Leitsatz (amtlich)

Hat die zuständige Bau-BG eine sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung für ein Bauunternehmen erteilt, so haften der Bauherr oder der Zwischenunternehmer nicht für Beiträge für nichtgewerbsmäßige Bauarbeiten nach § 729 Abs 2 RVO. Nicht geschützt ist in diesem Zusammenhang das Vertrauen des Bauherrn oder des Zwischenunternehmers in eine ihnen vom Bauunternehmer vorgelegte gefälschte "Unbedenklichkeitsbescheinigung".

 

Normenkette

RVO § 729 Abs 2

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 08.09.1988; Aktenzeichen L 7 U 1707/87)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 28.04.1987; Aktenzeichen S 2 U 3536/84)

 

Tatbestand

Die Beigeladene gründete Anfang 1982 zusammen mit ihrem damaligen Lebensgefährten N.          die Firma "A.      Ba.       ", die sie am 25. Januar 1982 bei der Stadt Karlsruhe als Gewerbe anmeldete. Am 27. August 1982 wurde sie von der Handwerkskammer Karlsruhe aufgefordert, den Gewerbebetrieb abzumelden, da die Montage von Akustikdecken eine wesentliche Teiltätigkeit des Handwerks der Wärme-Kälte- und Schallschutzisolierer sei und daher Eintragungspflicht in die Handwerksrolle bestehe. Die persönlichen Voraussetzungen hierfür erfülle die Beigeladene nicht.

Die Klägerin lehnte mit Bescheid vom 26. November 1982 die Aufnahme der Beigeladenen in ihr Unternehmerverzeichnis ab. Gleichzeitig wurde der Beigeladenen mitgeteilt, sie gelte für die Dauer ihrer selbständigen Tätigkeit als Unternehmerin nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten. Mit Bescheid vom 26. April 1983 erhob die Klägerin gegenüber der Beigeladenen für das Jahr 1982 einen Beitrag von DM 2.968,-. Mit Bescheid vom 24. November 1983 wurden für 1982 DM 58,83 nacherhoben und der Beitrag für das Jahr 1983 auf DM 2.412,28 festgesetzt. Die im Juli 1983 eingeleitete Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid für das Jahr 1982 verlief wegen Vermögenslosigkeit der Beigeladenen ergebnislos. Der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Beigeladenen wurde mit Beschluß des Amtsgerichts Karlsruhe vom 17. Mai 1983 mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Konkursmasse abgewiesen. Am 16. Juni 1983 leistete die Beigeladene wegen Vermögenslosigkeit die eidesstattliche Versicherung.

Nachdem N. für die Beigeladene mit dem zuständigen Bauleiter der Beklagten auf der Baustelle direkten Kontakt aufgenommen hatte, beauftragte die Beklagte im August 1982 die Beigeladene mit Arbeiten im Rahmen des Bauvorhabens Arbeitsamt R.     . Nach Angaben der Beklagten nahm die Beigeladene die Arbeit am 16. August 1982 auf. Am 21. August 1982 stellte sie eine erste Abschlagsrechnung. Am 27. August 1982 wurde zwischen der Beklagten und der Beigeladenen ein schriftlicher Subunternehmervertrag betreffend die Baustelle Arbeitsamt R.      abgeschlossen, in dessen Absatz 1 sich die Beigeladene verpflichtete, eine Anmeldebestätigung der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG) vorzulegen. Nachdem diese Bescheinigung nicht vorgelegt wurde, hat sie die Beklagte durch den Leiter ihres Lohnbüros mehrfach mündlich angemahnt. Mit Schreiben vom 19. November 1982 forderte schließlich die Beklagte die Beigeladene schriftlich auf, den Nachweis über die Mitgliedschaft bei der BG und die Bezahlung der Beiträge vorzulegen. Am 24. November 1982 sprach die Beigeladene persönlich bei der Klägerin vor und bat um die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung. Diese wurde verweigert (Aktenvermerk vom 24. November 1982). Die Beigeladene legte der Beklagten sodann eine auf den 29. November 1982 datierte gefälschte Unbedenklichkeitsbescheinigung vor. Bei der Fälschung handelte es sich um den bei der Klägerin seinerzeit üblichen Vordruck für Unbedenklichkeitsbescheinigungen mit folgendem Wortlaut: "Ihrem Wunsch entsprechend wird hiermit bescheinigt, daß Sie unserer Berufsgenossenschaft als Mitglied angehören und Ihren gesetzlichen Pflichten zur Zahlung der Unfallversicherungsbeiträge bisher nachgekommen sind"; der Vordruck enthielt auch ein eingedrucktes Siegel. Nachträglich waren mit einer bei der Klägerin nicht üblichen Schreibmaschinentype die Anschrift, das (zutreffende) Aktenzeichen und Datum eingesetzt und die Unterschrift des mit den Vorgängen der Beigeladenen befaßten Sachbearbeiters D.   gefälscht worden. Abweichend von der Übung der Beklagten wurde der Name unter der gefälschten Unterschrift des Sachbearbeiters nicht gestempelt, sondern mit Schreibmaschine geschrieben. Nach den Ermittlungen der Kriminalpolizei W.         vom 14. Juli 1983 wurde der Beklagten keine Originalbescheinigung, sondern eine Kopie vorgelegt.

Am 6./7. Dezember 1982 schloß die Beklagte mit der Beigeladenen einen Subunternehmervertrag hinsichtlich des Bauvorhabens Kreiskrankenhaus Ö.      , am 22. Januar 1983 einen solchen über das Bauvorhaben A.       N.         und am 9. März 1983 Subunternehmerverträge betr das Haus B.         S.       und Behördenzentrum S.       . Mit Schreiben vom 17. Mai 1983 beendete die Beklagte das Subunternehmerverhältnis mit der Beigeladenen, da sie seit dem 11. Mai 1983 nicht mehr auf der Baustelle in Ö.        erschienen war. Bis Ende November 1982 hatte die Beklagte auf die von der Beigeladenen gestellten Rechnungen Zahlungen in Höhe von DM 57.560,01 geleistet.

Mit Schreiben vom 23. Juni 1983 teilte die Klägerin der Beklagten mit, daß es sich bei der Beigeladenen um eine Unternehmerin nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten handele und daß die Beklagte wegen der Haftung nach § 729 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) die zur Beitragsberechnung notwendigen Unterlagen vorlegen solle. Die Klägerin errechnete sodann auf die Beklagte entfallende anteilige Beiträge von DM 2.133,25 für 1982 und DM 2.412,28 für 1983 zuzüglich Säumniszuschlägen vom 1. Juni 1983 bis 29. Februar 1984 in Höhe von DM 116,70 und anteilige Kosten von DM 30,80 und forderte die Beklagte mit Schreiben vom 28. Februar 1984 auf, DM 4.693,02 zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 0,6 vH je angefangenen Monat aus der Hauptforderung seit dem 1. März 1984 zu zahlen.

Die Beklagte lehnte die Zahlung ab. Sie verwies darauf, daß sie wegen ihrer Erfahrungen in einem früheren Fall bei Subunternehmern ganz besonderen Wert auf die Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gelegt habe. Sie habe alles getan, um sich vor Schaden zu schützen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. April 1987), da entgegen der Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) für die Bauherrenhaftung nach § 729 Abs 2 RVO maßgebend sei, daß neben der Erfüllung der objektiven Tatbestandsmerkmale diese Vorschrift voraussetze, daß der Bauherr die Rechtswidrigkeit des Leistungsangebotes des nicht gewerbsmäßigen Unternehmers kenne bzw kennen müsse.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG geändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin den Betrag von DM 1.722,50 nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 0,6 vH je angefangenen Monat aus diesem Betrag seit dem 1. Juni 1983 zu zahlen (Urteil vom 8. September 1988). Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Das LSG ist der Auffassung, daß für die Zeit vor Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 29. November 1982 die Beklagte für die auf sie entfallenden Beitragsschulden hafte. Für die Zeit danach sei eine Haftung jedoch ausgeschlossen. Die Beklagte habe zwar wegen eines früheren Verfahrens von ihrer Verpflichtung gewußt, sich über die Gewerbsmäßigkeit der Bauarbeiten der Beigeladenen Kenntnis zu verschaffen; sie habe aber glaubhaft mehrfach bei der Beigeladenen die Vorlage einer derartigen Bescheinigung mündlich angemahnt und die Beigeladene später noch einmal schriftlich dazu aufgefordert und ihr dabei angedroht, sonst keine weiteren Zahlungen mehr zu leisten. Nach dem Erscheinungsbild der dann vorgelegten Unbedenklichkeitsbescheinigung habe für die Beklagte kein Anlaß bestanden, an der Echtheit der der Kopie zugrundeliegenden Bescheinigung zu zweifeln. Es könne daher auch nicht verlangt werden, daß die Beklagte bei der Klägerin zusätzlich Erkundigungen über die Beigeladene hätte einziehen sollen. Einer solchen Forderung stehe auch entgegen, daß die Klägerin wegen des Sozialgeheimnisses gemäß § 35 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I), gar nicht befugt gewesen wäre, der Beklagten über das Mitgliedschaftsverhältnis der Beigeladenen Auskunft zu geben.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie trägt vor, die Haftung bestehe, da beide, der Bauherr wie auch der Unternehmer, durch ihr unmittelbares oder mittelbares Zusammenwirken die Ursache dafür gesetzt hätten, daß bei den betreffenden Bauarbeiten kraft Gesetzes ein versichertes Risiko entstehe. Bei der Bauherrenhaftung müsse sich der Bauherr (oder der Zwischenunternehmer) das schuldhafte Verhalten der von ihm ausgesuchten und beauftragten Subunternehmer zurechnen lassen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 8. September 1988 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, weitere DM 2.853,83 nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 0,6 vH je angefangenen Monat auf den Betrag von DM 2.823,03 seit dem 1. Juni 1983 zu zahlen.

Die Beklagte und die Beigeladene sind im Revisionsverfahren nicht vertreten.

 

Entscheidungsgründe

Gegen das Urteil des LSG hat nur die Klägerin Revision eingelegt. Die Entscheidung des LSG über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von DM 1.722,50 nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 0,6 vH je angefangenen Monat aus diesem Betrag seit dem 1. Juni 1983 für die Zeit bis zur Vorlage der gefälschten Unbedenklichkeitsbescheinigung ist somit rechtskräftig. Im Streit steht nur noch die darüber hinausgehende Forderung der Klägerin für die Zeit nach der Vorlage der gefälschten Unbedenklichkeitsbescheinigung. Insoweit ist die Revision in dem Sinne begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.

Entgegen der Auffassung des LSG kann die Klägerin ihre nach § 54 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Leistungsklage (s BSGE 20, 230, 232; 63, 29, 30) auch für die Zeit nach Vorlage der gefälschten Unbedenklichkeitsbescheinigung auf § 729 Abs 2 RVO stützen.

Nach dieser Vorschrift haftet bei nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten der Bauherr für die Beiträge und die übrigen Leistungen zahlungsunfähiger Unternehmer während eines Jahres, nachdem die Verbindlichkeit endgültig festgestellt ist; Zwischenunternehmer haften vor dem Bauherrn.

Nach den auch mit Gegenrügen nicht angegriffenen und den Senat deshalb bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (s § 163 SGG) hat die Beigeladene nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten iS des § 729 Abs 2 RVO verrichtet (s BSGE 30, 230, 234). Die Beigeladene ist zahlungsunfähig. Die Klägerin hat ihre Forderung am 23. Juni 1983 und somit während eines Jahres nach endgültiger Feststellung der Beitragsforderung durch die Bescheide vom 26. April und 24. November 1983 geltend gemacht (vgl BSG SozR 2200 § 729 Nr 3; BSGE 63, 29, 31).

Die Beklagte haftet auch für die Zeit nach der Vorlage der gefälschten Unbedenklichkeitsbescheinigung durch die Beigeladene. Das LSG hat nicht verkannt, daß die Haftung der Beklagten nicht davon abhängig ist, daß sie als Bauherrin oder Zwischenunternehmerin wußte, der Bauauftrag werde von einem Unternehmen nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten ausgeführt (BSGE 30, 230, 237). Der Senat vermag jedoch nicht der Meinung des LSG zu folgen, dies gelte dann nicht, wenn der Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten iS des § 729 Abs 2 RVO dem Bauherrn oder Zwischenunternehmer eine gefälschte Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegt hat.

Wie bereits dem Urteil des erkennenden Senats vom 26. Januar 1988 (BSGE 63, 29, 30) zu entnehmen ist, scheidet eine Haftung nach § 729 Abs 2 RVO aus, wenn sich der Bauherr oder der Zwischenunternehmer eine Unbedenklichkeitsbescheinigung betreffend die von ihm in Betracht gezogene oder schon beauftragte Baufirma von der zuständigen Bau-BG geben läßt. Wer dem nicht nachkommen will, muß zum Ausgleich dafür das Risiko der Bauherrenhaftung tragen. Dabei kann es dahinstehen, ob diese Bescheinigungen - wie das LSG meint - geschützte personenbezogene Daten oder Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse iS des § 35 SGB I und der §§ 67 ff Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, betreffen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, würde die Ausstellung oder Verweigerung der Unbedenklichkeitsbescheinigung dann grundsätzlich lediglich von dem Einverständnis des Bauunternehmens abhängen. Willigt das Bauunternehmen nicht ein, könnte eine das Risiko der Bauherrenhaftung ausschließende Unbedenklichkeitsbescheinigung der Bau-BG nicht erteilt werden. Wer dennoch dieses Bauunternehmen beauftragt, ist dann in bezug auf die Bauherrenhaftung nach § 729 Abs 2 RVO nicht schutzbedürftig.

Wenn die zuständige Bau-BG eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt hat, kommt es nicht darauf an, ob der Bauherr oder Zwischenunternehmer sie bei der BG beantragt und auch von ihr direkt erhalten oder ob das Bauunternehmen sie dem Bauherrn oder Zwischenunternehmer vorgelegt hat. In beiden Fällen gehört es zur Risikosphäre der Bau-BG, wenn sie sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht geirrt und die Unbedenklichkeit zu Unrecht bescheinigt hat.

Bei einer gefälschten Unbedenklichkeitsbescheinigung ist dagegen zu unterscheiden, ob der Bauherr oder der Zwischenunternehmer sie von der zuständigen Bau-BG oder dem Bauunternehmen erhalten hat. In ersterem Fall fällt es wieder in den Risikobereich der Bau-BG, wenn bei ihr die Möglichkeit einer Fälschung nicht ausgeschlossen werden konnte und der Bauherr oder der Zwischenunternehmer - wie hier - keine Kenntnis von der Fälschung hatte. Erhält dagegen der Bauherr oder der Zwischenunternehmer die Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht von der zuständigen Bau-BG selbst, sondern nimmt er eine derartige Bescheinigung unmittelbar von dem Bauunternehmen entgegen, so trägt er das Risiko, daß diese Bescheinigung gefälscht ist. Es fällt in seine Risikosphäre, darauf zu vertrauen, der Bauunternehmer werde ihm eine von der zuständigen Bau-BG ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegen. Während sich der Bauherr oder der Zwischenunternehmer vor den Folgen einer gefälschten Unbedenklichkeitsbescheinigung dadurch schützen kann, daß er sich zur Kontrolle einer vom Unternehmer vorgelegten Bescheinigung direkt an die zuständige Bau-BG wendet, wäre die Bau-BG - würde man der gegenteiligen Ansicht des LSG folgen - der Gefahr ausgesetzt, die Bauherrenhaftung nach § 729 Abs 2 RVO durch gefälschte Unbedenklichkeitsbescheinigungen zu verlieren, ohne sich dagegen schützen zu können. Dabei ist es unerheblich, ob der Bauherr oder der Zwischenunternehmer zB wegen einer kaum erkennbaren Fälschung keinen Anlaß hatte, an der Echtheit der Urkunde zu zweifeln. Deshalb bedarf es auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob aus den vorangegangenen Versuchen, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erhalten, oder aus sonstigen noch zu klärenden Umständen die Beklagte nur auf die erteilte Bescheinigung hatte vertrauen dürfen oder ob sie nicht zumindest hätte versuchen müssen, eine Bestätigung von der Klägerin zu erhalten. Jedenfalls kann das Risiko, daß die Bescheinigung nicht von der Klägerin erstellt, sondern von der Beigeladenen gefälscht worden ist, nicht der Klägerin, sondern nur der Beklagten aufgebürdet werden; denn die Klägerin hatte - wie bereits dargelegt - keine Möglichkeit, sich davor zu schützen, die rechtlichen Folgen einer von der Beigeladenen gefälschten Bescheinigung tragen zu müssen. Dies entspricht der ebenfalls bereits aufgezeigten ständigen Rechtsprechung des BSG, daß die Haftung des Bauherrn und des Zwischenunternehmers nicht davon abhängig ist, daß sie wußten, der Bauauftrag werde von einem Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten ausgeführt. Auch diese Auslegung des § 729 Abs 2 RVO beruht wesentlich darauf, daß der Bauherr prüfen und frei entscheiden kann, welchem Bauunternehmen er den Bauauftrag erteilt, während die Bau-BG auch denjenigen Versicherungsschutz zu gewähren hat, die bei nicht im Bestand gesicherten Unternehmen beschäftigt sind, ohne daß die BG den Bauauftrag kennt oder gar Einfluß auf die Entscheidung des Bauherrn oder des Zwischenunternehmers hinsichtlich der Auswahl des Bauunternehmens hat. Würde im Rahmen des § 729 Abs 2 RVO auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Bauherrn - und nicht auf die Risikosphäre - abgestellt werden, liefe dies praktisch auf eine Aushöhlung des § 729 Abs 2 RVO hinaus. Es fällt jedoch nicht in die Zuständigkeit der Gerichte, die Bauherrenhaftung nach dieser Vorschrift durch einseitige Auslegungsversuche praktisch aufzuheben oder einzuschränken. Eine Änderung der vom Gesetz vorgeschriebenen Bauherrenhaftung ist vielmehr Sache des Gesetzgebers, der dann auch die ggf erforderlichen anderen Regelungen über die Lastenverteilung aus solchen im Bestand nicht gesicherten Unternehmen treffen könnte.

Die Beklagte haftet demnach im Rahmen des § 729 Abs 2 RVO auch für die nach der Vorlage der gefälschten Unbedenklichkeitsbescheinigung durch die Beigeladene entstandenen und auf diese entfallenden Beitragsforderungen. Das LSG hat insoweit aufgrund seiner Rechtsauffassung keine eigenen tatsächlichen Feststellungen über die Höhe der in die Haftung der Beklagten fallenden Beitragslast getroffen. Diese Feststellungen kann das Revisionsgericht nicht nachholen, so daß der Rechtsstreit insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1667212

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