Leitsatz (amtlich)

Wird nach Abschluß einer medizinischen Maßnahme zur Rehabilitation, während der der Betreute Übergangsgeld erhielt, zunächst eine zweiwöchige Berufsfindung (Arbeitserprobung) und sodann eine weitere berufsfördernde Maßnahme (Umschulung) durchgeführt, so steht dem Betreuten in der Zeit zwischen den beiden berufsfördernden Maßnahmen Übergangsgeld in der Höhe des Betrages zu, den er während der medizinischen Maßnahme zur Rehabilitation erhalten hatte (Abgrenzung zu BSG vom 23.9.1981 11 RA 58/80 = SozR 2200 § 1241e Nr 12).

 

Normenkette

RVO § 1241e Abs 1 Fassung: 1974-08-07, § 1241b Abs 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 18.08.1987; Aktenzeichen L 5 J 64/87)

SG Lübeck (Entscheidung vom 12.02.1987; Aktenzeichen S 3 J 170/86)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe die Beklagte dem Kläger Übergangsgeld zu gewähren hat.

Der 1941 geborene Kläger war als Kraftfahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 12. August 1984 war er arbeitsunfähig erkrankt und bezog ab 23. September 1984 Krankengeld von seiner Krankenkasse. Vom 9. Oktober bis 6. Dezember 1984 führte er auf Kosten der Beklagten eine Heilbehandlungsmaßnahme durch. Gebessert, aber noch arbeitsunfähig, wurde er aus der Maßnahme entlassen. Während der Heilbehandlung zahlte die Beklagte dem Kläger Übergangsgeld in Höhe von 76,41 DM täglich. Im Anschluß an die Beendigung des Krankengeldanspruchs am 8. Februar 1986 gewährte ihm die Beklagte vom 9. bis 23. Februar 1986 Zwischenübergangsgeld gemäß § 1241e Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) in Höhe von 78,70 DM täglich. Vom 24. Februar 1986 bis 7. März 1986 führte die Beklagte mit dem Kläger eine Berufsfindung und Arbeitserprobung als Rehabilitationsmaßnahme durch. Während dieser Zeit leistete sie Übergangsgeld in Höhe von 69,96 DM täglich (Bescheid vom 23. Januar 1986). Im Anschluß daran bewilligte sie dem weiterhin arbeitsunfähig erkrankten Kläger gemäß § 1241e Abs 1 RVO ab 8. März 1986 bis zum Beginn der inzwischen bewilligten und eingeleiteten Berufsförderungsmaßnahme (Ausbildung zum Bürokaufmann, 18 Monate) Übergangsgeld in Höhe von 69,96 DM täglich (Bescheid vom 14. März 1986). Hinsichtlich der Berechnung verwies sie auf den Bescheid vom 23. Januar 1986.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 8. März 1986 bis zum Beginn der Berufsförderungsmaßnahme ein Übergangsgeld in Höhe von 78,70 DM täglich zu gewähren (Urteil vom 12. Februar 1987). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 18. August 1987) und im wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe für die fragliche Zeit einen Anspruch auf Übergangsgeld gemäß § 1241e Abs 1 RVO. Dieses Übergangsgeld sei, anders als die Beklagte meine, in derselben Weise zu berechnen, wie das Übergangsgeld während der medizinischen Maßnahme, nicht dagegen wie das während der Berufsförderungsmaßnahme.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 1241e RVO. Das Übergangsgeld in der Zeit zwischen der medizinischen Maßnahme und der Maßnahme der Berufsförderung bzw Arbeitserprobung werde nach Art des Übergangsgeldes während der medizinischen Maßnahme errechnet. Das Übergangsgeld zwischen Berufsförderungsmaßnahme und Umschulung sei aber in der Höhe zu gewähren, in der es während der Berufsförderungsmaßnahme gezahlt worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 12. Februar 1987 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen das Übergangsgeld des Klägers in der Zeit zwischen Beendigung der Berufsfindungs- und der Umschulungsmaßnahme in der Höhe entsprechend dem (dynamisierten) Übergangsgeld errechnet, das der Kläger während der medizinischen Maßnahme zu erhalten hatte.

Übergangsgeld kann hinsichtlich seiner Höhe auf verschiedene Weise bestimmt werden. Zu unterscheiden ist zB: Das Übergangsgeld während einer medizinischen Maßnahme, bei der der Versicherte 90 vH des nach § 1241 Abs 1, 2 und 4, § 1241a RVO maßgebenden Betrages erhält, wenn er einen ihn pflegenden Ehegatten ernähren muß (§ 1241b Abs 1 Nr 1 Buchst a RVO). Dann das Übergangsgeld während einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation. Der Betreute erhält bei dem gleichen Familienstand (wie genannt) 80 vH (§ 1241b Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO). Des weiteren das Übergangsgeld im Anschluß an eine abgeschlossene berufsfördernde Maßnahme zur Rehabilitation, wenn der Betreute arbeitslos ist (§ 1241e Abs 3 RVO). Es beträgt 68 vH, wenn der Versicherte einen ihn betreuenden Ehegatten hat.

Die Zeit, für die hier die Höhe des Übergangsgeldes streitig ist, war keine dieser genannten Zeiten. Die medizinischen Maßnahmen waren bereits abgeschlossen, darauf war eine Zwischenzeit gefolgt, die auch die Beklagte der medizinischen Rehabilitation gleichgestellt hat, was die Höhe des Übergangsgeldes angeht. Dann hatte sich eine zweiwöchige Arbeitserprobung angeschlossen, die von beiden Beteiligten als eine Zeit betrachtet wird, in der dem Kläger nur ein Übergangsgeld iS des § 1241b Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO (80 vH) zustand. Darauf folgte schließlich die streitige Zeit zwischen dem Ende der Arbeitserprobung und dem Beginn der eigentlichen beruflichen Rehabilitation in Form einer Ausbildung zum Bürokaufmann.

Zu Recht hat das LSG aus Wortlaut und Sinn des Gesetzes im Wege der Auslegung den Schluß gezogen, daß auch diese streitige Zeit der medizinischen Rehabilitation gleichzustellen ist, und daß deshalb die Höhe des Übergangsgeldes sich nach denselben Maßstäben richtet wie in Fällen der medizinischen Rehabilitation. § 1241e Abs 1 RVO bestimmt, daß nach Abschluß medizinischer Maßnahmen zur Rehabilitation, wenn berufsfördernde Maßnahmen erforderlich sind, diese aber nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden, für die Zwischenzeit das Übergangsgeld weiterzugewähren ist. Voraussetzung für die Zahlung des Übergangsgeldes in dieser Zwischenzeit ist weiter, daß der Betreute arbeitsunfähig ist und ihm ein Anspruch auf Krankengeld nicht zusteht oder daß ihm eine zumutbare Beschäftigung nicht vermittelt werden kann. Da zunächst von dem Übergangsgeld die Rede ist, das der Versicherte während der medizinischen Rehabilitation erhält und dann ausgesprochen wird, daß dieses Übergangsgeld weitergezahlt werden soll, folgt bereits aus dem Wortlaut, daß es sich auch der Höhe nach um das Übergangsgeld handelt, wie es während der medizinischen Rehabilitation geleistet wird. "Weitergewährung" bedeutet die Fortzahlung einer schon früher erbrachten Leistung in alter Höhe bei Wahrung der Gleichheit des Leistungsgrundes und der Leistungshöhe (BSG 2200 § 1241e Nr 16 S 48 mwN). Daran kann - wie das LSG zutreffend erkannt hat - die "Zwischenschaltung" einer in der Regel nur kurzen, auch im vorliegenden Fall nur 14 Tage dauernden und je nach Lage des Einzelfalles sogar ganz unterbleibenden Berufsfindungsmaßnahme vor Beginn der eigentlichen Umschulung nichts ändern, weil es sich bei dem streitigen Zeitraum noch um die Zeit nach Abschluß medizinischer Maßnahmen zur Rehabilitation iS des § 1241e Abs 1 RVO und vor Abschluß einer berufsfördernden Maßnahme (§ 1241e Abs 3 RVO) handelt.

Die Weiterzahlung des "medizinischen" Übergangsgeldes ergibt sich aber auch daraus, daß der Kläger in der hier streitigen Zwischenzeit trotz der durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen - entsprechend den in § 1241e Abs 1 RVO zusätzlich genannten Voraussetzungen - ohne Anspruch auf Krankengeld weiterhin arbeitsunfähig gewesen ist. Wie das LSG unter Hinweis auf die Entstehung der Vorschrift (vgl BT-Drucks 7/1237 S 60 zu § 17 Rehabilitationsangleichungsgesetz = § 1241e Abs 1 RVO) zutreffend ausgeführt hat, entspricht es der Absicht des Gesetzgebers, bei einem nicht nahtlos möglichen Übergang von der medizinischen zur beruflichen Rehabilitation, den Betreuten das bisherige Übergangsgeld weiterzugewähren, um eine gleichbleibende Versorgung sicherzustellen. Dieser vom Gesetzgeber gewollte Vertrauensschutz darf aber durch eine - in das Belieben des Versicherungsträgers gestellte - Zwischenschaltung einer kurzfristigen Berufsfindungsmaßnahme vor Beginn der eigentlichen Umschulung nicht vereitelt werden. Das ist auch dem Fehlen einer Vorschrift zu entnehmen, die bestimmen würde, daß nach Beendigung einer Berufsfindungsmaßnahme, der noch eine weitere berufsfördernde Maßnahme folgt, Übergangsgeld nur in der Höhe des Betrages zu leisten ist, der während der Berufsfindungsmaßnahme zu zahlen war.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb eine derartige Zahlungspflicht des Versicherungsträgers in mehreren Entscheidungen in entsprechender Anwendung des § 1241e Abs 1 RVO bejaht (vgl BSG in SozR 2200 § 1241e Nr 12 mwN). Diese Rechtsprechung, auf die sich die Beklagte beruft, betrifft indes lediglich Fälle, bei denen der beruflichen Rehabilitation - anders als im vorliegenden Fall - keine medizinische Rehabilitation vorausgegangen war und eben deshalb eine unmittelbare Anwendung des § 1241e Abs 1 RVO nicht in Betracht kam, so daß auch der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende Schutzgedanke einer Sicherstellung der bisherigen Versorgung des Versicherten dort lediglich zur Weitergewährung des während der Berufsfindungsmaßnahme gezahlten Übergangsgeldes führen konnte.

Da die beiden Vorinstanzen die Rechtslage somit richtig dargestellt haben, ist das angefochtene Urteil durch die Zurückweisung der Revision zu bestätigen (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654971

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