Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersruhegeld in der Angestelltenversicherung. Behandlung freiwilliger Beitragsleistungen bei der Rentenumstellung
Orientierungssatz
Bei der Umstellung von Bestandsrenten, dh Renten, die auf Versicherungsfällen vor Inkrafttreten des Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetzes (AnVNG) beruhen, können freiwillige Beitragszahlungen als Beiträge zur Höherversicherung rentensteigernd nur Berücksichtigung finden, wenn sie ausdrücklich unter Verwendung entsprechender Beitragsmarken als Beiträge zur Höherversicherung gekennzeichnet sind.
Normenkette
AnVNG Art. 2 § 15 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 33 Fassung: 1957-02-23, § 31 Fassung: 1957-02-23; AVG § 38 Fassung: 1957-02-23; HöVG Fassung: 1951-03-14; ArVNG Art. 2 § 15 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 34 Fassung: 1957-02-23, § 32 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1261 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 09.12.1958) |
SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 19.09.1957) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Dezember 1958 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Rechtsstreit wird um die Höhe der Rente geführt, die dem Kläger vom 1. Januar 1957 an zusteht.
Dem Kläger wurde im Jahre 1948 das Altersruhegeld aus den Beiträgen bewilligt, die er bis dahin zu den Rentenversicherungen der Angestellten und der Arbeiter geleistet hatte. Darunter befanden sich 103 Monatsbeiträge der früheren Beitragsklasse J und 199 Monatsbeiträge der früheren Klasse K, jedoch keine Beiträge nach dem "Gesetz über die Höherversicherung in den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten" (HöVG) vom 14. März 1951 (BGBl I, 188). Nach dem Inkrafttreten der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze (1.1.1957) wurde die Rente des Klägers, die zuletzt 374,- DM monatlich betragen hatte, gemäß Art. 2 §§ 30 ff auf den monatlichen Zahlbetrag von 562,50 DM umgestellt. Dabei wurde von dem Geburtsjahr des Klägers (1883) und von dem Rentenbeginn (1948) ausgegangen; mit dem hiernach maßgeblichen Tabellenwert (5,1) nach Anlage 3 zu Art. 2 § 31 AnVNG wurde der Rentensteigerungsbetrag (225,- DM monatlich) vervielfältigt; hieraus hätte sich ein Betrag von 1.148,- DM ergeben; dieser Betrag wurde jedoch nach Art. 2 § 33 Abs. 1 AnVNG auf den - für eine Versicherungsdauer von 50 Jahren bestimmten - Höchstbetrag von 562,50 DM gekürzt und dieser Betrag als neuer Rentenzahlbetrag angewiesen.
Gegen diese Rentenberechnung wandte der Kläger ein, die von ihm geleisteten Beiträge seien, soweit sie die Beitragsklasse H überschritten hätten, als freiwillige Höherversicherungsbeiträge anzusehen, sie müßten daher zur Erhöhung der Rente über den festgesetzten Betrag hinaus führen. Die Beklagte lehnte jedoch die Gewährung einer höheren Rente ab (Bescheid vom 29.4.1957).
Das Sozialgericht Freiburg wies die Klage ab (Urteil vom 19.9.1957). Das Landessozialgericht Baden-Württemberg wies - unter Zulassung der Revision - die Berufung des Klägers zurück: Für den Anspruch komme es auf Art. 2 § 15 Abs. 2 AnVNG an; die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien aber nicht erfüllt, weil der Kläger die freiwilligen Beiträge nicht, wie es das Gesetz verlange, "neben" Pflichtbeiträgen oder freiwilligen Beiträgen entrichtet habe; er könne deshalb eine über den gesetzlichen Höchstbetrag hinausgehende Rente nicht verlangen (Urteil vom 9.12.1958).
Der Kläger legte gegen das ihm am 20. Januar 1959 zugestellte Urteil am 19. Februar 1959 Revision ein mit dem Antrag, die vorausgegangenen Entscheidungen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm neben seiner Rente von 562,50 DM vom 1. Januar 1957 an monatlich eine Zusatzrente aus seiner Höherversicherung zu gewähren. Er begründete die Revision am 20. April 1959 (innerhalb der bis dahin verlängerten Revisionsbegründungsfrist), indem er die Verletzung der §§ 15, 31 und 33 des Art. 2 AnVNG und des § 38 AVG rügte. Nach seiner Meinung sind die Beiträge, die er über die für Pflichtbeiträge bestehende höchste Klasse hinaus freiwillig entrichtet hatte, als "neben" den Pflichtbeiträgen geleistete freiwillige Beiträge im Sinne des Art. 2 § 15 Abs. 2 AnVNG anzusehen und deshalb über die Höchstgrenze des Art. 2 § 33 AnVNG hinaus rentensteigernd zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragte die Zurückweisung der Revision.
Der Senat konnte über die Revision des Klägers ohne mündlich Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, weil sich beide Beteiligte mit der Durchführung eines schriftlichen Verfahrens einverstanden erklärt haben.
Die Revision ist zulässig, aber im Ergebnis unbegründet.
Der Kläger kann für die Zeit vom 1. Januar 1957 an keine höhere als die ihm gewährte Rente beanspruchen.
Es kann bei der Entscheidung des Rechtsstreits dahinstehen, ob Art. 2 § 15 Abs. 2 AnVNG dahin auszulegen ist, daß auch freiwillige Beiträge, die nicht gesondert neben den Pflichtbeiträgen, sondern zusammen mit diesen in einer den an sich zu zahlenden Pflichtbeitrag übersteigenden Klasse entrichtet worden sind, als Beiträge der Höherversicherung gelten, wie der Kläger entgegen der Auslegung des Landessozialgerichts meint. Denn Art. 2 § 15 AnVNG gilt, wie der Senat aus dem Wortlaut, Sinn und Zweck des Gesetzes geschlossen hat, nur für die Berechnung der sogenannten Zugangsrenten, d. h. der Renten, die nach der neuen Rentenformel zu berechnen sind, weil sie auf Versicherungsfällen nach dem 31. Dezember 1956 beruhen, nicht aber auch für die Berechnung der auf früheren Versicherungsfällen beruhenden Bestandsrenten (vgl. SozR Bl. Aa 1 Nr. 2 und Bl. A a 3 Nr. 3 zu Art. 2 § 34 ArVNG). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch gegenüber den Einwendungen des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit fest.
Zur Begründung seiner Rechtsauffassung ist der Senat in seinen früheren Entscheidungen von der unterschiedlichen Behandlung der Renten ausgegangen, die das AnVNG für Leistungen aus Versicherungsfällen vor seinem Inkrafttreten (Bestandsrenten) und aus Versicherungsfällen nach seinem Inkrafttreten (Zugangsrenten) vorschreibt. Bei der Berechnung der Zugangsrenten berücksichtigt die neue Rentenformel, die auf das wirkliche Arbeitseinkommen des Versicherten zurückgreifen und es in Beziehung zum durchschnittlichen Arbeitseinkommen aller Versicherten in den jeweiligen Zeitabschnitten setzen will, nur die sogenannten lohnbezogenen Beiträge des Versicherten; es läßt Beiträge außer Betracht, aus denen nicht auf die Höhe des wirklichen Einkommens geschlossen werden kann. Das sind alle diejenigen Beiträge, die unter § 38 AVG und Art. 2 § 15 Abs. 1 und 2 AnVNG fallen. Die Gegenleistungen für diese Beiträge werden nicht dem neuen Lohn- und Preisgefüge angepaßt ("dynamisiert" oder "aktualisiert"); für sie bleibt vielmehr der Steigerungsbetrag unverändert (§ 38 AVG). Für sie gilt deshalb auch nicht die Höchstgrenze, die nach § 32 Abs. 1 letzter Halbsatz AVG für die lohnbezogene Rentenberechnung maßgebend ist.
Anders als bei den Zugangsrenten legt aber das Gesetz der Umstellung der Bestandsrenten weder den erdienten Lohn noch die entrichteten Beiträge zugrunde, weil in der Regel nicht mehr festzustellen ist, wann und für welchen Zeitraum Beiträge entrichtet worden sind, sondern es benutzt ausschließlich den festgesetzten Steigerungsbetrag der Rente und den nach dem Geburtsjahr des Versicherten und dem Jahr des Rentenbeginns ermittelten Umstellungsfaktor (Art. 2 §§ 30, 31 AnVNG). In den hiernach maßgeblichen Betrag sind auch alle die (Teil-) Steigerungsbeträge eingegangen, die auf Beiträgen zur Höherversicherung nach dem Gesetz vom 14. März 1951 oder den nach Art. 2 § 15 Abs. 2 AnVNG bei Zugangsrenten wie Beiträge der Höherversicherung zu behandelnden Beiträgen beruhen, obwohl sie keinen. Rückschluß auf das Arbeitseinkommen erlauben. Diese Steigerungsbeträge sind bei den Bestandsrenten - im Gegensatz zu dem für die Zugangsrenten geltenden Grundsatz - in die "Dynamisierung" einbezogen worden, unterliegen daher aber gerechterweise auch der Höchstgrenze (Art. 2 § 33 AnVNG), wie die Zugangsrenten für den dynamisierten Teil nach § 32 Abs. 1 letzter Halbsatz AnVNG. Von dieser Höchstgrenze ausgenommen ist nur der auf Beiträge nach dem HöVG von 1951 entfallende Steigerungsbetrag. Denn nur diese Beiträge sind in jedem Fall nach Beitragshöhe und Zeitpunkt der Entrichtung besonders ausgewiesen worden; die entsprechenden Unterlagen wurden auch nach der Rentenfeststellung aufbewahrt, weil sie nicht nur nach ganz anderen Grundsätzen bewertet wurden als die übrigen Beiträge, sondern auch unter anderen Voraussetzungen zu Leistungen berechtigen. Für diese Beiträge allein reichen auch die Unterlagen zu einer Berechnung der Werte nach § 38 AnVNG aus, die ganz der Berechnung nach den entsprechenden Vorschriften des HöVG entspricht. Dies rechtfertigt auch ihre besondere Behandlung bei der Umstellung der Bestandsrente und ihre Herausnahme aus der Aktualisierung, soweit nicht bei der ersten Umstellung aus technischen Gründen anders verfahren werden mußte (vgl. SozR Bl. Aa 2 Nr. 2 zu Art. 2 § 32 ArVNG).
Dieses Ergebnis widerspricht weder höherrangigem Recht, noch erscheint es unbillig. Durch die Neuregelungsgesetze werden auch die auf früheren Versicherungsfällen beruhenden Renten in jedem Falle erhöht, so daß in erworbene Rechte nicht eingegriffen wird. Die Renten werden auch nach gleichen Maßstäben umgestellt, und zwar unabhängig davon, ob in Einzelfällen zufällig die Unterlagen noch vorhanden sind, aus denen sich ergibt, wann und für welchen Zeitraum die Versicherungsbeiträge entrichtet worden sind. Nur die Beiträge nach dem HöVG von 1951, für die diese Unterlagen in jedem Falle vorhanden sind, werden gesondert behandelt, soweit es die Technik des Umstellungsverfahrens und der späteren Rentenanpassungsgesetze zuläßt. Das Ergebnis entspricht auch nicht nur den technischen Notwendigkeiten einer schnellen, reibungslosen und gleichmäßigen Umstellung der Renten, sondern es ist auch für die überwiegende Mehrzahl aller Rentner mit Beiträgen, die bei Zugangsrenten unter Art. 2 § 15 Abs. 2 AnVNG fallen, günstiger, weil die Aktualisierung des ganzen Steigerungsbetrags zu höheren Werten führt, als wenn die unter Art. 2 § 15 Abs. 2 AnVNG und die entsprechenden Vorschriften des ArVNG fallenden Beiträge ausgesondert und nach den Vorschriften über die Höherversicherung bewertet würden.
Der Senat sah deshalb auch nach erneuter Prüfung keinen Anlaß, seine Auffassung aufzugeben, daß nach Art. 2 § 33 AnVNG neben dem Höchstbetrag der umgestellten Rente (ohne Kinderzuschuß) nur der auf die Beiträge der Höherversicherung nach dem Gesetz von 1951 und nicht auch der auf sonstige freiwillige Beiträge entfallende Steigerungsbetrag gewährt werden kann.
Die Revision des Klägers gegen das im Ergebnis richtige Urteil des Landessozialgerichts muß daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen