Leitsatz (amtlich)
1. Die Nachentrichtung von Beiträgen gemäß Art 2 § 44a Abs 3 S 2 Buchst b AnVNG (= Art 2 § 46 Abs 3 S 2 Buchst b ArVNG) ist auch für Zeiten einer früheren Beschäftigung im Gebiet der DDR zulässig, für die eine den heutigen Anforderungen (§ 6 Abs 1 Nr 4 AVG = 1229 Abs 1 Nr 3 RVO) nicht genügende, jedoch nach den damals geltenden Vorschriften ausreichende Versorgungsanwartschaft gewährleistet war.
2. Eine gleichartige Beschäftigung ist im Sinne der genannten Nachentrichtungsvorschrift auch dann nicht wieder aufgenommen worden, wenn der Beschäftigte in der Bundesrepublik zwar zunächst wieder im Dienst einer Religionsgemeinschaft gestanden hat, dann aber ausgeschieden und nur für die Zeit seiner Beschäftigung in der Bundesrepublik nachversichert worden ist.
Normenkette
AnVNG Art. 2 § 44a Abs. 3 S. 2 Buchst. b Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art. 2 § 46 Abs. 3 S. 2 Buchst. b Fassung: 1972-10-16; AVG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1229 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1965-06-09
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 14.03.1984; Aktenzeichen III ANBf 27/83) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 21.03.1983; Aktenzeichen 10 AN 156/82) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger zur Nachentrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen für die Zeit von August 1950 bis Juli 1955 berechtigt ist.
Der im Jahre 1926 geborene Kläger war - nach einer Ausbildung zum Geistlichen beim Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (Körperschaft des öffentlichen Rechts) - vom 1. August 1950 bis zum 21. Juli 1955 Prediger einer Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Auch nach seinem Zuzug in die Bundesrepublik war er vom 1. November 1955 an als Prediger beim Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden beschäftigt und bis Ende Februar 1957 in der Rentenversicherung versicherungsfrei, weil ihm eine nach damaligem Recht ausreichende Versorgungsanwartschaft gewährleistet war. Vom 1. März 1957 an trat jedoch Versicherungspflicht ein, weil die Anstellungskörperschaft eine Versorgungsanwartschaft im Sinne des von da an geltenden neuen Rechts nicht gewährleistete. Später schied der Kläger aus dem kirchlichen Dienst aus. Er ist seit 1961 Verwaltungsangestellter. Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden versicherte ihn im Jahre 1970 für die Zeit von November 1955 bis Februar 1957 in der Angestelltenversicherung nach.
Ende 1980 beantragte der Kläger, ihn zur Nachentrichtung von Beiträgen gemäß Art 2 § 44a Abs 3 Satz 2 Buchst b Angestellten- versicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) für die Zeit von August 1950 bis Juni 1952 zuzulassen. Die Beklagte lehnte das durch Bescheid vom 10. April 1981 zunächst deswegen ab, weil er in der Bundesrepublik eine gleichartige Beschäftigung wieder aufgenommen habe, später, nachdem der Kläger Widerspruch erhoben hatte, in einem Ergänzungsbescheid vom 6. August 1981 mit der Begründung, daß er in der DDR nicht aufgrund einer Versorgungsanwartschaft versicherungsfrei gewesen sei, die dem in der Bundesrepublik seit dem 1. März 1957 geltenden Recht entsprochen habe. Da der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden seither nicht einmal seinen Predigern in der Bundesrepublik eine entsprechende Anwartschaft gewährleiste, könne nicht angenommen werden, daß für die Zeit vorher in der DDR eine derartige Anwartschaft bestanden habe. Außerdem habe nach dem Recht der DDR damals (1950 bis 1955) allein der Status als Geistlicher einer Religionsgesellschaft Versicherungsfreiheit begründet, ohne daß es im Einzelfall auf Versorgungszusagen von seiten der Kirchen angekommen sei. Der Kläger erhob erneut Widerspruch. Er übersandte eine Bescheinigung des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR vom 10. November 1981. Darin hieß es, Geistliche des Bundes, zu denen von August 1950 bis Juli 1955 auch der Kläger gehört habe, seien vom 9. Mai 1945 bis zum 31. März 1958 nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung der DDR pflichtversichert gewesen; sie hätten jedoch gegenüber dem Bund eine Anwartschaft auf Versorgungsbezüge nach kirchenrechtlichen Regelungen gehabt. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 1982).
Der Kläger hat Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide zu verurteilen, die für die Zeit von August 1950 bis Juni 1952 entrichteten Beiträge "als ordnungsmäßige Nachentrichtung" gemäß Art 2 § 44a Abs 3 Satz 2 Buchst b AnVNG zu verbuchen und ihm die Nachentrichtung auch für die Zeit von Juli 1952 bis Juli 1955 zu gestatten. Das SG hat der Klage durch Urteil vom 21. März 1983 stattgegeben. Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 14. März 1984 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Das Recht zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge gemäß Art 2 § 44a Abs 3 Satz 2 Buchst b AnVNG setze zunächst die Aufgabe einer Beschäftigung iS des § 6 Abs 1 Nr 4 AVG in der DDR voraus. Diese Voraussetzung sei nur erfüllt, wenn der Kläger damals eine Zusage lebenslänglicher Versorgung durch seine Anstellungskörperschaft besessen habe. Hiervon sei aufgrund der erwähnten Bescheinigung vom 10. November 1981 auszugehen. Auch die weitere Voraussetzung des Art 2 § 44a Abs 3 Satz 2 Buchst b AnVNG, daß in der Bundesrepublik keine gleichartige Beschäftigung wieder aufgenommen worden sein dürfe, sei beim Kläger als erfüllt anzusehen. Dieses Erfordernis sei versicherungsrechtlich zu verstehen. Gleichartig sei deshalb eine in der Bundesrepublik aufgenommene Beschäftigung nur, wenn sie ebenfalls mit einer Versorgungszusage ausgestattet sei. Beim Kläger sei das nicht der Fall, nachdem er aus den Diensten des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden ausgeschieden, für die Zeit von November 1955 bis Februar 1957 die Nachversicherung durchgeführt worden sei und seit März 1957 von vornherein Versicherungspflicht bestanden habe. Damit habe der Kläger hier keine mit einer Versorgungsanwartschaft ausgestattete Beschäftigung wieder aufgenommen, sondern eine solche, die nach Durchführung der Nachversicherung einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung gleichstehe bzw seit März 1957 von vornherein versicherungspflichtig gewesen sei.
Gegen das Urteil richtet sich die - vom LSG zugelassene - Revision der Beklagten, mit der sie eine Verletzung des Art 2 § 44a Abs 3 Satz 2 Buchst b AnVNG rügt und vorbringt: Soweit das LSG die Aufnahme einer gleichartigen Beschäftigung in der Bundesrepublik verneint habe, stimme sie dieser Auffassung zu. Hingegen sei dem LSG darin nicht zu folgen, daß die in der DDR aufgegebene Beschäftigung, um die Nachentrichtungsvoraussetzungen zu erfüllen, auch eine nach dem Sozialversicherungsrecht der DDR oder nach dem früheren Recht der Bundesrepublik versicherungsfreie Beschäftigung gewesen sein könne. Vielmehr müsse die damalige Versorgungszusage den seit dem 1. März 1957 geltenden Anforderungen des § 6 Abs 1 Nr 4 AVG genügt haben; auf frühere, entsprechende Vorschriften mit geringeren Anforderungen an die Versorgungszusage werde im Gesetzestext nicht Bezug genommen. Die erforderliche Versorgungszusage müsse qualitativ mit der beamtenrechtlichen Versorgung vergleichbar sein. Zur Feststellung der entsprechenden Tatsachen reiche der allgemein gehaltene Inhalt der Bescheinigung vom 10. November 1981 nicht aus.
Die Beklagte beantragt, die Urteile des LSG vom 14. März 1984 und des SG vom 21. März 1983 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es widerspreche "fundamentalen" rechtlichen Grundsätzen zu verlangen, daß seine Versorgungsanwartschaft in der Zeit von August 1950 bis Juli 1955 den strengen Voraussetzungen des erst seit dem 1. März 1957 geltenden Rechts entsprochen haben müsse. Art 2 § 44a Abs 3 Satz 2 Buchst b AnVNG lasse, indem er die Aufgabe einer Beschäftigung nur "im Sinne" des § 6 Abs 1 Nr 4 AVG verlange, erkennen, daß auch die entsprechenden Regelungen alten Rechts und sogar eine Versorgung ausreichen müsse, wie sie damals in der DDR üblicherweise zur Versicherungsfreiheit geführt habe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das LSG. Die bisherigen Feststellungen reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus.
Die Klage ist auch insofern zulässig, als die Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit von Juli 1952 bis Juli 1955 begehrt wird. Zwar ist das Nachentrichtungsbegehren für diesen Zeitraum nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gewesen, weil der Kläger bis zu dessen Abschluß die Nachentrichtung nur für die Zeit von August 1950 bis Dezember 1952 beantragt hatte. Er konnte jedoch seinen Antrag im Klageverfahren erweitern, ohne daß dieses eine Klageänderung darstellt (§ 99 Abs 3 Nr 2 SGG); im übrigen wäre eine solche hier zulässig (§ 99 Abs 1, 2 SGG).
Nach Art 2 § 44a AnVNG, eingefügt durch Art 2 § 2 Nr 12 des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I S 1965) - entspricht Art 2 § 46 ArVNG, eingefügt durch Art 2 § 1 Nr 12 RRG - können Personen, die vor dem 1. März 1957 während der wissenschaftlichen Ausbildung für ihren künftigen Beruf nicht pflichtversichert waren, auf Antrag abweichend von § 140 AVG (§ 1418 Reichsversicherungsordnung -RVO-) für Zeiten der Versicherungsfreiheit, längstens jedoch bis zum 1. Januar 1924 zurück, Beiträge nachentrichten, soweit diese Zeiten nicht bereits mit Beiträgen belegt sind (Abs 3 Satz 1). Diese Regelung gilt nach Art 2 § 44a Abs 3 Satz 2 Buchst b AnVNG entsprechend für Geistliche und sonstige Bedienstete der als öffentlich-rechtliche Körperschaften anerkannten Religionsgesellschaften, die eine Beschäftigung im Sinne des § 6 Abs 1 Nr 4 AVG im Gebiet der DDR aufgegeben und eine gleichartige Beschäftigung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht wieder aufgenommen haben (Art 2 § 46 Abs 3 Satz 2 Buchst b ArVNG ist im wesentlichen inhaltsgleich). Im Gesetzgebungsverfahren wurde zur Einführung der Nachentrichtungsvorschriften (Art 2 § 44a AnVNG; Art 2 § 46 ArVNG) darauf hingewiesen, daß in den Absätzen 1 bis 3 für bestimmte Personengruppen ein besonderer Nachentrichtungstatbestand geschaffen werde, der teilweise über die allgemeine Nachentrichtungsregelung (heute Art 2 § 49a AnVNG, Art 2 § 51a ArVNG) hinausgehe; danach könnten auf Antrag Beiträge für Zeiten nachentrichtet werden, in denen diese Personen nicht pflichtversichert gewesen seien, weil sie entweder im öffentlichen Dienst gestanden hätten oder weil sie trotz einer abhängigen Beschäftigung vor dem 1. März 1957 von der Versicherung nicht erfaßt worden seien (Bericht des Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, zu BT-Drucks VI/3767, S 19, Zu Nummer 10 - § 46a -).
Der Kläger gehörte in der Zeit, für die er Beiträge nachentrichten will (August 1950 bis Juli 1955), als Prediger zu den "Geistlichen" des als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannten Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden. Ob es sich bei dieser Beschäftigung im Gebiet der DDR um eine Beschäftigung "im Sinne des § 6 Abs 1 Nr 4" AVG gehandelt hat, hängt davon ab, ob auch für die damalige Zeit schon die Gewährleistung einer Anwartschaft zu verlangen ist, die den Anforderungen gerecht wird, die seit dem 1. März 1957 nach § 6 Abs 1 Nr 4 AVG gelten (diese Vorschrift idF des Art 1 AnVNG vom 23. Februar 1957, BGBl I S 88, durch Art 1 § 2 Nr 5 des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965, BGBl I S 476, um die "entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen" ergänzt), oder ob auch eine Anwartschaft genügt, die die geringeren Voraussetzungen der entsprechenden früheren Gewährleistungsregelung erfüllte. Die Beklagte und - entgegen ihrem Revisionsvorbringen - auch das LSG haben angenommen, es sei § 6 Abs 1 Nr 4 AVG nF anzuwenden. Diese Auffassung trifft indes nicht zu. Vielmehr ist von dem Gewährleistungsrecht auszugehen, das zu der Zeit galt, für die Beiträge nachentrichtet werden sollen.
Während nach § 6 Abs 1 Nr 4 AVG nF die dort genannten Personen im Geltungsbereich des AVG nF nur versicherungsfrei sind, wenn ihnen Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen gewährleistet ist, genügte vor März 1957 in der Bundesrepublik schon die Gewährleistung einer "Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung". Dieses ergab sich daraus, daß die in der gesetzlichen Krankenversicherung heute noch geltende Regelung des § 169 Abs 1 RVO damals auch in der Rentenversicherung der Angestellten galt (§ 1 Abs 2 AVG idF des Art 6 der Ersten Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung -VereinfVO- vom 17. März 1945 - RGBl I S 41; zum Inkrafttreten und zum Geltungsbereich vgl BSGE 3, 161, 163 und 15, 65, 68/69). Für die Angestelltenversicherung war damit im Jahre 1945 die Regelung des § 11 Abs 1, 2 AVG idF der Bekanntmachung vom 28. Mai 1924 (RGBl I S 563) abgelöst worden, wonach für die Versicherungsfreiheit von Angestellten eine "Anwartschaft auf Ruhegeld und Hinterbliebenenrenten im Mindestbetrage der ihrem Diensteinkommen entsprechenden Höhe" erforderlich gewesen war.
Für die Anwendung des Art 2 § 44a Abs 3 Satz 2 Buchst b AnVNG reicht es bei einer Beschäftigung im Gebiet der DDR während der Zeit von 1950 bis 1955 aus, daß diese Beschäftigung damals versicherungsfrei und gleichzeitig eine Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet war. Die Versicherungsfreiheit, die vom Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR in der Bescheinigung vom 10. November 1981 auch für den Kläger bestätigt worden ist, beruhte zwischen 1950 und 1955 anscheinend auf § 4 Buchst c der Verordnung über die Sozialpflichtversicherung (Arbeit und Sozialfürsorge 1947, S 92). Danach waren Geistliche und Mitglieder religiöser Orden, die bisher der Versicherungspflicht nicht unterlagen, von der Pflichtversicherung befreit. Als Geistliche waren nach Art 2 (zu § 4c) der 1. Durchführungsverordnung (Arbeit und Sozialfürsorge 1947, S 195) solche Personen anzusehen, die überwiegend seelsorgerisch tätig waren (vgl zum Ganzen Weser, Die gesetzliche Rentenversicherung in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, 1965, S 96 f unter 2.). Ob hiernach im Gebiet der DDR damals - wie in der Bundesrepublik - Versicherungsfreiheit nur aufgrund einer individuellen oder allenfalls gruppenbezogenen Gewährleistungsentscheidung bestand, oder ob sie, weil der betreffende Personenkreis bisher - wegen Bestehens einer Anwartschaft - versicherungsfrei gewesen war, allgemein für den gesamten Personenkreis angenommen wurde, kann offen bleiben. Denn auch wenn letzteres zutreffen sollte, könnte das der Nachentrichtung gemäß Art 2 § 44a Abs 3 Satz 2 Buchst b AnVNG nicht entgegenstehen; andernfalls hätte die Vorschrift für die damalige Zeit keinen Anwendungsbereich, wenn nach der seinerzeit vertretenen Rechtsauffassung oder Praxis in der DDR eine individuelle oder gruppenbezogene Gewährleistungsentscheidung nicht erteilt wurde. Hinzu kommen muß zu der Versicherungsfreiheit allerdings, daß tatsächlich eine Versorgungsanwartschaft bestanden hat. Denn eine Beitragsnachentrichtung gemäß Art 2 § 44a Abs 3 Satz 2 Buchst b AnVNG soll nur den Verlust einer solchen Anwartschaft ausgleichen, wegen der der Berechtigte - im Einzelfall oder allgemein - rentenversicherungsfrei war; sie soll dagegen nicht dazu dienen, Beitragslücken aufgrund einer aus anderen Gründen bestehenden Versicherungsfreiheit zu schließen. Für die Zeit von 1950 bis 1955 reicht aber - dem damaligen Recht der Bundesrepublik entsprechend - eine Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung aus.
Der Senat folgt damit nicht der Auffassung der Beklagten, wonach die Versorgungsanwartschaft schon damals die Anforderungen des § 6 Abs 1 Nr 4 AVG nF erfüllt haben muß. Der Wortlaut des Art 2 § 44a Abs 3 Satz 2 Buchst b AnVNG enthält zwar keinen Hinweis darauf, daß für die Zeit vor dem 1. März 1957 eine Anwartschaft alten Rechts genügt. Andererseits schließt er, wenn das Gesetz von einer Beschäftigung "im Sinne" des § 6 Abs 1 Nr 4 AVG spricht, eine solche Auffassung nicht aus. Sie verdient vor allem deshalb den Vorzug, weil sie dem Zweck der Nachentrichtungsvorschrift besser gerecht wird. Er besteht darin, Geistlichen und sonstigen Bediensteten der Religionsgesellschaften, die in der Rentenversicherung versicherungsfrei und durch eine anderweitige Versorgungsanwartschaft gesichert waren, diese Sicherung aber infolge der Übersiedlung in die Bundesrepublik eingebüßt hatten, die Möglichkeit zu geben, den Verlust durch eine Nachentrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung auszugleichen. Diesem Anliegen des Gesetzgebers würde nicht in dem gebotenen Umfang Rechnung getragen, wenn die Anforderungen, die nach § 6 Abs 1 Nr 4 AVG nF für eine Versicherungsfreiheit vom 1. März 1957 an maßgebend sind, bei der Anwendung der Nachentrichtungsvorschrift auf die Vergangenheit übertragen würden. Denn dann würde ein Bediensteter, der eine Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung hatte, die ihn zwar nach früherem Recht rentenversicherungsfrei machte, jedoch den - erst später normierten - strengeren Anforderungen des § 6 Abs 1 Nr 4 AVG nF nicht entsprach, und der die Anwartschaft infolge der Übersiedlung in die Bundesrepublik verloren hat, diesen Verlust nicht durch eine Nachentrichtung von Beiträgen ausgleichen können. Ein solches Ergebnis kann der Gesetzgeber nach Auffassung des Senats nicht gewollt haben. Es würde auch den damaligen Vorstellungen und Regelungen der Religionsgesellschaften und ihrer Bediensteten die Grundlage entziehen: Sie gingen davon aus, daß mit einer dem früheren Rechtszustand entsprechenden Anwartschaft Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung eintrat oder zu erreichen war. Daß später höhere Anforderungen gestellt wurden, konnten sie nicht voraussehen und daher auch die Ausgestaltung der Anwartschaften hierauf nicht einrichten. Dem muß auch bei Anwendung der Nachentrichtungsvorschrift Rechnung getragen werden.
Die hier zur Nachentrichtung von Beiträgen vertretene Auffassung steht auch mit der Anwendung des Nachversicherungsrechts durch die Beklagte in Einklang. Gemäß § 9 Abs 1 AVG nF sind unter anderem Personen nachzuversichern, die nach § 6 Abs 1 Nr 4 AVG (nF) versicherungsfrei waren. Die Beklagte hat im Jahre 1970 aufgrund dieser Vorschrift die Nachversicherung des Klägers für die Zeit von November 1955 bis Februar 1957 zugelassen, obwohl er damals nicht nach dem erst vom 1. März 1957 an geltenden § 6 Abs 1 Nr 4 AVG nF, sondern nach der früheren Regelung (§ 1 Abs 2 AVG iVm § 169 RVO) versicherungsfrei war. Ist aber nach der eigenen Praxis der Beklagten, die der Senat für zutreffend hält, für die Nachversicherung eine Versicherungsfreiheit nach altem Recht ausreichend, obwohl der Wortlaut des Gesetzes (§ 9 Abs 1 AVG nF) dieses in keiner Weise andeutet, kann für die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 44a Abs 3 Satz 2 Buchst b AnVNG, wo der Wortlaut ("im Sinne des § 6 Abs 1 Nr 4") dies eher ermöglicht, nichts anderes gelten. Denn die Nachentrichtung von Beiträgen nach dieser Vorschrift erfüllt für die von ihr erfaßten versicherungsfreien Beschäftigungszeiten, die im Gebiet der DDR zurückgelegt worden sind, dieselbe Funktion wie die Nachversicherung für die in der Bundesrepublik verbrachten Zeiten einer nach § 6 Abs 1 Nr 4 AVG versicherungsfreien Beschäftigung.
Ob dem Kläger in der Zeit von August 1950 bis Juli 1955 eine Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet war, ist bisher nicht eindeutig festgestellt. Die Ausführungen des LSG, das sogar eine dem § 6 Abs 1 Nr 4 AVG nF genügende Anwartschaft als gegeben angesehen hat, reichen dazu nicht aus, weil sie zu allgemein gehalten sind und - ebenso wie die Bescheinigung vom 10. November 1981, auf die sich das LSG gestützt hat - auf die Hinterbliebenenversorgung nicht eingehen. Es kann auch nicht ohne weiteres angenommen werden, daß der Sachverhalt hinsichtlich des Bestehens einer ausreichenden Anwartschaft nicht näher aufgeklärt werden könne. Vielmehr drängt es sich geradezu auf, daß das LSG dem Kläger Gelegenheit gibt, eine detaillierte Bescheinigung des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR beizubringen, oder daß es selbst beim Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der Bundesrepublik eine Auskunft darüber einholt, ob zwischen 1950 und 1955 in der DDR bei Predigern wie dem Kläger eine Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet gewesen ist. Erst wenn die erforderlichen Ermittlungen ergebnislos bleiben sollten, was kaum zu erwarten ist, wird die vom Kläger aufgeworfene Frage zu prüfen sein, ob auch eine Sicherung durch den Dienstherrn ausreichen würde, die nicht mehr als Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung früheren Rechts bezeichnet werden könnte.
Das Nachentrichtungsrecht des Klägers gemäß Art 2 § 44a Abs 3 Satz 2 Buchst b AnVNG scheitert, wie das LSG in Übereinstimmung mit der im Prozeß auch von der Beklagten vertretenen Ansicht zutreffend entschieden hat, nicht daran, daß der Kläger nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik anfangs wieder als Prediger des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden beschäftigt gewesen ist. Denn bei der gebotenen, am Zweck der Vorschrift ausgerichteten Betrachtungsweise hat er damit keine gleichartige Beschäftigung wieder aufgenommen. Daß der Kläger eine Versorgung für die in der DDR zurückgelegten Kirchendienstzeiten verloren hat, beruht allerdings darauf, daß er überhaupt aus dem Kirchendienst ausgeschieden ist. Bei einem Verbleib im Kirchendienst nach der Übersiedlung aus der DDR in die Bundesrepublik wären ihm, wie er in der Revisionserwiderung selbst vorträgt, auch die DDR-Zeiten auf die Pension angerechnet worden. Sein Ausscheiden aus dem kirchlichen Dienst und der damit verbundene Verlust seiner Versorgungsansprüche gegen seinen letzten Dienstherrn hatte jedoch eine Nachversicherung nur für die in der Bundesrepublik zurückgelegten Kirchendienstzeiten zur Folge. Daß die Nachversicherung nicht auch für die in der DDR verbrachten Zeiten durchgeführt werden konnte und insofern auch in der Rentenversicherung eine Lücke verblieb, beruht darauf, daß es für diese Zeiten in der Bundesrepublik keine nachversicherungspflichtige Stelle gibt, mithin auf der Übersiedlung des Klägers aus der DDR in die Bundesrepublik. Gerade einen dadurch hervorgerufenen Verlust will jedoch die Nachentrichtungsregelung des Art 2 § 44a Abs 3 Satz 2 Buchst b AnVNG ausgleichen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung vorbehalten, die das Verfahren abschließt.
Fundstellen