Orientierungssatz

Zur Frage der Berechnung der Nachversicherungsbeiträge (Beitragssatz) eines Soldaten auf Zeit, der nach Beendigung seiner Dienstzeit von der Bundeswehr als Beamter auf Widerruf übernommen, dann aber später entlassen wird.

 

Normenkette

RVO § 1402 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 124 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1957-02-23, § 112 Abs. 1 Fassung: 1967-12-21; RVO § 1385 Abs. 1 Fassung: 1967-12-21

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. April 1974 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der im Jahre 1936 geborene Beigeladene war vom 1. August 1956 bis 31. Juli 1968 Soldat auf Zeit und stand vom 1. August 1968 bis 31. Dezember 1969 als Beamter auf Widerruf im Dienste der Bundeswehr. Während des ersten Zeitraumes war er nach § 1229 Abs. 1 Nr. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 6 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), während des zweiten Zeitraumes nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG versicherungsfrei (Versicherungsfreiheit wegen Ausbildung für seinen Beruf). Vom 1. Dezember 1970 an trat er in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis als Angestellter bei der Standortverwaltung W. Daraufhin versicherte die Klägerin den Beigeladenen unter Berufung auf § 9 Abs. 3 und 1 AVG bei der Beklagten, d. h. also in der Angestelltenversicherung (AnV), nach. Dabei berechnete sie die Nachversicherungsbeiträge (§ 124 AVG) nach § 112 AVG idF des Art. 1 § 2 Nr. 13 des Finanzänderungsgesetzes (FinÄndG) vom 21. Dezember 1967 (BGBl I 1259) für den ersten Zeitraum nach dem bis Ende 1968 geltenden Beitragssatz von 15 vom Hundert (v. H.) und für den zweiten Zeitraum nach dem bis Ende 1969 gültigen Beitragssatz von 16 v. H.

Mit Bescheid vom 23. September 1971 forderte die Beklagte von der Klägerin eine Nachzahlung in Höhe von 894,41 DM. Auch die Nachversicherung des Beigeladenen als Soldat auf Zeit für die Zeit vom 1. August 1956 bis 31. Juli 1968 habe nach einem Beitragssatz von 16 % des beitragspflichtigen Entgelts zu erfolgen. In den Fällen der Nachversicherung (§ 9 AVG) seien gemäß § 124 Abs. 1 AVG die Beiträge nach den Vorschriften zu entrichten, die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung für die Beitragsberechnung für versicherungspflichtig Beschäftigte maßgebend seien. Das Überwechseln von dem nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 AVG versicherungsfreien Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit zu dem nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG versicherungsfreien Dienstverhältnis als Beamter auf Widerruf bei demselben Dienstherrn habe kein Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung dargestellt. Maßgebend sei daher auch für den in Rede stehenden Zeitraum der beim Ausscheiden des Beigeladenen aus dem versicherungsfreien Bundesdienst am 31. Dezember 1969 gültige Beitragssatz von 16 %. Von den danach auf die Zeit vom 1. August 1956 bis 31. Juli 1968 entfallenden Beiträgen in Höhe von 14.310,68 DM habe die Klägerin nur 13.416,27 DM gezahlt, so daß von ihr noch ein Betrag von 894,41 DM zu entrichten sei.

Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin blieben erfolglos. In seinem Urteil vom 9. April 1974 war das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen ebenso wie die Vorinstanzen der Auffassung, die Nachforderung der Beklagten sei berechtigt. Der Nachversicherungsfall sei erst bei Beendigung des Dienstverhältnisses als Beamter auf Widerruf am 31. Dezember 1969 eingetreten. Der Beigeladene sei, als er vom Soldaten auf Zeit zum Beamten auf Widerruf bei der Bundeswehr übergewechselt sei, weder aus einer an sich arbeiterrentenversicherungspflichtigen Beschäftigung in eine an sich angestelltenversicherungspflichtige übergetreten (BSG 26, 136) noch habe es sich für die Zeit vom 1. August 1968 an um den Fortfall einer Versicherungsfreiheit aufgrund einer Änderung der Rechtslage gehandelt (BSG 16, 112), vielmehr habe lediglich ein Wechsel von einem zu einem anderen Ressort desselben Dienstherrn vorgelegen. Dieser Wechsel habe damals nicht zum "Ausscheiden" und damit nicht zum Eintritt eines (ersten) Nachversicherungsfalles mit einem entsprechenden Aufschub nach § 125 AVG geführt. Deshalb sei nach § 124 AVG der beim letzten Ausscheiden maßgebende Beitragssatz für den gesamten Zeitraum maßgebend.

Mit der zugelassenen Revision beantragt die Klägerin,

das Urteil des Landessozialgerichts vom 9. April 1974 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11. Dezember 1972 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. September 1971 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 1971 aufzuheben.

Als Soldat auf Zeit sei der Beigeladene zunächst nach § 1229 Abs. 1 Nr. 5 RVO und später als Obermaat nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 AVG versicherungsfrei gewesen. Mit Ablauf des Monats Juli 1968 sei er aus der versicherungsfreien Beschäftigung als Soldat auf Zeit ausgeschieden, so daß nunmehr der Nachentrichtungsfall der Beendigung des Soldatenverhältnisses bei der Bundeswehr nach § 9 Abs. 3 AVG eingetreten sei. Die Nachentrichtung der Beiträge sei jedoch aufgeschoben worden, weil der Beigeladene in eine andere nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG wegen eines Ausbildungsverhältnisses versicherungsfreie Beschäftigung übergetreten sei (§ 125 Abs. 1 Buchst. a) AVG). Es liege damit eine versicherungsrechtliche Umwandlung des Beschäftigungsverhältnisses vor, die im sozialversicherungsrechtlichen Sinne als Ausscheiden zu werten sei. Der Auffassung des LSG, daß ein Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit und der Übertritt in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf bei dem gleichen Dienstherrn keinen Aufschub nach § 125 Abs. 1 Buchst. a) AVG nach sich ziehe, könne schon nach dem Wortlaut der rechtlichen Vorschriften nicht gefolgt werden.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen,

da das angefochtene Urteil richtig sei.

Der Beigeladene hat keine Anträge gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Wie der Senat in seinem Urteil 1 RA 111/74 vom 6. Februar 1975 im einzelnen unter Bezugnahme auf die maßgebende Literatur und Rechtsprechung ausgeführt hat, kann ein Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung nach den §§ 9, 124 AVG in der Regel dann nicht angenommen werden, wenn im öffentlichen Dienst lediglich ein Laufbahnwechsel mit geänderter Ressortzuständigkeit bei demselben Dienstherrn vorgenommen wird. Ein solcher Fall ist auch hier gegeben. Als der Beigeladene zum 31. Juli 1968 aus seinem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit ausschied und zum 1. August 1968 in den nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG versicherungsfreien Dienst als Beamter auf Widerruf bei der Standortverwaltung Wilhelmshaven übertrat, hat er seinen Arbeitgeber nicht gewechselt; vielmehr ist er bei demselben Dienstherrn verblieben. Nach wie vor hat er der Bundeswehr angehört. Er ist dabei auch nicht aus einer an sich arbeiterrentenversicherungspflichtigen in eine an sich angestelltenversicherungspflichtige Beschäftigung übergetreten (BSG 26, 136). Der Beigeladene ist auch einheitlich für die gesamte Dienstzeit in der AnV nachversichert worden. Der Auffassung der Revision, daß eine "sozialversicherungsrechtliche" Umwandlung des Beschäftigungsverhältnisses vorgelegen habe, kann nicht gefolgt werden. § 124 AVG stellt allein auf die Tatsache des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung ab, ohne zwischen den einzelnen Arten der Versicherungsfreiheit zu unterscheiden. Somit hat die Beklagte zutreffend die Nachversicherungsbeiträge für den gesamten Zeitraum vom 1. August 1956 bis 31. Dezember 1969 nach dem für 1969 geltenden Beitragssatz berechnet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649535

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge