Leitsatz (redaktionell)

Für die nach dem 1.1.1971 erfolgten Unternehmensabgaben erfordert eine Abgabe "zum Zwecke der Strukturverbesserung" außer der mindestens einjährigen landwirtschaftlichen Unternehmereigenschaft des Erwerbers, Pächters oder sonstigen Nutzungsberechtigten zusätzlich, daß das von ihm bewirtschaftete landwirtschaftliche Unternehmen während des letzten Jahres vor der Abgabe mindestens das Doppelte der nach GAL § 1 Abs 4 (Fassung: 1965-09-14) festgesetzten Einheitswertmindesthöhe erreicht hatte oder durch die Landaufnahme mindestens das Dreifache dieser Mindesthöhe erreichte.

 

Orientierungssatz

Ein Antrag auf Landabgaberente, dem nach dem 4. ÄndG GAL nicht stattgegeben werden konnte, ist nach Inkrafttreten des ASEG uU auch nach Inkrafttreten des 6. ÄndG GAL erneut zu überprüfen, auch wenn dies nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist (Bestätigung von BSG 1973-01-17 11 RLw 8/72 = BSGE 35, 115-119).

 

Normenkette

GAL § 41 Abs. 1 Buchst. c Fassung: 1969-07-29, § 42 Abs. 1 Buchst. a Fassung: 1970-12-21, Abs. 1 Fassung: 1972-07-26, Abs. 1 Fassung: 1969-07-29; ASEG Art. 1 § 1 Nr. 6 Buchst. b; GAL § 1 Abs. 4 Fassung: 1965-09-14

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. September 1972 insoweit aufgehoben, als dadurch über den Anspruch auf Landabgaberente für die Zeit ab 1. Oktober 1971 entschieden worden ist; insoweit wird der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Landabgaberente.

Der am 6. Dezember 1901 geborene Kläger verpachtete sein 8,6920 ha landwirtschaftliche Nutzfläche umfassendes Unternehmen (durchschnittlicher Hektarsatz 1.815,- DM; festgesetzte Einheitswertmindesthöhe 5.440,- DM) für die Zeit vom 1. November 1969 bis 31. Oktober 1981 parzellenweise ohne Einräumung von Vorkaufsrechten an sechs verschiedene Pächter. Einer von ihnen, der Landwirtschaftsmeister Helmut G, war seit dem 1. August 1969 landwirtschaftlicher Unternehmer. Die Beklagte lehnte deshalb den Antrag des Klägers auf Gewährung von Landabgaberente mit Bescheid vom 29. Januar 1971 ab. Mit der Klage begehrte der Kläger Rentengewährung ab 1. August 1970. Er schloß am 1. August 1971 mit Helmut G hinsichtlich des diesem verpachteten Landstücks von 1,2080 ha einen neuen Pachtvertrag und räumte mit Urkunden vom 24. August, 30. August und 15. Oktober 1971 allen Pächtern entsprechende Vorkaufsrechte ein. Das Sozialgericht (SG) gab der Klage ab 1. Januar 1971 statt (Urteil vom 19. Oktober 1971). Auf die Berufung der Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil auf und wies die Klage ab (Urteil vom 27. September 1972). Nach seiner Auffassung reicht hier die nachträgliche Einräumung eines Vorkaufsrechts nicht aus. Auch die spätere Änderung der in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften führe mangels entsprechender, eine Rückwirkung vorsehender Übergangsbestimmungen zu keinem anderen Ergebnis.

Mit der zugelassenen Revision beantragt der Kläger,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.

Er rügt eine Verletzung materiellen Rechts. Das LSG hätte keine Bedenken gegen die Qualifikation des Landwirtschaftsmeisters G aufkommen lassen und die nachträgliche Einräumung der Vorkaufsrechte nicht als verspätet bezeichnen dürfen. Wann die Einräumung solcher Rechte erfolge, sei gesetzlich nicht geregelt. Er müsse deshalb hach dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (GG) so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn er heute nach den jetzt geltenden gesetzlichen Vorschriften Leistungen von der Beklagten begehre.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als es sich um den Anspruch auf Landabgaberente für die Zeit ab 1. Oktober 1971 handelt. Insoweit muß der Rechtsstreit zu neuer Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.

Gesetzliche Grundlage des geltend gemachten Rentenanspruchs sind die §§ 41, 42 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL). Beide Vorschriften sind seit der 1969 erfolgten Einführung der Landabgaberente im Interesse einer flexibleren und damit praktikableren Handhabung (vgl. Begründung zum Entwurf GAL 1972, BT-Drucks. VI/3463 S. 10/11 zu Nr. 17) mehrfach geändert worden. Entgegen der Auffassung des LSG ist deshalb trotz fehlender Rückwirkungsvorschriften auch zu prüfen, ob diese Gesetzesänderungen den Klageanspruch rechtfertigen (BSG 3, 234, 237; 12, 127, 129; 15, 239, 243). Denn Ziel der von vornherein als neuartige, zeitlich begrenzte agrarstrukturelle Sonderregelung gedachten Rentengewährung ist es, die Inhaber unrentabler oder auch nur nicht mehr entwicklungsfähiger landwirtschaftlicher Klein- und Kleinstbetriebe zur freiwilligen Aufgabe ihrer landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und damit zur Landabgabe zu bewegen, um die dadurch frei werdenden landwirtschaftlichen Nutzflächen möglichst vieler derartiger Betriebe zwecks Verbesserung der Agrar-, der Infra- und der regionalen Wirtschaftsstruktur in entwicklungsfähigen Vollerwerbsbetrieben aufgehen zu lassen (vgl. Begründung zum Entwurf GAL 1969, BT-Drucks. V/3970 S. 15 zu Nr. 8, S. 6 zu § 41 Abs. 1; Ausschußempfehlung, BR-Drucks. 83/1/69 S. 2 AS 3, S. 5 Nr. 6 Begründung Abs. 1; Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf GAL 1971, BT-Drucks. VI/945 Anlage Nr. 2). Es wäre deshalb unverständlich und ist nicht einzusehen, daß ein Unternehmer, der sich schon frühzeitig entschloß, durch Abgabe seines Unternehmens zu einer solchen landwirtschaftlichen Strukturverbesserung beizutragen, hinsichtlich der Rentengewährung möglicherweise schlechter gestellt sein sollte, als jene Unternehmer, die - vielleicht lediglich angereizt durch die Aussicht auf den Rentenbezug - erst später bereit gewesen sind, an dem im Interesse der Allgemeinheit liegenden landwirtschaftlichen Strukturwandel mitzuwirken. Dementsprechend hat der Senat auch schon im Urteil vom 17. Januar 1973 (SozR Nr. 1 zu § 41 GAL 1965) entschieden, daß ein vor dem 1. Oktober 1972 geltend gemachter, nach damaligem Recht aber unbegründeter Landabgaberentenanspruch für die Zeit ab 1. Oktober 1972 nach dem nun geltenden Recht auf seine Berechtigung zu prüfen ist. Auch damals konnte der Anspruch nach Wegfall des Erfordernisses der Vorkaufsrechtseinräumung begründet sein.

Nach § 41 Abs. 1 Buchst. c GAL setzt die Gewährung der Landabgaberente voraus, daß der Rentenbewerber seine landwirtschaftlichen Unternehmen "zum Zwecke der Strukturverbesserung abgegeben hat". An dieser Anspruchsvoraussetzung hat sich seit Einführung der Landabgaberente nichts geändert; § 41 Abs. 1 Buchst. c GAL ist von den bisherigen Gesetzesänderungen nicht erfaßt worden. Wann "eine Abgabe zum Zwecke der Strukturverbesserung" im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, das ergibt sich aus § 42 GAL. Nach dessen ursprünglicher, im Vierten Änderungs- und Ergänzungsgesetz vom 29. Juli 1969 (GAL 1969; BGBl I, 1017) enthaltenen Fassung war aber eine Verpachtung nur dann eine Abgabe "zum Zwecke der Strukturverbesserung", wenn "in dem Pachtvertrag ... dem Pächter ... für die Dauer des Vertrages ein Vorkaufsrecht eingeräumt" worden war. Durch das am 1. Januar 1971 in Kraft getretene Fünfte Änderungs- und Ergänzungsgesetz (GAL 1971; BGBl I, 1774) sind die Worte "in dem Pachtvertrag" ersatzlos gestrichen worden (vgl. Art. 1 § 1 Nr. 6 Buchst. b des agrarsozialen Ergänzungsgesetzes - ASEG - vom 21. Dezember 1970; BGBl I, 1774). Das am 1. Oktober 1972 in Kraft getretene Sechste Änderungs- und Ergänzungsgesetz vom 26. Juli 1972 (GAL 1972; BGBl I, 1293) schließlich hat auf das Erfordernis der Einräumung eines Vorkaufsrechts überhaupt verzichtet. Der Kläger könnte mithin sein landwirtschaftliches Unternehmen frühestens am 15. Oktober 1971 "zum Zwecke der Strukturverbesserung" abgegeben haben; denn er hat den Pächtern die Vorkaufsrechte nicht schon in den im Herbst 1969 abgeschlossenen Pachtverträgen, sondern erst später mit Urkunden eingeräumt, deren letzte vom 15. Oktober 1971 datiert (vgl. BSG in SozR Nr. 1 zu § 41 GAL 1965).

Zu diesem Zeitpunkt erfüllte zwar auch der Pächter G die nach der ursprünglichen Fassung des § 42 Abs. 1 Buchst. a GAL für eine Abgabe "zum Zwecke der Strukturverbesserung" erforderliche weitere Voraussetzung einer mindestens einjährigen landwirtschaftlichen Unternehmereigenschaft; nach den Feststellungen des LSG war er bereits seit dem 1. August 1969 landwirtschaftlicher Unternehmer i. S. des § 1 GAL. Für die nach dem 1. Januar 1971 erfolgten Unternehmensabgaben war diese Anspruchsvoraussetzung aber inzwischen durch das an diesem Tage in Kraft getretene GAL 1971 erschwert worden; eine Abgabe "zum Zwecke der Strukturverbesserung" erforderte insoweit jetzt außer der mindestens einjährigen landwirtschaftlichen Unternehmereigenschaft des Erwerbers, Pächters oder sonstigen Nutzungsberechtigten zusätzlich noch, daß das von ihm bewirtschaftete landwirtschaftliche Unternehmen "während dieser Zeit", d. h. also während des letzten Jahres vor der Abgabe mindestens das Doppelte der nach § 1 Abs. 4 GAL festgesetzten Einheitswertmindesthöhe erreicht hatte oder durch die Landaufnahme mindestens das Dreifache dieser Mindesthöhe erreichte (§ 42 Abs. 1 Buchst. a GAL 1971; vgl. Art. 1 § 1 Nr. 6 Buchst. a, § 2 ASEG).

Hinsichtlich dieser zusätzlichen Anspruchsvoraussetzung fehlen im Urteil des LSG bezüglich aller sechs an der Abgabe beteiligten Pächter tatsächliche Feststellungen; der Senat als Revisionsgericht kann diese Feststellungen nicht von sich aus treffen. Der Rechtsstreit mußte deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das LSG zurückverwiesen werden, soweit der Kläger Landabgaberente ab 1. Oktober 1971 begehrt. Im übrigen - für die Zeit bis 30. September 1971 - war dagegen das die Klage abweisende Urteil des LSG zu bestätigen.

Sollte das LSG aufgrund seiner weiteren Ermittlungen zu dem Ergebnis gelangen, daß infolge Nichterfüllung der erforderlichen Voraussetzungen eine Abgabe "zum Zwecke der Strukturverbesserung" nach dem bis zum 30. September 1972 in Geltung gewesenen Recht nicht erfolgt ist, wird es die Berechtigung des geltend gemachten Rentenanspruchs auch aufgrund des am 1. Oktober 1972 in Kraft getretenen GAL 1972 zu prüfen haben, weil durch dieses Gesetz der § 42 Abs. 1 völlig neu gefaßt worden ist.

Bei seiner neuen Entscheidung hat das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1648006

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