Entscheidungsstichwort (Thema)
unvermeidliche Zwischenzeit. Ausbildung. rentenrechtliche Zeit. Nachversicherung. Fiktion. Rückbewirkung
Leitsatz (amtlich)
Eine unvermeidliche Zwischenzeit ist der vorangegangenen (Ausbildungs-)Anrechnungszeit nur gleichzustellen, wenn sie generell unvermeidbar, organisationsbedingt typisch und zeitlich von vornherein auf höchstens vier Monate begrenzt ist und wenn sich eine Ausbildung anschließt, die den Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit erfüllt sowie Abschnitt auf dem Weg zu einer typischerweise rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung ist (Fortführung von BSG vom 25.4.1989 – 4 RA 32/88; BSGE 70, 220 = SozR 3-2600 § 252 Nr 1; BSG vom 24.10.1996 – 4 RA 52/95, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Normenkette
SGB VI § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 149 Abs. 5, § 8 Abs. 1 S. 2, § 185 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 16. Juni 1995 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Vormerkung des Tatbestandes einer Anrechnungszeit wegen Ausbildung vom 11. Dezember 1982 bis zum 14. März 1983.
Der 1964 geborene Kläger bestand am 10. Dezember 1982 das Abitur. Vom 15. März 1983 an ließ er sich bei der Beklagten zum Verwaltungsinspektor ausbilden. Nach Abschluß der Ausbildung und Übernahme als Verwaltungsinspektor zur Anstellung schied er ohne Versorgungsansprüche aus dem Beamtenverhältnis aus und wurde für die Zeit vom 15. März 1983 bis 31. März 1987 nachversichert. Er ist nunmehr als Rentenberater tätig.
Im Kontenklärungsverfahren merkte die Beklagte durch Bescheid vom 10. August 1992 die Zeit der Schulausbildung vom 24. März 1980 bis 10. Dezember 1982 als Anrechnungszeit vor und lehnte die Vormerkung der Zeit zwischen Schule und Beginn der Berufsausbildung vom 11. Dezember 1982 bis 14. März 1983 ab. Den Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 1993 mit der Begründung zurück, die Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten könne nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden, weil die nachfolgende beamtenrechtliche Ausbildungszeit weder eine Hochschulausbildung noch eine Lehrzeit sei.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage durch Urteil vom 4. März 1994 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Berlin hat die Berufung durch Urteil vom 16. Juni 1995 zurückgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: Die Anerkennung einer unvermeidlichen Zwischenzeit als Anrechnungszeit komme nur in Betracht, wenn diese zwischen zwei “anrechenbaren” Ausbildungszeiten liege (Hinweis auf Bundessozialgericht ≪BSG≫ SozR 3-2600 § 252 Nr 1 und § 58 Nr 3). An dieser Voraussetzung fehle es hier, da die der Schulzeit nachfolgende beamtenrechtliche Ausbildung keine “anrechenbare” Ausbildungszeit sei. Entscheidender Anknüpfungspunkt für die rentenrechtliche Zurechnung einer unvermeidlichen Zwischenzeit sei die Sach- und Rechtslage zur Zeit der Entstehung der Zwischenzeit, dh der “historische” Vollzug. Die damalige Ausbildungssituation sei aber dadurch gekennzeichnet, daß der Kläger den Schulbesuch rentenrechtlich “abgeschlossen” habe, indem er eine versicherungsfreie beamtenrechtliche Ausbildung durchlaufen hätte, die zudem darauf zugeschnitten gewesen sei, den Zugang zu einer in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfreien Beschäftigung als Beamter zu eröffnen (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1259 Nr 112 S 278). Daß der Kläger später aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden sei und sich habe nachversichern lassen, ändere daran nichts. Die Tatsache, daß Nachversicherte den Personen gleichstehen, die versicherungspflichtig sind (§ 8 Abs 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB VI≫) und daß im Wege der Nachversicherung gezahlte Beiträge als rechtzeitig gezahlte Pflichtbeiträge gelten (§ 185 Abs 2 Satz 1 SGB VI), lasse die genannte Beurteilungsgrundlage für die Zuordnung der streitigen Zeit unberührt.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a SGB VI. Die streitige Zeit sei als unvermeidliche Zwischenzeit vorzumerken. Die Rechtsprechung des BSG habe auch die Lücke zwischen Ende des Schulbesuchs und Beginn einer nachfolgenden Lehrzeit, unabhängig ob diese versicherungsfrei oder versicherungspflichtig sei, als Anrechnungszeit anerkannt (Hinweis auf BSG SozR 3-2600 § 252 Nr 1 und SozR 2200 § 1259 Nr 102 S 277). Gleiches müsse auch für den vorliegenden Fall gelten, denn aus dem Personenkreis der Fach- und Hochschulabsolventen gehe eine weitaus größere Zahl derjenigen hervor, die später nicht mehr der gesetzlichen Rentenversicherung angehörten, als dies bei Lehrlingen der Fall sei. Auch die beamtenrechtliche Ausbildung sei “Ausbildung” in dem hier geforderten Sinn. Sie nehme eine “Zwitterstellung” ein, indem sie im Rahmen ihrer theoretischen Phasen Elemente einer Hochschulausbildung und in den Phasen einer praktischen Unterweisung Merkmale einer Lehrzeit umfasse. Da die Zeit zwischen Schulausbildung nach dem 16. Lebensjahr und dem Beginn einer Hochschulausbildung bzw einer Lehrzeit anrechenbar sei, könne bei einer nachversicherten beamtenrechtlichen Ausbildung zum Verwaltungsinspektor nichts anderes gelten. Eine Ungleichbehandlung dieses Falles mit den Fallgruppen der Lehrlinge und der Fachschul- bzw Hochschulabsolventen verstoße gegen Art 3 Grundgesetz (GG). Aus § 185 Abs 2 Satz 1 SGB VI ergebe sich, daß die Gleichstellung von nachversicherten Personen und abhängig Beschäftigten in der gesetzlichen Rentenversicherung gewollt sei und damit für die vom LSG vorgenommene “historische” Auslegung kein Raum bleibe. Im übrigen stütze sich das LSG auf eine überholte Rechtsprechung. Das BSG verlange nicht mehr, daß die Zwischenzeit zwischen zwei “anrechenbaren” Ausbildungszeiten liegen müsse (Hinweis auf BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 3). Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 14. November 1995 (Bl. 13 bis 20 der BSG-Akte) verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 16. Juni 1995 sowie das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. März 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10. August 1992 idF des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 1993 zu verurteilen, die Zeit vom 11. Dezember 1982 bis 14. März 1983 als Anrechnungszeit anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Die streitige Zeit sei schon nach dem Gesetzeswortlaut nicht als Anrechnungszeit zu werten. Für eine weitere Rechtsfortbildung fehle das Bedürfnis. Eine lückenlose Erfassung aller Ausbildungszeiten sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1259 Nrn 30, 81 und 202). Da nicht einmal jede Ausbildungszeit eine Anrechnungszeit sei, sei erst recht nicht jede Lücke zwischen Ausbildungszeiten anzuerkennen. Das BSG habe nur ausnahmsweise die Lücke zwischen einer Anrechnungszeit und einer versicherungspflichtigen Lehrzeit als Anrechnungszeit anerkannt. Dabei sei unerheblich, ob die nachfolgende Lehrzeit versicherungspflichtig oder versicherungsfrei sei. Eine vergleichbare Situation, die nach der ratio legis eine Gleichstellung mit Anrechnungszeiten nahelege, bestehe für eine beamtenrechtliche Ausbildung nicht. Bei der Ausbildung als Verwaltungsinspektor handele es sich nicht um eine Lehrzeit iS des Arbeitsrechts. Die Ausbildung als Verwaltungsinspektoranwärter sei auch keine Ausbildung iS des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b SGB VI. Die Nachversicherung mache die Zeit nicht zu einer Anrechnungszeit. Auch die Fiktion des § 185 Abs 2 Satz 1 SGB VI bewirke nicht, daß die beamtenrechtliche Ausbildung als Lehrzeit oder als Hochschulausbildung anzusehen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 18. Dezember 1995 (Bl. 23 bis 28 der BSG-Akte) verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Zutreffend haben die Vorinstanzen die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Verpflichtung der Beklagten zur Vormerkung der streitigen Anrechnungs-/Ausbildungszeit für die Zeit vom 11. Dezember 1982 bis 14. März 1983 abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vormerkung dieser Zeit gemäß § 149 Abs 5 iVm § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI.
Die Voraussetzungen eines Anrechnungszeittatbestandes liegen nicht vor. Nach der letztgenannten Vorschrift sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen der Versicherte nach dem vollendeten 16. Lebensjahr eine Schule besucht bzw eine Fach- oder Hochschule besucht und abgeschlossen hat. Diese Ausbildungs-/Anrechnungszeiten sind vom Gesetzgeber abschließend konzipierte, eng umschriebene Tatbestände. Sie sind ein rentenrechtlicher Ausgleich dafür, daß der Versicherte durch sie ohne sein Verschulden gehindert war, einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen und so Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung zu leisten, die er ohne den Ausfalltatbestand entrichtet hätte. Wegen der fehlenden Beiträge ist die Berücksichtigung dieser Zeiten eine Solidarleistung der Versichertengemeinschaft; sie beruht auf staatlicher Anordnung und ist Ausdruck staatlicher Fürsorge. Im Hinblick darauf steht dem Gesetzgeber bei ihrer Ausgestaltung ein weiter – jedoch durch die Rechte der zu Zwangsbeiträgen Verpflichteten begrenzter – Gestaltungsspielraum zu; damit ist vereinbar, lediglich bestimmte typische Ausbildungen als Anrechnungszeittatbestände zu normieren und diese zeitlich zu begrenzen (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 1259 Nrn 77, 102 und Urteil des Senats vom 24. Oktober 1996 – 4 RA 52/95, zur Veröffentlichung vorgesehen). Eine Ausbildung iS dieser Anrechnungsvorschrift liegt aber nicht vor. Denn der Kläger hatte bereits am 10. Dezember 1982, als er das Abitur ablegte, die Schulausbildung beendet. In der anschließenden Zeit bis 15. März 1983 fand kein Ausbildungsgeschehen, insbesondere keine Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung, statt.
Die Zeit zwischen Beendigung der Schul- und dem Beginn der Inspektorenausbildung erfüllt den Tatbestand der Anrechnungszeit der (Schul-)Ausbildung aber auch nicht nach den Kriterien der sog unvermeidlichen Zwischenzeit. Der von der Rechtsprechung im Wege einer rechtsfortbildenden Analogie auf eine sog unvermeidliche Zwischenzeit erstreckte (Ausbildungs-)Anrechnungstatbestand erfaßt auch bestimmte ausbildungsfreie Zeiten während und nach der Schul- oder anderen Ausbildung iS von § 58 Abs 1 Nr 4 SGB VI. Unvermeidliche Zwischenzeiten waren bisher immer anerkannt für Schul- und Semesterferien. Obwohl in ihnen typischerweise keine Ausbildung stattfindet, stellen sie sich aber als notwendig zur Ausbildung gehörend dar (vgl BSG Urteil vom 25. April 1989 – 4 RA 32/88). Voraussetzung ist, daß sie generell unvermeidbar, (schul-)organisatorisch bedingt typisch und von vornherein auf maximal vier Monate begrenzt sind und daß die Ausbildung nach den Ferien weitergeführt wird (BSG SozR 3-2600 § 252 Nr 1 S 3). Das trifft auf die hier streitige Zeit allerdings schon deswegen nicht zu, weil die Schulausbildung abgeschlossen war.
Dasselbe, was für Schul- und Semesterferien gilt, muß auch für ausbildungsfreie Zeiten zwischen zwei verschiedenen Ausbildungsabschnitten gelten, sobald sie in allen wesentlichen Voraussetzungen den Schul- und Semesterferien gleichkommen. Da das Sozialgesetzbuch in § 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) für eine vergleichbare Übergangsphase als zeitliche Begrenzung höchstens vier Monate vorgesehen hat (BSG aaO; Urteil vom 25. April 1989 – 4 RA 32/88), wird auch im Rentenversicherungsrecht dem Schulabgänger nicht zugemutet, in diesem Zeitraum eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung zu ergreifen (zur Unschädlichkeit von längeren Ausbildungspausen, die von “hoher Hand” herbeigeführt werden, zB Wehr- und Ersatzdienstzeiten, vgl BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 3; SozR 2200 § 1259 Nr 39 und 51). Zwar wurden von der Rechtsprechung zunächst nur Zeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, welche die Tatbestände von Anrechnungszeiten erfüllen, in die Ausdehnung der Schul- bzw sonstigen Ausbildung iS von § 58 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB VI einbezogen, wie zB Zeiten zwischen Schulabschluß und Beginn eines Hochschul- oder Fachschulstudiums. Aus Gleichbehandlungsgründen ist es aber später als ausreichend angesehen worden, daß der nächste Ausbildungsabschnitt überhaupt den Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit erfüllt (BSG SozR 3-2600 § 252 Nr 1). Insoweit wurde eine – versicherungspflichtige – Lehre dem Studium gleichgestellt, weil sie nicht minder als das Studium der Vorbereitung auf die Aufnahme einer rentenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit dient. Maßgebend für die Ausdehnung des Ausbildungs-/Anrechnungszeittatbestandes auf eine derartige unvermeidliche Zwischenzeit ist also, ob diese unvermeidbare, organisationsbedingt typische und zeitlich auf höchstens vier Monate begrenzte Zwischenzeit – wie Schul- oder Semesterferien – von zwei Ausbildungsabschnitten eingebettet ist, dessen erster ein Ausbildungs-/Anrechnungstatbestand iS von § 58 Abs 1 Nr 4 SGB VI sein muß. Bei der nachfolgenden Zeit muß es sich um eine Ausbildung handeln, die den Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit (“Rentenrechtliche Zeit” iS der Überschrift des Zweiten Kapitels, Zweiter Abschnitt, Zweiter Unterabschnitt, Fünfter Titel SGB VI) gleich welcher Art erfüllt. Außerdem muß diese Ausbildung ein typischer Abschnitt auf dem Weg ins Berufsleben sein und damit die Aufnahme einer regelmäßig in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Berufstätigkeit ermöglichen (BSG SozR 3-2600 § 252 Nr 1 S 3). Nur unter diesen Voraussetzungen bildet die nachfolgende Ausbildungszeit sozusagen die Klammer, die es ermöglicht, die Zwischenzeit – gleichsam wie eine nachgestellte Ferienzeit – der vorhergehenden Schul- bzw sonstigen Ausbildung iS des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI zuzuordnen.
Beim Kläger liegt keine solche unvermeidliche Zwischenzeit vor. Zwar hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die streitige Zeit vier Monate nicht überschreitet, jedoch hat es keine Feststellungen getroffen, ob die Übergangszeit generell unvermeidbar – etwa wegen festgelegter Einstellungstermine – war und organisationsbedingt typisch vorkommt. Darauf kommt es hier aber nicht an, da es an der weiteren Voraussetzung fehlt, daß der sich anschließende Ausbildungsabschnitt den Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit verwirklicht. Die Ausbildung für den gehobenen Verwaltungsdienst erfüllt nicht den Anrechnungszeittatbestand iS des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b SGB VI, denn der Kläger hat keine Fach- oder Hochschule im Sinne dieser Vorschrift besucht. Es handelt sich auch nicht um eine Beitragszeit aufgrund eines versicherungspflichtigen Lehrverhältnisses (§ 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI), weil die Ausbildung zum gehobenen Verwaltungsdienst in erster Linie darauf zugeschnitten war, den Zugang zu einer Beschäftigung als Beamter auf Lebenszeit zu eröffnen (vgl BSG SozR 2200 § 1259 Nr 102 S 278). Der Kläger war vielmehr als Beamter auf Probe (damals gemäß § 6 Abs 1 Nr 3, Angestelltenversicherungsgesetz ≪AVG≫, jetzt gemäß § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) versicherungsfrei.
Durch die Nachversicherung (damals § 9 Abs 1 und 2 sowie §§ 124 ff AVG; jetzt § 8 und §§ 181 ff SGB VI) wurde nicht nachträglich bestimmt, der Rentenversicherungsträger habe den Vorbereitungsdienst des Klägers, der damals keinen Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit erfüllt hatte, jetzt so zu behandeln, als ob dies damals gleichwohl der Fall gewesen wäre. Die Nachversicherung bewirkt rechtlich nur, daß auch die versicherungsfreie Zeit der Ausbildung als Beamter für die Zukunft als eine mit Pflichtbeiträgen belegte Beitragszeit zu behandeln ist. Durch die Nachversicherung wird also nicht nachträglich rückwirkend Versicherungspflicht für die vor dem Nachversicherungsfall ausgeübte Beschäftigung begründet; es werden also nicht etwa die zunächst “versicherungsfreien” Beschäftigungszeiten nachträglich in versicherungspflichtige umgewandelt (BSG SozR 3-2200 § 1402 Nr 1 S 5). Gegen eine – im übrigen nur rechtliche – Rückumwertung spricht auch, daß bei der Nachversicherung das Pflichtversicherungsverhältnis erst in dem Zeitpunkt des unversorgten Ausscheidens des Nachversicherten entsteht und die Beitragspflicht erstmals dadurch begründet wird (vgl BSG SozR 3-2200 § 1232 Nr 3 S 17 f und Nr 5 S 23 und BSG SozR 3-2200 § 1402 Nr 1 S 5 f; SozR 2400 § 124 Nr 6; SozR 2200 § 1418 Nr 2). Das Nachversicherungsverhältnis bestimmt sich nach dem Recht, das im Zeitpunkt des Ausscheidens gilt (BSG SozR 3-2200 § 1232 Nr 5 S 5 mwN). Auch hieraus wird deutlich, daß keine Tatbestände rückwirkend für die Vergangenheit rentenversicherungsrechtlich neu bewertet werden.
Die Nachversicherung ist nicht iS einer begünstigenden Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl BVerfGE 72, 200, 242) so zu bewerten, als ob durch sie in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte im Wege der Fiktion zu Tatbeständen einer Beitragszeit würden. Es gibt keine Norm, die eine solche Fiktion (dh die Annahme eines Sachverhalts, der in der Wirklichkeit damals nicht bestand) vorsieht. Entgegen der Ansicht des Klägers geben die §§ 8 und 185 SGB VI hierfür nichts her. Nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VI stehen Nachversicherte den Personen gleich, die versicherungspflichtig sind; nach § 185 Abs 2 Satz 1 SGB VI gelten die nachgezahlten Beiträge als rechtzeitig gezahlte Pflichtbeiträge (vgl § 9 Abs 5a AVG idF des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965, BGBl I 476 und § 124 Abs 4 Satz 1 AVG aF). In diesen Vorschriften ist nicht vorgesehen, daß die zukunftsbezogene rechtliche Gleichstellung auch eine Fiktion für die Vergangenheit enthalten soll. In diesem Sinne hat das BSG schon geklärt, daß die Nachversicherung aufgrund des Eintritts des Nachversicherungsfalles für den Begünstigten in der Zukunft eine versicherungs- und beitragsrechtlich volle inhaltliche Gleichstellung mit echten Beitragszeiten bewirkt (BSG SozR 5050 § 15 Nr 37). Denn Zweck der Nachversicherung ist es, Personen, die im Hinblick auf eine anderweitige Versorgung in ihrer Beschäftigung damals versicherungsfrei waren, als Ersatz für die weggefallene Aussicht auf diese Versorgung eine soziale Sicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung in der Weise zu verschaffen, daß sie jetzt so gestellt werden, als seien sie versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Sachgrund der Nachversicherung ist das durch den Ausfall der beamtenrechtlichen Versorgung hervorgerufene Schutzbedürfnis. Die während der versicherungsfreien Beschäftigung – in rückschauender Betrachtung – entstandene Sicherungslücke beim Aufbau eines Schutzes für Alter und Invalidität soll nach dem Zweck des Gesetzes beim Ausscheiden aus dieser Tätigkeit durch sofortige Nachversicherung dieser Zeiten geschlossen werden (BSG SozR 3-2400 § 124 Nr 6 S 14 mwN). Die Sicherungslücke im Blick auf seine beamtenrechtliche Ausbildungszeit ist beim Kläger durch die Nachversicherung geschlossen worden. Eine darüber hinausgehende rechtliche oder faktische Wirkung kommt der Nachversicherung jedoch nicht zu.
Die Zwischenzeit zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn des Beamtendienstes ist ein Tatbestand, auf den die Nachversicherung sich von vornherein nicht bezieht. Die Wirkung der Nachversicherung betrifft daher nur die Änderung der rentenrechtlichen Bewertung des Beamtendienstes für die Zukunft, nicht jedoch die Bewertung davorliegender Sachverhalte. Bildhaft gesprochen ist somit eine “ex-ante Betrachtung” erforderlich, wie das LSG zutreffend gesehen hat.
Außerdem scheitert die Anerkennung einer unvermeidlichen Zwischenzeit daran, daß die nachfolgende Ausbildung nicht Teil auf dem Weg zur Aufnahme einer typischerweise rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung ist. Der Kläger hat eine beamtenrechtlich ausgestaltete Vorbereitungszeit von drei Jahren durchlaufen und nachfolgend eine Laufbahnprüfung abgelegt, dh damit eine Ausbildung für den gehobenen Dienst absolviert (vgl auch § 18 Bundesbeamtengesetz). Damit ist die Ausbildung nicht für einen Beruf erfolgt, der regelmäßig in rentenversicherungspflichtiger Beschäftigung (oder Erwerbstätigkeit) ausgeübt wird. Die Ausbildung war vielmehr darauf zugeschnitten, den Zugang zu einer in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfreien Beschäftigung als Beamter zu eröffnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen