Beteiligte
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger am 17. Mai 1990 einen die Leistungspflicht der Beklagten begründenden Arbeitsunfall (Schülerunfall) erlitten hat.
Der im Februar 1975 geborene Kläger nahm als Schüler des Gymnasiums G. in E. an einer Klassenfahrt der Klassen 8b und 9b nach Münster teil, die vom 16. bis 18. Mai 1990 dauerte. Die Schüler waren in einer Jugendherberge in Münster untergebracht. Am Abend des 16. Mai 1990 hatten die Schüler Gelegenheit, die Stadt zu besuchen. Nach der Rückkehr hielten sich von 22.00 Uhr bis 23.00 Uhr ca. 18 bis 20 Schüler in dem Zimmer auf, in dem auch der Kläger untergebracht war. Gegen 23.30 Uhr schloß der aufsichtsführende Lehrer den Jungentrakt ab. Die Schüler hörten noch bis ca 24.00 Uhr gemeinsam Musik. Dann gingen sie in die jeweiligen Schlafräume. Im Schlafraum des Klägers hörten die Schüler weiter Musik und unterhielten sich. Dabei entstand eine Neckerei unter mehreren Schülern mit anschließender "Handtuchschlacht". Danach kam es zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 2) zu einer "Kabbelei". Zunächst warfen sie sich gegenseitig zum Spaß Worte an den Kopf. Es folgte um ca 1.30 Uhr eine Rangelei. Als der Kläger sich langsam auf den Beigeladenen zu 2) zubewegte, zog dieser plötzlich das Knie an und stieß es dem Kläger in den Leib. Er erlitt ein stumpfes Bauchtrauma mit einer Dünndarmperforation, die operativ behandelt werden mußte.
Die Beklagte lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls im Rahmen der Schülerunfallversicherung ab. Der Unfall habe sich nach Abschluß der schulischen Gemeinschaftsveranstaltungen und außerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereichs der Schule zugetragen und sei daher dem unversicherten Privatbereich zuzuordnen (Bescheid vom 20. Dezember 1990 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1991).
Das Sozialgericht Duisburg (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. August 1993). Die unfallbringende Betätigung sei nicht dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule zuzuordnen. Sie sei auch nicht wesentlich durch den Schulbesuch bedingt gewesen. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Berufungen des Beigeladenen zu 2) und der Beigeladenen zu 3) Haftpflichtversicherer des Beigeladenen zu 2) zurückgewiesen (Urteil vom 23. August 1994). Der Kläger habe keinen Arbeitsunfall erlitten. Während einer Klassenfahrt seien vom Versicherungsschutz ausgenommen grundsätzlich alle typisch eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten der Schüler wie Essen, Trinken und Schlafen sowie Verrichtungen, die die Schüler in ihrer "freien Zeit" selbstbestimmt vornähmen. Die der Regeneration und Erholung mithin ausschließlich der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse dienende Nachtruhe habe hier spätestens mit dem Verlassen und Abschließen des Jungentrakts durch die Aufsichtsperson gegen 23.30 Uhr begonnen. Dieser Akt markiere die Zäsur zwischen der eigentlichen schulischen Sphäre und der anschließenden Abend- und Nachtzeit, in der sich die Schüler nunmehr selbst überlassen gewesen seien und hätten frei entscheiden können, ob sie vor dem Schlafengehen noch lesen, Musik hören und sich unterhalten wollten. Anders als bei sonstigen Gemeinschaftsveranstaltungen sei das Handeln der Schüler in der Ruhezeit nicht mehr durch Vorgaben seitens der Lehrkräfte beeinflußt gewesen, so daß auch eine Beaufsichtigung als Ausdruck des sich auf den nächtlichen Aufenthalt in den Schlafräumen erstreckenden schulischen Verantwortungsbereich nicht stattgefunden habe. Ein innerer Zusammenhang mit dem versicherten Schulbesuch ergebe sich auch nicht daraus, daß der Beigeladene zu 2) den Kläger im Rahmen einer Rangelei verletzt habe. Ein Versicherungsschutz habe auch unter diesem Gesichtspunkt zur Voraussetzung, daß sich der Vorfall noch im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule ereignet habe. Das treffe beim Unfall des Klägers nicht zu. Ebensowenig sei der Kläger einer besonderen, dem Aufenthalt mit der Klasse in der Jugendherberge eigentümlichen Gefahr erlegen. Ein solcher Ausnahmefall wäre anzunehmen, wenn sich ein sogenanntes gruppendynamisches Verhalten anderer, an der Rangelei zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 2) unmittelbar nicht beteiligter Mitschüler auf die Entstehung oder die Form des Streits wesentlich ausgewirkt hätte. Auch das sei hier nicht der Fall. Die Rangelei und die damit verbundene "Handtuchschlacht" zwischen den Schülern sei bereits beendet gewesen, bevor die beiden ihre "Kabbelei" angefangen hätten. Diese habe infolgedessen allenfalls in einem losen Zusammenhang mit dem vorangegangenen Geschehen gestanden und sei unabhängig vom Verhalten der übrigen Mitschüler, die das "Spaßkämpfchen" lediglich am Rande beobachtet hätten, verlaufen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügen die Beigeladenen zu 2) und 3) eine Verletzung materiellen Rechts (§ 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst b und § 548 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung RVO ). Der innere Zusammenhang zwischen der Klassenfahrt und den Ereignissen am späten Abend des 17. Mai 1990 liege im Ziel dieser Klassenfahrt, das nicht allein darin bestanden habe, neue Eindrücke (etwa bei Besichtigungen) zu sammeln, sondern gerade auch das soziale Verhalten in der Gruppe zu fördern. Wenn auch auf Klassenfahrten kein Versicherungsschutz "rund um die Uhr" bestehe, dann doch in dem Fall, in dem der Unfall eine typische Gefahr verwirkliche, die mit dem Ziel der Klassenfahrt zusammenhinge. Hier liege das eigentliche Abgrenzungskriterium zwischen versichertem Schülerunfall und nicht versicherter Privatsphäre. Die Rauferei zwischen den Klassenkameraden sei gerade keine eigentwirtschaftliche Handlung wie Schlafen, Essen usw. Sie sei vielmehr für Klassenfahrten typisch. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei ein durch spielerisches Verhalten eines jugendlichen Arbeitnehmers auf der Betriebsstelle verursachter Unfall versicherungsrechtlich nicht ohne weiteres nach den für erwachsene Beschäftigte geltenden Maßstäben zu beurteilen. Dieser Grundsatz sei auf das Verhalten auch von Schülern übertragbar. So wirke sich insbesondere das durch die Zusammenfassung in Klassengemeinschaften bedingte Gruppenverhalten auf das Verhalten der Schüler oft stark aus. Es stehe im wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Schulbesuch und insbesondere mit Klassenfahrten, daß sich der natürliche und bei jüngeren Schülern ungehemmte Spieltrieb während der Fahrt besonders auswirke.
Die Beigeladenen zu 2) und 3) beantragen, das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. August 1994 und das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26. August 1993 aufzuheben und festzustellen, daß das stumpfe Bauchtrauma mit Dünndarmperforation des Klägers Folge eines am 17. Mai 1990 erlittenen Schülerunfalls ist.
Die Beigeladene zu 1) teilt die Rechtsauffassung der Beigeladenen zu 2) und 3).
Der Kläger stellt keinen Antrag.
Die Beklagte beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Unfall des Klägers sei nicht dem versicherten Verantwortungsbereich der Schule zuzuordnen. Das Ende des organisatorischen Verantwortungsbereichs sei hier dadurch markiert worden, daß der die Schüler auf der Klassenfahrt begleitende Lehrer gegen 23.30 Uhr den Jungentrakt abgeschlossen habe und einige Zeit später nochmals erschienen sei, um für Ruhe zu sorgen. Werde Gewalt im Schlafraum nach Eintritt der angeordneten Schlafenszeit verübt, dann dürften nur besondere Gründe einen wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Schulbesuch und dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule herstellen. Derartige Gründe seien hier nicht gegeben. Tatsächlich habe es sich um eine vorsätzliche Körperverletzung gehandelt, für die der Beigeladene zu 2) voll verantwortlich sei. Die Abwälzung der Entschädigungspflicht auf die Sozialversicherung müsse auch unter diesem Gesichtspunkt verneint werden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revisionen der Beigeladenen zu 2) und 3) sind begründet. Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Vorinstanzen hat der Kläger am 17. Mai 1990 einen Arbeitsunfall erlitten.
Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ein Unfall, den eine versicherte Person bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Dazu gehören nach § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst b RVO auch Verrichtungen eines Schülers während des Besuchs einer allgemeinbildenden Schule. Dem Versicherungsschutz unterliegen in erster Linie Betätigungen während des Unterrichts, in den dazwischen liegenden Pausen und solche im Rahmen sogenannter Schulveranstaltungen. Allerdings ist der Schutzbereich der "Schülerunfallversicherung" enger als der Versicherungsschutz in der gewerblichen Unfallversicherung (stRspr des Senats, z.B. BSGE 41, 149, 151 und zuletzt BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 22; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl., S. 474r ff. und 483o/p; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., § 539 Anm. 85; KassKomm-Ricke, § 548 RVO Rdnr. 137). Er richtet sich, wie sich sowohl aus dem Wortlaut der Vorschrift als auch ihrer Entstehungsgeschichte (s BSGE 35, 207, 210) ergibt, nach dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule. Außerhalb dieses Verantwortungsbereichs besteht in der Regel auch kein Versicherungsschutz bei Verrichtungen, die wesentlich durch den Schulbesuch bedingt sind und ihm deshalb an sich nach dem Recht der gewerblichen Unfallversicherung zuzuordnen wären (BSGE 51, 257, 259).
Zu den vom organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule erfaßten Veranstaltungen gehört auch - wie hier - die unter schulischer Aufsicht durchgeführte Klassenfahrt nach Münster (BSG SozR Nr. 3 zu § 548 RVO sowie Urteil vom 31. März 1976 - 2 RU 287/73 - = USK 7629; Brackmann a.a.O. S. 483n m.w.N.). Der Versicherungsschutz bestand indes nicht, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, schlechthin während der gesamten Dauer der Klassenfahrt für jedwede Betätigung der Reiseteilnehmer. Entsprechend der Rechtsprechung des Senats zur Frage des Versicherungsschutzes auf Dienst- oder Geschäftsreisen, die unter Beachtung einiger Besonderheiten auch für Klassenreisen der in § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst b RVO angeführten Personen heranzuziehen ist (BSG SozR Nr. 3 zu § 548), ist der Versicherungsschutz jedenfalls dann zu verneinen, wenn sich die betreffende Person rein persönlichen, von der versicherten Tätigkeit nicht mehr beeinflußten Belangen widmet (BSG Urteil vom 25. Januar 1977 - 2 RU 50/76 -= HVGBG Rdschr VB 171/81). Ausgenommen vom Versicherungsschutz bleiben außerhalb der eigentlichen Gemeinschaftsveranstaltungen wie Stadtbesichtigungen, gemeinsamer Sport oder Spiele auch bei der hier vorliegenden Fallgestaltung grundsätzlich überwiegend persönlichen Bedürfnissen dienende Verrichtungen wie Essen, Trinken und Schlafen. Betriebsbedingte (hier durch die Klassenfahrt bedingte) Umstände bei der Befriedigung des Schlafbedürfnisses können aber auch durchaus im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Das erfordert allerdings eine über eine bloß raum-zeitliche Verursachung hinausgehende Gefährdung durch die Erwerbstätigkeit/Schulausbildung (s Österr. OGH SSV n.F. Bd 5 Nr. 13). Dementsprechend widerspräche es auch einer lebensnahen Betrachtungsweise, den Schüler bei einer Klassenfahrt während der Nachtruhe schlechthin als unversichert zu erachten, auch wenn er beispielsweise durch einen nächtlichen Brand in der Jugendherberge zu Schaden kommt (s BSG SozR Nr. 3 zu § 548 RVO) oder während eines Schulausflugs im Schlaf aus dem oberen Bett eines Stockbettes stürzt (Österr. OGH a.a.O.). Auch in diesen Fällen ist darauf abzustellen, ob ein wesentlicher innerer Zusammenhang mit der Klassenfahrt bestand oder ob - auf den vorliegenden Fall bezogen - das Verhalten der beteiligten Schüler in einem solchen Zusammenhang mit der Klassenfahrt stand (s BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 22). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen und der Beklagten ist das nach den bindenden Feststellungen des LSG der Fall.
Für den Versicherungsschutz von jugendlichen Arbeitnehmern hat die Rechtsprechung nicht ohne weiteres die für die erwachsene Beschäftigte geltenden Maßstäbe bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung für anwendbar gehalten. Der Senat hat vielmehr - ohne Anwendung einer schematischen Altersbegrenzung -im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes (RVA) stets insbesondere berücksichtigt, ob durch unzureichende Beaufsichtigung oder sonstige Versäumnisse der Betriebsleitung die Jugendlichen in die Lage versetzt wurden, sich bei leichtsinnigen Spielereien besonderen Gefahren auszusetzen (s RVA AN 1906, 509; RVA EuM 19, 127; 22, 3; BSG SozR Nr. 68 zu § 542 RVO aF; BSG Urteil vom 25. Januar 1977 - 2 RU 50/76 - HVGBG Rdschr VB 171/81; Brackmann a.a.O. S. 484x; Lauterbach/Watermann a.a.O. § 548 Anm. 59). Dem liegt die allgemeine Erfahrung zugrunde, daß junge Menschen einem natürlichen Spieltrieb unterliegen. Eine vom Betrieb ausgehende spezifische Gefahr hat die Rechtsprechung vor allem dann anerkannt, wenn mehrere Jugendliche (Lehrlinge) in Lehrwerkstätten zusammengefaßt und dort als eine von älteren Arbeitnehmern getrennte Gruppe ausgebildet und beschäftigt werden. In einem solchen Fall kann sich der jugendliche Spiel- und Nachahmungstrieb weitaus ungehemmter entfalten, als wenn die jungen Leute auf die Arbeitsplätze der erwachsenen Beschäftigungsmitglieder verteilt werden (BSGE 42, 42, 44).
Entsprechendes gilt auch für die Unfälle der nach § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst b RVO versicherten Schüler (BSGE 42, 42, 44; BSGE 43, 113, 116; Brackmann a.a.O. S. 483s/sI). Zu den besonderen Verhältnissen, die für Schüler nicht nur während des Schulbesuchs und in den Schulpausen, sondern auch bei Klassenfahrten zu Gefährdungen führen können, und deshalb bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung zu berücksichtigen sind, gehören neben den auf natürlichem Spieltrieb ebenso die auf typischem Gruppenverhalten beruhenden Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen (BSGE 43, 113, 116; BGHZ 67, 279, 282/283; Brackmann a.a.O. S. 483sI/sII). Es entspricht dem typischen Gruppenverhalten von Schülern, daß sie bei Auseinandersetzungen das Schubsen des Mitschülers dem sachlichen Gespräch vorziehen und ihr Verhalten hierbei in eine Rangelei sogar Schlägerei hineingleitet, die dann unmittelbar zu auch von dem Schädiger nicht von Anfang an beabsichtigten Handlungen und sich daraus ergebenden Verletzungen führt (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 48). Dies gilt vor allem auf Klassenfahrten, bei denen sich der natürliche und bei jüngeren Schülern noch ungehemmte Spieltrieb während der Fahrt besonders auswirkt. Gerade bei Schülern im Pubertätsalter sind Raufereien und Rangeleien Ausfluß typisch gruppendynamischer Verhaltensweisen.
Nach den Feststellungen des LSG war es am späten Abend des 17. Mai 1990 im Schlafraum der Jugendherberge zu Neckereien und zu einer "Handtuchschlacht" zwischen mehreren Schülern gekommen; auch der Kläger und der Beigeladene zu 2) waren daran beteiligt. Die "Handtuchschlacht" selbst war zwar beendet, bevor der Kläger und der Beigeladene zu 2) ihre Kabbelei anfingen. Der vom LSG nicht näher geklärte Anlaß, von den Mitschülern als "Spaßkämpfchen" nicht näher beobachtet, spricht dafür, daß die Rangelei aus einem verhältnismäßig geringfügigen Anlaß entstanden war. Wegen der besonderen Gefahren, die bei einem Zusammenleben von Schülern auf einer Klassenfahrt bestehen (s BSG Urteil vom 25. Januar 1977 - 2 RU 50/76 - HVGBG VB 171/81), bei denen sich die Jugendlichen in eine nicht selbstgewählte Gruppe einzufügen haben (BGHZ 67, 279, 283), konnte sich hier aber eine auf Klassenfahrten typische Situation entwickeln.
Das Gruppenerlebnis auf Klassenfahrten führt erfahrungsgemäß vor allem dann, wenn sich die Disziplin während der Abwesenheit der Aufsichtspersonen lockert, häufig zu übermütigen und bedenkenlosen Verhaltensweisen (BGH VersR 1987, 781, 782). Neckereien und Rangeleien aus nichtigem Anlaß können eine unverhältnismäßige Schärfe erhalten und plötzlich, wie hier geschehen, zu an sich nicht gewollten Reaktionen und in deren Folge zu Verletzungen führen.
Das Ziel dieser wie im übrigen auch anderer Klassenfahrten bestand nicht allein darin, den Schülern neue im nachfolgenden Unterricht verwertbare Eindrücke durch den Besuch der Stadt Münster und Umgebung zu vermitteln, sondern auch in der Förderung des sozialen Verhaltens in der Gruppe und in Beherrschung und Bewältigung der auf solchen Reisen besonders zum Ausdruck kommenden Gruppendynamik. Dies ging zwangsläufig mit der Unterbringung der Schüler zu mehreren Personen in einem Schlafraum einher. Gerade nach dem Verlassen des Jungentraktes durch den aufsichtsführenden Lehrer kamen die gruppendynamischen Prozesse besonders zum Tragen. Ohne die Aufsichtsperson war das Verhalten der Schüler nunmehr in besonderem Maße gefragt; vor allem dieser Zeitraum im Schlafraum zwischen der angeordneten Nachtruhe und der tatsächlich eintretenden Ruhe ist im Hinblick auf das gruppendynamische Verhalten von Schülern besonders kritisch. Die Gruppendynamik wirkt sich auch dahingehend aus, daß einzelne Schüler, selbst wenn sie nicht von den anderen "angefeuert" werden, sich durch Rangeleien "darstellen" wollen. Deshalb steht dem Einfluß einer Gruppendynamik hier weder entgegen, daß - wie das SG meint - die anderen Schüler auf die Rangelei nicht besonders achteten, noch - worauf das LSG abstellt - daß die "Handtuchschlacht" bereits beendet war, unabhängig davon, ob die spätere Rangelei noch der "aufgeheizten Atmosphäre der Handtuchschlacht" folgte.
Im Gegensatz zu den von der Beklagten angeführten Beispielen eigenwirtschaftlicher Handlungen wie Essen, Trinken und Schlafen oder auch eigenmächtige Aktionen (eigenmächtiges Verlassen der Unterkunft - S. Urteil des Senats vom 25. Januar 1977 - 2 RU 50/76 - HVGBG VB 171/81 -) auf einer Klassenfahrt liegt bei der gemeinsamen Unterbringung der Schüler in der Balgerei während der Nachtzeit keine wesentlich allein privatwirtschaftliche Betätigung. Eine solche Rauferei unter Schulkameraden im Alter des Klägers auf Klassenfahrten in einer Situation wie der vorliegenden ist vielmehr geradezu typisch.
Unter diesen Gesichtspunkten stand die zum Unfall führende Rangelei in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit der Klassenfahrt. Die Verletzungen, die der Kläger bei dieser Gelegenheit erlitt, sind die Folge eines Arbeitsunfalls, den die Beklagte als zuständiger Träger der Unfallversicherung zu entschädigen hat.
Auf die Revision der Beigeladenen zu 2) und 3) waren daher die vorinstanzlichen Urteile und die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben und festzustellen, daß die im Tenor näher bezeichneten Verletzungen Folge des Arbeitsunfalls vom 17. Mai 1990 sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 3 SGG.
Fundstellen
BB 1996, 382 |
NJW 1996, 2678 |
SchuR 2004, 141 |
Breith. 1996, 385 |