Leitsatz (amtlich)
Die erst nach dem Tode des Ehemannes allein von der Ehefrau abgegebene Erklärung, daß die am 31. Dezember 1985 geltenden Rechtsvorschriften für Witwen und Witwer anzuwenden seien, kann nicht zur Anwendung dieser Vorschriften führen (Fortführung von BSG vom 29.6.1989 - 5 RJ 23/88).
Normenkette
ArVNG Art 2 § 18 Abs 3 S 1 Fassung: 1985-07-11
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin begehrt, ihre Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach den vor dem 1. Januar 1986 geltenden Vorschriften zu berechnen.
Der Ehemann der Klägerin ist am 15. Januar 1986 verstorben. Beide Ehegatten sind vor dem 1. Januar 1936 geboren und waren seit dem 18. September 1954 verheiratet. Am 12. Februar 1986 beantragte die Klägerin, ihr Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes zu gewähren. Gleichzeitig erklärte sie vor dem Versicherungsamt ihres Wohnortes, daß sie die Anwendung des vor 1986 geltenden Rechts für Hinterbliebenenrenten wähle. Ihr Ehemann sei bereits seit dem 29. Dezember 1985 aufgrund einer Gehirnblutung bewußtlos und erklärungsunfähig gewesen. Deshalb habe er bis zu seinem Tode eine entsprechende Erklärung nicht abgeben können. Mit Bescheid vom 14. April 1986 gewährte die Beklagte der Klägerin Hinterbliebenenrente, die sie nach dem ab 1. Januar 1986 geltenden Recht berechnete. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 1. August 1986).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage der Klägerin abgewiesen und das Landessozialgericht (LSG) ihre Berufung zurückgewiesen (Urteile vom 18. März 1987 und 9. August 1988): Innerhalb der am 31. Dezember 1988 endenden Frist des Art 2 § 18 Abs 3 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) idF des Art 4 Nr 2 des Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetzes (HEZG) vom 11. Juli 1985 (BGBl I 1450) sei die dort vorgesehene Erklärung von den Ehegatten nicht abgegeben worden.
Die Klägerin hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Sie ist der Ansicht, daß ihre Witwenrente nach altem Recht berechnet werden muß.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Urteile der Vorinstanzen sowie die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Hinterbliebenenrente nach den bis zum 31. Dezember 1985 (nicht 1986) geltenden Rechtsvorschriften zu gewähren.
Die Beklagte stellt keinen Antrag und hält eine Stellungnahme für entbehrlich.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Nach Art 2 § 18 Abs 3 Satz 1 ArVNG können Ehegatten gegenüber dem für einen der Ehegatten zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum 31. Dezember 1988 übereinstimmend erklären, daß für sie die am 31. Dezember 1985 geltenden Rechtsvorschriften für Renten an Witwen und Witwer anzuwenden sind, wenn beide Ehegatten vor dem 1. Januar 1936 geboren sind und ihre Ehe vor dem 1. Januar 1986 geschlossen worden ist. Notwendig sind folglich von beiden Ehegatten Erklärungen, die wirksam werden, wenn sie dem Erklärungsempfänger, dem Träger der Rentenversicherung, zugehen. Eine solche Erklärung des Ehemannes der Klägerin ist hier nicht vorhanden. Das LSG hat - für das Revisionsgericht gemäß § 163 SGG bindend - festgestellt, unbestritten fehle eine gemeinsame Erklärung der Klägerin und ihres Ehemannes. Nur die Klägerin habe erst nach dem Tod ihres Ehemannes am 15. Januar 1986 eine solche Erklärung am 12. Februar 1986 abgegeben.
Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, der Gesetzgeber habe den Fall nicht geregelt, daß zwar beide Ehegatten die Erklärung zugunsten des alten Hinterbliebenenrechts hätten abgeben wollen, aber ein Ehepartner aufgrund einer Bewußtseinsstörung dazu nicht mehr in der Lage gewesen sei. Hier müsse die alleinige Erklärung der Ehefrau ausreichen, weil die gegenteilige Auffassung zu Ungerechtigkeiten führen würde. Dieses Vorbringen der Klägerin ist nicht geeignet, die Revision als begründet erscheinen zu lassen.
Eine ausfüllungsbedürftige Lücke in Art 2 § 18 Abs 3 ArVNG, die vom Revisionsgericht geschlossen werden könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Er hat bereits in seinem - zur Veröffentlichung bestimmten - Urteil vom 29. Juni 1989 - 5 RJ 23/88 - eine erweiternde Auslegung des § 1251a Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) abgelehnt. Nach Satz 1 dieser Vorschrift können für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten Mutter und Vater übereinstimmend erklären, daß der Vater das Kind überwiegend erzogen hat. Eine Ausnahme enthält § 1251a Abs 2 RVO in seinem Satz 2 für den Fall, daß die Mutter nach dem 31. Dezember 1985 gestorben ist. Dann kann die Erklärung vom Vater allein abgegeben werden. Eine Möglichkeit, entsprechend beim Tode des Vaters zu verfahren, hat der Senat verneint. Er hat ausgeführt, eine derartige erweiternde Auslegung des § 1251a Abs 2 Satz 2 RVO gegen dessen eindeutigen Wortlaut würde eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes bei der Beschränkung des alleinigen Erklärungsrechts auf den Vater voraussetzen. In solchen Fällen habe die Rechtsprechung den Wortlaut des Gesetzes zu beachten und davon auszugehen, daß dieser den Willen des Gesetzgebers zutreffend zum Ausdruck bringe, sofern sich nicht aus der Entstehungsgeschichte sowie aus Inhalt und Zweck der Vorschrift Anhaltspunkte ergäben, die mit hinreichender Sicherheit den Schluß auf ein planwidriges Unterlassen des Gesetzgebers zuließen. Da Art 2 § 18 Abs 3 ArVNG nicht einmal eine dem § 1251a Abs 2 Satz 2 RVO vergleichbare Ausnahmeregelung enthält, kann im vorliegenden Fall von einer ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke keine Rede sein. Der Wortlaut der hier anzuwendenden Norm ist eindeutig und bietet keinen Anlaß zu Zweifeln. Die vorstehend erwähnten Vorschriften sind beide durch das HEZG geschaffen worden. Folglich hat der Gesetzgeber erwogen, wann ausnahmsweise eine Erklärung nur eines Ehegatten ausreichend sein soll. Da er sich insoweit auf den in § 1251a Abs 2 Satz 2 RVO geregelten Sachverhalt beschränkt hat, spricht auch dieser Umstand gegen eine - planwidrige - Lücke in Art 2 § 18 Abs 3 ArVNG.
Die somit unbegründete Revision der Klägerin mußte zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen