber, ob der frühere Ehemann der Klägerin im Falle seiner Rückkehr aus dem Kriege mit Rücksicht auf seine voraussichtlichen Bedürfnisse und Vermögens- sowie Einkommensverhältnisse überhaupt in der Lage gewesen wäre, einen wenn auch nur geringen Beitrag zu ihrem Unterhalt zu leisten. Das angefochtene Urteil befaßt sich in keiner Weise mit dem Beruf des früheren Ehemannes der Klägerin und den sich hieraus für den Fall seiner Rückkehr aus dem Kriege ergebenden Einkommensmöglichkeiten, so daß es schon insoweit, wie die Revision zutreffend beanstandet, an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen für die abschließende rechtliche Beurteilung des Klageanspruchs fehlt.
Der Umstand, daß die Klägerin Fürsorgeunterstützung bezogen hat und bezieht, ist aus verschiedenen Gründen nicht ausreichend, die vom LSG getroffenen Feststellungen, daß die Klägerin unfähig sei, sich selbst zu unterhalten, zu tragen und die ausgesprochene Rechtsfolge zu stützen. Denn wenn auch die Anspruchsvoraussetzungen des § 60 EheG 1946 und des § 5 der "Reichsgrundsätze über Voraussetzungen, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge" in der Fassung vom 20. August 1953 (BGBl I, 967) inhaltlich im wesentlichen übereinstimmen, so kann doch die tatsächliche Gewährung der Fürsorge allenfalls nur die Bedeutung eines von mehreren Indizien für die Beantwortung der Frage haben, ob die Klägerin unfähig ist, sich selbst zu unterhalten. Jedenfalls bindet die in den die Fürsorgeleistungen zusprechenden Verwaltungsakten - mittelbar - enthaltene Feststellung der Unfähigkeit der Klägerin, sich selbst zu unterhalten, die Versorgungsbehörden und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit schon deshalb nicht, weil diese nicht dem Verfügungssatz, sondern allenfalls den Begründungen dieser Verwaltungsakte zuzuordnen wäre (vgl. das Urteil des erkennenden Senats vom 3. November 1961, - 8 RV 1337/59 - KOV 1962, 114). Es ist auch nicht auszuschließen, daß die Fürsorgebehörden bei der Beurteilung dieser Frage einen anderen rechtlichen Maßstab angelegt haben, als er nach den versorgungsrechtlichen Vorschriften, die ihrerseits auf die eherechtlichen Bestimmungen verweisen, zugrunde zu legen ist. Die Annahme, daß die Klägerin sich nicht selbst unterhalten kann, mag dabei zwar nach fürsorgerechtlichen Maßstäben berechtigt sein; die Rechtslage nach dem BVG kann aber gegebenenfalls zu einer anderen Beurteilung zwingen. Das LSG hätte daher selbst ermitteln und aufklären müssen, ob die Klägerin in der Lage ist, ihren Unterhalt selbst zu verdienen. Es hätte sich dabei zwar auf die Ermittlungen der Fürsorgebehörden stützen können; dafür hätte es aber zunächst deren Akten beiziehen und sich mit den darin enthaltenen, insoweit rechtserheblichen Unterlagen sowie mit deren Beweiswert auseinandersetzen müssen.
Aus dem Umstand, daß die Klägerin Fürsorgeunterstützung bezieht, kann nicht geschlossen werden, daß unterhaltspflichtige Verwandte der Klägerin nicht vorhanden sind. Denn nach § 5 der vorgenannten Rechtsgrundsätze hängt die Hilfsbedürftigkeit nicht, wie nach den §§ 60, 63 EheG 1946, davon ab, daß unterhaltspflichtige Verwandte nicht vorhanden sind, sondern es genügt, daß der Bedürftige die zu seinem und seiner Angehörigen Unterhalt erforderlichen Mittel tatsächlich nicht erhält. Dem Bezug von Fürsorgeleistungen steht daher nicht entgegen, daß unterhaltspflichtige Verwandte vorhanden sind; ein Anspruch hierauf besteht im Gegensatz zu der Regelung der §§ 42 BVG aF, 60, 63 EheG 1946 auch dann, wenn unterhaltspflichtige Verwandte vorhanden sind, diese aber tatsächlich den erforderlichen Unterhalt nicht leisten; es ist also durchaus möglich, daß die Klägerin Fürsorgeleistungen bezieht, obwohl zum Unterhalt verpflichtete Verwandte vorhanden sind. Das aber bedeutet, daß selbst dann, wenn ein fürsorgerechtlicher Anspruch besteht, ein solcher nach § 42 BVG aF entfallen müßte.
Das LSG hat offenbar weiter übersehen, daß das Schreiben des Landratsamts Wertingen - Bezirksfürsorgeverband - vom 28. September 1950 und das ärztliche Zeugnis des Dr. M vom 13. Oktober 1949, mit dem eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin lediglich für das folgende halbe Jahr bescheinigt worden ist, allenfalls geeignet sind, die Unfähigkeit der Klägerin, ihren Unterhalt selbst zu verdienen, in der damaligen Zeit unter Beweis zu stellen, nicht aber auch für die nachfolgenden Zeiträume bis zum Tage der mündlichen Verhandlung vor dem LSG. Da es sich vorliegend jedoch um einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen handelt, hätte das LSG prüfen müssen, ob die anspruchsbegründenden Umstände nicht nur im Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auch für die Folgezeit bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung vorhanden waren (BSG 6, 141). Auch hierüber fehlen die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen des LSG. Insbesondere hätte es angesichts des Inhalts der Versorgungsakten auch nahe gelegen zu prüfen, ob der Sohn der Klägerin ihr in einem Maße unterhaltspflichtig geworden ist, daß ein darüber hinausreichender Anspruch auf Gewährung eines Unterhaltsbeitrages nach § 60 EheG 1946 nicht mehr gegeben gewesen wäre.
Nach alledem hätte sich dem LSG, das die für die Entscheidung über den Klageanspruch in der Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Mai 1960 rechtserheblichen Umstände im wesentlichen zutreffend dargestellt hat, die Frage aufdrängen müssen, ob sie in tatsächlicher Hinsicht auch gegeben sind und ob es insoweit etwa weitere Ermittlungen müßte anstellen. Dadurch, daß es dieser ihm nach § 103 SGG obliegenden Pflicht nicht nachgekommen ist, ist sein Verfahren, wie die Revision mit Recht rügt, mit wesentlichen Mängeln behaftet. Da auch nicht auszuschließen ist, daß das angefochtene Urteil anders ausgefallen wäre, wenn das LSG seiner Sachaufklärungspflicht nachgekommen wäre, muß dieses, soweit es den Klageanspruch für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Mai 1960 betrifft, aufgehoben werden. Der Senat konnte für diesen Zeitraum auch nicht in der Sache selbst entscheiden, da ihm die hierfür noch erforderliche Sachaufklärung verwehrt ist; die Sache war daher insoweit an das LSG zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Das LSG wird in dem vorstehend aufgezeigten Rahmen die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachzuholen und über den Klageanspruch erneut zu entscheiden haben.
Aber auch für die nachfolgende Zeit vom 1. Juni 1960 an konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Denn für diese Zeit kommt es infolge der Neufassung des § 42 BVG durch das 1. NOG nicht mehr, wie nach § 42 BVG aF, darauf an, ob der frühere Ehemann der Klägerin Unterhalt zu leisten hätte, wenn er nicht verstorben wäre, sondern darauf, ob er zur Zeit seines Todes nach den eherechtlichen Vorschriften oder aus einem anderen Grunde Unterhalt zu leisten hatte oder im letzten Jahr vor seinem Tode geleistet hat. Zu den hiernach rechtserheblichen Umständen sind tatsächliche Feststellungen durch das LSG überhaupt nicht getroffen worden, weil es die mit dem 1. NOG eingetretene Änderung des § 42 BVG unberücksichtigt gelassen hat. Die Sache war deshalb auch insoweit an das LSG zurückzuverweisen. Hier wird das LSG zu ermitteln und zu entscheiden haben, ob der frühere Ehemann der Klägerin zur Zeit seines Todes nach den damals geltenden eherechtlichen Vorschriften oder aus einem sonstigen Grunde verpflichtet gewesen ist, der Klägerin Unterhalt zu leisten, oder ob er solchen im letzten Jahr vor seinem Tode tatsächlich geleistet hat. Hierzu wird das LSG, da eine Todeserklärung durch das zuständige Amtsgericht offenbar nicht erfolgt ist, zunächst den mutmaßlichen Todeszeitpunkt des früheren Ehemannes der Klägerin zu bestimmen haben. Es wird sodann zu ermitteln haben, ob der frühere Ehemann im letzten Jahr vor diesem Zeitpunkt der Klägerin Unterhalt tatsächlich geleistet hat, und verneinendenfalls zu erforschen haben, ob etwa eine über die hier angesichts des Schuldausspruchs im Ehescheidungsurteil maßgebliche Vorschrift des § 68 EheG 1938 hinausreichende Unterhaltsvereinbarung oder ein sonstiger Grund im Sinne des § 42 BVG nF vorgelegen hat, nach dem der frühere Ehemann zur Zeit seines Todes unterhaltsverpflichtet gewesen sein könnte. Kommt es allein darauf an, ob dieser nach eherechtlichen Vorschriften zur Zeit seines Todes verpflichtet gewesen ist, der Klägerin Unterhalt zu gewähren, so wird das LSG insbesondere zu prüfen und aufzuklären haben, ob die Klägerin in dieser Zeit in der Lage gewesen ist, sich selbst zu unterhalten, verneinendenfalls, ob der frühere Ehemann der Klägerin nach seinem letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor seinem Tode (vgl. BSG SozR RVO § 1265 Bl. Aa 4 Nr. 6; Aa 7 Nr. 8 und Aa 9 Nr. 9; Urteil des erkennenden Senats vom 4. April 1963 - 8 RV 773/61 -) fähig und in der Lage gewesen ist, der Klägerin Unterhalt zu gewähren.
Nach alledem war das angefochtene Urteil in vollem Umfange aufzuheben und die Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen