Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg bei Streit über die Umlage. Geltendmachung der Umlage gegenüber dem Konkursverwalter durch Beitragsbescheid. Verfassungsmäßigkeit der konkursrechtlichen Besserstellung der Sozialversicherungsträger. Masseschuldcharakter von Verzugszinsen (Säumniszuschlägen)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Vorschrift des § 186a Abs 3 S 1 AFG ist eine den Erfordernissen des Art 80 Abs 1 S 2 GG genügende Ermächtigungsgrundlage für die in § 3 Abs 2 der WinterbauUmlV über § 179 S 1 AFG enthaltene Verweisung auf § 28 RVO (in den bis zum 31.12.1980 geltenden Fassungen).

2. Die Bundesanstalt für Arbeit hat rückständige Winterbau-Umlage für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung als Masseschulden nach § 28 Abs 3 RVO iVm § 59 Abs 1 Nr 3 KO in der bis zum 30.6.1977 geltenden Fassung (jetzt § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO) durch einen Beitragsbescheid gegenüber dem Konkursverwalter geltend zu machen.

3. Bei Streit über die konkursrechtliche Behandlung rückständiger Winterbau-Umlage ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben.

 

Orientierungssatz

1. Der besondere Schutz der Winterbauumlage-Forderungen, der dadurch gewährt wird, daß sie zu Masseforderungen erklärt worden sind ist sachgerecht und verletzt nicht GG Art 3 Abs 1 und Art 14 Abs 2.

2. Masseschulden sind nicht nur die bis zur Eröffnung des Konkurses angefallenen Verzugszinsen nach § 397a Abs 2 RVO aF (jetzt Säumniszuschläge nach § 24 Abs 2 SGB 4), sondern auch solche, die erst für Zeiten nach diesem Zeitpunkt wegen rückständiger Beiträge oder Umlagen aus den letzten sechs Monaten vor der Konkurseröffnung angefallen sind.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 14 Abs. 2 Fassung: 1949-05-23; KO § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e Fassung: 1976-12-23, § 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e Fassung: 1976-12-23; RVO § 28 Abs. 3 Fassung: 1974-07-17, § 397a Abs. 2 Fassung: 1969-06-25; SGB 4 § 24 Abs. 2 Fassung: 1976-12-23; AFG § 186a; WinterbauUmlV § 3 Abs. 2 Fassung: 1972-07-13; AFG § 186a Abs. 3 S. 1, § 179 S. 1; GG Art. 80 Abs. 1 S. 2; SGG § 51 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Entscheidung vom 22.05.1980; Aktenzeichen V ARBf 29/79)

SG Hamburg (Entscheidung vom 06.03.1979; Aktenzeichen 2 AR 25/78)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch der Bundesanstalt für Arbeit (BA) auf Winterbau-Umlage für Winterbauförderung für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung Masseschuld ist und ob dazu auch der auf die Zeit nach Konkurseröffnung entfallende Anspruch auf Verzugszinsen zählt.

Der klagende Konkursverwalter wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 1977, mit dem die beklagte BA Umlage für Winterbauförderung einschließlich Einziehungspauschale, Säumniszuschlag und Verzugszinsen in Höhe von - jetzt noch - 12.256,32 DM als Masseschuld fordert. Diese Forderung ist in der Zeit vom 24. August 1975 bis zur Konkurseröffnung am 24. Februar 1976 entstanden. In einem während des Widerspruchsverfahrens ergangenen Bescheid vom 25. Oktober 1977 und einem während des Klageverfahrens ergangenen Bescheid vom 28. Dezember 1978 fordert sie - jetzt noch - 1.618,79 DM an Verzugszinsen für die Zeit nach Konkurseröffnung. Das Widerspruchsverfahren hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 1977).

Das Sozialgericht (SG) hat der Klage gegen die Bescheide wegen der nach Konkurseröffnung entstandenen Zinsforderungen stattgegeben. Die Klage gegen die Anforderung von 12.256,32 DM hat es hingegen abgewiesen (Urteil vom 6. März 1979). Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 22. Mai 1980).

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

Er rügt eine Verletzung des § 28 Abs 3 Reichsversicherungsordnung -RVO aF- idF des Gesetzes über Konkursausfallgeld -KaugG- vom 17. Juli 1974 - BGBl I 1481). Er meint, nur Beiträge im engeren Sinne, nicht aber auch Umlagen wie die Winterbauumlage seien durch das Kaug zur Masseschuld erhoben worden. Ferner hält er § 63 Nr 1 Konkursordnung (KO) für verletzt, wonach die seit der Eröffnung des Konkursverfahrens laufenden Zinsen nicht im Konkursverfahren geltend gemacht werden können. Hinsichtlich der für Februar 1976 zu zahlenden Umlage sei im übrigen kein Verzug festzustellen. Er habe wegen drohender Masseunzulänglichkeit nicht zahlen dürfen. Insoweit habe das LSG § 60 KO verletzt (Hinweis auf Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 31. Januar 1979 in: AP § 60 KO Nr 1). Es widerspräche dem Sinn von Säumniszulagen, sie von dem Konkursverwalter zu verlangen, solange die Masseunzulänglichkeit drohe. Schließlich wendet sich der Kläger dagegen, daß die Beklagte gegen ihn durch Verwaltungsakt statt mit der Feststellungsklage vorgeht. Insoweit hält er § 146 KO für verletzt.

Er beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG Hamburg vom 22. Mai 1980

aufzuheben, die Berufung der Beklagten gegen

das Urteil des SG Hamburg vom 6. März 1979 zurückzuweisen

und auf die Berufung des Klägers dieses Urteil in der

Weise abzuändern, daß auch die Bescheide der Beklagten

vom 14. Juni 1977 und vom 2. Dezember 1977 aufgehoben werden.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Sie ist zurückzuweisen.

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist schon deswegen gegeben, weil sich die Klage gegen Verwaltungsakte richtet, die gegenüber dem Kläger in Angelegenheiten der Sozialversicherung ergangen sind (§§ 51 Abs 1, 54 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Mit diesen Verwaltungsakten werden Umlagerückstände gefordert, die wie Beitragsrückstände einzuziehen sind (§§ 186a Abs 3 Satz 1, 179 Nr 2 des Arbeitsförderungsgesetzes -AFG-, § 28 Abs 3 RVO idF des KaugG, § 3 Abs 2 der Verordnung über die Umlage zur Aufbringung der Mittel für die produktive Winterbauförderung -Winterbauumlage-VO- vom 13. Juli 1972 - BGBl I 1201).

Das LSG hat auch zutreffend entschieden, daß die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers die Beklagte nicht daran hindern konnte, die Umlage durch Verwaltungsakt zu fordern. Die Eröffnung des Konkurses bewirkt, daß der Gemeinschuldner die Befugnis verliert, sein zur Konkursmasse (§ 1 KO) gehörendes Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht wird durch einen Konkursverwalter ausgeübt (§ 6 KO). Der Konkursverwalter tritt an die Stelle des Gemeinschuldners, sei es als Partei kraft Amtes, gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners oder Treuhänder (vgl Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO, 9. Aufl 1979 § 6 Anm 17). Träger der Konkursmasse bleibt jedoch der Gemeinschuldner (BGHZ 49, 11, 13). Den Konkursverwalter treffen die Rechte und Pflichten, die sich aus der Arbeitgeberstellung des Gemeinschuldners ergeben (Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, aaO, Anm 23). Er hat also ebenso wie der Gemeinschuldner die Beitragsforderungen eines Sozialversicherungsträgers zu erfüllen. Daher sind ihm wie zuvor dem Gemeinschuldner die Beitragsbescheide zuzustellen. Da er in die Rechte und Pflichten des Gemeinschuldners eintritt (RGZ 52, 405, 407), besteht auch ihm gegenüber die gleiche Interessenlage wie gegenüber dem Gemeinschuldner, dem gegenüber der Beitragsbescheid die Angaben enthalten muß, nach denen der Beitragsschuldner die Beitragsberechnung prüfen kann. Bereits das Reichsgericht (RGZ 56, 396, 398 ff) hat entschieden, daß Heranziehungsbescheide zu Gemeindeabgaben, Straßenanliegerbeträge, soweit sie zur Konkursmasse gehörende Grundstücke betreffen, wirksam nur gegen den Konkursverwalter ergehen können.

Bestreitet der Konkursverwalter die Berechtigung der mit dem Beitragsbescheid geltend gemachten Forderung, ist er im Streitverfahren Partei kraft Amtes. Er führt den Prozeß im eigenen Namen für fremde Rechnung. Werden Beitragsforderungen als Masseschulden nach § 28 Abs 3 RVO aF, § 59 Abs 1 Nr 3 KO aF geltend gemacht, sind sie in derselben Weise zu verfolgen wie die Forderungen gegen den Gemeinschuldner. Massegläubiger sind keine Konkursgläubiger. Ihre Forderungen unterliegen nicht den Vorschriften über Geltendmachung und Prüfung der Konkursforderungen (Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, aaO § 57 RdNr 4). Ihre Geltendmachung und Befriedigung vollzieht sich außerhalb des Konkursverfahrens. Das gilt für Beitragsforderungen von Sozialversicherungsträgern ebenso wie für privat- oder arbeitsrechtliche Forderungen. Daß es sich im Falle des § 28 Abs 3 RVO aF um Forderungen handelt, die schon vor Konkurseröffnung entstanden waren, steht nicht entgegen. Das hat der 8a Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 30. Oktober 1980 (8a RU 96/76 - SozR 2200 § 28 Nr 4 = ZIP 1981, 39) für Beitragsforderungen von Berufsgenossenschaften bereits entschieden. Es besteht kein Grund, Umlageforderungen, die wie Beitragsforderungen der Berufsgenossenschaften nur von den Arbeitgebern erhoben werden, anders zu beurteilen, zumal sie ebenso wie Beiträge beizutreiben sind und sich auch in ihrem Wesen nicht von Beiträgen unterscheiden. Der Streit über den Grund, die Höhe oder die Eigenschaft einer Umlageforderung als Masseschuld ist daher verfahrensrechtlich in derselben Weise anhängig zu machen, wie wenn der Konkurs über das Vermögen des Gemeinschuldners nicht eröffnet worden wäre.

Das LSG hat auch zutreffend entschieden, daß die angefochtenen Bescheide inhaltlich richtig sind.

Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, daß die Umlagerückstände für die letzten sechs Monate vor der Eröffnung des Konkursverfahrens zu Masseschulden erklärt worden sind. Die Ermächtigung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung -BMA- (§ 186a Abs 3 Satz 1 AFG), das Nähere über die Einziehung der Umlage für die produktive Winterbauförderung zu regeln, ist im Sinne des Art 80 Abs 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) hinreichend bestimmt und umfaßt die Befugnis, auf das Beitreibungsverfahren für die Beiträge im engeren Sinn zu verweisen, wie dies der BMA durch § 3 Abs 2 Winterbauumlage-VO getan hat (§ 179 Nr 1 AFG iVm § 28 Abs 3 RVO aF BSG, SozR 4230 § 3 Nr 1). Beitragsrückstände für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung sind später durch Gesetz zu Masseschulden erklärt worden (Art 2 § 4 KaugG). Insoweit ist Art 80 Abs 1 GG nicht in Betracht zu ziehen.

Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den besonderen Schutz der Winterbauumlage-Forderungen, der dadurch gewährt wird, daß sie zu Masseforderungen erklärt worden sind. Die konkursrechtliche Besserstellung der Sozialversicherungsträger gegenüber anderen Versicherungsträgern ist sachgerecht und keine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG. Das besondere öffentliche Interesse daran, daß die Finanzierung der Einrichtungen der Sozialversicherung gesichert wird, wird schon daran deutlich, daß die Träger der Sozialversicherung öffentlich-rechtliche Rechtsträger mit regelmäßiger Pflichtmitgliedschaft sind. Ob auch die Beitragsforderungen gegenüber freiwillig Versicherten konkursrechtlich besonders gesichert werden dürfen (BSGE 32, 263, 267), mag zweifelhaft sein. Jedenfalls ist aber ein besonderer Schutz dann gerechtfertigt, wenn es sich, wie hier, um Forderungen zur Finanzierung einer nur auf Pflichtbeiträge beruhenden Versicherungseinrichtung handelt. Daß die Winterbauförderung auch die Arbeitgeber begünstigt (§§ 77 bis 79 AFG) und daß nur von ihnen (§ 186a AFG) Beiträge erhoben werden, ist ebenso wie in der gesetzlichen Unfallversicherung ohne Bedeutung (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 30. April 1981 - 8/8a RU 42/80 - zur Veröffentlichung bestimmt. Art 14 GG ist nicht verletzt. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art 14 Abs 2 GG) rechtfertigt es, daß infolge des besonderen Schutzes der Umlageforderungen andere Forderungen im Konkurs weniger Aussicht auf Befriedigung haben.

Zutreffend hat das LSG auch entschieden, daß die streitigen Verzugszinsen für die Zeit seit der Eröffnung des Konkurses Masseschulden im Sinne des hier noch anzuwendenden § 28 Abs 3 RVO aF sind. Der Gemeinschuldner hatte bei Eröffnung des Konkurses die in den voraufgegangenen sechs Monaten fälligen Winterbauumlagen (§ 186a AFG) nicht gezahlt.

Wie der 12. Senat des BSG (SozR 4230 § 3 Nr 1) bereits entschieden hat, gehörten zu den Rückständen, die nach § 28 Abs 3 RVO in der bis zum 17. Juli 1974 geltenden Fassung das Konkursvorrecht des § 61 Nr 1 KO aF genossen, neben der Winterbauumlage und der Pauschale nach § 186a Abs 2 Satz 3 AFG auch die durch die Säumnis entstandenen Nebenkosten wie Säumniszuschläge und Verzugszinsen (§ 397a Abs 1 und 2 RVO aF) sowie die Kosten für Mahnungen. Das folgt aus der Verweisung in § 3 Abs 2 der Winterbauumlage-VO auf § 179 AFG, wo wiederum wegen der Beitreibung rückständiger Beiträge auf § 28 RVO aF verwiesen war. Mit der Neufassung des § 28 Abs 3 RVO durch das KaugG (Art 2 § 4) ist eine Änderung der Rechtslage nur insoweit eingetreten, als Rückstände für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung nunmehr Masseschulden wurden. Der Begriff der Rückstände hat sich dadurch inhaltlich jedoch nicht geändert (vgl dazu die eingehende Begründung des 2. Senats in BSGE 49, 276 ff). Der erkennende Senat schließt sich nach eigener Prüfung der Auffassung des 2. Senats (aaO) an. Insbesondere die erneute Änderung des § 28 RVO und der §§ 59 und 61 KO durch das Sozialgesetzbuch -Gemeinsame Vorschriften- (SGB 4) - Art 2 § 1 Nr 1a: § 10 Nr 1 und 2 - stellte klar, welche Ansprüche der Sozialversicherungsträger im Konkurs Masseschulden und bevorrechtigte Konkursforderungen sind. § 28 Abs 3 RVO wurde gestrichen, dem § 59 Abs 1 Nr 3 KO wurde ein Buchstabe e und dem § 61 Abs 1 Nr 1 KO ebenfalls ein Buchstabe e angefügt. Hier sind jetzt ausdrücklich Säumniszuschläge und Umlagen genannt. Materiell-rechtlich hat sich hiermit ebenfalls nichts geändert. Es sollte lediglich das materielle Konkursrecht, soweit es die Ansprüche der Sozialversicherungsträger betrifft, systematisch richtiger aus der RVO in die KO übernommen werden (vgl die Begründung zum Regierungsentwurf in BR-Drucks 300/75 zu Art II § 1 -S 39- und Art III § 10 -S41-). Daß neben den Säumniszuschlägen Verzugszinsen nicht erwähnt sind, hat seinen Grund in der Streichung des § 397a RVO, an dessen Stelle § 24 SGB 4 getreten ist, der nur noch Säumniszuschläge kennt (vgl auch die Urteile des erkennenden Senats vom 5. Juni 1981 - 10 RAr 4/81 - und - 10 RAr 8/81 -).

Die Einführung der Insolvenzversicherung (§§ 141 a bis m AFG) rechtfertigt es nicht, die vom Gesetzgeber ausdrücklich zu Masseschulden erklärten Ansprüche der Versicherungsträger dahin unterschiedlich zu behandeln, daß einzelne Rückstände nicht das Privileg der Masseschulden genießen, sondern, wie der Kläger meint, "Supervorrechte" sind. Es muß dem Gesetzgeber überlassen bleiben, welche Qualität er einzelnen Forderungen im Konkursfall verleiht. Es würde dem jetzt in § 59 Abs 1 Nr 3e KO deutlich zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen widersprechen, wollte man etwa die Winterbauumlage oder die Säumniszuschläge nicht zu den Masseschulden rechnen. Im übrigen treffen die Ausführungen des 2. Senats (aaO, 280 bis 283) in Bezug auf die Beitragsrückstände zur gesetzlichen Unfallversicherung im System der §§ 59 und 61 KO ebenso für die übrigen in § 59 Abs 1 Nr 3e KO genannten Ansprüche zu. Es widerspricht nicht zwingend der Systematik des Konkursverfahrens, wenn das Gesetz auch alle Ansprüche der Sozialversicherungsträger gleichrangig mit denen der Arbeitnehmer konkurrieren läßt.

Masseschulden sind nicht nur die bis zur Eröffnung des Konkurses angefallenen Verzugszinsen nach § 397a Abs 2 RVO aF (jetzt Säumniszuschläge nach § 24 Abs 2 SGB 4), sondern auch solche, die erst für Zeiten nach diesem Zeitpunkt wegen rückständiger Beiträge oder Umlagen aus den letzten sechs Monaten vor der Konkurseröffnung angefallen sind. § 28 Abs 3 RVO idF des KaugG spricht zwar von Rückständen für die letzten sechs Monate vor Eröffnung des Konkursverfahrens oder vor dem Ableben des Gemeinschuldners. Hinsichtlich der Nebenforderungen, also vor allem der Verzugszinsen, wird dadurch aber nur die Hauptforderung zeitlich begrenzt. Deutlicher kommt das in der Fassung des § 59 KO durch das SGB 4 zum Ausdruck: "Masseschulden sind: ... 3. wegen der Rückstände für die letzten sechs Monate ... die Ansprüche ... e) der Träger der Sozialversicherung ... einschließlich Säumniszuschläge und auf Umlagen".

Durch die Eröffnung des Konkurses werden die Ansprüche der Gläubiger des Gemeinschuldners insoweit beeinträchtigt, als sie nur in der Reihenfolge und mit den Quoten der KO berichtigt werden. War der Gemeinschuldner bei Konkurseröffnung im Verzug, so wird dieser mit der Konkurseröffnung nicht beseitigt. Auch während des Konkursverfahrens können Verzugszinsen anfallen (Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO, 9. Aufl 1979, § 63 Anm 2). § 62 Nr 3 KO setzt die bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelaufenen Zinsen an derselben Stelle wie die Kapitalforderung an. Nach § 63 Nr 1 KO dagegen können im Konkursverfahren die seit dem Eröffnungsverfahren laufenden Zinsen nicht geltend gemacht werden. Das betrifft aber nur Zinsen von Konkursforderungen, nicht aber auch von Masseansprüchen (Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, aaO). Nicht berührt werden auch die Zinsansprüche, die in der Zeit entstanden sind, in der der Kläger die Erfüllung auch von Masseforderungen zeitweise nach § 60 Abs 1 KO verweigern konnte. Die von Kilger in Böhle/Stamschräder, KO, 13. Aufl 1981 zu § 63 Anm 2 vertretene Auffassung, Zinsen für Masseschulden im Sinne von § 59 Abs 1 Nr 3 KO seien ebenfalls nicht im Konkurs geltend zu machen, beruht auf seiner Auffassung die Ansprüche der Arbeitnehmer und der Sozialversicherungsträger seien ihrem rechtlichen Charakter nach Konkursforderungen und lediglich im Rang des § 59 Abs 1 Nr 3 zu befriedigen (aaO, § 3 Anm 1b). Wie oben ausgeführt, teilt der erkennende Senat in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG diese Auffassung aber nicht. Die hier streitigen Verzugszinsen sind daher von der Beklagten zutreffend als Masseschulden mit dem angefochtenen Bescheid gegen den Kläger als Konkursverwalter geltend gemacht worden (vgl das Urteil des 8a Senats vom 30. Oktober 1980 - 8a RU 96/79 -, SozR 2200 § 28 Nr 4 = ZIP 1981, 39).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1656752

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