Leitsatz (amtlich)

1. Strukturverbesserung ist auch eine Verbesserung der sogenannten Infrastruktur.

2. Eine Aktiengesellschaft, deren Gesellschaftszweck (Gegenstand des Unternehmens iS von AktG § 23 Abs 3 Nr 2) nach der Satzung ua die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung und Verteilung elektrischer Energie ist, befaßt sich satzungsmäßig mit Aufgaben der Strukturverbesserung.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Differenzierung zwischen Privatversicherten und den bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten verletzt den Gleichheitssatz des GG Art 3 Abs 1.

 

Normenkette

GAL § 41 Abs. 1 Buchst. c, § 42 Abs. 2 Buchst. c; AktG § 23 Abs. 3 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. März 1974 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Der 1906 geborene Kläger hat sein landwirtschaftliches Unternehmen 1971 und Anfang 1972 durch Verpachtung und Verkauf abgegeben; er hat dabei rd. 6 ha zur Errichtung eines Umspannwerks an die B AG, Bayer. Landeselektrizitätsversorgung, veräußert. Nach § 2 der Satzung dieser Gesellschaft ist Gegenstand des Unternehmens die Versorgung des Landes Bayern und benachbarter Gebiete mit Energie; die Gesellschaft ist befugt, Anlagen zur Erzeugung und Verteilung elektrischer Energie zu errichten und zu betreiben und alle dem Gesellschaftszweck unmittelbar oder mittelbar dienenden Geschäfte vorzunehmen.

Den Antrag des Klägers auf Gewährung von Landabgaberente vom April 1972 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juni 1972 ab. Seine hiergegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts - SG - Bayreuth vom 12. März 1973 und des Bayerischen Landessozialgerichts - LSG - vom 20. März 1974). Im Berufungsurteil ist ausgeführt: Der Kläger habe die 6 ha zum Zwecke einer Verbesserung der Infrastruktur und damit der Strukturverbesserung i. S. von § 41 Abs. 1 Buchst. c des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) abgegeben. Die B AG sei eine juristische Person des privaten Rechts, die sich satzungsgemäß mit Aufgaben der Strukturverbesserung befasse. Der der Strukturverbesserung dienende Bau eines Umspannwerkes gehöre zu ihren satzungsmäßigen Aufgaben. Daß sie dabei die Erzielung eines Gewinns anstrebe, sei ohne Bedeutung. Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen seien unstreitig erfüllt.

Hiergegen hat die Beklagte die - vom LSG zugelassene - Revision eingelegt und beantragt,

unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Klage gegen den Bescheid vom 23. Juni 1972 abzuweisen.

Sie räumt ein, daß die Versorgung mit elektrischer Energie eine infrastrukturelle Maßnahme darstelle, verneint das jedoch für den Bau eines Umspannwerkes; sie bezweifelt ferner, daß sich die B AG satzungsgemäß mit Aufgaben der Strukturverbesserung befasse. Strukturverbesserungen fielen bei der auf Gewinn abzielenden Tätigkeit der Gesellschaft nur nebenher an; sie befasse sich damit nicht vorrangig, bewußt und gezielt.

Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das LSG hat die allein noch streitige Frage, ob die an die B AG veräußerten 6 ha zum Zwecke der Strukturverbesserung abgegeben worden sind (§ 41 Abs. 1 Buchst. c GAL), zu Recht bejaht. Nach § 42 Abs. 1 Buchst. b GAL in der hier maßgebenden Fassung vom 20. Dezember 1970 (GAL 1971) liegt eine solche Abgabe u. a. vor, wenn eine juristische Person des privaten Rechts, die sich satzungsgemäß mit Aufgaben der Strukturverbesserung befaßt, die abgegebenen Grundstücke erwirbt. Entscheidend ist deshalb allein, ob sich die B AG satzungsgemäß mit Aufgaben der Strukturverbesserung befaßt. Das ist zu bejahen.

Strukturverbesserung heißt unstreitig auch Verbesserung der Infrastruktur. Infrastruktur ist die volkswirtschaftliche Bezeichnung für die (meist) öffentlichen Einrichtungen der räumlichen Grundausstattung, die Grundvoraussetzungen für das öffentliche Leben sind. Dazu gehören neben Verkehrseinrichtungen (Straßen, Kanäle), Bildungseinrichtungen (Schulen, Universitäten) usw. auch diejenigen Einrichtungen, die Energie gewinnen und leiten. In der Sprache der Satzung der B AG sind das vor allem die "Anlagen zur Erzeugung und Verteilung elektrischer Energie", worunter Umspannwerke fallen. Nach der Satzung befaßt sich die B AG mit dem Errichten und dem Betreiben solcher Anlagen. Soweit sie die Anlagen betreibt, verbessert sie die Infrastruktur freilich nicht; sie verbessert sie aber, soweit sie Anlagen errichtet. Da sich die B AG nach ihrer Satzung u. a. zur Aufgabe gemacht hat, - neue - Anlagen zur Erzeugung und Verteilung elektrischer Energie zu errichten, befaßt sie sich also auch mit Aufgaben der Strukturverbesserung. Damit ist der Tatbestand des § 42 Abs. 1 Buchst. b GAL, soweit er hier bedeutsam ist, erfüllt.

Die von der Beklagten gegen das Ergebnis erhobenen Bedenken sind nicht begründet. Dem Gesetzeszweck, wie er sich aus der Entstehungsgeschichte ergibt, läßt sich kein Anhalt dafür entnehmen, daß die satzungsmäßige Befassung mit Aufgaben der Strukturverbesserung wesentlich enger zu verstehen sei. Es trifft zwar zu, daß bei der Schaffung von § 42 GAL in erster Linie an gemeinnützige Siedlungs- und Landentwicklungsgesellschaften gedacht ist (vgl. BT-Drucks. V/3970 zu § 42). Daraus folgt jedoch nicht, daß der Gesetzgeber nur juristische Personen gemeint habe, die unter Verzicht auf Gewinn Strukturvorbesserung als alleinigen oder Hauptzweck betreiben. Für eine solche Einschränkung bietet schon der Gesetzeswortlaut keine Stütze. Aus der Begründung aaO geht zudem hervor, daß der Gesetzgeber sich im Gegenteil um eine "weite Zielsetzung" bemüht und nur deswegen auf eine satzungsmäßige Befassung abgehoben hat, um "für die Verwaltung klar ersichtliche Merkmale aufzustellen". Die Prüfung der Frage, ob eine Landabgabe an eine juristische Person der Strukturverbesserung dient, sollte die Alterskassen nicht vor zu große Schwierigkeiten stellen; es sollte eine Einsichtnahme in die Satzung genügen. Ergibt sich aus der bei den Registerakten befindlichen Satzung, daß Vereinszweck oder Gegenstand des Unternehmensallein oder auch die Befassung mit Aufgaben der Strukturverbesserung ist, so soll die Alterskasse nicht noch weitere, oft schwierige Ermittlungen und Erwägungen anstellen müssen. Ob eine juristische Person sich auch dann noch im Sinne des § 42 GAL mit Aufgaben der Strukturverbesserung befaßt, wenn dieser Aufgabenbereich absolut oder relativ (im Rahmen ihrer Gesamtaufgaben) nahezu bedeutungslos ist, kann dahingestellt bleiben; ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

Nach alledem war die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 240

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