Leitsatz (amtlich)
Rentner iS AVG § 21a Abs 1 (= RVO § 1244a Abs 1) ist derjenige, in dessen Person die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Bescheides über die Bewilligung einer laufenden Rentenleistung erfüllt sind, vom Zeitpunkt der Erfüllung dieser Voraussetzungen an. Nicht maßgebend für den Begriff des Rentners sind die Zeitpunkte des Beginns der Rentenbezugszeit oder des tatsächlichen Beginns laufender Rentenleistungen.
Normenkette
AVG § 21a Abs. 1 Fassung: 1959-07-23; RVO § 1244a Abs. 1 Fassung: 1959-07-23
Verfahrensgang
SG Regensburg (Entscheidung vom 15.06.1977; Aktenzeichen S 2 An 200/75) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 15. Juni 1977 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Ersatz der Aufwendungen für eine Tuberkulosebehandlung des am 20. Juli 1975 verstorbenen Stefan M (M.).
M. beantragte am 11. Februar 1960 bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Niederbayern-Oberpfalz die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente). Er war bereits vor dem Zeitpunkt der Antragstellung an aktiver Tuberkulose erkrankt und wurde wiederholt u.a. im Zentralkrankenhaus G auf Kosten des Klägers behandelt. Mit Schreiben vom 18. Mai 1960 meldete der Kläger bei der LVA seinen Ersatzanspruch an.
Mit Bescheiden vom 21. Mai und 21. August 1963 lehnte die Beklagte als zuständiger Leistungsträger den Rentenantrag des M. ab, weil mit den in der deutschen Angestelltenversicherung zu berücksichtigenden 59 Monatsbeiträgen die Wartezeit nicht erfüllt sei und die in den Jahren 1944 und 1945 in Österreich zurückgelegten Versicherungszeiten (12 Monate) bei der Berechnung der Wartezeit nicht berücksichtigt werden könnten.
Nach dem Inkrafttreten (1. November 1969) des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit vom 22. Dezember 1966 (BGBl II 1969, 1235) (DÖSVA) entschied die Beklagte mit Bescheiden vom 13. Mai 1975 erneut über die Rentenansprüche des M. Sie bewilligte ihm rückwirkend ab 1. Februar 1960 EU-Rente und stellte diese gemäß Ziffer 19 Buchst. b) Nr 3 b) des Schlußprotokolls zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 22. Dezember 1966 (BGBl II 1969, 1247) für die Bezugszeit ab 1. Januar 1967 neu fest.
Mit Schreiben vom 27. Mai 1975 verlangte der Kläger von der Beklagten die Erstattung der in der Zeit vom 11. Oktober 1960 bis zum 29. Juni 1970 für die Behandlung des M. im Zentralkrankenhaus G aufgewendeten Kosten in Höhe von ca. DM 106.000,-. Durch Schreiben vom 11. August 1975 lehnte die Beklagte den Ersatzanspruch im wesentlichen mit der Begründung ab, die Tuberkulose des M. sei bereits seit 1948 behandlungsbedürftig gewesen; zu diesem Zeitpunkt seien jedoch die Voraussetzungen des § 21a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) für eine Übernahme der Kosten der TBC-Behandlung nicht erfüllt gewesen. Durch die Bewilligung der Rente sei nicht nachträglich ein Anspruch auf Heilmaßnahmen entstanden. Außerdem werde die Einrede der Verjährung erhoben.
Mit Urteil vom 15. Juni 1977 hat das Sozialgericht (SG) Regensburg unter Abweisung der weitergehenden Klage die Beklagte verurteilt, die dem Kläger in der Zeit vom 1. November 1969 bis 29. Juni 1970 aus Anlaß der Behandlung des M. erwachsenen Aufwendungen zu erstatten. Es hat die Revision zugelassen; zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Kläger habe Anspruch auf Erstattung der ihm ab 1. November 1969 erwachsenen Kosten. Von diesem Zeitpunkt an habe M. als Rentner einen Anspruch auf Heilbehandlung wegen der Tuberkulose gehabt. Rentner im Sinne des § 21a AVG sei, um das Bestehen eines Leistungsanspruchs nicht von Verzögerungen des Rentenfeststellungsverfahrens abhängig zu machen, neben dem Bezieher einer laufenden Rente aufgrund eines entsprechenden Bescheids auch derjenige, der die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Versichertenrente im Rahmen der Sozialversicherung erfülle. Bei M. habe sich ein Rentenanspruch erstmals aufgrund des am 1. November 1969 in Kraft getretenen DÖSVA ergeben. Eine entsprechende Anwendung des § 21a Abs 2 AVG (Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit) sei nicht zulässig. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung verstoße gegen Treu und Glauben. Durch die Feststellung der Rente des M. erst mit Bescheiden vom 13. Mai 1975 habe die Beklagte den Kläger an einer Bezifferung seiner Ersatzansprüche innerhalb der Verjährungsfrist gehindert. Für die Zeit vor dem 1. November 1969 stehe Art 48 Abs 1 DÖSVA der Entstehung von Leistungsansprüchen entgegen.
Der Kläger hat unter Beifügung der schriftlichen Zustimmung der Beklagten Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 21a Abs 1 AVG und trägt vor: Durch die rückwirkende Bewilligung der Rente habe M. bereits ab 1. Februar 1960 den Status eines Rentners erhalten. Maßgebend hierfür sei der Zeitpunkt, von dem an die Rente tatsächlich gewährt werde. Jede andere Auslegung führe zu einer nicht gerechtfertigten Einschränkung des § 21a AVG.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 15. Juni 1977 insoweit aufzuheben, als es dem Kläger einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte für die Zeit vom 1. Februar 1960 bis 31. Oktober 1969 verweigert, und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die für Stefan M in der Zeit vom 1. Februar 1960 bis 31. Oktober 1969 aufgewendeten ambulanten und stationären Behandlungskosten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie führt aus, M. habe den Status eines Rentners erst mit Inkrafttreten des DÖSVA am 1. November 1969 erhalten. Die rückwirkende Entstehung von Leistungsansprüchen schließe Art 48 Abs 1 des Abkommens aus. Im übrigen müsse die Rentnereigenschaft bereits vor dem Zeitpunkt der Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit wegen Tuberkulose vorgelegen haben. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Nach wie vor werde die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erklärt.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Dem Kläger steht ein - im Revisionsverfahren allein noch streitiger - Anspruch auf Ersatz der für die Behandlung des M. in der Zeit vom 1. Februar 1960 bis 31. Oktober 1969 aufgewendeten Kosten nicht zu.
Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist § 59 Abs 2 Satz 2 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 18. September 1969 (BGBl I S. 1688). Zwar hat der Kläger einen Teil der Aufwendungen, deren Ersatz er begehrt, vor dem Inkrafttreten des BSHG (1. Juni 1962) unter der Geltung des durch das BSHG aufgehobenen Gesetzes über die Tuberkulosehilfe (THG) vom 23. Juli 1959 (BGBl I S. 513) getätigt. Mangels entsprechender Übergangsbestimmungen kommt jedoch auch insoweit der im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Beklagten bereits geltende § 59 BSHG als Rechtsgrundlage des Ersatzanspruchs in Betracht (vgl BSGE 29, 87, 88).
Steht im Rahmen der Tuberkulosehilfe nicht fest, ob ein anderer als der Träger der Sozialhilfe oder welcher andere zur Hilfe verpflichtet ist, hat der Träger der Sozialhilfe die notwendigen Maßnahmen unverzüglich durchzuführen, wenn zu befürchten ist, daß sie sonst nicht oder nicht rechtzeitig durchgeführt werden (§ 59 Abs 1 Satz 1 BSHG). Der Träger der Sozialhilfe hat die Stelle, die er zur Gewährung der Hilfe für verpflichtet hält, unverzüglich über seine Maßnahmen zu unterrichten. (§ 59 Abs 2 Satz 1 BSHG). Die verpflichtete Stelle hat die dem Träger der Sozialhilfe entstandenen Kosten zu erstatten (§ 59 Abs 2 Satz 2 BSHG).
Die Voraussetzungen des § 59 Abs 2 Satz 2 BSHG sind nicht erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger die Aufwendungen für die Behandlung des M. lediglich als vorläufige Hilfeleistung im Hinblick auf Unklarheiten über die sachliche Zuständigkeit des zur Gewährung von Tuberkulosehilfe endgültig verpflichteten Leistungsträgers erbracht hat (§ 59 Abs 1 Satz 1 BSHG). Jedenfalls ist die Beklagte nicht die "verpflichtete Stelle" im Sinne des § 59 Abs 2 Satz 2 BSHG. Sie ist dem M. gegenüber weder während des Zeitraums vom 1. Februar 1960 bis 31. Oktober 1969 noch nachträglich rückwirkend für diesen Zeitraum zur Gewährung von Tuberkulosehilfe verpflichtet gewesen.
Nach § 21a Abs 1 AVG in der vor Inkrafttreten des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I S. 1881) geltenden Fassung des THG haben, wenn Versicherte, Rentner, ihre Ehegatten oder ihre Kinder an aktiver behandlungsbedürftiger Tuberkulose erkrankt sind, Versicherte und Rentner für sich, für ihren Ehegatten oder für ihre Kinder Anspruch auf die Maßnahmen nach §§ 13 bis 21 AVG wegen dieser Erkrankung. Zu den Maßnahmen gehört die Heilbehandlung (§ 13 Abs 1 und 2 AVG). Sie wird Versicherten und Rentnern gewährt, auch wenn die in § 13 Abs 1 und 2 AVG genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind (§ 21a Abs 3 Satz 1 AVG).
M. hat nicht zu dem nach § 21a Abs 1 AVG berechtigten Personenkreis gehört. Er ist nicht Versicherter gewesen (vgl § 21a Abs 2 Satz 1 AVG). Dies ist unter den Beteiligten nicht streitig. Ebensowenig ist er "Rentner" im Sinne des § 21a Abs 1 AVG gewesen. Was unter dem Begriff "Rentner" zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht. Ihm ist lediglich zu entnehmen, daß die Rentnereigenschaft während der Erkrankung an Tuberkulose vorgelegen haben muß ("sind ... Rentner ... an aktiver behandlungsbedürftiger Tuberkulose erkrankt"). Damit allein ist für die Auslegung des Begriffs des "Rentners" nichts gewonnen. Auch der Rückgriff auf einen - für die Gesetzesauslegung ohnehin nur bedingt verwendbaren (vgl Urteile des BSG vom 14. Juli 1977 - 4 RJ 107/76 - und vom 15. März 1978 - 1/5 RJ 136/76 -) - Sprachgebrauch (Verbandskommentar zur RVO, Stand Juli 1976, § 1244a, Anm 4) führt nicht weiter. Allein hiernach ist der Begriff des "Rentners" mehrdeutig. Rentner kann einmal derjenige, dem eine Rente bewilligt worden ist und gezahlt wird, entweder vom Beginn der Bezugszeit oder vom Zeitpunkt der Bewilligung oder vom Bezug laufender Leistungen an sein. Rentner kann aber auch derjenige sein, dem eine Rente zwar bewilligt worden ist, aber - etwa wegen Ruhens (vgl zB § 94 Abs 1, § 96 AVG) - nicht gezahlt wird. Angesichts dieser sprachlichen Mehrdeutigkeit kann der Begriff des "Rentners" im Sinne des § 21a AVG nur aus dem Sinn der Vorschrift und ihrem rechtssystematischen Zusammenhang ermittelt werden.
Die den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung obliegende Tuberkulosehilfe stellt weniger eine Versicherungsleistung als vielmehr eine vom Gesetzgeber zur Bekämpfung einer Volksseuche im allgemeinen gesundheitspolitischen Interesse eingeführte Leistung dar (BSGE 35, 280, 281; Urteil des Senats vom 27. Oktober 1977 - 1 RA 37/76 -; jeweils m.w.N.). Sie gehört nicht zu den originären Obliegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern ist eine mit deren Zwecken und Zielen nur entfernt zusammenhängende, im wesentlichen außerhalb des Aufgabenbereiches der Sozialversicherung stehende Leistung (BSGE 32, 122, 123f; 35, 203, 204, 206 und 285, 286; BSG SozR RVO § 1244a Nr 26). Daraus ergeben sich Beschränkungen der Leistungspflicht der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese haben ihren gesetzlichen Niederschlag u.a. in § 21a Abs 7 und 9 AVG sowie in § 132 BSHG gefunden, wonach neben den Trägern der Sozialversicherung auch andere Leistungsträger zu den sonstigen zur Tuberkulosebekämpfung verpflichteten Stellen gehören. Das BSG hat sich wiederholt mit den sich hieraus ergebenden Zuständigkeits- und Abgrenzungsfragen befaßt. Dabei ist es entsprechend der Leitidee des Gesetzgebers, Kompetenz, Entschließungsmöglichkeit, Verantwortlichkeit und Kostenlast zusammenfallen zu lassen (vgl BSGE 26, 102, 105; BSG SozR RVO § 1244a Nr 12), in ständiger Rechtsprechung von einem engen Zusammenhang zwischen Aufgaben- und Lastenverteilung ausgegangen (BSG SozR RVO § 1244a Nr 14) mit der Folge, daß prinzipiell nur derjenige Leistungsträger zur Gewährung von Tuberkulosehilfe und zum Aufwand der damit verbundenen Kosten verpflichtet ist, dem die Möglichkeit einer unmittelbaren Einflußnahme auf die Erkrankung bzw deren Behandlung und insoweit eine gewisse Gestaltungsfreiheit zu Gebote steht. Besteht eine solche Möglichkeit hingegen nicht, so soll der von der Verantwortung für die Tuberkulosebekämpfung ausgeschlossene Leistungsträger im allgemeinen auch zu den Kosten nichts beizutragen haben (BSGE 34, 189, 190; 40, 115, 116; BSG SozR RVO § 1244a Nrn 25, 26, 36; SozR 2200 § 1244a Nrn 6, 8).
Dieser dem Recht der Tuberkulosebekämpfung insgesamt ebenso wie speziell dem § 21a AVG immanente Zusammenhang zwischen der Möglichkeit der Einflußnahme auf die Tuberkulosebehandlung unter Inanspruchnahme einer eigenen Gestaltungsfreiheit einerseits und der Verpflichtung zur Tragung der Kosten andererseits, dem die Verpflichtung zur unverzüglichen Unterrichtung der leistungsverpflichteten Stelle gemäß § 59 Abs 2 Satz 1 BSHG ebenfalls Rechnung trägt, ist auch bei der Auslegung des Begriffs des Rentners im Sinne des § 21a Abs 1 AVG zu berücksichtigen mit der Folge, daß hierfür entscheidend ist, ob und von welchem Zeitpunkt an der Träger der Rentenversicherung die Möglichkeit hat, auf die Behandlung eines an aktiver behandlungsbedürftiger Tuberkulose erkrankten Rentenberechtigten oder Rentenempfängers unter Inanspruchnahme eigener Gestaltungsfreiheit Einfluß auszuüben. Diese Möglichkeit besteht von dem Zeitpunkt an, in welchem die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Bescheides über die Bewilligung einer laufenden Rentenleistung erfüllt sind. Die Zeitpunkte des Beginns der Rentenleistungen hingegen sind insofern irrelevant. Für den ersteren Fall wird dies insbesondere dann deutlich, wenn die Rente rückwirkend für einen vor Erfüllung der materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen liegenden Zeitraum zu gewähren ist.
Allein dem Sprachgebrauch nach könnte in diesem Falle der Anspruchsberechtigte bereits rückwirkend vom Beginn der Bezugszeit als Rentner angesehen werden. Dies ist jedoch unerheblich. Maßgebend ist, daß mit der rückwirkenden Rentengewährung dem Rentenversicherungsträger nicht zugleich die Möglichkeit eines Einflusses auf eine während des zurückliegenden Zeitraums erforderliche Krankenbehandlung des Anspruchsberechtigten eingeräumt wird. Diese Möglichkeit ist notwendigerweise gegenwarts- und zukunftsbezogen; hingegen kann nicht nachträglich Einfluß auf eine während eines zurückliegenden Zeitraumes bereits durchgeführte Behandlung ausgeübt werden. Auch der Zeitpunkt des tatsächlichen Beginns laufender Rentenleistungen ist als Anhaltspunkt für die Frage, ob und gegebenenfalls ab wann der Träger der Rentenversicherung Einfluß auf die Behandlung des an Tuberkulose Erkrankten ausüben kann, ungeeignet. Dieser Zeitpunkt ist im wesentlichen von dem eigenen Verhalten des Rentenversicherungsträgers, insbesondere von der Dauer des Rentenfeststellungsverfahrens abhängig. Durch Beschleunigung oder Verzögerung dieses Verfahrens könnte somit der Rentenversicherungsträger den Zeitpunkt des Beginns seiner Einflußnahme auf die Behandlung des Erkrankten und damit zugleich seiner Kostentragungspflicht mehr oder minder nach seinem Belieben bestimmen. Diesen Schwierigkeiten und Unsicherheiten wird begegnet, wenn als maßgebend derjenige Zeitpunkt angesehen wird, in welchem die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Bescheides über die Bewilligung einer laufenden Rentenleistung erfüllt sind. Hierdurch wird einmal vermieden, daß der Rentenversicherungsträger zur Tragung der Kosten einer bereits durchgeführten Behandlung herangezogen wird, auf die er effektiv keinen Einfluß hat nehmen können. Andererseits wird dadurch ausgeschlossen, daß sich der Rentenversicherungsträger der Kostentragungspflicht für einen Zeitraum entziehen kann, während dessen er auf die Behandlung des Erkrankten zwar Einfluß hat ausüben können, sich dieses Einflusses aber durch sein eigenes Verhalten begeben hat. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist Rentner im Sinne des § 21a Abs 1 AVG derjenige, in dessen Person die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Bescheides über die Bewilligung einer laufenden Rentenleistung erfüllt sind, von dem Zeitpunkt der Erfüllung dieser Voraussetzungen an. Von diesem Zeitpunkt an besteht damit ein Anspruch auf Maßnahmen der Tuberkulosehilfe nach § 21a AVG.
M. hat einen solchen Anspruch ab 1. November 1969 gehabt. Seit diesem Zeitraum ist er Rentner im Sinne des § 21a Abs 1 AVG gewesen. Nach dem bindenden Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 1963 hat er im damaligen Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Gewährung der am 11. Februar 1960 beantragten EU-Rente nicht erfüllt, weil mit den in der deutschen Angestelltenversicherung entrichteten 59 Monatsbeiträgen die Wartezeit nicht erfüllt war und die Voraussetzungen des Art 17 des 1. Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung vom 21. April 1951 (BGBl II 1952, S. 317) für eine Anrechnung der in der österreichischen Pensionsversicherung zurückgelegten 12 Beitragsmonate auf die Wartezeit nicht gegeben waren. Erst Art 26 Abs 1 des am 1. November 1969 in Kraft getretenen DÖSVA hat abweichend von Art 17 des 1. Abkommens nunmehr eine Anrechnung auch der österreichischen Versicherungszeiten auf die Wartezeit ermöglicht. Damit sind vom Inkrafttreten des DÖSVA an (1. November 1969) die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung laufender Rentenleistungen an M. und für die Erteilung eines entsprechenden Bescheides erfüllt gewesen. Allerdings hat aufgrund dessen dem M. die zunächst nur unter Berücksichtigung der deutschen Beitragszeiten errechnete EU-Rente rückwirkend vom Monat der Antragstellung (1. Februar 1960) und die unter Einschluß der österreichischen Versicherungszeiten neu berechnete Rente ab 1. Januar 1967 zugestanden (vgl Nr 19 Buchst b) Nr 3 b des Schlußprotokolls vom 22. Dezember 1966). Damit hat M. jedoch nicht rückwirkend ab 1. Februar 1960 oder ab 1. Januar 1967 den Status eines Rentners im Sinne des § 21a Abs 1 AVG erworben. Hierfür ist ausschließlich derjenige Zeitpunkt maßgebend, von dem an die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Bescheides über die Gewährung laufender Rentenleistungen erfüllt gewesen sind. Das ist mit dem Inkrafttreten des DÖSVA am 1. November 1969 geschehen.
Vor diesem Zeitpunkt ist die Beklagte dem M. nicht - auch nicht rückwirkend - zur Gewährung von Tuberkulosehilfe verpflichtet gewesen. Dies wird durch folgende Erwägung bestätigt: Das BSG hat wiederholt ausgesprochen, daß zwischenstaatliche Abkommen über Soziale Sicherheit, sofern nicht etwas anderes vereinbart worden ist, grundsätzlich nicht auf Leistungen der Tuberkulosehilfe nach § 21a AVG (= § 1244a RVO) zu erstrecken sind. Damit sind einmal die Träger der Sozialversicherung zur Tragung der Kosten einer im Ausland durchgeführten Tuberkulosebehandlung nicht verpflichtet (§ 21a Abs 9 AVG; vgl BSGE 32, 122, 123 ff; BSG SozR RVO § 1244a Nrn 19, 20, 21); zum anderen können im Rahmen der Tuberkulosehilfe deutsche und ausländische Versicherungszeiten im allgemeinen nicht zusammengerechnet werden (BSGE 35, 280, 281 ff; BSG SozR RVO § 1244a Nr 30; SozR 2200 § 1244a Nr 2). Das hat jedenfalls bis zum Inkrafttreten des DÖSVA auch für die Zusammenrechnung deutscher und österreichischer Versicherungszeiten gegolten; sofern Art 26 Abs 1 DÖSVA nunmehr eine Zusammenrechnung dieser Versicherungszeiten auch im Rahmen der Tuberkulosehilfe zulassen sollte, kommt dieser Neuregelung zumindest keine Rückwirkung bei (BSGE 35, 280, 284 = SozR RVO § 1244a Nr 31). Dem würde es widersprechen, wenn M. bereits vom Zeitpunkt des Rentenbeginns (1. Februar 1960) an rückwirkend als "Rentner" im Sinne des § 21a Abs 1 AVG angesehen würde. Dies käme im Ergebnis einer rückwirkenden Zusammenrechnung der deutschen und der österreichischen Versicherungszeiten auch im Rahmen der Tuberkulosehilfe gleich. Dies stünde im Widerspruch zum 1. Abkommen vom 21. April 1951 und würde dem Art 26 Abs 1 DÖSVA eine von den Vertragsparteien nicht gewollte Rückwirkung verleihen.
Die Beklagte ist nach alledem dem M. in der oder für die Zeit vor dem 1. November 1969 nicht zur Gewährung von Tuberkulosehilfe verpflichtet gewesen und somit auch dem Kläger gegenüber nicht zum Ersatz der vor diesem Zeitpunkt für die Behandlung des M. aufgewendeten Kosten gemäß § 59 Abs 2 Satz 2 BSHG verpflichtet. Das SG hat damit zu Recht die Beklagte lediglich zum Ersatz der dem Kläger ab 1. November 1969 erwachsenen Aufwendungen verpflichtet. Dies muß zur Zurückweisung der Revision führen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1651857 |
BSGE, 7 |