Leitsatz (redaktionell)
Ein nicht nur vorübergehendes Brachliegenlassen landwirtschaftlicher Grundstücke ist nicht als Abgabe des Unternehmens iS von GAL § 2 Abs 3 anzusehen.
Normenkette
GAL § 2 Abs. 3 Fassung: 1969-07-29
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Juni 1971 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Altersgeld zusteht, insbesondere über die Frage, ob das Brachliegenlassen von Grundstücken als "Abgabe" anzusehen ist.
Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) beantragte die am 19. Mai 1904 geborene Klägerin im Mai 1969 Altersgeld. Dabei gab sie an, sie habe von 1925 bis zum Tode ihres Ehemannes im Jahre 1940 ein landwirtschaftliches Unternehmen mit 5,99 ha Eigenland und zusätzlich 1 ha Pachtland bewirtschaftet. 3,10 ha Eigenland seien 1940 an verschiedene Landwirte verpachtet und das Pachtland zurückgegeben worden; sie habe seitdem nur noch 0,52 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und 0,32 ha Wald bewirtschaftet. 1,51 ha landwirtschaftliche Nutzfläche hätten brach gelegen. Diesen restlichen Grundbesitz habe sie - wie sie später vortrug - nur deshalb nicht verpachten können, weil sie keinen Pächter gefunden habe; sie habe nach und nach ihren Grundbesitz veräußert und zuletzt durch notariellen Vertrag vom 18. Juli 1969 die in ihrem Eigentum verbliebenen 3,46 ha Land auf ihre Tochter übertragen.
Die Beklagte lehnte den Altersgeldantrag durch Bescheid vom 1. September 1969 ab, weil die Klägerin in den letzten 25 Jahren vor der Abgabe des Unternehmens nicht mindestens 180 Kalendermonate ein landwirtschaftliches Unternehmen bewirtschaftet habe. Das nach dem Tod ihres Ehemannes betriebene Unternehmen hätte die notwendige Mindesthöhe von 3200,- DM nicht erreicht; aber auch eine Abgabe sei damals nicht erfolgt, weil die zurückbehaltenen Flächen 25 v. H. der festgesetzten Mindesthöhe überschritten hätten.
Klage und Berufung waren ohne Erfolg (Urteile des Sozialgerichts - SG - Speyer vom 17. Dezember 1970 und des LSG Rheinland-Pfalz vom 24. Juni 1971).
Das LSG hielt die Voraussetzungen weder des § 33 noch des § 34 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte idF des Gesetzes vom 29. Juli 1969 (GAL 1969) für erfüllt. § 34 GAL 1969 scheide aus, weil der von der Klägerin seit 1940 bewirtschaftete restliche Betrieb infolge der Verpachtung von 3,10 ha Eigenland nicht die festgesetzte Mindesthöhe von 3200,- DM erreicht habe und sie somit am 1. Oktober 1957 nicht mehr landwirtschaftliche Unternehmerin im Sinne des § 1 GAL gewesen sei. Ein Anspruch nach § 33 Abs. 1 GAL 1969 scheitere daran, daß sie während der 25 Jahre vor Abgabe des Unternehmens nicht mindestens 180 Kalendermonate landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 GAL gewesen sei. Da auch ihr verstorbener Ehemann diese Voraussetzung nicht erfüllt habe, entfalle auch ein Anspruch nach § 33 Abs. 10 Buchst. b GAL 1969. Die Ansicht der Klägerin, sie habe das Unternehmen im Jahre 1940 abgegeben, sei falsch; sie übersehe dabei, daß das bloße Brachliegenlassen von Grundstücken nicht als Abgabe im Sinne von § 2 Abs. 3 GAL 1969 anzusehen sei. Aus welchen Gründen ein Landwirt Grundstücke brach liegen lasse, sei ohne rechtliche Bedeutung. Das Gesetz weise insoweit auch keine Lücke auf. Das seit 1940 brach liegende Land von 1,51 ha müsse deshalb bis zur Abgabe des Unternehmens im Jahre 1969 ihrem restlichen Betrieb zugerechnet werden, der somit bis dahin zwar 25 v. H. der festgesetzten Mindesthöhe erheblich überschritten (§ 2 Abs. 7 GAL 1969), andererseits aber infolge der Verpachtung von 3,10 ha Eigenland nicht die Mindesthöhe erreicht habe.
Mit der zugelassenen Revision beantragt die Klägerin - sinngemäß -, unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der vorinstanzlichen Urteile die Beklagte zur Zahlung von Altersgeld ab 1. Mai 1969 zu verurteilen. Sie rügt eine Verletzung von § 2 Abs. 7 GAL 1969. Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die brach liegende Fläche von 1,51 ha dem ihr verbliebenen Teil des Unternehmens zuzurechnen sei. Nach § 1 Abs. 4 GAL 1969 sei von der genutzten Fläche und dem durchschnittlichen ha-Satz der Gemeinde auszugehen. Nicht bewirtschaftetes Land dürfe deshalb nicht berücksichtigt werden. Aber selbst wenn das Brachland als Geringstland im Sinne des Bewertungsgesetzes zu werten sei, habe der Restbetrieb der Klägerin nicht 25 v. H. der festgesetzten Mindesthöhe erreicht. Das LSG habe insoweit eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes zu Unrecht unterlassen. Das angefochtene Urteil sei auch insofern fehlerhaft, als ein Anspruch nach § 33 Abs. 10 Buchst. b GAL nicht ausreichend geprüft worden sei.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat den Antrag auf Gewährung von Altersgeld zu Recht abgelehnt.
Das LSG hat zutreffend sowohl die Möglichkeit eines Anspruchs nach § 33 Abs. 1 GAL 1969 als auch nach § 34 Abs. 1 GAL 1969 geprüft. Ein Anspruch nach § 34 GAL 1969 scheitert schon aus den vom LSG angeführten Gründen. Das LSG hat aber auch zutreffend einen Anspruch nach § 33 GAL 1969 verneint. Dieser ist u. a. davon abhängig, daß die Klägerin während der 25 Jahre, die der Abgabe vorausgegangen sind, mindestens 180 Kalendermonate Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens im Sinne des § 1 GAL 1969 gewesen ist. Das LSG hat zu Recht ausgeführt, daß sie diese Voraussetzung nicht erfüllt.
Für die Berechnung des Zeitraumes von 25 Jahren ist der Zeitpunkt der Abgabe maßgebend. Streitig ist, ob die Klägerin das von ihr nach dem Tode ihres Ehemannes - teilweise - fortgeführte landwirtschaftliche Unternehmen schon im Jahre 1940 oder erst durch den notariellen Vertrag vom Juli 1969 im Sinne des GAL abgegeben hat. Bei der Abgabe im Jahre 1940 handelt es sich um eine teilweise Abgabe im Sinne des § 2 Abs. 7 Satz 1 GAL 1969. Dabei kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (vgl. BSG 12, 91, 93) davon ausgegangen werden, daß in der mündlichen Verpachtung von 3,10 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche im Jahre 1940 eine wirksame Abgabe liegt, weil es unbillig wäre, bei Verträgen, die beim Inkrafttreten des GAL (1957) sechs bzw. neun Jahre bestanden haben, die Beachtung von erst später bekanntgewordenen Vorschriften zu verlangen. Eine derartige teilweise Abgabe erfüllt die gesetzliche Voraussetzung der Unternehmensabgabe allerdings erst dann, wenn der Einheitswert oder der Arbeitsbedarf des nicht abgegebenen Teils des Unternehmens 25 v. H. der nach § 1 Abs. 4 festgesetzten Mindesthöhe nicht übersteigt. Das GAL 1957 enthielt zwar keine dem § 2 Abs. 7 GAL 1969 entsprechende Vorschrift; das ändert aber nichts daran, daß vom Inkrafttreten des neuen Rechts an grundsätzlich nur noch die neuen Vorschriften maßgebend sind (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juni 1969 - 11/7 RLw 17/66). Die Mindesthöhe im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 GAL 1969 beträgt - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - 3200,- DM. Der Einheitswert der zurückbehaltenen Grundstücke (3,46 ha einschließlich Brachland), die die Klägerin 1969 an ihre Tochter übereignet hat, betrug jedoch, wie die Bescheinigung des zuständigen Finanzamts vom 13. Juni 1969 ergibt, 1800,- DM; er überstieg mithin 25 v. H. der Mindesthöhe. Für eine Berechnung des Vergleichswertes nach § 1 Abs. 4 Satz 5 GAL bleibt hier kein Raum, weil es sich ausschließlich um Eigenland handelt, dessen Einheitswert feststeht (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 1971 - 11 RLw 12/70). Das LSG hat zu Recht entschieden, daß die von der Klägerin nicht bewirtschaftete Fläche von 1,51 ha ihrem nicht abgegebenen Unternehmensteil zuzurechnen ist.
Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 8. März 1972 - 11 RLw 6/70 - entschieden hat. ist das nicht nur vorübergehende Brachliegenlassen landwirtschaftlicher Flächen - entgegen der Meinung der Revision - keine Abgabe im Sinne von § 2 Abs. 3 GAL 1969. Ein "Verlust der Unternehmereigenschaft" im Sinne des Satzes 1 dieser Vorschrift liegt zwar auch dann vor, wenn ein Landwirt die Bewirtschaftung seines Betriebes nicht nur vorübergehend einstellt, also Grundstücke auf Dauer brach liegen läßt. Er bleibt dann aber immer noch Eigentümer dieses Landes (Ausnahme: § 928 BGB).
In solchen Fällen, d. h. wenn das Eigentum nicht auf einen anderen übergeht, liegt nach Satz 2 dieser Vorschrift eine Abgabe nur dann vor, wenn sie für einen Zeitraum von mindestens neun Jahren nach Vollendung des 65. Lebensjahres des abgebenden Unternehmers schriftlich vereinbart wird. Die Möglichkeit, durch Verpachtung sich des landwirtschaftlichen Unternehmens zu entäußern, erscheint an sich schon wenig geeignet, dem mit dem GAL vorwiegend erstrebten agrarpolitischen Zweck einer möglichst frühzeitigen und endgültigen Weitergabe an die jüngere Generation zu dienen, da die Verpachtung notwendigerweise einmal enden muß und der ehemalige Unternehmer wieder in seine Stellung einrücken kann. Die Möglichkeit einer Abgabe durch Verpachtung ist deshalb an strenge Voraussetzungen gebunden. Beim - einseitigen - Brachliegenlassen landwirtschaftlicher Flächen entfällt die Möglichkeit einer schriftlichen Vereinbarung, durch die der Landwirt verpflichtet wird, sich entsprechend lange Zeit der Bewirtschaftung zu enthalten; die Bewirtschaftung unbestellten Landes kann er jederzeit wieder aufnehmen; der Gesetzeszweck wäre also noch mehr gefährdet.
Das Brachliegenlassen kann auch nicht als Beginn einer stufenweisen Abgabe gewürdigt werden. Nach dem Aufbau und Sinn des Gesetzes ist die Abgabe nur zu einem bestimmten Zeitpunkt denkbar; sie kann sich also nicht auf einen Zeitraum erstrecken; bei stückweise erfolgenden Abgabehandlungen tritt sie erst ein, wenn die Grenze von 1/4 der ursprünglichen Betriebsgröße durch wirksame Abgabehandlungen unterschritten worden ist; von da an in die Vergangenheit rechnet der 15- bzw. 25 Jahreszeitraum (vgl. BSG aaO). Daran ändern auch die Hinweise der Klägerin auf die angebliche Unbilligkeit des Ergebnisses nichts. Die Frage, ob eine durch fehlende Interessenten bedingte Nichtbewirtschaftung landwirtschaftlichen Bodens einer Unternehmensabgabe gleichgestellt werden könnte, ist inzwischen Gegenstand von Beratungen bei der Einführung und Ausgestaltung der Landabgaberente gewesen (vgl. Noell/Rüller, GAL 1969 S. 63 und GAL 1971 S. 78 sowie Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik - BT-Drucks. V/4419 zu § 41 GAL); eine Gleichstellung ist aber abgelehnt worden. Es liegt daher keine Gesetzeslücke vor, wie die Revision meint. Das auf Dauer vorgesehene Brachliegenlassen landwirtschaftlicher Flächen erfüllt deshalb nicht § 2 Abs. 3 GAL und somit auch nicht die Leistungsvoraussetzung des § 33 Abs. 1 Buchst. b oder § 34 Abs. 1 Buchst. d GAL 1969 (vgl. Noell/Rüller, GAL 1965 S. 70).
Die Klägerin hat somit ihr landwirtschaftliches Unternehmen nicht schon im Jahre 1940, sondern erst im Juli 1969 endgültig abgegeben. In den 25 Jahren, die der Abgabe vorausgegangen sind, das ist von 1944 bis 1969, war sie nicht landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1; denn der Einheitswert der Grundstücke, welche die Klägerin in dieser Zeit bewirtschaftete, erreichte die Mindesthöhe von 3200,- DM nicht.
§ 33 Abs. 1 Satz 2 GAL 1969, der bestimmt, daß § 2 Abs. 2 Satz 2 GAL nicht gilt, ist hier entgegen der Ansicht der Revision ohne rechtliche Bedeutung, weil es sich im vorliegenden Fall ausschließlich um § 2 Abs. 7 Satz 1 GAL 1969 handelt.
Eine Beitragsnachentrichtung nach Art. 2 § 7 Abs. 1 des Altershilfe-Neuregelungsgesetzes (AHNG) 1971 kommt für die Klägerin nicht in Betracht, weil sie in der Zeit nach dem 1. Oktober 1957 nicht landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 GAL gewesen ist. Sie rügt auch zu Unrecht, daß das LSG einen etwaigen Anspruch nach § 33 Abs. 10 Buchst. b GAL 1969 nicht ausreichend geprüft habe. Sie verkennt, daß auch dieser - originäre - Anspruch der Witwe nicht nur voraussetzt, daß sie das nach dem Tode ihres Ehemannes fortgeführte Unternehmen, jedenfalls bis unter die Mindestgröße verkleinert hat, so daß sie nicht mehr landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 GAL gewesen ist, sondern daß auch der verstorbene Unternehmer die Voraussetzung des § 33 Abs. 1 Buchst. c erfüllen muß (vgl. Noell/Rüller aaO S. 74 bb). Das trifft aber nicht zu, weil - wie dargelegt - das Unternehmen erst 1969 abgegeben worden ist.
Die Revision der Klägerin ist somit unbegründet und muß zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen