Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt der Abgabe des Unternehmens bei Übertragung des Eigentums

 

Leitsatz (amtlich)

Ein landwirtschaftliches Grundstück, das einem Erwerber (hier: nach privatschriftlichem Kaufvertrag) zur Bewirtschaftung übergeben ist, ist mit dem Tage "abgeben", an dem der notarielle Kaufvertrag geschlossen (nachgeholt) wird.

 

Leitsatz (redaktionell)

Für die Eigentumsübertragung von Flächen iS des GAL 1965 § 2 Abs 3 gilt als Vollzogen derjenige Zeitpunkt, in dem sowohl der notarielle Kaufvertrag abgeschlossen als auch das Land zur Bewirtschaftung übergeben worden ist. Nicht entscheidend ist es dagegen, wann die Eintragung im Grundbuch erfolgt und damit das Eigentum an dem Grundstück übergegangen ist (BGB § 873).

 

Normenkette

GAL § 2 Abs. 3; GAL 1965 § 2 Abs. 3; BGB § 873

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. Mai 1972 aufgehoben, soweit es den Anspruch auf Landabgaberente für die Zeit bis zum 30. September 1972 betrifft. Insoweit wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 10. Januar 1972 zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der 1908 geborene Kläger bewirtschaftete von 1953 bis 30. September 1970 ein landwirtschaftliches Unternehmen von 9,96 ha Größe, darunter eine Fläche von 1,88 ha, die 25 % der nach § 1 Abs. 4 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) maßgebenden Mindestgröße (3,34 ha) überschreitet. Im Januar 1971 stellte er Antrag auf Gewährung von Landabgaberente. Dabei gab er an, er habe zum 30. September 1970 das Pachtland an die Verpächter zurückgegeben und sein eigenes Land an verschiedene Landwirte verpachtet oder verkauft. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) hat er die genannte Fläche von 1,88 ha auf Grund eines privatschriftlichen Kaufvertrages vom 12. Oktober 1970 - ein notarieller Kaufvertrag wurde erst am 18. Juni 1971 geschlossen - an den Landwirt J M (M.) verkauft; dieser ist seit 1. Juli 1970 landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 GAL gewesen. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag ab, weil hierfür nicht sämtliche Voraussetzungen erfüllt seien (Bescheid vom 4. Oktober 1971). Die Klage blieb ohne Erfolg. Das LSG hob das erstinstanzliche Urteil auf und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von Landabgaberente ab 1. Oktober 1970.

Nach der Auffassung des LSG hat der Kläger sein landwirtschaftliches Unternehmen zum 30. September 1970 "abgegeben". Eine Abgabe zur Strukturverbesserung im Sinne des § 42 Abs. 1 Buchst. a GAL (1. Alternative) liege zwar nicht vor, weil der Erwerber M. zur Zeit der Abgabe noch nicht mindestens ein Jahr lang landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen sei; es sei jedoch der Tatbestand des § 42 Abs. 1 Buchst. b GAL (2. Alternative) erfüllt, denn der Kläger habe im Einvernehmen mit der Niedersächsischen Landgesellschaft mbH (NLG) - eine juristische Person im Sinne dieser Bestimmung -, die ohnehin nur als "Durchgangsstation" in Betracht gekommen wäre, das Land bereits im Oktober 1970 an den damals schon feststehenden endgültigen Erwerber M. veräußert. Die Revision wurde zugelassen.

Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte auf Grund der Neufassung des § 42 GAL den Anspruch des Klägers auf Landabgaberente ab 1. Oktober 1972 anerkannt. Der Kläger hat dieses Anerkenntnis angenommen und seinen Anspruch auf die Zeit ab 1. Januar 1971 beschränkt. Demzufolge begehrt die Beklagte mit ihrer Revision nur noch die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit sie das LSG schon für die Zeit vor dem 1. Oktober 1972 zur Gewährung von Landabgaberente verurteilt hat; sie beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) insoweit zurückzuweisen. Sie rügt eine Verletzung des Art. 4 § 2 des Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes (ASEG) vom 21. Dezember 1970 und des § 2 Abs. 3 i. V. m. § 41 Abs. 2 Satz 1 GAL 1971. Da die NLG die später an M. verkaufte Teilfläche zu keiner Zeit selbst erworben oder gepachtet habe, fehle es an der Voraussetzung für die Anwendung des § 42 Abs. 1 Buchst. b GAL.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet; dem Kläger steht ein Anspruch auf Landabgaberente für die Zeit vor dem 1. Oktober 1972 nicht zu.

Bis zu diesem Zeitpunkt beurteilt sich der Anspruch auf Landabgaberente nach den §§ 41 und 42 des GAL in den Fassungen des 4. Änderungs- und Ergänzungsgesetzes vom 29. Juli 1969 (GAL 1969) und des ASEG vom 21. Dezember 1970 (GAL 1971). Hiernach kommt es - neben den anderen unstreitig erfüllten Voraussetzungen des § 41 GAL - darauf an, daß der Kläger sein landwirtschaftliches Unternehmen zum Zwecke der Strukturverbesserung abgegeben hat (§ 41 Abs. 1 Buchst. c GAL). Diese Voraussetzung ist entgegen der Ansicht des LSG nach der Rechtslage bis zum 30. September 1972 nicht erfüllt.

Wie der Senat schon in seinem Urteil vom 17. Januar 1973 - 11 RLw 8/72 (SozR Nr. 1 zu § 41 GAL 1965) dargelegt hat, verlangt die Anspruchsvoraussetzung des § 41 Abs. 1 Buchst. c GAL eine doppelte Prüfung. Zunächst ist zu klären, ob das in Betracht kommende Land überhaupt im Sinne des GAL "abgegeben" worden ist; erst dann ist zu untersuchen, ob das zum Zwecke der Strukturverbesserung geschehen ist. Was als "Abgabe" anzusehen ist, erläutern die Absätze 3, 4, 6 und 7 des § 2 GAL, die im Landabgaberecht entsprechende Anwendung finden (§ 41 Abs. 2 GAL), soweit es nicht besondere Regelungen enthält oder sich eine der Einzelvorschriften des § 2 mit Wesen oder Grundsätzen der Landabgaberente nicht verträgt (vgl. BSG aaO). Dabei ist es oft und gerade hier unerläßlich, nicht nur die Abgabe als solche, sondern auch ihren genauen Zeitpunkt festzustellen, weil eine Reihe von Vorschriften Rechtsfolgen von diesem Zeitpunkt abhängig machen (vgl. z. B. § 41 Abs. 1 Buchst. d und e, § 42 Abs. 1 Buchst. a GAL).

Im vorliegenden Fall geht es entscheidend darum, ob und zu welchem Zeitpunkt der Kläger die Fläche von 1,88 ha - die 25 % der maßgeblichen Mindestgröße von 3,34 ha überschreitet (§ 2 Abs. 7 GAL) - abgegeben hat. Diese Frage ist nach der auch im Landabgaberecht uneingeschränkt anwendbaren Vorschrift des § 2 Abs. 3 GAL zu beurteilen. Abgabe ist danach die Übergabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens oder ein sonstiger Verlust der Unternehmereigenschaft. Dabei unterscheidet Abs. 2 Satz 2 noch danach, ob mit der Abgabe der Übergang des Eigentums verbunden ist oder nicht; im letzteren Falle muß die Abgabe für eine längere Zeit (mindestens 9 Jahre nach Vollendung des 65. Lebensjahres des Unternehmers) schriftlich vereinbart worden sein. Hieraus wird erkennbar, daß sich der landwirtschaftliche Unternehmer bei jeder Form der Abgabe prinzipiell endgültig von seinem Unternehmen gelöst haben soll.

Soweit eine Abgabe der Fläche von 1,88 ha durch Verkauf und Übergabe an M. in Betracht kommt, kann es sich nur um eine mit dem Übergang des Eigentums verbundene Abgabeform handeln. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist bisher noch nicht Stellung genommen worden zur Frage, wann in solchen Fällen die Abgabe als vollzogen gilt. Insoweit kann nicht allein der Zeitpunkt der Übergabe des Landes zur Bewirtschaftung an den Erwerber maßgebend sein, weil damit das weitere Erfordernis des Eigentumsübergangs unberücksichtigt bliebe. Es kann aber auch nicht auf den Zeitpunkt eines privatschriftlichen Kaufvertrages abgestellt werden; denn dieser bewirkt nach bürgerlichem Recht (§§ 313, 873, 925 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) keinen Eigentumsübergang. Eine Abgabe der Fläche von 1,88 ha an M. kann somit nicht vor dem Abschluß des notariellen Vertrages, d. h. nicht vor dem 18. Juni 1971 vollzogen worden sein. Da zu diesem Zeitpunkt das Land auch schon zur Bewirtschaftung an M. übergeben war, ist dieser Zeitpunkt der maßgebende Abgabezeitpunkt. Dem steht nicht entgegen, daß das Eigentum erst mit der späteren Eintragung im Grundbuch übergegangen ist. Der Senat hält es für entscheidend, wann sich der bisherige Unternehmer endgültig der Verfügungsbefugnis über das Land begeben hat; das ist schon mit dem Abschluß des notariellen Vertrages der Fall gewesen. Es würde im übrigen auch zu ungerechtfertigten Ergebnissen führen, wollte man den Zeitpunkt der Grundbucheintragung für maßgebend halten, weil der bisherige Unternehmer diesen Zeitpunkt nicht bestimmen kann.

Im vorliegenden Falle kann hiernach darin, daß der Kläger dem M. durch privatschriftlichen Kaufvertrag vom 12. Oktober 1970 eine Fläche von 1,88 ha zur Bewirtschaftung überlassen hat, entgegen der Ansicht des LSG noch keine Abgabe im Sinne des GAL erblickt werden. Dieses Land ist vielmehr erst mit dem notariellen Kaufvertrag am 18. Juni 1971 wirksam "abgegeben" worden.

Ob eine Abgabe "zum Zwecke der Strukturverbesserung" erfolgt ist, beurteilt sich nach § 42 GAL 1971. Hiernach ist u. a. erforderlich gewesen (§ 42 Abs. 1 Buchst. a), daß der Erwerber seit mindestens einem Jahr vor der Abgabe landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 GAL gewesen war. Diese Voraussetzung war jedoch bei M. im Zeitpunkt der Abgabe, d. h. am 18. Juni 1971 nicht erfüllt. Dabei ist es - wie das LSG zutreffend dargelegt hat - rechtlich ohne Bedeutung, daß M. vor dem 1. Juli 1970 schon im Ausland längere Zeit landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen ist; denn es kommt allein darauf an, daß der Übernehmer während des der Abgabe vorausgehenden Jahreszeitraumes landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 GAL gewesen ist; das war M. nicht. Es ist auch rechtlich bedeutungslos, daß er nur wenige Tage nach dem Abgabezeitpunkt diese Voraussetzung erfüllt gehabt hätte.

Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 6. Juli 1972 - 11 RLw 5/72 (SozR Nr. 1 zu § 42 GAL 1965) dargelegt, aus welchen Gründen es nach § 42 Abs. 1 Buchst. a GAL aF allein auf die Person des Übernehmenden ankam und für eine Auslegung, die auf die Größe und Dauer des landaufnehmenden landwirtschaftlichen Unternehmens abstellt, kein Raum war. Inzwischen haben agrarpolitische Überlegungen dazu geführt, es als ausreichend anzusehen, wenn das landaufnehmende landwirtschaftliche Unternehmen seit mindestens einem Jahr besteht (§ 42 Abs. 1 Buchst. a GAL idF des 6. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des GAL vom 26. Juli 1972). Infolge dieser Gesetzesänderung ist nunmehr ein Anspruch des Klägers auf Landabgaberente ab Inkrafttreten dieses Gesetzes, also vom 1. Oktober 1972 an (vgl. Art. 2 § 5 des 6. Änderungsgesetzes vom 26. Juli 1972), gegeben. Dieser Rechtslage hat inzwischen die Beklagte durch Gewährung von Landabgaberente ab 1. Oktober 1972 entsprochen. Für die Zeit vorher sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Landabgaberente auf Grund des § 42 Abs. 1 Buchst. a GAL nicht erfüllt gewesen; die Gesetzesänderung gilt nicht für die Zeit vor dem 1. Oktober 1972.

Ein Anspruch auf Landabgaberente wäre für die Zeit vor dem 1. Oktober 1972 allerdings dann gegeben, wenn ein Fall des § 42 Abs. 1 Buchst. b GAL 1971 vorläge. Darum aber handelt es sich hier nicht. Unstreitig ist zwar die NLG eine juristische Person im Sinne des § 42 Abs. 1 Buchst. b GAL; sie hat jedoch nicht, wie es das Gesetz eindeutig vorschreibt, die abzugebenden Grundstücke "erworben" (z. B. gekauft) oder "gepachtet"; ihr gegenüber liegt überhaupt keine "Abgabe" im Sinne des § 2 Abs. 3 GAL vor. Unter diesen Umständen ist es entgegen der Auffassung des LSG auch nicht möglich, darauf abzustellen, daß die NLG als "Durchgangsstation" jene Fläche von 1,88 ha, die der Kläger an sie abzugeben bereit war, ohnehin dem M. endgültig zugewiesen hätte. Das Gesetz erkennt bloße "Planungen" oder "Einverständnisse" zur Landweitergabe durch juristische Personen im Sinne des § 42 Abs. 1 Buchst. b GAL nicht als wirksame Abgabehandlungen an.

Nach alledem ist, wie aus dem Urteilstenor ersichtlich, zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649413

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