Leitsatz (amtlich)
Ist der Erwerber landwirtschaftlicher Grundstücke nicht seit mindestens einem Jahr vor der Abgabe landwirtschaftlicher Unternehmer iS des GAL 1965 § 1 so liegt eine Abgabe zum Zwecke der Strukturverbesserung nach GAL 1965 § 1 § 42 Abs 1 Buchst a auch dann nicht vor, wenn der Erwerber das Land einem Unternehmer weiter verpachtet, der seinerseits seit einem Jahr ein Unternehmen im Umfang einer Existenzgrundlage betreibt.
Normenkette
GAL § 42 Abs. 1 Buchst. a Fassung: 1969-07-29, § 1 Fassung: 1965-09-14
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 2. März 1972 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der 1910 geborene Kläger begehrt Landabgaberente von November 1970 an. Er hat von 1937 bis Oktober 1970 ein landwirtschaftliches Unternehmen von 14,5 ha bewirtschaftet und 8 ha hiervon bis Oktober 1982 dem Landwirt G verpachtet. Weitere 5,86 ha hat er zum 1. Oktober 1970 an Wilhelm A veräußert; dieser hatte vor Jahren den eigenen Hof (18 ha) einem Sohn (G) pachtweise überlassen; er hat auch das vom Kläger erworbene Land dem Sohn verpachtet.
Den im Dezember 1970 gestellten Antrag lehnte die Beklagte ab: § 42 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte idF vom 29. Juli 1969 - GAL 1969 - verlange vom Erwerber, daß er seit mindestens einem Jahr vor der Abgabe landwirtschaftlicher Unternehmer i. S. des § 1 GAL sei; Wilhelm A sei das aber seit 1967 nicht mehr.
Die Klage hatte vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück Erfolg, weil nach dessen Meinung § 42 Abs. 1 a GAL 1969 so auszulegen ist, daß das aufgestockte Unternehmen seit einem Jahr eine Existenzgrundlage bilden müsse (Urteil vom 1. Dezember 1971).
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen wies auf die Berufung der Beklagten die Klage ab (Urteil vom 2. März 1972). Es stimmte dem SG zwar zu, daß bei der Auslegung einer Vorschrift auch deren Sinngehalt, Bedeutung und Tendenz zu berücksichtigen seien; gleichwohl spräche - bei wenig ergiebigen Gesetzesmaterialien - nicht dafür, daß der Gesetzgeber bei der Fassung des § 42 Abs. 1 a nicht die richtigen Worte gefunden habe; der Wortlaut stelle auf den übernehmenden Unternehmer ab, eine Auslegung gegen diesen klaren Wortlaut sei hier unzulässig.
Mit der zugelassenen Revision beantragt der Kläger (sinngemäß),
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Er rügt Verletzung des § 42 Abs. 1 GAL 1969, den er wie das SG versteht.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Der Anspruch auf Landabgaberente ist für die Zeit bis Dezember 1970 nach dem GAL 1969 und für die folgende Zeit auch nach dem GAL idF des Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes vom 21. Dezember 1970 - GAL 1971 - zu beurteilen. Beide Gesetzesfassungen setzen voraus, daß der Kläger sein "landwirtschaftliches Unternehmen zum Zwecke der Strukturverbesserung abgegeben" hat (§ 41 Abs. 1 Buchst. c). Diese Voraussetzung wird in § 42 näher erläutert; von den dortigen Alternativen kommt hier nur Absatz 1 Buchst. a in Betracht. Dessen Fassung im GAL 1969 verlangt, daß "der Erwerber, Pächter oder sonstige Nutzungsberechtigte seit mindestens einem Jahr vor der Abgabe landwirtschaftlicher Unternehmer i. S. des § 1 ist"; die Fassung des GAL 1971 fordert zusätzlich daß "das von ihm bewirtschaftete Unternehmen während dieser Zeit mindestens das Doppelte der nach § 1 Abs. 4 festgesetzten Mindesthöhe erreicht hat oder durch die Landaufnahme mindestens das Dreifache. erreichen wird"; diese Anspruchserschwerung gilt indessen nicht für Unternehmer, die noch vor dem 1. Januar 1971 ihr Unternehmen abgegeben haben (Art. 2 § 11 a AHNG 1971); für sie ist § 42 Abs. 1 a in der Fassung von 1969 anzuwenden. Mit Recht hält das LSG die dort niedergelegten Voraussetzungen nicht für erfüllt.
Der Wortlaut des § 42 Abs. 1 a GAL 1969 läßt - für sich genommen - keinen Zweifel, daß die das Land übernehmende Person seit mindestens einem Jahr vor der Abgabe landwirtschaftlicher Unternehmer i. S. des § 1 GAL sein muß. Dieser klare Wortlaut würde allein zwar noch nicht einer Auslegung entgegenstehen, die auf die Größe und Dauer des Unternehmens abstellt, in dessen Rahmen das Land anschließend bewirtschaftet wird; es müßten dann aber andere Auslegungskriterien, insbesondere Zweck und Sinngehalt der Vorschrift deutlich in diese Richtung weisen. Zutreffend hat aber schon das LSG ausgeführt, daß es für eine solche, vom Wortlaut abweichende Auslegung keine überzeugenden Anhaltspunkte gibt. Die erörterten Gesetzesmaterialien (Entwürfe und Ausschußbericht zu § 42, Bundestagsdrucksachen V, 3970 und 4419 und VI, 945) und die von der Revision zitierten Richtlinien zur Förderung langfristiger Verpachtungen vom 10. März 1969 (abgedruckt bei Noell/Rüller, GAL 1969 und GAL 1971, jeweils im Anhang) sind für das anstehende Problem unergiebig, weil sie dazu keine Stellung nehmen. Zusammenhang und Materialien des Gesetzes zeigen zwar, daß die Einführung der Landabgaberente hauptsächlich der Verbesserung der Agrarstruktur dienen und daß § 42 Abs. 1 Buchst. a in besonderem Maße dieses Ziel verwirklichen soll; die Vorschrift soll nach den Gesetzesmaterialien allgemein bewirken, daß die abgegebenen Grundstücke Betrieben zufließen, die bereits eine Existenzgrundlage im Sinne des GAL bilden. Daraus läßt sich aber - zumal im gleichen Zusammenhang wiederholt betont wird, der übernehmende Landwirt müsse seit mindestens einem Jahr landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des Gesetzes sein - nicht schließen, der Gesetzgeber habe nur das landaufnehmende Unternehmen im Auge gehabt. Der Kläger legt den Ausführungen in den Gesetzesmaterialien eine Bedeutung bei, die er umgekehrt dem Gesetzestext gewordenen Wortlaut absprechen will. Es ist auch nicht sinnlos, vom Übernehmer der Grundstücke zu fordern, daß er im zurückliegenden Jahr ein Unternehmen in der Größe einer Existenzgrundlage bewirtschaftet hat. Denn, abgesehen davon, daß Unternehmen nicht für sich existieren, sondern in Bestand und Größe vom Unternehmer abhängig sind, lassen agrarpolitische Überlegungen es angezeigt erscheinen, das Land vor allem denen zuzuführen, die auch künftig ihren Hauptberuf in der Landwirtschaft sehen (Dahm, Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft, 1971 Heft 1, S. 5, 9); die einjährige Unternehmertätigkeit mag als ein dafür sprechendes, wenn auch nicht zwingendes Indiz gewertet werden. Der Senat kann deshalb dem SG nicht dahin beipflichten, daß der Gesetzgeber nur sachliche Voraussetzungen für das landaufnehmende Unternehmen im Auge gehabt habe.
Es kommt somit auf die Person des Übernehmenden an. Nach § 42 Abs. 1 a GAL 1969 ist das derjenige, an den der bisherige Unternehmer das Land abgegeben hat. Da das GAL unter Abgabe (vgl. § 41 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 3) die Übergabe oder einen sonstigen Verlust der Unternehmereigenschaft versteht - die Abgabe wird dabei aus der Sicht des Abgebenden definiert -, kommen als Landabnehmer "Erwerber, Pächter oder sonstige Nutzungsberechtigte" (so § 42 Abs. 1 a) in Betracht. Sie müssen ihre Rechtsstellung unmittelbar vom bisherigen Unternehmer - und zwar in der Regel durch vertragliche Vereinbarung - erlangt haben. Landabnehmer der veräußerten 5,86 ha ist daher Wilhelm A als deren "Erwerber", nicht sein Sohn Gerhard als Pächter gewesen; ob dieser die Bewirtschaftung des Landes unmittelbar nach dem Einstellen der Bewirtschaftung durch den Kläger aufgenommen hat, ist unerheblich. Wilhelm A aber ist weder bei der Übergabe noch im Jahr zuvor landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 GAL gewesen. Demzufolge war die Abgabe an ihn keine Abgabe zum Zwecke der Strukturverbesserung. Allein mit den an den Landwirt G verpachteten 8 ha kann der Kläger jedoch die Anspruchsvoraussetzung des § 41 Abs. 1 c GAL 1969 bzw. 1971 nicht erfüllen (vgl. § 41 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 7 GAL). Ohne Erfüllung dieser Anspruchsvoraussetzung besteht für ihn kein Anspruch auf Landabgaberente; die übrigen Anspruchsvoraussetzungen brauchen dann nicht mehr geprüft zu werden.
Die Revision ist somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen