Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 13.01.1955)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Januar 1955 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Der Sohn der Klägerin ist im September 1943 als Obermechanikersmaat beim U-Booteinsatz gefallen. Die Klägerin erhielt vom Versorgungsamt (VersorgA.) Wuppertal Elternrente nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) 27. Bei der Umanerkennung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wurden mit Bescheid vom 2. September 1952 eine ab 1. März 1951 bewilligte und ab 1. Oktober 1951 laufend gezahlte Witwenrente aus der Invalidenversicherung sowie eine freiwillige Werkszulage von monatlich 42.– DM netto, welche die Arbeiterunterstützungskasse der Farbenfabriken Bayer, in Nachwirkung eines früheren Arbeitsverhältnisses zwischen der IG-Farben AG. und dem im Dezember 1938 verstorbenen Ehemann der Klägerin gewährte, als Einkommen angerechnet, die Elternrente mit Ablauf des August 1952 entzogen und eine Überzahlung zurückgefordert. Mit dem 1. Oktober 1952 stellte die Arbeiterunterstützungskasse die Zahlung der Werke Zulage ein, weil sie auf die Elternrente angerechnet worden war. Daraufhin beantragte und erhielt die Klägerin die Elternrente ab 1. November 1952 wieder, wobei die Witwenrente angerechnet wurde. Den Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 2. September 1952 wies der Beschwerdeausschuß des VersorgA. Wuppertal mit Entscheidung vom 4. November 1952 zurück.

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses eingelegte Berufung ist gemäß § 215 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage auf das Sozialgericht Düsseldorf übergegangen. Dieses hat mit Urteil vom 23. Juni 1954 die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG.) Nordrhein-Westfalen mit Teilurteil vom 13. Januar 1955 die Berufung zurückgewiesen, soweit die Frage der Anrechenbarkeit der Werkszulage streitig war, und die Revision zugelassen. Es hat ausgeführt, die Werkszulage sei sonstiges Einkommen im Sinne der §§ 51 Abs. 2, 33 Abs. 2 Satz 1 BVG a.F. Sie sei zwar eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung, auf die kein Rechtsanspruch bestehe, und die nach Anrechnung durch das VersorgA. auch nicht mehr gezahlt werde, jedoch sei sie in Machwirkung des früheren Arbeitsverhältnisses des Ehemannes der Klägerin gewährt worden. Solche Betriebszuwendungen richteten sich nach der Dauer der Betriebsangehörigkeit und der Art der früher innegehabten Stellung im Betrieb, sie könnten nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung nur ausnahmsweise widerrufen werden. Ein praktischer Unterschied zwischen derartigen Leistungen des Arbeitgebers auf Grund eines Rechtsanspruchs und freiwilligen Leistungen bestehe nicht mehr. Da die Elternrente nach dem BVG von der Bedürftigkeit abhänge, käme es nur auf die wirtschaftliche Lage an. Aus der vom Bundestag verabschiedeten dritten Novelle zum BVG, die eine Verbesserung der Renten bewirken solle, sei zu entnehmen, daß die bisherige Gesetzesfassung eine uneingeschränkte Anrechnung der freiwilligen, widerruflichen Leistungen als sonstiges Einkommen gebiete.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt und beantragt,

  1. unter Aufhebung der Vorentscheidungen den Revisionsbeklagten zu verurteilen, unter Nichtanrechnung der früher gezahlten Werkszulage der Bayer-Werke von 42.– DM die Elternrente über den 31. August 1952 hinaus weiter zu gewähren,
  2. den Revisionsbeklagten zu verurteilen, der Revisionsklägerin auch die Kosten des zweiten und dritten Rechtszugs zu erstatten.

Die Revision rügt unrichtige Anwendung der §§ 51 Abs. 2, 33 Abs. 2 Satz 1 BVG a.F.. Die Werkszulage sei nicht als Einkommen anzurechnen, weil auf sie kein Rechtsanspruch bestehe; sie sei auch nicht tatsächlich mit Sicherheit gezahlt worden, wie die Einstellung zum 30. September 1952 beweise; die Zuwendung sei in mäßigen Grenzen gewährt worden und diene der Abwendung der Bedürftigkeit.

Der Beklagte hat Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist statthaft, da sie vom LSG. gemäß § 162 Abs. 1. Nr. 1 SGG zugelassen ist. Sachlich konnte sie keinen Erfolg haben.

Zu Unrecht machte die Revision geltend, die Werkszulage von monatlich 42.– DM hätte nach § 51 Abs. 2 in Verbindung mit § 33. Abs. 2 Satz 1 BVG in der bis zum 31. Dezember 1954 gültig gewesenen Fassung nicht angerechnet werden dürfen, weil sie ohne Rechtsanspruch gewährt worden sei und mit ihrer Zahlung nicht sicher gerechnet werden konnte, ferner, weil sie im konkreten Falle zur Abwendung der Bedürftigkeit diene. In einem ähnlich gelagerten Falle, in dem der Streit um die Anrechnung einer Werkszulage auf die Witwenausgleichsrente gemäß § 41 Abs. 4 Satz 2 BVG. a.F. in Verbindung mit § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG a.F. ging, hat der 8. Senat des Bundessozialgerichts durch Urteil vom 10. November 1955 (BSG. Bd. 2 S. 10 ff. Nr. 3) die Anrechnungsfähigkeit bejaht und hat zu diesem Urteil folgenden Leitsatz aufgestellt:

Regelmäßige betriebliche Zuwendungen an die Witwe eines früheren Arbeitnehmers, die zwar ohne Rechtsanspruch freiwillig und widerruflich, jedoch ohne Prüfung der Bedürftigkeit gewährt werden, sind bei Feststellung der Witwenausgleichsrente als sonstiges Einkommen i. S. des § 41 Abs. 4 Satz 2 BVG a.F. in Verb. mit § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG a.F. sowie des § 41 Abs. 5 Satz 1 BVG n.F. in Verb. mit § 33 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVG n.F. anzusehen.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Bei der Anwendung der Grundzüge dieser Entscheidung auf den vorliegenden Fall ist auszugehen von dem Begriff des Einkommens im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG als der Gesamtheit der Einkünfte in Geld und Geldeswert. Hierunter fallen unter anderem solche Zuwendungen Dritter, die, Wenn auch ohne Rechtsanspruch, doch regelmäßig gewährt werden, so daß mit einiger Sicherheit mit ihnen gerechnet werden kann. Dabei brauchen an die Sicherheit keine allzu hohen Anforderungen gestellt zu werden, weil dies mit dem Fehlen eines Rechtsanspruches und mit der Freiwilligkeit und Widerruflichkeit solcher Leistungen nicht vereinbar wäre. Auch ist nach der neuen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ein Widerruf oder eine Kürzung laufender freiwilliger Zahlungen aus einem früheren Arbeitsverhältnis nur beim Vorliegen besonderer Voraussetzungen möglich. Demnach ist eine Werkszulage regelmäßig als Einkommen im Sinne der genannten Vorschriften des BVG anzusehen und somit auf die Elternrente anzurechnen.

Der 8. Senat hat in der erwähnten Entscheidung offen gelassen, ob der von ihm aufgestellte Grundsatz auch dann Anwendung findet, wenn die vom Arbeitgeber der Witwe eines früheren Arbeitnehmers gewährten Zuwendungen nur nach Prüfung und Feststellung der Bedürftigkeit der Empfängerin gewährt werden, also subsidiärer Natur sind und ihrem Wesen nach einer Leistung der privaten Fürsorge gleichkommen. Auch für den erkennenden Senat bestand keine Veranlassung, diese Frage hier zu entscheiden, weil die in Betracht kommende Werkszulage jedenfalls ohne Rücksicht auf die Bedürftigkeit der Revisionsführerin gewährt worden ist. Nach den von der Revision nicht angegriffenen, dem Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG. wurde die Werkszulage von der Arbeiterunterstützungskasse jahrelang in unveränderter Hohe gewährt, sie wurde weder durch die Zuerkennung von monatlich 30.– DM Elternrente nach der SVD 27 ab 1. Juni 1949 noch durch die Zahlung der Invalidenwitwenrente ab 1. Oktober 1951 beeinflußt. Ihre Einstellung erfolgte nur deshalb, weil sie bei der Berechnung der Elternrente nach dem BVG als Einkommen angerechnet wurde. Diese Begründung der Einstellung durch die Arbeiterunterstützungskasse zeigt zwar, daß die Klägerin eine zu anderen Einkünften zusätzliche Leistung erhalten sollte, bedeutet aber nicht, daß die Farbenfabriken Bayer sie von der Bedürftigkeit der Klägerin, das heißt ihrem Unvermögen, den notwendigen Lebensunterhalt aus anderen Einkünften zu bestreiten, abhängig machten.

Aus der Einstellung der Zuwendung kann auch nicht auf eine Unsicherheit ihrer Zahlung geschlossen werden. Sicherheit der Zahlung ist nicht mit Unwiderruflichkeit gleichzusetzen. Die Zuwendung war der Klägerin sicher, solange sie nicht auf andere Leistungen angerechnet wurde, ihre Zahlung war auch nicht von dem nicht beeinflußbaren Willen des Leistenden oder von der Ungewissen Höhe bestimmter Mittel abhängig. Eine rechtlich bedeutsame Unsicherheit der Leistung liegt z. B. dann vor, wenn private Einrichtungen Unterstützungsleistungen wechselnd an verschiedene Personen gewähren, die allein nach dem Grade der Hilfsbedürftigkeit ausgewählt werden und wobei der Umfang der Leistung wieder von freiwilligen Spenden abhängt. Vorliegend hat aber der Arbeitgeber die Zuwendung von einem außerhalb seiner Entschließung liegenden Umstand – Anrechnung auf andere Leistungen – abhängig gemacht. Eine solche Anrechnung ist aber nur auf Grund gesetzlicher Vorschriften möglich. Unsicherheit der Leistung im oben dargelegten Sinn ist daher nicht gegeben.

Da hiernach die Klägerin auf die Zuwendung mit der erforderlichen Sicherheit rechnen konnte, und die Werkszulage nicht nach Prüfung der Bedürftigkeit gewährt wurde, ist die Anrechnung als sonstiges Einkommen im Sinne der §§ 51 Abs. 2, 33 Abs. 2 Satz 1 BVG zu Recht erfolgt.

Das LSG. hat demnach zutreffend die Berufung der Klägerin, soweit sie sich gegen die Anrechnung der Werkszulage der Arbeiterunterstützungskasse auf die Elternrente richtete, zurückgewiesen.

Die Revision war daher nicht begründet und nach § 170 Abs. 1 SGG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926633

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