Leitsatz (amtlich)
1. Auch ein am Verfahren Beteiligter, der nach SGG § 75 Abs 1 S 1 beigeladen ist, kann Revision einlegen; er darf jedoch keine abweichenden Sachanträge stellen (SGG § 75 Abs 4 S 2).
2. Die Dienstordnung einer Krankenkasse, die auf den Erlassen des Reichsarbeitsministers vom 1940-09-27 (AN 1940, 348) und vom 1942-04-02 (AN 1942, 244) beruht und im wesentlichen gleichlautend bei allen Versicherungsträgern des Reichsgebiets, für deren Bedienstete eine Dienstordnung erforderlich war, eingeführt wurde, ist als "sonstige Vorschrift≫" iS des SGG § 162 Abs 2 revisibel.
3. Weihnachtszuwendungen, die vom Vorstand einer Krankenkasse nur für ein Jahr beschlossen werden, stellen keine "Besoldung" (vgl RVO § 355 Abs 2 S 2) dar und brauchen nicht in den "Besoldungsplan" der Dienstordnung (RVO § 353 Abs 1 S 1) aufgenommen zu werden. Sie dürfen daher im Rahmen der von der Vertreterversammlung bereitgestellten Mittel gewährt werden, auch wenn sie in der Dienstordnung nicht vorgesehen sind.
Normenkette
RVO § 353 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1924-12-21, § 355 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1924-12-21; SGG § 75 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1953-09-03, Abs. 4 S. 2 Fassung: 1953-09-03, § 162 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revisionen des beklagten Versicherungsamts der Stadt Recklinghausen und des beigeladenen Arbeits- und Sozialministers des Landes Nordrhein-Westfalen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. Dezember 1957 werden zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die klagende Ortskrankenkasse hatte ihren Angestellten in den Jahren 1948 bis 1953 Weihnachtszuwendungen gewährt. Auch diejenigen Angestellten, für deren Dienstverhältnis die Dienstordnung der Klägerin - nach dem Muster der Erlasse des Reichsarbeitsministers vom 27. September 1940 (AN. 1940 S. II 348) und vom 2. April 1942 (AN. S. II 244) - galt (DO.- Angestellte), hatten - ebenso wie die unmittelbaren und mittelbaren Landesbeamten in Nordrhein-Westfalen - diese Weihnachtszuwendungen erhalten.
Im Jahre 1954 waren Weihnachtszuwendungen für die Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen nicht vorgesehen. Deshalb wies der Arbeits- und Sozialminister des Landes Nordrhein-Westfalen in einem Erlaß vom 22. November 1954 die landesunmittelbaren Sozialversicherungsträger deren Verbände, die Aufsichtsbehörden der Krankenkassen und das Oberversicherungsamt Nordrhein-Westfalen auf folgendes hin: Die der Landesaufsicht unterstehenden Körperschaften des öffentlichen Rechts müßten nach § 23 des Landesbesoldungsgesetzes (LBesG) vom 9. Juni 1954 (GVNW. S. 162) auch die "übrigen Geldbezüge" ihrer Beamten und damit die Weihnachtszuwendungen nach den für Landesbeamte geltenden Vorschriften regeln. Für die DO.- Angestellten ergebe sich die gleiche Rechtslage aus § 3 der Muster-Dienstordnung. Falls die Selbstverwaltungsorgane der Sozialversicherungsträger dies nicht beachteten, könnten sie zur Verantwortung gezogen werden. Der Erlaß gelte für die Versicherungsämter und für das Oberversicherungsamt als Weisung im Sinne des § 30 RVO.
Diesen Erlaß schickte das beklagte Versicherungsamt mit Verfügung vom 26. November 1954 zur Beachtung an die Klägerin; mit einer auch an die Klägerin gerichteten Verfügung vom 3. Dezember 1954 wies es erneut auf den Erlaß hin. Nachdem der Vorstand der Klägerin in der Sitzung vom 17. Dezember 1954 beschlossen hatte, allen Lohnempfängern und Angestellten einschließlich der DO.- Angestellten Weihnachtsgratifikationen zu zahlen, beanstandete der Vorsitzende den Beschluß durch mündliche Beschwerde beim beklagten Versicherungsamt. Darauf stellte das beklagte Versicherungsamt mit Verfügung vom 18. Dezember 1954 gegenüber der Klägerin fest: Der Vorstandsbeschluß vom 17. Dezember 1954 sei nach dem Ministerialerlaß vom 22. November 1954 zu Recht beanstandet worden, weil er unzulässig sei; die Klägerin werde verpflichtet, den Beschluß nicht auszuführen.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG.) Münster Anfechtungsklage erhoben. Das SG. hat den Arbeits- und Sozialminister des Landes Nordrhein-Westfalen nach § 75 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 106 Abs. 3 Nr. 6 SGG beigeladen. Durch Urteil vom 5. November 1956 hat das SG. die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG.) Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG. und die angefochtene Aufsichtsanordnung aufgehoben; die Revision wurde zugelassen.
Gegen dieses Urteil hat das beklagte Versicherungsamt telegraphisch Revision eingelegt mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil aufzuheben.
Auch der beigeladene Arbeits- und Sozialminister des Landes Nordrhein-Westfalen hat Revision eingelegt mit dem Antrag,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Beide Revisionen sind wie folgt begründet:
Der beigeladene Arbeits- und Sozialminister sei nur nach § 75 Abs. 1 SGG beigeladen, obwohl ein Fall der notwendigen Beiladung vorgelegen habe. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufsichtsanordnung des Versicherungsamts greife unmittelbar in die Rechtssphäre des Beigeladenen ein, da das Versicherungsamt nach § 30 Abs. 2 Satz 1 RVO gehalten gewesen sei, die zur Frage der Weihnachtszuwendungen ergangene Weisung des Beigeladenen durchzuführen.
In sachlich - rechtlicher Beziehung habe das LSG. zu Unrecht die Klägerin für berechtigt gehalten, auf Grund der Verordnung über die Gewährung von Weihnachtszuwendungen im öffentlichen Dienst und an Soldaten der Wehrmacht vom 16. Dezember 1939 (RGBl. I S. 2425) - VO 1939 - Weihnachtszuwendungen an DO.- Angestellte zu gewähren. Die VO 1939 sei bevölkerungspolitische Maßnahme im Sinne des nationalsozialistischen Regimes und Lohnstopregelung gewesen und deshalb nach 1945 außer Kraft getreten, abgesehen davon, daß sie für den Bereich des Angestelltenrechts durch die tarifliche Entwicklung und für den Bereich des Beamtenrechts durch die Gesetzgebung im Bunde und im Lande Nordrhein-Westfalen gegenstandslos geworden sei. Selbst wenn man aber die VO 1939 noch als gültig ansehe, so könne sie nicht als Grundlage für Weihnachtszuwendungen an DO- Angestellte angesehen werden; denn an DO.- Angestellte könnten solche Zuwendungen nur dann gewährt werden, wenn sie in der Dienstordnung vorgesehen seien. Auch durch vorbehaltlose Gewährung von Weihnachtszuwendungen in früheren Jahren könne, wie sich aus § 357 Abs. 3 RVO ergebe, ein Anspruch auf Weihnachtszuwendungen entgegen der Dienstordnung nicht begründet werden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Revisionen des Beklagten und des Beigeladenen zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß die Beiladung des Arbeits- und Sozialministers für das Land Nordrhein-Westfalen nicht als notwendige Beiladung (§ 75 Abs. 2 SGG) zu beurteilen sei, da die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufsichtsanordnung zwar im Zusammenhang mit der vom beigeladenen Minister an die Versicherungsämter erteilten allgemeinen Weisung stände, in diese Rechtsbeziehung zwischen Minister und Versicherungsamt aber durch die Entscheidung über die Aufsichtsanordnung nicht eingegriffen werde. Die Klägerin hält daran fest, daß die angefochtene Aufsichtsanordnung rechtswidrig sei. Es sei nicht notwendig, daß die Dienstordnung die Dienstbezüge der DO.-Angestellten erschöpfend regele; das gelte nur für laufende Dienstbezüge. Einmalige Zuwendungen wie Weihnachtsgratifikationen, die in dem von der Vertreterversammlung beschlossenen Voranschlag der Kasse bereitgestellt seien, könnten vom Vorstand der Kasse auch ohne Grundlage in der Dienstordnung bewilligt werden. Im übrigen habe sie - die Klägerin -, um auch der Auffassung des LSG. Rechnung zu tragen, inzwischen eine entsprechende Änderung der Dienstordnung mit Wirkung vom 1. Januar 1954 beschlossen und die Genehmigung des OVA. beantragt.
II
1. Beide Revisionen sind zulässig.
Die Revision des beklagten Versicherungsamts ist telegraphisch eingelegt worden. Auch diese Form genügt dem Erfordernis der "schriftlichen" Einlegung; (§ 164 Abs. 1 Satz 1 SGG), wie allgemein in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG.) anerkannt ist (vgl. BSG. [1. Senat] in BSG. 5 S. 3 [4] mit eingehenden Nachweisen; ders. Senat schon BSG. 1 S. 243 [245]; ebenso BSG. [11. Senat] in BSG. 7 S. 16 [17]).
Auch die Revision des beigeladenen Arbeits- und Sozialministers des Landes Nordrhein-Westfalen (im folgendem mit "Arbeitsminister" bezeichnet) ist zulässig. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob die Beiladung des Arbeitsministers notwendig war (§ 75 Abs. 2 SGG). Selbst wenn er nur als "einfach Beigeladener" im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG am Verfahren beteiligt wäre, müßte seine Revision als zulässig angesehen werden. Zu der Frage, ob der einfach Beigeladene zur Einlegung von Rechtsmitteln berechtigt ist, haben bisher der 4. und 10. Senat des BSG. Stellung genommen. Der 4. Senat (BSG. Bd. 3 S. 142 [155 ff.] bejaht diese Frage - "jedenfalls" - dann, "wenn die Entscheidung ein eigenes Recht des Beigeladenen betrifft oder mitbetrifft". Der 10. Senat (BSG. 2 S. 289) hält die Bundesrepublik Deutschland, die am Berufungsverfahren auf Grund des § 75 Abs. 1 Satz 2 SGG als Beigeladene beteiligt ist, für berechtigt, gegen das Urteil des LSG. selbständig Revision einzulegen. In Fortführung dieser Rechtsprechung ist auch der einfach Beigeladene (§ 75 Abs. 1 Satz 1 SGG) für befugt zu erachten, selbständig Rechtsmittel einzulegen, allerdings unter Beachtung der einschränkenden Vorschrift in § 75 Abs. 4 Satz 2 SGG. Das SGG räumt dem Beigeladenen die Stellung eines Beteiligten ein (§ 69 SGG). Mit Recht zieht van Husen (Komm. z. VerwGG Anm. 4 zu § 60) für das Verfahren vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten schon aus dieser Stellung des Beigeladenen die Forderung, daß er alle Prozeßhandlungen selbständig vornehmen kann und die Rechtskraftwirkung sich auf ihn erstreckt. Auch ist van Husen darin beizutreten, daß damit die Zweifel über die Stellung des Beigeladenen, die sich aus den früheren Verwaltungsgerichtsgesetzen ergeben - ob Nebenintervenient oder parteiähnlich -, gelöst sind. Weil er Beteiligter ist, kann er alle Verfahrenshandlungen vornehmen mit Ausnahme derjenigen, die eine Verfügung über den Streitgegenstand enthalten und deshalb dem Kläger oder Beklagten als Hauptbeteiligten vorbehalten sind (Klagerücknahme, Klaglosstellung, Anerkenntnis). Mit dieser Einschränkung ist auch die Vorschrift in § 75 Abs. 4 Satz 1 SGG zu verstehen, daß der Beigeladene "alle Verfahrenswandlungen wirksam vornehmen" kann, gleichgültig, ob man den Satzteil "innerhalb der Anträge der anderen Beteiligten" auch auf Verfahrenshandlungen bezieht oder nicht (vgl. hierzu BSG. Bd. 3 S. 157 f.); denn es bedurfte keiner besonderen Bestimmung, um klarzustellen, daß der Beigeladene - weil nicht Hauptbeteiligter - nicht Verfahrenshandlungen, mit denen über den Streitgegenstand verfügt wird, vornehmen kann. Andererseits läßt das SGG alle Verfahrenshandlungen des nach § 75 Abs. 1 SGG Beigeladenen zu, sofern sie sich im Rahmen der Sachanträge halten und nicht dem Rechtsstreit eine von dem im Prozeß zum Ausdruck gebrachten Willen der Hauptbeteiligten abweichende Richtung geben. Auch die Einlegung eines Rechtsmittels ist Verfahrenshandlung. Der "bestimmte Antrag", den das Revisionsverfahren nach der zwingenden Vorschrift des § 164 Abs. 2 Satz 1 SGG, das Berufungsverfahren nach der "Soll-Vorschrift" des § 151 Abs. 3 SGG erfordert, ist "die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde" (so § 554 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Er ist nicht mit den Sachanträgen der Beteiligten gleichzusetzen, wenngleich einzuräumen ist, daß mit dem das Revisionsverfahren bestimmenden Antrag im Sinne des § 164 Abs. 2 Satz 1 SGG in aller Regel auch ein Ziel in der Sache selbst zum Ausdruck gebracht wird. Selbst wann man aber davon ausgeht, daß die Einlegung der Revision die Stellung eines "Sachantrags" im Sinne des § 75 Abs. 4 Satz 2 SGG in sich schließt, ist damit noch nicht gesagt, daß der einfach Beigeladene diesen Sachantrag nicht stellen darf. Vielmehr ergibt sich daraus nur, daß dieser Beigeladene bei der Verfahrenshandlung der Revisionseinlegung die Beschränkung des § 75 Abs. 4 Satz 2 SGG gegen sich gelten lassen muß und nicht abweichende Sachanträge stellen darf. Er kann den Rechtsstreit in der höheren Instanz nur in den durch die Hauptbeteiligten gezogenen Grenzen weiterbetreiben und muß auch jede Verfügung der Hauptbeteiligten über den Streitgegenstand innerhalb oder außerhalb des Rechtsstreits - hinnehmen, wie es seinem schwächeren Verfahrensstatus entspricht. Demnach kann das Recht des einfach Beigeladenen zur Revisionseinlegung nicht mit der Beschränkung seiner Sachantragsbefugnis in Frage gestellt werden (so aber Peters-Sautter-Wolff, Komm. z. SGG, 2. Aufl., Stand: Sept. 1958 Anm. 7a zu § 75 [anscheinend ohne Einschränkung des Rechts des einfach Beigeladenen zur Berufseinlegung hingegen Anm. 4 - S. III/7-1- zu § 143]. Der Rechtsschutz des einfach Beigeladenen, der möglicherweise gegen seinen Willen durch die Beiladung am Verfahren beteiligt wird (vgl. § 75 Abs. 3 Satz 2 SGG), wäre unvollkommen, wenn er nicht aus eigenem Recht gegen ein Urteil, das ihn wie die Hauptbeteiligten bindet (§ 141 Abs. 1 SGG), Rechtsmittel einlegen könnte. Es ist "nur eine Forderung der Gerechtigkeit" (Klinger, Komm. z. MilRegVO 165 3. Aufl. Anm. F2a zu § 41), daß dem Beigeladenen allein wegen dieser bindenden Wirkung des Urteils das Recht eingeräumt wird, ein Urteil anzufechten, das nach seiner Auffassung mit seinen berechtigten Interessen nicht in Einklang steht. In der Bindung an das nach Ansicht des Beigeladenen unrichtige Urteil liegt auch seine Beschwer, die Voraussetzung für die Einlegung jedes Rechtsmittels ist (so mit Recht BVerwG Bd. 1 S. 27 [29 letzter Abs.]
Demnach ist auch die Revision des beigeladenen Arbeitsministers als zulässig anzusehen.
2. Die Revisionen sind jedoch nicht begründet.
Nach § 54 Abs. 3 SGG kann eine Krankenkasse als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
Das Aufsichtsrecht des beklagten Versicherungsamts (§ 377 Abs. 1 Satz 1 RVO) erstreckt sich darauf, daß Gesetz und Satzung beachtet werden (§ 30 Abs. 1 RVO in der Fassung des § 8 Nr. 1 des Bundesversicherungsamtsgesetzes vom 9. Mai 1956 [BGBl. I S. 415]). Zwar ist diese Vorschrift erst nach Erlaß der angefochtenen Aufsichtsanordnung in Kraft getreten. Doch ist die Beschränkung der Aufsichtsbehörde auf die Rechtskontrolle, die eine Überprüfung der Zweckmäßigkeitserwägungen der Selbstverwaltungskörperschaft ausschließt, bereits seit Inkrafttreten des Selbstverwaltungsgesetzes - GSv - vom 22. Februar 1951 (BGBl. I S. 124) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. August 1952 (BGBl. I S. 427, ber. S. 600, 664) rechtens (vgl. zur Rechtsentwicklung Maunz-Schraft, Komm. z. Selbstverwaltungsrecht [Stand Dezember 1958] 7. Band, Teil 3 Einführ. Bl. 1 Ziff. 2). Dafür spricht auch § 5 Abs. 4 Satz 1 GSv, wonach der Vorsitzende des Vorstands einer Selbstverwaltungskörperschaft verpflichtet ist, Beschlüsse von Organen durch Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zu beanstanden, wenn sie gegen Gesetz oder Satzung verstoßen.
Der beanstandete Beschluß des Vorstands der Klägerin vom 17. Dezember 1954 verstößt nicht gegen die Angleichungsvorschriften in §§ 22, 23 des Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Juni 1954 (GVBl. f.d. Land Nordrhein-Westfalen S. 162). Das LSG. ist davon ausgegangen, daß diese Vorschriften die der Landesaufsicht unterstehenden Körperschaften des öffentlichen Rechts nur verpflichteten, die Dienstbezüge und die übrigen Geldbezüge ihrer Beamten nach den für die Landesbeamten geltenden Vorschriften zu regeln. An diese Auslegung landesrechtlicher Vorschriften, deren Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt, ist das BSG. gebunden (§ 162 Abs. 2 SGG). Da DO.- Angestellte aber nicht Beamte sind (vgl. BSG. Bd. 2 S. 53 [56 ff.]), kann jedenfalls dem Umstand, daß das Land Nordrhein-Westfalen im Jahre 1954 keine Weihnachtszuwendungen für die Landesbeamten vorgesehen hatte, keine die Klägerin verpflichtende Bedeutung zuerkannt werden.
Der Vorstandsbeschluß vom 17. Dezember 1954 verletzt auch nicht Satzungsrecht. Unter diesem Gesichtspunkt war zunächst zu prüfen, ob die Dienstordnung der Klägerin der Gewährung von Weihnachtsgratifikationen entgegensteht. Die Dienstordnung ist zwar nicht "Satzung" in dem formellen Sinn, wie die RVO (§§ 320 ff.) diesen Begriff verwendet. Zum Inhalt der "Satzung" gehört nicht die Regelung der Dienstverhältnisse der DO.- Angestellten (vgl. § 321 RVO). Die Dienstordnung steht neben der "Satzung"; sie entsteht auf andere Weise (vgl. § 346 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 355 Abs. 1 RVO und § 1 Abs. 4 Satz 3 GSv.) als die "Satzung" (§ 345 Abs. 2 Nr. 6 RVO), bedarf aber wie diese der Genehmigung des Oberversicherungsamts (§§ 355 Abs. 2, 324 Abs. 1 RVO). Doch ist auch die Dienstordnung als eine im Rahmen der Autonomie der Krankenkasse erlassene Norm "Satzung" im Sinne des § 30 Abs. 1 RVO, § 5 Abs. 4 GSv. und muß von den Organen der Krankenkasse bei ihren Beschlüssen beachtet werden (vgl. auch § 357 Abs. 1 und § 377 Abs. 1 Satz 2 RVO).
Die Dienstordnung der Klägerin ist revisibles Recht. Sie beruht auf den Erlassen des Reichsarbeitsministers vom 27. September 1940 - Erlaß 1940 - (AN S. II 348) und vom 4. April 1942 - Erlaß 1942 - (AN S. II 246), die die Versicherungsträger auf Grund des ihm nach Abschn. V Abs. 1 des "Führererlasses" über die Vereinfachung der Verwaltung vom 28. August 1939 (RGBl. I S. 1535) zustehenden Weisungsrechts verpflichteten, neue Dienstordnungen nach dem in den Erlassen enthaltenen Muster aufzustellen. Hierbei war dem Versicherungsträger ein Ermessen grundsätzlich nicht zugestanden. Er durfte seine Bezeichnung in das Dienstordnungs-Formular einsetzen und hatte gegebenenfalls nach genauer Weisung der Erlasse einige wenige Sätze des Formulars, die nur bestimmte Gruppen von Versicherungsträgern betrafen, zu streichen. Die auf Grund der Erlasse 1940 und 1942 bei den Krankenkassen eingeführten Dienstordnungen stimmten somit im wesentlichen überein. Zwar ist die auf den erwähnten "Führererlaß" gestützte Weisungsbefugnis der obersten Reichsbehörden mit dessen Aufhebung (Art. V des Kontrollratsges. Nr. 36 vom 10. Oktober 1946 [Amtsblatt Nr. 14 S. 315]) und damit auch die Verbindlichkeit der hierauf gegründeten Dienstbefehle, als die sich die Erlasse 1940 und 1942 darstellen, weggefallen (Brackmann, Handbuch der Sozialvers. Stand: Juni 1958 S. 164 b; Peters, Handbuch der Krankenversich. Teil II 16. Aufl. Anm. 4 zu § 351; vgl. auch Urteil des 3. Senats in BSG. Pd. 6 S. 197 [201]). Die bestehenden Dienstordnungen der Krankenkassen blieben aber hiervon unberührt. Nach wie vor stimmten sie überein, und zwar nicht nur aus einem gewissen Beharrungsvermögen heraus, sondern offenbar auch zur Verhütung einer als untunlich erachteten Rechtszersplitterung (vgl. Brackmann a.a.O. S. 164 c). Demnach stimmt die Dienstordnung der Klägerin, die für sich genommen nur Satzungsrecht innerhalb des Bezirks des Berufungsgerichts ist, nicht nur "rein tatsächlich" (BGHZ. Bd. 7 S. 299) mit den in den Bezirken anderer Berufungsgerichte geltenden Dienstordnungen überein. Vielmehr ist diese Einheitlichkeit "bewußt und gewollt" (BGHZ. Bd. 6 S. 373 [378]) herbeigeführt mit dem Ziel, eine formal zwar auf verschiedenen Rechtsquellen beruhende, in der Sache aber übereinstimmende Allgemeingültigkeit zu erzielen. Die damit bewußt erstrebte und erreichte Vereinheitlichung des Rechts rechtfertigt es, die Dienstordnung der Klägerin als eine "sonstige im Bezirke des Berufungsgerichts geltende Vorschrift, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt", anzusehen (vgl. außer der schon zitierten Entscheidung BGHZ. Bd. 6 S. 373 auch BGHZ. Bd. 4 S. 219, RGZ. Bd. 154 S. 133 [137] und OGH Br. Z. in NJW. 1948 S. 546 Nr. 5). Nur eine solche Auslegung des § 162 Abs. 2 SGG wird dem auch dieser Vorschrift zugrunde liegenden Gedanken gerecht, eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern (vgl. auch § 43 SGG).
Der Revision ist darin beizupflichten, daß die Dienstordnung der Klägerin keine Bestimmungen über Weihnachtsgratifikationen enthält; sie sind weder vorgesehen noch untersagt. Weihnachtsgratifikationen gehören nicht zu den "Dienstbezügen" im Sinne des § 3 Abs. 3 der Dienstordnung. Dieser - in der Gesetzessprache nicht immer eindeutige - Begriff umfaßt hier, wie der Zusammenhang ergibt, nur die laufenden Bezüge. Die in § 3 Abs. 3 der Dienstordnung vorgesehene "Anrechnung von Sachleistungen (Wohnung, Licht, Heizung u. dgl.) auf die Dienstbezüge" kommt nur bei laufenden Bezügen in Betracht. Vor allem aber wären die Bestimmungen in § 6 Nr. 7 und 10 der Dienstordnung, in denen die Leistungen fürsorgerischer Art und Vergütungen für Reise- und Umzugskosten geregelt sind, überflüssig, wenn der in § 3 verwandte Begriff "Dienstbezüge" im weiteren Sinne verstanden und auf einmalige Bezüge ausgedehnt wurde -. Ebensowenig fallen die Weihnachtsgratifikationen unter eine der Vorschriften, auf die § 6 der Dienstordnung verweist. Insbesondere können sie nicht - woran noch am ehesten zu denken wäre - als Leistungen der "Fürsorge" (§ 6 Nr. 7 der Dienstordnung) angesehen werden; denn den Weihnachtsgratifikationen fehlt das besondere Merkmal eines gewissen Notstands, der in dieser Bestimmung vorausgesetzt ist, wie die hier aufgeführten Beispiele ("Unfallfürsorge, Beihilfen, Unterstützungen") zeigen.
In Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung der Weihnachtsgratifikationen durch die Dienstordnung kann auch nicht auf eine umfassende Verweisung des Inhalts zurückgegriffen werden, daß sich die Bezüge der DO.- Angestellten schlechthin nach den "jeweiligen Vorschriften für Rechtsbeamte" (so §§ 3 und 6 der Dienstordnung) - bzw. nach Inkrafttreten des Grundgesetzes: "Landesbeamte", wie das LSG. annimmt - richten. Zwar gehen die Erlasse von 1940 und 1942, die zur Einführung der Dienstordnung der Klägerin geführt haben, noch davon aus, die Rechtsverhältnisse der DO.- Angestellten seien weitgehend dem Beamtenrecht anzugleichen, "um schon jetzt eine der in der Sechzehnten Aufbauverordnung vom 9. Juni 1938 (RGBl. I S. 622) vorgesehenen Rechtslage möglichst nahekommende Regelung zu treffen" (Erlaß 1940 in AN. S. II 348). Indessen zeigt auch diese Begründung zur Einführung einer Muster-Dienstordnung - noch deutlicher der Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 8. Januar 1940 (AN. S. II 14) - zu Genüge, daß die mit der Sechzehnten Aufbauverordnung eingeleitete Entwicklung mit dem Ziel, die DO.- Angestellten zu Beamten zu machen, zum Stillstand gekommen war und das DO.-Dienstverhältnis nur noch "weitgehend", aber nicht mehr vollständig an das Beamtenrecht angepaßt werden sollte (vgl. zur geschichtlichen Entwicklung BSG. Bd. 2 S. 53 [59 f.]). Was nun im einzelnen beim Dienstverhältnis der DO.-Angestellten - abgesehen von den "Dienstbezügen" - dem Beamtenrecht angeglichen werden sollte, ist in § 6 der Dienstordnung unter der Überschrift "Anpassung an das Beamtenrecht" enumerativ aufgezählt. Nur die hier genannten Bezüge können daher nach der Systematik der Dienstordnung als durch Verweisung auf das Beamtenrecht geregelt angesehen werden. Da die Weihnachtsgratifikationen aber, wie schon dargelegt, in keine der in § 6 der Dienstordnung aufgeführten Fallgruppen einzuordnen sind, gilt für sie die Verweisung auf das Beamtenrecht nicht.
Andererseits kann der Dienstordnung auch kein Verbot der Gewährung von Weihnachtsgratifikationen entnommen werden. Zwar bringt der Erlaß 1942 (a.a.O. S. II 246) zu § 14 der Dienstordnung zum Ausdruck, mit der Angleichung an das Recht der Beamten auf Lebenszeit sei u.a. auch das den Bediensteten bisher zustehende Recht auf Weihnachtsgratifikationen weggefallen. Zutreffend ist aber das LSG. (insoweit Siebeck in DOK. 1957 S. 461 [467] folgend) davon ausgegangen, daß die Erlasse 1940 und 1942 Dienstbefehle zur Einführung neuen Satzungsrechts und keine Rechtsnormen waren (vgl. für einen ähnlichen Sachverhalt BSG. Bd. 6 S. 197 [201]). Selbst wenn man sie aber mit Peters (Handbuch der KV. 16. Aufl. Anm. 4 zu § 351) zur Auslegung des damals auf der Grundlage der Muster-Dienstordnung geschaffenen Satzungsrechts heranzieht, so kann die Äußerung des Reichsarbeitsministers zu § 14 der Dienstordnung allenfalls die Auffassung unterstützen, die Dienstordnung gewähre den DO.-Angestellten weder unmittelbar noch über die Besitzstandsklausel des § 14 einen Anspruch auf Weihnachtsgratifikation. Damit wird aber nicht die Frage berührt, ob eine Krankenkasse - ohne Verpflichtung durch die Dienstordnung - ihren DO.-Angestellten Weihnachtsgratifikationen bewilligen darf.
Ist somit festzustellen, daß die Dienstordnung der Klägerin weder in dem einen noch dem anderen Sinn eine Regelung über die Gewährung von Weihnachtsgratifikationen getroffen hat, so hängt die Entscheidung des Rechtsstreits letztlich davon ab, ob die Klägerin nach den zwingenden Bestimmungen der RVO über die Besoldung der DO.-Angestellten daran gehindert war, für das Jahr 1954 die Gewährung von Weihnachtsgratifikationen an DO.-Angestellte auch ohne Ermächtigung in der Dienstordnung zu beschließen. Das ist zu verneinen. Entgegen der Auffassung des LSG. stellt die Dienstordnung keine erschöpfende und ausschließliche Regelung für die Rechtsverhältnisse der DO.-Angestellten dar. Das ergibt sich schon daraus, daß wesentliche Umstände des Dienstverhältnisses eines DO.-Angestellten durch den schriftlichen Anstellungsvertrag (§ 354 Abs. 1 RVO) geregelt werden müssen (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 2 der Dienstordnung, der als regelungsbedürftige Punkte des Dienstvertrags aufführt: Tag der Anstellung, Dienstbezeichnung, Besoldungsgruppe und Besoldungsdienstalter). Aber auch bei Beschränkung auf die Frage der Bezüge der DO.-Angestellten kommt der Dienstordnung keine Ausschließlichkeit zu. In dieser Hinsicht schreibt die RVO unter dem Gesichtspunkt, daß die Dienstordnung die Rechts- und die allgemeinen Dienstverhältnisse der Angestellten zu regeln hat (§ 352 RVO) allein die Aufstellung eines Besoldungsplans vor (§ 353 Abs. 1 Satz 1 RVO). Ein Besoldungsplan kann aber, wie schon der Begriff ergibt, nur die regelmäßigen Bezüge betreffen (Peters a.a.O., Anm. zu § 353 S. 512). Hiernach wäre es der Krankenkasse nur verwehrt, ihren DO.-Angestellten - ohne entsprechende Bestimmung im Besoldungsplan der Dienstordnung - durch Beschluß Weihnachtsgratifikationen als regelmäßig wiederkehrende Bezüge zuzusagen. Wie auch in der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts anerkannt ist (E.u.M. Bd. 31 S. 287), steht somit § 353 RVO der Bewilligung von Weihnachtsgratifikationen, die nur für ein Jahr zugesagt werden, nicht entgegen.
Allerdings ist nicht zu verkennen, daß die Aufgabe des Oberversicherungsamts, bei der Genehmigung der Dienstordnung auch zu prüfen, ob die Besoldung der Angestellten in auffälligem Mißverhältnis zu ihren Aufgaben steht (§ 355 Abs. 2 Satz 2 RVO), unter Umständen durch eine mißbräuchliche Praxis bei der Gewährung von Weihnachtsgratifikationen nicht sachgerecht erfüllt werden könnte. Im vorliegenden Streitfall handelt es sich jedoch bei dem beanstandeten Beschluß des Kassenvorstands vom 17. Dezember 1954 um eine nur für ein bestimmtes Jahr bewilligte, sich auch der Höhe nach im Rahmen des Üblichen haltende Gewährung einer Weihnachtsgratifikation aus Mitteln, die von der Vertreterversammlung für diesen Zweck bereitgestellt waren. Nach alledem war die klagende Krankenkasse nicht durch § 353 Abs. 1 in Verbindung mit § 355 Abs. 2 Satz 2 RVO daran gehindert, den Beschluß über im Jahre 1954 zu gewährende Weihnachtsgratifikationen auch ohne entsprechende Ermächtigung in der Dienstordnung zu fassen.
Der Vorstand der klagenden Krankenkasse war somit berechtigt, den beanstandeten Beschluß vom 17. Dezember 1954 zu fassen und durchzuführen. Keiner Entscheidung bedurfte es, ob die Klägerin gegenüber allen oder einzelnen DO.-Angestellten verpflichtet war, Weihnachtsgratifikationen zu gewähren - etwa weil durch wiederholte vorbehaltlose Zahlung solcher Gratifikationen ein Rechtsanspruch auf künftige Gewährung von Weihnachtsgratifikationen entstanden war, wie er in § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Gewährung von Weihnachtszuwendungen im öffentlichen Dienst und an Soldaten der Wehrmacht vom 16. Dezember 1939 (RGBl. I S. 2425) vorgesehen ist (vgl. hierzu Entsch. d. Bundesarbeitsgerichts vom 3.4.1957 in AP. Nr. 6 zu § 611 BGB - Gratifikation). Es genügt hier - ohne Rücksicht auf solche möglicherweise bestehende Verpflichtungen aus dem bürgerlichen Dienstverhältnis - festzustellen, daß der vom Versicherungsamt beanstandete Beschluß des Vorstandes der klagenden Ortskrankenkasse vom 17. Dezember 1954 nicht gegen Gesetz und Satzung verstößt. Zutreffend hat daher das LSG. die angefochtene Aufsichtsanordnung des beklagten Versicherungsamts als rechtswidrig aufgehoben. Die Revisionen sind somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Fundstellen