Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach neben dem Höchstbetrag der umgestellten Rente (ohne Kinderzuschuß) nach AnVNG Art 2 § 33 Abs 1 nur der auf die Beiträge der Höherversicherung nach dem Gesetz vom 1951-03-14 (BGBl 1 1951 188) entfallende Steigerungsbetrag gewährt werden kann (Festhaltung BSG 1960-12-20 1 RA 138/59 = SozR Nr 2 zu Art 2 § 34 ArVNG).
Normenkette
AnVNG Art. 2 § 33 Abs. 1, 1 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 34 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 10. Juli 1959 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Rechtsstreit wird um die Höhe der Rente geführt, die dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1957 an zusteht.
Der Kläger erhält diese Rente wegen Berufsunfähigkeit seit 1949; sie beruht auf Pflichtbeiträgen und auf freiwilligen Beiträgen des Klägers zu den Rentenversicherungen der Angestellten (AnV) und der Arbeiter (ArV). Darunter befinden sich aber keine Beiträge nach dem "Gesetz über die Höherversicherung in den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten (HöVG)" vom 14. März 1951 (BGBl I 188). Nach dem Inkrafttreten der Renten-Neuregelungsgesetze (1.1.1957) stellte die Beklagte die Rente, die zuletzt 271,20 DM betragen hatte, gemäß Art. 2 §§ 30 ff des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) auf einen monatlichen Zahlbetrag von 495,- DM um. Sie ging dabei von dem Geburtsjahr des Klägers (1890) und dem Rentenbeginn im Jahre 1949 aus; mit dem danach maßgeblichen Tabellenwert nach der Anlage 3 zu Art. 2 § 31 AnVNG von 4,09 vervielfältigte sie die Rentensteigerungsbeträge in Höhe von (1.712,78 jährlich oder) 142,43 DM monatlich, wobei sich ein Betrag von 699,40 DM ergab. Diesen Betrag kürzte sie sodann nach Art 2 § 33 Abs. 1 AnVNG auf den (für eine Versicherungsdauer von 44 Jahren bestimmten) Höchstbetrag von 495.- DM (Bescheid vom 3. Juni 1957).
Gegen diese Rentenberechnung wandte der Kläger ein, die von ihm neben den Pflichtbeiträgen zur AnV seit 1913 freiwillig geleisteten Beiträge zur ArV (JV) - nämlich 1433 Wochenbeiträge der Klassen V bis X - seien, wie sich aus Art. 2 § 15 Abs. 2 AnVNG ergebe, als Beiträge der Höherversicherung zu behandeln; sie unterlägen deshalb nicht der Begrenzung nach Art. 2 § 33 AnVNG. Ihm stehe deshalb ein höherer Rentenzahlbetrag zu.
Das Sozialgericht Osnabrück wies die Klage ab (Urteil vom 6. März 1958). Im Verlauf des Berufungsverfahrens lehnte die Beklagte auch den weiteren Antrag des Klägers ab, ihm für die Zeit vom 1. Januar 1959 an eine Rentenerhöhung von monatlich 26,44 DM auf Grund des Ersten Rentenanpassungsgesetzes vom 21. Dezember 1958 (BGBl I 956) zu gewähren. Die Beklagte berief sich auf § 4 Abs. 1 Satz 2 dieses Gesetzes sowie darauf, daß die Rente des Klägers bereits auf den Höchstbetrag nach Art. 2 § 33 AnVNG festgesetzt worden sei. Den Bescheid der Beklagten hierüber vom 18. März 1959 sah das Landessozialgericht Niedersachsen als Gegenstand des Berufungsverfahrens nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an. Es entschied dahin, daß - unter Zulassung der Revision - die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückgewiesen und die Klage gegen den letztgenannten Bescheid der Beklagten abgewiesen werde (Urteil vom 10. Juli 1959).
Der Kläger legte gegen das ihm am 9. Dezember 1959 zugestellte Urteil am 7. Januar 1960 Revision ein mit dem Antrag, unter Aufhebung der ergangenen Urteile und Bescheide die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. Januar 1957 an Rente wegen Berufsunfähigkeit ungekürzt unter Zugrundelegung eines Steigerungsbetrages von jährlich 1.712,78 DM vervielfältigt mit dem Umstellungsfaktor 4,9 und vom 1. Januar 1959 an erhöht um monatlich 26,44 DM zu zahlen. Er begründete die Revision am 30. Januar 1960: Das Landessozialgericht habe bei seiner Entscheidung den Begriff der Höherversicherung in Art. 2 § 33 AnVNG unrichtig ausgelegt. Aus Art. 2 § 15 Abs. 2 AnVNG ergebe sich, daß alle Beitragszahlungen, die neben Pflichtbeiträgen freiwillig erfolgt seien, als Höherversicherung zu werten seien. Deshalb dürfe der Steigerungsbetrag aus den vom Kläger seit 1913 geleisteten freiwilligen Beiträgen bei der Kürzung der Rente nach Art. 2 § 33 AnVNG nicht berücksichtigt werden.
Die Beklagte beantragte, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.
Die Rente des Klägers beruht auf einem Versicherungsfall, der im Jahre 1949 eingetreten ist. Sie ist deshalb für die Zeit vom 1. Januar 1957 an umzustellen (Art. 2 §§ 30 ff AnVNG). Für die umzustellenden Renten sind in Art. 2 § 33 AnVNG Höchstbeträge vorgesehen. Diese Höchstbeträge dürfen nach dem Gesetz um den Steigerungsbetrag aus den Beiträgen der Höherversicherung überschritten werden. Hierauf kann aber der Kläger seinen Anspruch nicht stützen. Die von ihm freiwillig geleisteten Beiträge sind keine solchen der Höherversicherung im Sinne von Art. 2 § 33 AnVNG. Wie der Senat bereits entschieden hat, sind als Beiträge der Höherversicherung nach dieser Vorschrift nur solche Beiträge anzusehen, die auf Grund des HöVG vom 14. März 1951 durch Verwendung von Beitragsmarken mit dem Aufdruck "HV" entrichtet worden sind; andere freiwillig geleistete Beiträge fallen nicht unter diesen Begriff (BSG im Sozialrecht Bl. Aa 1 Nr. 2 zu Art. 2 § 34 ArVNG). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach erneuter Prüfung der Rechtslage fest.
Die vom Kläger dagegen vorgebrachten Erwägungen rechtfertigen keine andere Beurteilung; insbesondere kann sich der Kläger für seine Auffassung nicht auf Art. 2 § 15 Abs. 2 AnVNG berufen. Diese Vorschrift betrifft, wie der Senat in seiner früheren Entscheidung näher ausgeführt hat, nur die Berechnung der sog. Zugangsrenten, d. h. der Renten, die nach der neuen Rentenformel zu berechnen sind, weil sie auf Versicherungsfällen nach dem 31. Dezember 1956 beruhen, nicht aber die auf älteren Versicherungsfällen beruhenden sog. Bestandsrenten.
Die Rentenformel für die Zugangsrenten greift - mit Hilfe der tatsächlich entrichteten Beiträge aus der Pflichtversicherung, der freiwilligen Weiterversicherung und der zulässigen Selbstversicherung - zurück auf das wirkliche Arbeitseinkommen des Versicherten und setzt es in Beziehung zum durchschnittlichen Arbeitseinkommen aller Versicherten in den jeweiligen Zeitabschnitten. Die so berechnete persönliche Bemessungsgrundlage setzt sie wieder in Beziehung zur allgemeinen, für die Zeit des Versicherungsfalls geltenden Bemessungsgrundlage, um so den vom Versicherten während seines gesamten Arbeitslebens gehaltenen Lebensstandard auch für die Rentenberechnung zugrunde legen zu können. Deswegen müssen bei den Zugangsrenten alle Beiträge außer Betracht bleiben, aus denen sich kein Schluß auf die Höhe des wirklichen Einkommens ziehen läßt. Das sind alle die Beiträge, die unter Art. 2 § 15 Abs. 1 und 2 AnVNG fallen. Die Gegenleistungen für diese Beiträge werden nicht "dynamisiert" oder "aktualisiert", d. h. dem neuen Lohn- und Preisgefüge angepaßt, sondern für sie bleibt der Nominalwert des früheren Steigerungsbetrages unverändert (§ 38 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -). Für sie gilt deswegen auch die Höchstgrenze nicht, die nach § 32 Abs. 1 letzter Halbsatz AVG für die lohnbezogene Rentenberechnung maßgebend ist.
Ganz anders verhält es sich mit den "Bestandsrenten". Die Unterscheidung von lohnbezogenen Beiträgen und solchen, die keinen Rückschluß auf das Arbeitseinkommen zulassen, ist nämlich bei diesen Renten aus Versicherungsfällen, die vor dem 1. Januar 1957 eingetreten sind, im allgemeinen nicht mehr möglich, weil die dafür notwendigen Unterlagen nach der bindend gewordenen Feststellung der Renten vom Versicherungsträger nicht mehr aufbewahrt werden. Deswegen hat das Gesetz - wie der Senat in mehreren Entscheidungen dargelegt hat - der Umstellung der "Bestandsrenten" weder den erdienten Lohn noch die entrichteten Beiträge zugrunde gelegt, sondern ausschließlich den festgesetzten Steigerungsbetrag der Rente und den nach dem Geburtsjahr des Versicherten und dem Jahr des Rentenbeginns ermittelten, der Aktualisierung dienenden Umstellungsfaktor (Art. 2 §§ 30, 31 AnVNG). In diesen "Steigerungsbetrag" sind auch alle die Steigerungsbeträge eingegangen, die den nach Art. 2 § 15 Abs. 2 AnVNG bei Zugangsrenten wie Beiträge der Höherversicherung zu behandelnden Beiträgen entsprechen, weil sie keinen Rückschluß auf das Arbeitseinkommen erlauben. Bei den Bestandsrenten sind die entsprechenden Unterlagen nicht aufbewahrt worden, weil diese Beiträge nach altem Recht nicht anders behandelt wurden wie Pflichtbeiträge. Bei den Bestandsrenten müssen deswegen die ihnen entsprechenden Steigerungsbeträge in die "Dynamisierung" - im Gegensatz zu dem für die Zugangsrenten geltenden Grundsatz - einbezogen werden, unterliegen daher aber gerechterweise auch der Höchstgrenze (Art. 2 § 33 AnVNG). Dagegen waren die Beiträge der Höherversicherung nach dem Gesetz von 1951 schon nach altem Recht ganz anders zu behandeln als die übrigen Beiträge und auch anders zu bewerten, und sie sind deswegen stets besonders ausgewiesen und in den Unterlagen aufbewahrt worden. Sie können deswegen auch bei der Umstellung von der Aktualisierung ausgenommen werden. Dies ist allerdings bei der ersten Umstellung - wie der Senat in einer früheren Entscheidung dargelegt hat (Sozialrecht Bl. Aa 2 Nr. 2 zu Art. 2 § 32 ArVNG) - aus technischen Gründen nur dann geschehen, wenn die Höchstgrenze des Rentenzahlbetrages überschritten worden ist.
Das Gesetz behandelt, wie der Senat in seinen zu den Gesetzen über die Rentenreform ergangenen Entscheidungen immer wieder dargelegt hat, die "Zugangsrenten" für Versicherungsfälle nach dem 31. Dezember 1956 unter sich gleich, ebenso behandelt er die "Bestandsrenten" aus früheren Versicherungsfällen untereinander gleich.
Die Reformgesetze haben auch versucht, die Bestandsrenten den Zugangsrenten soweit anzupassen, wie es die bei den Versicherungsträgern in aller Regel noch vorhandenen Unterlagen zulassen und wie es bei dem Zwang, mehrere Millionen laufender Renten schnell auf das neue Lohn- und Preisgefüge umzustellen, überhaupt möglich war. Mit diesen Bemühungen entspricht das Gesetz - wie der Senat in ständiger Rechtsprechung dargetan hat - der im Grundgesetz auch dem Gesetzgeber auferlegten Pflicht, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln.
Schließlich ist das Ergebnis selbst in den Fällen nicht unbillig, in denen der Bezieher einer Bestandsrente zahlreiche Beiträge entrichtet hat, die bei einer Zugangsrente nach Art. 2 § 15 Abs. 2 AnVNG als "Beiträge der Höherversicherung" zu bewerten waren. Würde nämlich diese Vorschrift angewendet, so würde der diesen Beiträgen entsprechende frühere Steigerungsbetrag nicht "aktualisiert", sondern es würde der dem Nominalbetrag entsprechende Hundertsatz nach § 38 AVG festgesetzt, der weder an der Aktualisierung durch den Umstellungsfaktor noch an den späteren Rentenanpassungen (§ 49 Abs. 3 AVG) teilnähme. Praktisch bedeutete das, daß der auf solche Beiträge entfallende Teil des alten Steigerungsbetrages zunächst abgesetzt und dann nicht mit dem hohen Multiplikationsfaktor aktualisiert, sondern nur nach den Maßstäben des § 38 AVG im Verhältnis 1 : 1 aufgewertet würde. Dies wäre für die Altrentner aber meist nachteilig.
Mit zutreffender Begründung hat das Landessozialgericht auch den Anspruch des Klägers auf eine höhere Rente für die Zeit vom 1. Januar 1959 an verneint. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 des Ersten Rentenanpassungsgesetzes finden die Höchstbegrenzungsvorschriften für Renten Anwendung; dies bedeutet, daß eine Rentenanpassung nach diesem Gesetz insoweit nicht erfolgt, als dadurch die Höchstgrenzen nach Art. 2 § 33 AnVNG überschritten werden. Diese Höchstgrenzen sind durch das Erste Rentenanpassungsgesetz nicht geändert worden. Die Rente des Klägers erfährt daher für die Zeit vom 1. Januar 1959 an keine Veränderung.
Danach erweist sich das angefochtene Urteil des Landessozialgerichts als zutreffend; die Revision des Klägers muß daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen