Leitsatz (amtlich)
1. Die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis ergibt sich im Regelfall aus dem zumindest überwiegenden Gebrauch des Deutschen im Bereich des persönlichen Lebens.
2. War Deutsch die Muttersprache, wurde aber im persönlichen Bereich nicht mehr überwiegend deutsch gesprochen, so entfällt die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis nach einer Übergangszeit.
3. Der WGSVG § 20 iVm BVFG § 1 Abs 2 Nr 3 erfordert einen Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis und der Aussiedlung. Dieser Zusammenhang ist bei Verlassen des Vertreibungsgebietes nach dem 1953-10-01 nicht mehr allgemein zu vermuten.
Normenkette
BVFG § 1 Abs 2 Nr 3; WGSVG § 20 Fassung: 1970-12-22, § 20 Fassung: 1977-06-27
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 29.05.1979; Aktenzeichen L 12 An 112/78) |
SG Berlin (Entscheidung vom 31.10.1978; Aktenzeichen S 13 An 1283/78) |
Tatbestand
Streitig ist die Herstellung von Versicherungsunterlagen für in Rumänien zurückgelegte Versicherungszeiten nach § 11 Abs 2 der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) in Verbindung mit dem Fremdrentengesetz (FRG).
Der im Jahre 1907 in einem deutschsprachigen Elternhaus in B (Rumänien) geborene Kläger erwarb mit seiner Geburt die rumänische Staatsbürgerschaft. Von 1925 bis 1961 war er in Rumänien als Angestellter beschäftigt. In dieser Zeit schloß er 1939 mit einer ausschließlich rumänischsprachigen Frau die Ehe. Als Jude war er von Juli 1941 bis August 1944 durch nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen seiner Freiheit beraubt. 1961 wanderte er nach Israel aus und erwarb dort die israelische Staatsangehörigkeit.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, weil er nicht als Vertriebener im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVfG) anerkannt sei - § 1 Buchst a FRG - und einem solchen auch nicht gemäß § 20 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) gleichstehe; er habe sich mit seiner Heirat dem rumänischen Sprach- und Kulturkreis zugewandt und im maßgebenden Zeitpunkt, dem Verlassen Rumäniens, nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört (Bescheid vom 8. September 1977, Widerspruchsbescheid vom 11. April 1978).
Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Dezember 1978, Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 29. Mai 1979). Das Landessozialgericht (LSG) ließ dahinstehen, ob der Kläger die Voraussetzungen des § 20 WGSVG schon deswegen nicht erfülle, weil nach dem Jahre 1939 die deutsche Sprache nicht mehr in seinem gesamten persönlichen Lebensbereich überzogen habe. Die Anwendung der Vorschrift scheitere jedenfalls deswegen, weil die Deutschsprachigkeit nicht Mitursache oder Beweggrund des Verlassens seines Heimatlandes gewesen sei; der Kläger sei im Jahre 1961 aus Rumänien nach Israel entweder aus Unzufriedenheit mit dem Leben in einem kommunistischen Staat oder aus einem engen Zugehörigkeitsgefühl zum Judentum oder aus beiden diesen Gründen übergesiedelt. Ein Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis sei jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Entschädigungsanspruch verfolgter Vertriebener Anspruchsvoraussetzung nach § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) habe demgegenüber zwar für die Anerkennung als Vertriebener einen solchen Zusammenhang nicht verlangt; das WGSVG werde jedoch überwiegend von der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts beherrscht, so daß der Auslegung des BGH der Vorzug zu geben sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 20 WGSVG. Diese Bestimmung betreffe die Vertriebenen, sofern sie auch Verfolgte seien. Die Betonung liege auf der Vertriebeneneigenschaft, so daß der Rechtsprechung des BVerwG zu folgen sei. Auch rechtspolitisch und rechtssystematisch sei es verfehlt, zwischen dem Verlassen des Vertreibungsgebietes und der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis einen Zusammenhang zu fordern.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
die Bescheide der Beklagten aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, Versicherungsunterlagen
über die in Rumänien zurückgelegten
Versicherungszeiten herzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verneint den Anspruch des Klägers weiterhin deswegen, weil er sich mit seiner Heirat verfolgungsunabhängig vom deutschen Sprach- und Kulturkreis abgewandt habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers war zurückzuweisen.
1. Der Anspruch auf Herstellung von Versicherungsunterlagen für die in Rumänien zurückgelegten Versicherungszeiten nach § 11 Abs 2 VuVO setzt voraus, daß diese Zeiten nach dem FRG anrechenbar sind. Das ist nicht der Fall. Eine unmittelbare Anwendung des FRG scheitert daran, daß der Kläger nicht zu dem Personenkreis des § 1 FRG gehört; insbesondere ist er nicht als Vertriebener anerkannt, wie dies § 1 Buchst a FRG verlangt. Der Kläger kann aber auch nicht nach § 20 WGSVG einem anerkannten Vertriebenen gleichgestellt werden, wie das LSG zutreffend erkannt hat.
2. Diese Vorschrift ist auf die vorliegend erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der ab 1. Juli 1977 geltenden Fassung (durch das 20. Rentenanpassungsgesetz) anzuwenden, die gegenüber der vorherigen Fassung inhaltlich nichts geändert hat (vgl BT-Drucks 8/337 S 92 unter Nr 19). Danach stehen bei Anwendung des FRG den anerkannten Vertriebenen im Sinne des BVFG vertriebene Verfolgte gleich, die lediglich deswegen nicht als Vertriebene anerkannt sind oder anerkannt werden können, weil sie sich nicht ausdrücklich zum deutschen Volkstum bekannt haben; soweit es auf die deutsche Volkszugehörigkeit ankommt, genügt es - kraft des entsprechend anwendbaren § 19 Abs 2 Buchst a, 2. Halbs -, daß die vertriebenen Verfolgten im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben.
3. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen des § 20 WGSVG schon deswegen nicht, weil er beim Verlassen Rumäniens im Jahre 1961 nicht mehr dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört hat. Das ergibt sich aus den Feststellungen des LSG, auch wenn das LSG selbst die Frage nicht entschieden hat.
Das LSG hat festgestellt, der Kläger stamme aus einer deutschsprachigen Familie, deutsch sei seine "Muttersprache". Die mühelose Beherrschung der, auch in Ausbildung und Beruf teilweise benutzten, deutschen Sprache habe er nicht verloren. Ab der Eheschließung habe die deutsche Sprache jedoch nicht mehr in seinem gesamten persönlichen Lebensbereich überwogen. Es hat hierzu auf das Urteil des Sozialgerichts (SG) verwiesen; danach hat der Kläger ab seiner Heirat im familiären Bereich ausschließlich rumänisch gesprochen und sich nur noch im beruflichen Bereich teilweise der deutschen Sprache bedient.
Gegen diese Feststellungen hat der Kläger keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben. Die in der Revisionsbegründung enthaltene allgemeine Rüge, das LSG habe ihn unter Verstoß gegen § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht auf die rechtserheblichen Gesichtspunkte hingewiesen und ihm keine Gelegenheit gegeben, die erforderlichen Tatsachen und Beweise vorzubringen, ist nicht substantiiert. Sie läßt weder erkennen, auf welche Feststellungen des LSG sie sich beziehen soll noch welche Tatsachen und Beweise der Kläger im Falle eines Hinweises bezeichnet hätte. Soweit er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend machte, er habe im Freundes- und Bekanntenkreis deutsch gesprochen, handelt es sich um eine nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erfolgte und darum unbeachtliche Ergänzung; im übrigen würde dieser Umstand nicht der Feststellung des LSG entgegenstehen, daß der Kläger im persönlichen Bereich jedenfalls nicht mehr überwiegend deutsch gesprochen habe.
Aufgrund des sonach feststehenden Sachverhalts (§ 163 SGG) hat die Beklagte die Zugehörigkeit des Klägers zum deutschen Sprach- und Kulturkreis beim Verlassen des Vertreibungsgebietes zu Recht verneint. Für diese Zugehörigkeit ist der Gebrauch der deutschen Sprache von ausschlaggebender Bedeutung (Urteil des Senats SozR 5070 § 20 Nr 2). Denn wer eine Sprache im persönlichen Bereich ständig gebraucht, erschließt sich dadurch Weltbild und Denkwelt dieser Sprache und damit den Zugang zu der durch sie vermittelten Kultur. Wegen dieser besonderen Beziehung zwischen Sprache und Kultur ergibt sich daher im Regelfall die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis aus dem zumindest überwiegenden Gebrauch des Deutschen im Bereich des persönlichen Lebens; wird deutsch hingegen nur im beruflichen Leben etwa mit deutschsprachigen Geschäftspartnern, nicht aber auch überwiegend in Familie und Freundeskreis gesprochen, so reicht das nicht aus (so auch BGH RzW 1970, 503, 505; vgl auch BGH RzW 1978, 174, 175 und RzW 1980, 22).
Diese Betrachtungsweise gilt nicht nur für die Begründung, sondern auch für die Fortdauer der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis. Für die Fortdauer ist der tatsächliche überwiegende Gebrauch der deutschen Sprache im privaten Leben gleichfalls unerläßliche. Die Zugehörigkeit geht dabei nicht erst mit dem Vergessen der Sprachkenntnisse verloren; da sie sich nicht nur auf den Sprach-, sondern auch auf den Kulturkreis bezieht, besteht selbst bei verbliebener Sprachkunde die Möglichkeit, die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis zu verlieren und sich einem anderen zuzuwenden (vgl BGH RzW 1970, 507). Deshalb genügt es ferner nicht, daß die deutsche Sprache die Muttersprache gewesen ist; denn auch die als solche "unverlierbare" Muttersprache kann nicht ein für allemal den Verbleib im deutschen Sprach- und Kulturkreis verbürgen. War Deutsch die Muttersprache, dann endet allerdings die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis nicht schon unmittelbar mit dem Zeitpunkt, von dem an der Gebrauch des Deutschen im persönlichen Bereich nicht mehr überwiegt; die Zugehörigkeit bleibt in diesem Falle vielmehr regelmäßig noch für eine Übergangszeit erhalten (so im Ergebnis OLG Zweibrücken RzW 1971, 124 f bei einem vergleichbaren Sachverhalt für den Zeitraum von 1939 bis 1947); eine solche Übergangszeit war jedoch, als der Kläger Rumänien im Jahre 1961, dh 22 Jahre nach seiner Heirat, verlassen hat, längst verstrichen. Anhaltspunkte dafür, daß die gegen den Kläger ergriffenen Verfolgungsmaßnahmen zu der Abwendung vom deutschen Sprach- und Kulturkreis beigetragen haben (vgl SozR 5070 § 20 Nr 2), hat das LSG nicht feststellen können.
4. Selbst wenn der Kläger jedoch 1961 dem deutschen Sprach- und Kulturkreis noch angehört hätte, müßte seine Klage im weiteren aus den das Urteil des LSG tragenden Gründen erfolglos bleiben. Dabei kann dahinstehen, ob dann, wie das § 20 WGSVG verlangt, ein fehlendes ausdrückliches Bekenntnis zum deutschen Volkstum (§ 6 BVFG) der einzige Grund für die nicht mögliche Anerkennung als Vertriebener sein würde. Der Kläger müßte nämlich in jedem Falle bis auf die - durch die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis ersetzte - deutsche Volkszugehörigkeit im Sinne des § 6 BVFG die übrigen Voraussetzungen des BVFG für die Anerkennung als Vertriebener erfüllen. In Betracht käme dabei allein der Tatbestand des § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG, wonach Vertriebener auch der ist, der als deutscher Volkszugehöriger nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen die dort genannten Vertreibungsgebiete verlassen hat; bei den unter § 20 WGSVG fallenden Personen müßte dies als Angehöriger des deutschen Sprach- und Kulturkreises geschehen sein. Hierbei hat das LSG zu Recht einen Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis und dem Verlassen des Vertreibungsgebietes verlangt (noch offengelassen in SozR aaO).
Das LSG ist insoweit einer ständigen Rechtsprechung des BGH im Entschädigungsrecht gefolgt. Der BGH hatte für den noch auf § 1 BVFG Bezug nehmenden § 150 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) aF gefordert, der Verfolgte müsse unter einer mit seiner Lage als deutscher Volkszugehöriger bzw Zugehöriger zum deutschen Sprach- und Kulturkreis in Zusammenhang stehenden Nötigung seine Heimat aufgegeben haben (RzW 1962, 416; 1964, 34; 1966, 230; 1970, 503, 504; 1971, 456; 1972, 101 f; 1975, 79; 1978, 174 f; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit dieser Rechtsprechung BVerfG RzW 1979, 62, 160). Seine Rechtsprechung im Rahmen des § 150 BEG aF ist zwar durch dessen Neufassung im BEG - Schlußgesetz vom 14. September 1965 weitgehend gegenstandslos geworden (sie war im Hinblick auf BVerfG 30, 367 noch für eine Übergangszeit beizubehalten). Aber auch nach dem BEG-Schlußgesetz hat der BGH bei der Auslegung des § 4 Abs 1 Buchst e BEG, der weiterhin auf das BVFG verweist, die bezeichnete Rechtsprechung fortgesetzt (RzW 1974, 39, 40). An die Feststellung des Nötigungstatbestandes hat der BGH dabei stets nur geringe Anforderungen gestellt.
Demgegenüber hat das BVerwG in einer früheren Rechtsprechung zu § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG (BVerwG Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nrn 9, 10 und 13 sowie RzW 1972, 158) es für unerheblich erachtet, aus welchen Beweggründen der deutsche Volkszugehörige die Vertreibungsgebiete verlassen habe. In seiner neueren Rechtsprechung (Buchholz aaO Nrn 20 und 21) fordert inzwischen aber auch das BVerwG, daß das Vertreibungsgebiet infolge eines gegen die Deutschen fortdauernden Vertreibungsdrucks verlassen worden sei. Die Rechtsprechung des BVerwG unterscheidet sich von der des BGH jetzt nur noch dadurch, daß das BVerwG, wenn der Aussiedler beim Verlassen des Vertreibungsgebietes deutscher Volkszugehöriger war, diesen Zusammenhang allgemein unterstellt und eine Nachprüfung der Motive nur bei eindeutigen Anhaltspunkten für eine andere Fallgestaltung für geboten hält.
Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des BGH und des BVerwG insoweit an, als er bei der Anwendung des § 20 WGSVG in Verbindung mit § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG ebenfalls einen Zusammenhang der Aussiedlung mit dem Deutschtum, dh mit der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis für erforderlich hält. Er folgt nicht dem BVerwG darin, daß allgemein von einer entsprechenden Vermutung auszugehen sei; vielmehr hält er mit dem BGH die Feststellung des Kausalzusammenhangs im Einzelfall für notwendig, wobei freilich die Glaubhaftmachung genügt (§ 3 WGSVG). Bei dieser Auffassung geht der Senat davon aus, daß schon Sinn und Zweck des § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG, wie die neuerlichen Entscheidungen des BVerwG bestätigt haben, es nicht zulassen, auf jegliche Nachprüfung der Zusammenhangsfrage zu verzichten; noch weniger kann die Nachprüfung aber dann unterbleiben, wenn der Verfolgte Entschädigungsleistungen begehrt, wie der BGH zutreffend dargelegt hat (insbesondere RzW 1974, 39 ff). Es entbehrt der inneren Berechtigung, Verfolgten nach § 20 WGSVG in Verbindung mit dem FRG Sicherungen in der bundesdeutschen Rentenversicherung auch dann zukommen zu lassen, wenn sie das Vertreibungsgebiet nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen ohne Zusammenhang mit einer Deutschsprachigkeit aus sonstigen persönlichen oder politischen Gründen verlassen haben. § 20 WGSVG gehört zu den Wiedergutmachungsgesetzen (vgl § 138 BEG); bei seiner Auslegung sind deshalb die Prinzipien des Entschädigungsrechts mitzuberücksichtigen (so für das WGSVG insgesamt schon BSG 10, 113, 116). Deshalb erscheinen dem Senat - wie dem BGH - hier die Erwägungen des Gesetzgebers bei der Änderung des § 150 BEG durch das BEG-Schlußgesetz bedeutsam. Der Gesetzgeber hat sich damals zwar entschlossen, bei Aussiedlungen vor dem 1. Oktober 1953 einen Zusammenhang mit dem Deutschtum zu vermuten; er hat deshalb in § 150 nF generell auf dessen Feststellung (und die Verweisung auf das BVFG) verzichtet. Eine gleiche Regelung für Aussiedlungen nach diesem Zeitpunkt erschien dem Gesetzgeber dagegen nicht mehr vertretbar, weil "davon ausgegangen werden" könne, "daß ab dem 1. Oktober 1953 ein Verlassen dieser Gebiete in keinem Zusammenhang mehr mit der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis gestanden hat" (BT-Drucks IV/3423 S 13 und 14). Dem würde es aber widersprechen, bei diesen späteren Aussiedlungen - hier im Jahre 1961 - dennoch einen solchen Zusammenhang allgemein zu vermuten.
Im vorliegenden Falle hat das LSG in dem gesamten Vorbringen des Klägers keinen Hinweis darauf finden können, daß die Deutschsprachigkeit Mitursache oder Beweggrund des Verlassens seines Heimatlandes gewesen sei. Nach den Umständen sei vielmehr anzunehmen, daß der Kläger im Jahre 1961 aus Rumänien nach Israel entweder aus Unzufriedenheit mit dem Leben in einem kommunistischen Staat oder aus einem engen Zugehörigkeitsgefühl zum Judentum oder aus beiden diesen Gründen übergesiedelt sei. Auch hinsichtlich dieser Feststellungen ist die bereits behandelte Verfahrensrüge aus § 106 SGG, wenn sie sich überhaupt auf diese Feststellung beziehen soll, nicht ausreichend substantiiert. Demgemäß muß der Anspruch des Klägers aber außerdem an dem fehlenden Zusammenhang seiner Aussiedlung aus Rumänien mit einer Deutschsprachigkeit scheitern.
Soweit der Senat hierbei der Rechtsprechung des BVerwG nicht folgt, ist er nicht verpflichtet, aufgrund des Rechtsprechungseinheitsgesetzes deswegen den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes anzurufen. Diese Verpflichtung entfällt schon deshalb, weil auch von dem Standpunkt des BVerwG wegen der vom LSG festgestellten anderen Gründe für das Verlassen Rumäniens als der Deutschsprachigkeit der Tatbestand des § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG nicht erfüllt ist. Zudem sind die Erwägungen des Senats zu dieser Vorschrift für die Abweisung der Klage nur ein weiterer Grund neben der schon verneinten Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis. Schließlich haben sowohl das BVerwG (RzW 1970, 158, 160) als auch der BGH (RzW 1974, 39 ff) bereits untereinander eine Abweichung verneint, wobei dem Senat der Hinweis des BGH zutreffend erscheint, daß hier § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG nicht im Rahmen des BVFG, sondern im Rahmen entschädigungsrechtlicher Bestimmungen auszulegen sei.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen