Entscheidungsstichwort (Thema)
KOV. Versorgungsrente. betriebliche Zuwendung
Orientierungssatz
Nach der Fassung des § 33 BVG vor dem 1. Januar 1955 (Inkrafttreten des BVGÄndG 3 sind freiwillig und widerruflich gezahlte betriebliche Zuwendungen eines früheren Arbeitgebers an einen Rentenberechtigten als sonstiges Einkommen bei der Rentenfeststellung zu berücksichtigen, sofern sie ohne Prüfung der Bedürftigkeit gewährt werden. Dies gilt auch, wenn diese Zuwendungen nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern von einer Einrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit gezahlt werden, die vom Arbeitgeber eigens für diesen Zweck geschaffen worden sind (Weiterführung BSG 1955-11-10 8 RV 237/54 = BSGE 2, 10)
Normenkette
BVG § 41 Abs. 4, § 33 Abs. 2 Fassung: 1950-12-20
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 28.07.1955) |
SG Dortmund (Entscheidung vom 03.02.1955) |
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Juli 1955 wird aufgehoben; die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Die Klägerin ist die Witwe des am 12. Mai 1944 als Soldat infolge Herzschlags verstorbenen Josef M... sie erhielt seit dem 1. August 1947 von der Landesversicherungsanstalt Westfalen - Außenstelle Dortmund - eine Witwenrente nach der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 (SVD Nr. 27); seit 1. Juni 1951 erhielt sie auch Witwenrente aus der Invalidenversicherung ihres Mannes. Durch Umanerkennungsbescheid vom 29. Juli 1952 gewährte das Versorgungsamt (VersorgA.) Dortmund vom 1. Oktober 1950 an die Rente auch nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG); es berücksichtigte bei der Ausgleichsrente als "sonstiges Einkommen" nur die Rente aus der Invalidenversicherung; die Klägerin hatte angegeben, sie habe außer dieser kein weiteres Einkommen. Im September 1953 stellte sich jedoch heraus, daß die Klägerin schon seit dem 1. Oktober 1944 von der "Gefolgschaftsfürsorge der Dortmunder Actien-Brauerei GmbH" und von der "Mauritz-Fischer-Stiftung" freiwillige Zuwendungen erhielt. Sie betrugen zunächst monatlich 40,-- Mark (später DM), ab 1. Februar 1952 monatlich 50,-- DM und wurden gewährt, weil der Ehemann der Klägerin vor seinem Tode bei der Dortmunder …-Brauerei gearbeitet hatte.
Durch Bescheid vom 21. November 1953 stellte das VersorgA. unter Hinweis auf § 62 BVG die Versorgungsbezüge neu fest und rechnete vom 1. Oktober 1950 an auch die betrieblichen Zuwendungen auf die Witwenrente der Klägerin an. In diesem Bescheid stellte das VersorgA. die Bezüge, die auf Grund des Bescheids vom 29. Juli 1952 gezahlt wurden, und die Bezüge, die sich bei Anrechnung der betrieblichen Zuwendungen ergaben, einander gegenüber, errechnete für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis zum 31. Dezember 1953 eine Überzahlung von insgesamt 751,-- DM und erklärte, es werde diesen Betrag in monatlichen Paten von 20,-- DM bis zur Tilgung von der laufenden Rente einbehalten. Darauf stellte die Dortmunder …-Brauerei die Zuwendungen an die Klägerin mit Ablauf des Monats Dezember 1953 ein. Das VersorgA. berechnete danach durch Bescheid vom 2. Februar 1954 mit Wirkung vom 1. Januar 1954 die Rente neu und setzte die monatlichen Raten von 20,-- DM auf 10,-- DM herab. Den Einspruch der Klägerin gegen die Anrechnung der betrieblichen Zuwendungen, der vom 1. Januar 1954 an als Widerspruch zu behandeln war, wies das Landesversorgungsamt Westfalen durch Bescheid vom 18. Januar 1954 zurück. Auf die Klage änderte das Sozialgericht (SG.) Dortmund durch Urteil vom 3. Februar 1955 die Bescheide des VersorgA. vom 21. November 1953 und vom 2. Februar 1954 und den Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1954 ab und verurteilte den Beklagten, an die Klägerin auch über den 1. Oktober 1950 hinaus die Witwenrente unter Berücksichtigung nur des Einkommens aus der Sozialversicherung zu zahlen. Dieses Urteil hob das Landessozialgericht (LSG.) Nordrhein-Westfalen auf die Berufung des Beklagten durch Urteil vom 28. Juli 1955 auf und wies die Klage ab: Auch freiwillige betriebliche Zuwendungen seien als sonstiges Einkommen im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG a.F. auf die Rente anzurechnen; dem stehe nicht entgegen, daß diese Zuwendungen von der "Gefolgschaftsfürsorge der Dortmunder …-Brauerei GmbH" und der "…-Stiftung" gezahlt worden seien; sie beruhten jedenfalls auf der früheren Betriebszugehörigkeit des Verstorbenen zur Dortmunder Actien-Brauerei; der überzahlte Betrag sei auch zurückzuzahlen; die Rückforderung verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Die Revision ließ das LSG. zu.
Das Urteil wurde der Klägerin am 23. August 1955 zugestellt. Am 17. September 1955 legte sie Revision ein und beantragte,
das Urteil des LSG. Nordrhein-Westfalen vom 28. Juli 1955 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG. Dortmund vom 3. Februar 1955 zurück zuweisen,
hilfsweise,
die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen.
In der Begründung führte die Klägerin aus: Das LSG. habe § 33 Abs. 2 BVG a.F. nicht richtig angewandt; danach hätten freiwillige betriebliche Zuwendungen bis zum 31. Dezember 1954 nicht als sonstiges Einkommen berücksichtigt werden dürfen, wenn sie nach Prüfung der Bedürftigkeit gewährt worden wären; nach der Satzung seien die Zuwendungen von der Bedürftigkeit und der Notlage des Empfängers abhängig gewesen; überdies handele es sich nicht um Leistungen des früheren Arbeitgebers, denn die "Gefolgschaftsfürsorge der Dortmunder …-Brauerei GmbH" und die "….-Stiftung" seien selbständige juristische Personen; schließlich habe das LSG. nicht festgestellt, ob die Zuwendungen von der Bedürftigkeit abhängig gewesen seien. Streitig sei nur die Anrechnung der bis zum 31. Dezember 1954 gewährten betrieblichen Zuwendungen.
Der Beklagte beantragte, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.
1.) Der Bescheid vom 29. Juli 1952, der einen Anspruch der Klägerin auf Witwenrente nach dem BVG für die Zeit vom 1. Oktober 1950 an festgestellt und hierbei die betrieblichen Zuwendungen nicht berücksichtigt hat, ist für die Beteiligten bindend geworden; eine teilweise Rückforderung der nach diesem Bescheid gewährten Leistungen ist nur möglich, wenn der Bescheid teilweise rechtswidrig gewesen ist und wenn ihn der Beklagte deswegen teilweise zurückgenommen hat (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 12.2.1958 - 11/9 RV 948/55 -).
Zunächst ist deshalb zu prüfen, ob der Beklagte mit Recht angenommen hat, die betrieblichen Zuwendungen seien als "sonstiges Einkommen" nach § 41 Abs. 4 BVG bei der Berechnung der Witwenrente zu berücksichtigen. Wegen des Begriffs des sonstigen Einkommens verweist § 41 Abs. 4 BVG auf § 33 Abs. 2 BVG. Nach § 33 Abs. 2 BVG gelten als sonstiges Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Quelle. Wie das Bundessozialgericht bereits mehrfach entschieden hat, sind nach der - hier maßgebenden - Fassung des § 33 BVG vor dem 1. Januar 1955 (Inkrafttreten des 3. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG) freiwillig und widerruflich gezahlte betriebliche Zuwendungen eines früheren Arbeitgebers an einen Rentenberechtigten als sonstiges Einkommen bei der Rentenfeststellung zu berücksichtige, sofern sie ohne Prüfung der Bedürftigkeit gewährt werden (BSG. 2, 10; 3, 246; ferner Urteile vom 6.12.1956, 8 RV 359/55, und vom 12.3.1958, 11/9 RV 1122/55). An dieser Rechtsprechung wird festgehalten. Von ihr ist auch auszugehen, wenn die Zuwendungen nicht von dem Arbeitgeber selbst gezahlt worden sind, sondern - wie im vorliegenden Fall - von Einrichtungen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die auf Veranlassung des Arbeitgebers eigens für diesen Zweck geschaffen worden sind. Entscheidend ist allein, daß die Zahlungen wegen der früheren Betriebszugehörigkeit des Verstorbenen zur Dortmunder …-Brauerei geleistet worden sind. Das LSG. hat aber nicht ermittelt, ob die freiwilligen betrieblichen Zuwendungen an die Klägerin nur nach Vornahme einer Bedürftigkeitsprüfung gewährt worden sind. Fest steht nur, daß die Dortmunder …-Brauerei gegenüber dem Beklagten erklärt hat, es handele sich um freiwillige Zuwendungen, und daß die Zahlung der Zuwendungen eingestellt worden ist, nachdem das VersorgA. diese auf die Witwenrente der Klägerin angerechnet hatte. Hieraus allein ergibt sich aber nichts dafür, ob die Gewährung der Zuwendungen von der Bedürftigkeit der Klägerin abhängig gewesen ist. Das LSG. hätte ermitteln müssen, nach welchen Grundsätzen die Zuwendungen durch die "Gefolgschaftsfürsorge der Dortmunder …-Brauerei GmbH" und durch die "…-Stiftung" bewilligt worden sind; es hätte hierzu die Satzung der "Mauritz-Fischer Stiftung" und den Gesellschaftsvertrag der "Gefolgsschaftsfürsorge der Dortmunder …-Brauerei GmbH" beiziehen und würdigen müssen; was das LSG. bisher festgestellt hat, kann die Anwendung des § 33 BVG noch nicht rechtfertigen; das Urteil ist deshalb aufzuheben. Da der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, kann das Bundessozialgericht nicht selbst entscheiden; die Sache ist vielmehr zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
2.) Sofern das LSG. auf Grund seiner Ermittlungen zu dem Ergebnis kommt, daß die betrieblichen Zuwendungen nicht von der Bedürftigkeit abhängig gewesen sind und somit bereits ab 1. Oktober 1950 nach § 33 BVG auf die Rente hätten angerechnet werden müssen, wird es weiter zu prüfen haben, welche rechtlichen Grundlagen den Beklagten zur teilweisen Rücknahme des Bescheids vom 29. Juli 1952 berechtigt haben; auf § 62 BVG ist der Bescheid vom 21. November 1953 offenbar zu Unrecht gestützt worden (vgl. hierzu die Urteile des erkennenden Senats vom 12.2.1958, 11/9 RV 948/55 und vom 12.3.1958, 11/9 RV 1122/55).
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil des LSG. vorbehalten.
Fundstellen