Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Landabgaberente
Leitsatz (redaktionell)
Ein vor dem 1.10.1972 geltend gemachter, nach dem damaligen Recht aber unbegründeter Landabgaberentenanspruch ist für die Zeit nach der Änderung des GAL 1965 nach dem nun geltenden Recht auf seine Berechtigung zu prüfen.
Orientierungssatz
Auslegung der Worte "landwirtschaftlicher Unternehmer" in GAL § 41 Abs 1.
Normenkette
GAL § 41 Abs. 1
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. April 1973 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Landabgaberente.
Der am 15. Juli 1906 geborene Kläger verpachtete sein ca. 8 ha großes landwirtschaftliches Unternehmen am 26. September 1969 für die Zeit vom 1. Oktober 1969 bis 31. Juli 1980 ohne Einräumung eines Vorkaufsrechts an seinen Bruder, der seit 1958 ein ca. 11 ha großes Unternehmen bewirtschaftete. Die Beklagte gewährte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 20. November 1969 vorzeitiges Altersgeld.
Am 19. Januar 1971 räumte der Kläger seinem Bruder das Vorkaufsrecht ein und verlängerte mit Vertrag vom 1. Februar 1971 die Pachtzeit bis zum 31. Oktober 1980. Sein Bruder verkaufte dann sein eigenes Unternehmen mit Wirkung vom 1. April 1971 an seinen Sohn, der gleichzeitig auch das Land des Klägers übernahm. Die Beklagte gewährte dem Bruder des Klägers ab 1. April 1971 vorzeitiges Altersgeld. Den Antrag des Klägers, ihm ab 1. Februar 1971 Landabgaberente zu gewähren, lehnte sie mit Bescheid vom 2. April 1971 ab: Der Kläger habe sein Unternehmen nicht zum Zwecke der Strukturverbesserung abgegeben. Das Sozialgericht (SG) verurteilte die Beklagte, dem Kläger ab 1. Februar 1971 Landabgaberente zu zahlen. Ihre Berufung hatte keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) meint, da der Kläger seinem Bruder am 19. Januar 1971 das Vorkaufsrecht eingeräumt hat, habe er im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Pachtvertrages am 1. Februar 1971 alle Voraussetzungen erfüllt, die zur Erlangung des Anspruchs auf Gewährung von Landabgaberente erforderlich sind. Der Einwand der Beklagten, der Kläger könne keine Landabgaberente erhalten, weil sein Bruder sein eigenes Unternehmen einschließlich der vom Kläger gepachteten Flächen bereits am 1. April 1971 an seinen Sohn abgegeben habe und von diesem Zeitpunkt an selbst vorzeitiges Altersgeld erhalte, sei nicht gerechtfertigt. Die Beklagte lasse außer acht, daß der Kläger sein Unternehmen in nicht zu beanstandender Weise an seinen Bruder und nicht an dessen Sohn abgegeben habe. Das Gesetz stelle nur darauf ab, daß die sachlichen Voraussetzungen der Landabgaberente im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs vorliegen; die weitere Entwicklung des Unternehmens nach der Abgabe sei ebenso bedeutungslos wie die Beweggründe, die den Landwirt im einzelnen zur Abgabe veranlaßt haben.
Mit der zugelassenen Revision beantragt die Beklagte,
die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie rügt Verletzung materiellen Rechts. Nach § 41 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) erhalte Landabgaberente nur derjenige, der im Zeitpunkt der strukturverbessernden Abgabe landwirtschaftlicher Unternehmer sei. Das treffe auf den Kläger nicht zu, denn er habe sein Unternehmen bereits 1969 abgegeben, sei also im Februar 1971 nicht mehr landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen.
Der Kläger ist vor dem Bundessozialgericht (BSG) nicht vertreten; er hat sich jedoch, ebenso wie die Beklagte, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Grundlage des geltend gemachten Rentenanspruchs sind die §§ 41, 42 GAL. Nach diesen Vorschriften kommt es für die Gewährung von Landabgaberente u. a. darauf an, daß der Kläger sein landwirtschaftliches Unternehmen zum Zwecke der Strukturverbesserung abgegeben hat. Diese hier allein noch streitige Voraussetzung war im Januar 1971 erfüllt.
Die §§ 41, 42 GAL sind seit der 1969 erfolgten Einführung der Landabgaberente mehrfach geändert worden. Diese Änderungen haben zwar die Voraussetzung, daß das landwirtschaftliche Unternehmen zum Zwecke der Strukturverbesserung abgegeben worden sein muß (§ 41 Abs. 1 Buchst. c GAL), nicht erfaßt. Wann eine solche Abgabe vorliegt, das ergibt sich aber aus § 42 GAL. Nach dessen ursprünglicher, im 4. Änderungs- und Ergänzungsgesetz vom 29. Juli 1969 (GAL 1969; BGBl I, 1017) enthaltenen Fassung war eine Verpachtung nur dann eine Abgabe "zum Zwecke der Strukturverbesserung", wenn "in dem Pachtvertrag ... dem Pächter ... für die Dauer des Vertrages ein Vorkaufsrecht eingeräumt" worden war. Durch das am 1. Januar 1971 in Kraft getretene 5. Änderungs- und Ergänzungsgesetz (GAL 1971; BGBl I, 1774) sind die Worte "in dem Pachtvertrag" ersatzlos gestrichen worden (vgl. Art. 1 § 1 Nr. 6 Buchst. b des Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes - ASEG - vom 21. Dezember 1970, BGBl I, 1774). Das am 1. Oktober 1972 in Kraft getretene 6. Änderungs- und Ergänzungsgesetz vom 26. Juli 1972 (GAl 1972; BGBl I, 1293) schließlich hat auf das Erfordernis der Einräumung eines Vorkaufsrechts überhaupt verzichtet. In dem hier maßgebenden Zeitpunkt (Februar 1971) lag bei einer Verpachtung eine Abgabe zum Zwecke der Strukturverbesserung demnach vor, wenn das landwirtschaftliche Unternehmen im Sinne des § 2 GAL wirksam abgegeben und dem Pächter für die Dauer des Pachtvertrages ein Vorkaufsrecht eingeräumt worden war, wobei im Gegensatz zu früher die Einräumung des Vorkaufsrechtes nicht mehr in dem Pachtvertrag selbst erfolgen mußte, sondern auch unabhängig davon in einem besonderen Vertrag vorgenommen werden konnte. Auch den Zeitpunkt der Einräumung bestimmte das GAL 1971 nicht. Die Einräumung des Vorkaufsrechtes konnte also der Abgabe (im Sinne des § 2 GAL) zu irgend einer Zeit nachfolgen. Allerdings qualifizierte sich dann diese Abgabe erst mit der Einräumung des Vorkaufsrechts zu einer solchen zum Zwecke der Strukturverbesserung. Die vom Kläger schon im Oktober 1969 wirksam durchgeführte Abgabe seines Landwirtschaftlichen Unternehmens erlangte deshalb erst im Januar 1971 diese Qualifikation. Dabei ist ohne Bedeutung, daß hier von den beiden für eine wirksame Abgabe zum Zwecke der Strukturverbesserung erforderlichen Handlungen - der Abgabe im Sinne des § 2 GAL und der Einräumung des Vorkaufsrechts- die eine vor, die andere aber erst nach dem Inkrafttreten des GAL 1971 vorgenommen worden ist. Die seit 1969 erfolgten Änderungen der §§ 41, 42 GAL bezweckten nämlich eine flexiblere und damit praktikablere Handhabung (vgl. Begründung zum Entwurf GAL 1972, BT-Drucks. VI/3463 S. 10/11 zu Nr. 17). Wie der erkennende Senat schon in seinem Urteil vom 5. Juli 1973 - 11 RLw 21/72 - entschieden hat, ist deshalb trotz fehlender Rückwirkungsvorschriften auch zu prüfen, ob diese Gesetzesänderungen den Klageanspruch von ihrem Inkrafttreten an rechtfertigen (BSG 3, 234, 237; 12, 127, 129; 15, 239, 24). Der Senat hat hierzu auf das Ziel der als neuartige, agrarstrukturelle Sonderregelung gedachten Gewährung von Landabgaberente hingewiesen, die Inhaber landwirtschaftlicher Klein- und Kleinstunternehmen zur freiwilligen Aufgabe ihrer landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und damit zur Landabgabe zu bewegen, um die dadurch frei werdenden landwirtschaftlichen Nutzflächen möglichst vieler derartiger Betriebe zwecks Verbesserung der Agrar- der Infra- und der regionalen Wirtschaftsstruktur in entwicklungsfähigen Vollerwerbsbetrieben aufgehen zu lassen (vgl. Begründung zum Entwurf GAL 1969, BT-Drucks. V/3970 S. 15 zu Nr. 8, S. 6 zu § 41 Abs. 1; Ausschußempfehlung, BR-Drucks. 83/1/69 S. 2 AS 3, S. 5 Nr. 6 Begründung Abs. 1; Stellungnahme des BR zum Entwurf GAL 1971, BT-Drucks. VI/945 Anl. Nr. 2). Angesichts dieses Zieles wäre es - so hat der Senat in dem genannten Urteil ausgeführt - unverständlich und deshalb nicht einzusehen, daß ein Unternehmer, der sich schon frühzeitig entschloß, durch Abgabe seines Unternehmens zu einer landwirtschaftlichen Strukturverbesserung beizutragen, hinsichtlich der Rentengewährung möglicherweise schlechter gestellt sein sollte als jene Unternehmer, die erst später bereit gewesen sind, an dem im Interesse der Allgemeinheit liegenden landwirtschaftlichen Strukturwandel mitzuwirken. Dementsprechend hat der Senat auch schon in einem Urteil vom 17. Januar 1973 (SozR Nr. 1 zu § 41 GAL 1965) entschieden, daß ein vor einer Änderung des GAL, doch vor dem 1. Oktober 1972 geltend gemachter, nach damaligem Recht aber unbegründeter Landabgaberentenanspruch für die Zeit nach der Änderung des GAL, doch ab 1. Oktober 1972 nach dem nun geltenden Recht auf seine Berechtigung zu prüfen ist. An dieser Rechtsprechung wird festgehalten.
Nach alledem ist der vom Kläger geltend gemachte Rentenanspruch begründet.
Dem steht auch nicht - wie die Beklagte meint - entgegen, daß in § 41 GAL von einem "landwirtschaftlichen Unternehmer", nicht aber, wie in § 1 Abs. 1 GAL, von einem "ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmer" die Rede ist. Die Beklagte übersieht, daß § 41 die Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Landabgaberente festlegt, insoweit also nicht dem § 1, sondern dem § 2 GAL entspricht, der die Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung des Altersgeldes aufzählt. § 2 aber spricht ebenso wie § 41 lediglich von einem "landwirtschaftlichen Unternehmer". Abgesehen hiervon besteht zwischen einem "landwirtschaftlichen Unternehmer" und einem "ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmer" insoweit ohnehin kein Unterschied. Die Gewährung von Landabgaberente setzt ebenso wie die Gewährung des Altersgeldes stets die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens (im Sinne von § 2 GAL) voraus; ein Unternehmer, der sein Unternehmen abgegeben hat, ist aber stets ein "ehemaliger Unternehmer". Deshalb kann entgegen der Auffassung der Beklagten die Unternehmereigenschaft auch nur bis zu der ersten der beiden für eine wirksame Abgabe zum Zwecke der Strukturverbesserung erforderlichen Handlungen, also bis zu der Abgabe im Sinne des § 2 GAL gefordert werden.
Die Beklagte beanstandet das Urteil des LSG mithin zu Unrecht; ihre Revision muß deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen