Leitsatz (amtlich)

1. Für die Frage, ob ein Arbeitsloser bedürftig iS des AFG § 134 Abs 1 S 1 Nr 3 ist, kommt es ua darauf an, welches Vermögen er im Zeitpunkt der Antragstellung hat.

2. Ein grobfahrlässiger (vorzeitiger) Verbrauch des Vermögens von seiner Erlangung bis zur Antragstellung auf Alhi steht der Bedürftigkeit des Arbeitslosen zu diesem Zeitpunkt nicht entgegen.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage, ob Bedürftigkeit iS von § 137 AFG vorliegt, wenn ein Lottogewinn von 85.000,- DM vom Arbeitslosenhilfe-Empfänger in wenigen Monaten verbraucht wurde.

 

Normenkette

AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1969-06-25, § 137 Abs. 2 Fassung: 1969-06-25; AlhiV § 9 Fassung: 1974-08-07; AFG § 134 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 13.07.1977; Aktenzeichen L 12 Ar 164/75)

SG Duisburg (Entscheidung vom 29.09.1975; Aktenzeichen S 6 Ar 115/73)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Juli 1977 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger hatte seit November 1973 Arbeitslosengeld (Alg) und vom 23. April bis zum 3. Juli 1974 Anschluß-Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen. Am 21. Juni 1974 wurde ihm ein Lottogewinn in Höhe von über 85.000,- DM ausgezahlt. Das Arbeitsamt hob deshalb mit Bescheid vom 4. September 1974 die Entscheidung über die Bewilligung der Alhi für die Zeit vom 21. Juni bis zum 3. Juli 1974 auf und führte dazu aus, die Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens von 85.000,- DM durch das für die Bemessung der Alhi maßgebende wöchentliche Arbeitsentgelt von 335,72 DM ergebe, daß der Kläger für vier Jahre und 37 Wochen nicht bedürftig sei. Er habe daher zur Zeit keinen Anspruch auf Alhi. In der Zeit vom 19. bis zum 29. August 1974 stand der Kläger in einem Beschäftigungsverhältnis. Er meldete sich am 27. Januar 1975 arbeitslos und beantragte Alhi und gab an, er habe kein Geld mehr. Mit Bescheid vom 6. Februar 1975 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 1975 lehnte das Arbeitsamt den Antrag wegen fehlender Bedürftigkeit ab.

Die dagegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Duisburg mit Urteil vom 29. September 1975 abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens erteilte das Arbeitsamt dem Kläger am 28. April 1976 einen Bescheid, mit dem es den Bescheid vom 6. Februar 1975 aufhob. Es lehnte den Antrag vom 27. Januar 1975 erneut ab und führte aus, der Kläger sei für vier Jahre und 16 Wochen nicht bedürftig.

Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 13. Juli 1977 das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. April 1976 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 27. Januar bis zum 21. Mai 1975 Alhi zu gewähren. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: In der Zeit vom 27. Januar bis zum 21. Mai 1975 seien alle Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi erfüllt gewesen. Der Kläger und die in seinem Haushalt lebenden Angehörigen hätten in dieser Zeit weder Einkommen noch gleichstehende Ansprüche gegen Dritte gehabt. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß er oder seine Angehörigen zur Zeit der Antragstellung auf Alhi noch Vermögen iS der Alhi-Verordnung (Alhi-VO) vom 7. August 1974 (BGBl I 1929) besessen hätten. Auch die gesamten Umstände der Lebensführung ließen nicht den Schluß auf mangelnde Bedürftigkeit zu. Dem Kläger fehle die Fähigkeit zum Umgang mit Geld. Es bestehe kein Zweifel, daß er den Lottogewinn bis zum 27. Januar 1975 restlos verbraucht habe. Für die Feststellung der Bedürftigkeit komme es auf das zur Zeit der Antragstellung vorhandene Vermögen an. Beim Kläger sei ein hoher "Lebensnachholbedarf" anzuerkennen gewesen, der schon für sich allein seine hohen Geldausgaben gerechtfertigt habe. Das Gesetz gebe keine Handhabe, die Gewährung von Alhi mit der Begründung zu versagen, der Antragsteller habe sich zuvor schuldhaft bedürftig gemacht. Dies gelte zumindest dann, wenn er den Zustand nicht vorsätzlich oder gar absichtlich, sondern - wie hier - allenfalls fahrlässig herbeigeführt habe.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 134 Abs 1 Nr 3 iVm § 137 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) und des § 9 der Alhi-VO durch das LSG und bringt hierzu insbesondere vor: Der Kläger habe sich zumindest grobfahrlässig verhalten. Er habe nicht damit rechnen können, daß er alsbald wieder einen Arbeitsplatz finden werde. Deshalb führe der vorzeitige Verbrauch des Vermögens dazu, daß die Bedürftigkeit weiterhin fehle.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Juli 1977 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29. September 1975 zurückzuweisen.

Der Kläger und die Beigeladene beantragen sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Mit Recht hat das LSG den angefochtenen Bescheid vom 28. April 1976 aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von Alhi verurteilt. Der Bescheid ist rechtswidrig. Dem Kläger steht die beantragte Alhi zu.

Der Bescheid vom 28. April 1976 ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, da er den Bescheid vom 6. Februar 1975 ersetzt.

Unangegriffen hat das LSG festgestellt, daß die in § 134 Abs 1 Satz 1 Nrn 1, 2 und 4 a AFG geregelten Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi gegeben sind. Der Kläger ist auch im Zeitpunkt seines Antrages auf Alhi bedürftig gewesen (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG).

Nach § 137 Abs 1 AFG ist der Arbeitslose bedürftig iS des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3, soweit er seinen Lebensunterhalt und den seines Ehegatten sowie seiner Kinder, für die er Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) oder auf eine das Kindergeld ausschließende Leistung für Kinder hat, nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 138 zu berücksichtigen ist, die Alhi nach § 136 nicht erreicht. Der Arbeitslose ist gemäß § 137 Abs 2 AFG nicht bedürftig iS des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen das Vermögen seines im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten oder das Vermögen seiner im gemeinsamen Haushalt lebenden leiblichen Eltern oder Kinder die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist.

Nach den nicht angegriffenen und daher bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) haben weder der Kläger noch die in seinem Haushalt lebenden Angehörigen in der Zeit, für die er Alhi begehrt, irgendwelches Einkommen oder Vermögen gehabt. Aufgrund dieser Feststellung besteht somit beim Kläger Bedürftigkeit iS des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG.

Die von der Beklagten vertretene Auffassung, der Kläger sei deshalb nicht als bedürftig anzusehen, weil er seinen im Juni 1974 erlangten Lottogewinn in Höhe von mehr als 85.000,- DM bis zur Antragstellung im Januar 1975 in grobfahrlässiger Weise verbraucht habe, ist unzutreffend. Insoweit stützt sich die Beklagte zu Unrecht auf die Bestimmung des § 9 Alhi-VO. Danach besteht Bedürftigkeit nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsamt ergibt, nach dem sich der Hauptbetrag der Alhi richtet. Diese Bestimmung versteht die Beklagte dahin, daß sie die Anspruchsvoraussetzung der Bedürftigkeit für alle Wochen dieses ganzen Zeitraums unabhängig von der tatsächlichen Entwicklung der Vermögensverhältnisse regelt, so daß ein vorzeitiger Verbrauch des Vermögens nicht berücksichtigt wird. Diese Auffassung der Beklagten trifft nicht zu.

Die Alhi dient der Sicherstellung des Lebensunterhalts des Arbeitslosen. Mit dieser Leistung sollen Personen, die keinen Anspruch auf Alg haben, die Arbeitnehmer iS des AFG sind und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen, im Falle ihrer Arbeitslosigkeit mit in den Kreis der durch das AFG finanziell gesicherten Personen einbezogen werden und nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein (Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, Vorbemerkung § 134 RdNr 1). Da die Alhi keine Versicherungsleistung ist, wird sie nicht gewährt, wenn der Lebensunterhalt auf andere Weise gewährleistet ist (§ 137 Abs 1 AFG). Im Hinblick auf den Zweck der Alhi, den Lebensunterhalt sicherzustellen, kommt es für die Feststellung der Bedürftigkeit nicht auf einen einmaligen Zeitpunkt an, etwa auf den Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung. Die Anspruchsvoraussetzung der Bedürftigkeit kann vielmehr während der Dauer der Arbeitslosigkeit wegfallen oder neu eintreten. Entscheidend ist, ob der Lebensunterhalt während des jeweiligen Zeitraums gesichert ist, für den Alhi beansprucht wird. Dies ist bei der Berücksichtigung von Einkommen besonders deutlich. Im jeweiligen Alhi-Zahlungszeitraum ist das Einkommen anzurechnen, das in diesem Zahlungszeitraum zugeflossen ist (BSG SozR 4100 § 138 Nr 2). Für die Anrechnung von Vermögen muß aus dem Zweck der Alhi gefolgert werden, daß grundsätzlich nur im Alhi-Zeitraum vorhandenes und nach der Alhi-VO zu berücksichtigendes Vermögen anzurechnen ist.

Mit diesem Grundsatz ist die von der Beklagten vertretene Auslegung des § 9 Alhi-VO nicht vereinbar. Danach soll die Bedürftigkeit aufgrund eines im maßgebenden Zeitraum nicht mehr vorhandenen Vermögens verneint werden können. Der § 9 Alhi-VO könnte allerdings nach seinem Wortlaut dahin verstanden werden, daß diese Bestimmung ein jeweils noch vorhandenes Vermögen fingiert. Die Bestimmung würde danach unterstellen, daß das anfangs vorhandene Vermögen während der Arbeitslosigkeit entsprechend dem maßgebenden Arbeitsentgelt verbraucht wird, aber nicht darüber hinaus. Demgemäß würde der Arbeitslose so behandelt, als ob er jeweils noch das rechnerisch ermittelte Restvermögen besäße, auch wenn er das Vermögen tatsächlich schon verbraucht hat (so ohne Begründung Schmidt BArbBl 1974, 546 f).

Diese nach dem Wortlaut des § 9 Alhi-VO denkbare Auslegung würde nicht mit der Ermächtigung des § 137 Abs 3 AFG übereinstimmen. Danach kann durch Rechtsverordnung bestimmt werden, inwieweit Vermögen zu berücksichtigen ist. Die Ermächtigung deckt in erster Linie die Bestimmungen, in denen geregelt wird, welches Vermögen nicht anzurechnen ist (vgl §§ 6 und 7 Alhi-VO). Nicht gedeckt ist aber grundsätzlich eine Vorschrift, mit der die Berücksichtigung nicht vorhandenen Vermögens geregelt wird. § 9 Alhi-VO bestimmt daher ermächtigungskonform nur die Art der Umrechnung des vorhandenen Vermögens auf Zeiträume und besagt, von welchem Zeitpunkt an der Arbeitslose jedenfalls wieder Anspruch auf Alhi hat.

Die Beklagte meint ferner, die Bedürftigkeit des Klägers in der Zeit vom 27. Januar bis zum 21. Mai 1975 sei deshalb zu verneinen, weil er sie selbst grobfahrlässig herbeigeführt habe (so auch LSG Schleswig, Dienstblatt C der Bundesanstalt für Arbeit - BA - Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Arbeitslosenfürsorge - Alfu - §§ 6, 7 Abs 5 MRVO 117 Nr 11; ähnlich Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO § 137 RdNr 28). Grobfahrlässige Herbeiführung der Bedürftigkeit ist indessen kein ausreichender Grund zur Versagung der Alhi. Grundsätzlich kommt es nach dem Wortlaut und dem dargestellten Sinne des Gesetzes nicht auf die Gründe der Bedürftigkeit an. Es mag allerdings Ausnahmen von diesem Grundsatz geben. Die grobfahrlässige Herbeiführung der Bedürftigkeit rechtfertigt aber keinesfalls ein Abweichen von der Regel. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit anderen gesetzlichen Bestimmungen über Leistungen zum Lebensunterhalt, die den Bedarf des Berechtigten voraussetzen. Nach § 26 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) idF vom 9. April 1976 (BGBl I 989) wird Vermögen des Ehegatten und der Eltern des Auszubildenden mit der Maßgabe angerechnet, daß der Bedarf des Auszubildenden als gedeckt gilt, wenn der Ehegatte oder zumindest ein Elternteil für das vorletzte Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums im Geltungsbereich dieses Gesetzes Vermögenssteuer zu entrichten haben. Abweichend davon gilt der Bedarf durch die Anrechnung des Vermögens einer der vorgenannten Personen nicht als gedeckt, wenn zu Beginn des Bewilligungszeitraums ihr Vermögen soweit vermindert ist, daß eine Vermögenssteuerzahlungspflicht nicht mehr besteht (§ 26 Abs 2 Nr 3 BAföG). Bewilligungszeitraum ist nicht etwa der Zeitraum, für den dem Auszubildenden Ausbildungsförderung zusteht, sondern der Zeitraum, für den ihm die Ausbildungsförderung bewilligt ist, also in der Regel ein Jahr (§ 50 Abs 3 BAföG). Ein Verbrauch des Vermögens während der Dauer der Ausbildung wird also nach dem Wortlaut des BAföG grundsätzlich berücksichtigt; lediglich braucht die Behörde ihren Bewilligungsbescheid nicht zu ändern. Nach § 25 Abs 2 Nr 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) idF vom 13. Februar 1976 (BGBl I 289) kann die Hilfe auf das zum Lebensunterhalt Unerläßliche eingeschränkt werden, bei einem Hilfesuchenden, der nach Eintritt der Geschäftsfähigkeit sein Einkommen oder Vermögen vermindert hat in der Absicht, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Hilfe herbeizuführen. Daraus wird deutlich, daß nur das absichtliche Verhalten zur Schaffung der Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe dem vollen Leistungsanspruch entgegensteht, nicht aber grobfahrlässiges Handeln. Die Leistung wird nicht völlig versagt, sondern nur auf das Unerläßliche herabgesetzt. Grobfahrlässige Herbeiführung der Bedürftigkeit reicht auch nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht aus, um den Unterhaltsanspruch zu versagen. Nach § 1611 BGB vermindert sich der Unterhaltsanspruch nur dann, wenn der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden ist. Es kann dahinstehen, ob "sittliches Verschulden" grobfahrlässig herbeigeführt werden kann, jedenfalls ist die Folge der Erfüllung jenes Tatbestandes nicht der Wegfall des Unterhaltsanspruches, sondern nur seine Minderung (vgl dazu Palandt BGB, 35. Aufl § 1611 Anm 1).

Diese Bestimmungen des BGB und des BSHG machen deutlich, daß es ohne ausdrückliche Vorschrift im AFG nicht gerechtfertigt ist, die Alhi schon bei grobfahrlässiger Herbeiführung der Bedürftigkeit zu versagen. Dieses Ergebnis stimmt mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats überein. Allerdings hat der Senat aus der Bestimmung des § 137 Abs 1 AFG ("... bestreiten kann ...") gefolgert, der Arbeitslose müsse im Rahmen der ihm gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten die Erträge eines Vermögens so auf den Zeitraum der Gewährung von Alhi verteilen, daß er gleichmäßig neben der Alhi die Vermögenserträge für seinen Lebensunterhalt mitverwerten kann. Bei der Anlage von Geld müsse er im Rahmen des wirtschaftlich Möglichen und des Zumutbaren dafür sorgen, daß ihm die Erträge oder Einkünfte in entsprechender Höhe für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung stehen (BSG SozR 4100 § 137 Nr 1). Diese Rechtsprechung bezieht sich aber nur auf Erträge aus einem vorhandenen Vermögen, dh auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen, die von der Natur der Sache her für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung stehen und nach der Vorschrift des § 138 AFG dementsprechend auch anders behandelt werden als der Stamm des Vermögens. Der Bestimmung des § 137 Abs 1 AFG läßt sich nicht die Forderung entnehmen, daß der Arbeitslose das bei der Alhi zu berücksichtigende Vermögen nur im Rahmen des § 9 Alhi-VO im Laufe der Zeit entsprechend dem maßgebenden Arbeitsentgelt verbrauchen darf.

Der Senat läßt aus den dargestellten Gründen dahingestellt, ob es ausnahmsweise auf die Gründe für einen vorzeitigen Verbrauch des Vermögens ankommt. Jedenfalls schadet es dem Arbeitslosen noch nicht, wenn er seine Bedürftigkeit grobfahrlässig herbeigeführt hat. Wollte man die entgegenstehende Auffassung der Beklagten vertreten, so würde gegenüber einem Antragsteller auf Alhi bei grobfahrlässigem Verbrauch seines Vermögens, also der grobfahrlässigen Herbeiführung seiner Bedürftigkeit, eine schärfere Sanktion eintreten als bei einem Antragsteller auf Alg oder Alhi, der durch grobfahrlässiges Verhalten seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. Auch dieser ist nämlich durch den Verlust seines Arbeitsplatzes und den dadurch bedingten Verlust seines Arbeitsentgeltes im weitesten Sinne bedürftig geworden. Diesem Antragsteller aber versagt das Gesetz nicht die Gewährung von Alg oder Alhi, sondern es tritt grundsätzlich nur eine Sperrzeit von vier Wochen ein.

Nach den bindenden Feststellungen des LSG liegt eine absichtliche Herbeiführung der Bedürftigkeit durch den Kläger nicht vor.

Die Revision ist aus diesen Gründen mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1652962

Breith. 1980, 424

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