Leitsatz (amtlich)
Unter wesentlichen Verfahrungsmängeln im Sinne des SGG § 162 Abs 1 Nr 2 sind nicht nur die in ZPO § 551 aufgeführten Gesetzesverletzungen zu verstehen. Vielmehr ist im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich jede Verletzung einer zwingenden Verfahrensvorschrift, die aus rechtsstaatlichen Gründen öffentlichen Interesse erlassen ist, als wesentlicher Verfahrensmangel anzusehen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist auf Grund der Vorschriften MRV Brt 165 gegen eine Entscheidung des OVA der Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten beschritten und die Sache nach SGG § 215 Abs 7 als Berufung auf das LSG übergegangen, so findet die Vorschrift des SGG § 214 über die beschränkt zulässige Einlegung von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der OVA keine Anwendung.
2. Für Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts besteht für das Verfahren vor dem Bundessozialgericht kein Vertretungszwang. Sie können deshalb mit der Prozeßführung außer Rechtsanwälten und Verwaltungsrechtsräten grundsätzlich auch andere prozeßfähige Personen beauftragen.
Normenkette
SGG § 162 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 551 Fassung: 1950-09-12; MRV BrZ 165; SGG § 215 Abs. 7 Fassung: 1953-09-03, § 214 Fassung: 1953-09-03, § 166 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
1.) Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. September 1954 wird als unzulässig verworfen.
2.) Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
3.) Die Gebühren für die Berufstätigkeit des Rechtsanwalts Dr. H. werden auf DM 175.- (in Worten: einhundertundfünfundsiebzig) festgesetzt.
Gründe
I.
Der praktische Arzt Dr. med. B in Schwelm beschäftigte während einer Erkrankung, die er sich bei der Wehrmacht zugezogen hatte, in der Zeit vom 1. Mai 1949 bis zum 1. Juli 1951 die approbierte Ärztin Dr. Gerda M, die Beigeladene zu 3.), in seiner Praxis als Arztvertreterin. Die beklagte Krankenkasse sah dieses Beschäftigungsverhältnis als versicherungspflichtig an und zog Dr. B zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen heran. Dr. B, der im Laufe des Revisionsverfahrens gestorben ist und dessen Witwe das Verfahren als Rechtsnachfolgerin aufgenommen hat, lehnte die Zahlung der Beiträge ab und beantragte im April 1951 die Entscheidung des Versicherungsamts des E.-Ruhrkreises in Schwelm. Der Vorsitzende des Versicherungsamts bejahte durch Vorentscheidung vom 26. Februar 1952 die Versicherungspflicht und stellte fest, daß Dr. B zur Nachentrichtung der Beiträge verpflichtet sei. Hiergegen legte dieser rechtzeitig Beschwerde ein, die das Oberversicherungsamt (OVA.) Dortmund - Spruchkammer für Krankenversicherung - durch Entscheidung vom 31. März 1953 zurückwies. Gegen diese Entscheidung erhob Dr. B am 14. August 1953 Klage beim Landesverwaltungsgericht ( LVerwGer .) Gelsenkirchen mit dem Antrage, die am 25. Juli 1953 zugestellte Entscheidung des OVA. vom 31. März 1953 und die ihr zugrunde liegende Verfügung der beklagten Krankenkasse aufzuheben. Nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das LVerwGer . Gelsenkirchen die Streitsache gemäß § 215 Abs. 7 SGG an das Landessozialgericht (LSGer.) Nordrhein-Westfalen abgegeben. Dieses hat nach Beiladung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (BfArb.), der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA.) und der Ärztin Dr. M. durch Urteil vom 7. September 1954 unter Abänderung der Entscheidung des OVA. Dortmund vom 31. März 1953 und unter Aufhebung der Entscheidung des Vorsitzenden des Versicherungsamts vom 26. Februar 1952 festgestellt, daß die bei Dr. B in der Zeit vom 1. Mai 1949 bis zum 1. Juli 1951 als Arztvertreterin tätig gewesene Beigeladene zu 3.) der Versicherungspflicht "zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung" nicht unterliege, und daß Dr. B nicht verpflichtet sei, für sie Beiträge zu entrichten.
II.
Gegen dieses Urteil, das der beklagten Krankenkasse am 27. Oktober 1954 zugestellt wurde, hat diese durch den vom Vorsitzenden des Vorstandes bevollmächtigten Assessor (jetzt Verwaltungsrat) Ramsch vom Verband der Ortskrankenkassen Westfalen-Lippe rechtzeitig Revision eingelegt mit dem Antrage, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Revisionsbeklagten gegen die Entscheidung des früheren OVA. Dortmund vom 31. März 1953 zurückzuweisen.
Zur Begründung der Revision hat die Beklagte geltend gemacht, das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel, das LSGer. habe verkannt, daß es zu einer Entscheidung in der Sache selbst nicht befugt gewesen sei, da es sich um einen Altfall im Sinne des § 214 SGG gehandelt habe; aus § 214 Abs. 1 a. a. O. ergebe sich aber, daß die Berufung in Angelegenheiten der Krankenversicherung ausgeschlossen sei. Das angefochtene Urteil - so führt die Beklagte weiter aus - beruhe auch in materieller Hinsicht auf einer unrichtigen Gesetzesanwendung; bei Prüfung der für die Beurteilung der Versicherungspflicht maßgebenden Weisungsgebundenheit der Arztvertreterin sei dem Vorderrichter insoweit ein Denkfehler unterlaufen, als er auf die tatsächlich erteilten Weisungen und nicht auf die Befugnis des früheren Klägers zur Erteilung von Weisungen abgestellt habe, auf die es allein ankomme. Das LSGer. sei auch von der Grundsätzlichen Entscheidung Nr. 3792 des Reichsversicherungsamts (RVA.) (AN. 1930 S. IV 303) abgewichen, das bei einem im Hauptberuf bei einem Versorgungsamt tätigen Vertragsarzt die persönliche Abhängigkeit anerkannt habe, obwohl der Arzt in seinem Arbeitsgebiet bei der Vornahme von Untersuchungen und der Abgabe von Gutachten nach seinem fachlichen und wissenschaftlichen Ermessen habe vorgehen können, ohne durch den die Aufsicht führenden leitenden Arzt des Amtes beschränkt zu sein. Das LSGer. sei insoweit von einer grundsätzlichen Entscheidung des RVA. abgewichen und hätte deshalb die Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz SGG zulassen müssen.
Die Klägerin hat beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Die Beigeladenen haben im Revisionsverfahren keine Anträge gestellt. Die BfA. hat erklärt, daß sie sich durch das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht beschwert fühle. Sie hat jedoch ausgeführt, daß nach ihrer Auffassung das Berufungsgericht zu einer sachlichen Entscheidung nicht mehr berufen gewesen sei, weil nach dem bis zum 31. Dezember 1953 geltenden Recht das OVA. im Beitragsstreit endgültig entschieden habe (§ 405 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), § 194 Abs. 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG)); der allgemeine Verwaltungsrechtsweg sei mangels der Voraussetzungen des § 27 Buchst. c der Militärregierungsverordnung (MRVO) Nr. 165 unzulässig gewesen; deshalb handele es sich um einen Altfall im Sinne des § 214 SGG; es sei jedoch zweifelhaft, ob die Revision sich insoweit auf einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG berufen könne.
III.
Die von dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin geäußerten Bedenken, die sich auf die Vertretungsbefugnis des jetzigen Verwaltungsrats R vom Verband der Ortskrankenkassen Westfalen-Lippe beziehen, sind nicht begründet. Nach § 166 SGG müssen sich die Beteiligten, soweit es sich nicht um Behörden oder Körperschaften bzw. Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, vor dem Bundessozialgericht ( BSGer .) durch Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen. Der Zwang, sich durch eine der in § 166 Abs. 2 bzw. § 217 SGG genannten Personen vor dem BSGer . vertreten zu lassen, betrifft aber, wie der Senat in dem Urteil vom 25. Januar 1956 - 3 RK 49/55 - ausgesprochen hat, nicht Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie Anstalten des öffentlichen Rechts. Da die beklagte AOK eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, besteht somit für sie für das Verfahren vor dem BSGer . kein Vertretungszwang. Sie wird nach § 6 Abs. 1 des Selbstverwaltungsgesetzes (SvG) von ihrem Vorstand, der die Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat, gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Soweit es sich um die Führung laufender Verwaltungsgeschäfte des Versicherungsträgers handelt, vertritt ihn der Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich (§ 8 Abs. 4 SvG). Dies schließt nicht aus, daß der Versicherungsträger als Beteiligter in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eine prozeßfähige Person (vgl. § 73 Abs. 1 SGG) mit seiner Vertretung beauftragt. Die Vertretung durch Mitglieder oder Angestellte der in § 166 Nr. 2 a. a. O. genannten Verbände kommt für eine Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts, sofern sie nicht etwa als Arbeitgeber am Verfahren beteiligt ist, grundsätzlich nicht in Betracht. Sie wird sich deshalb in der Regel vor dem BSGer . durch einen ihrer Beamten oder Angestellten vertreten lassen, kann aber mit der Prozeßführung außer Rechtsanwälten oder Verwaltungsrechtsräten grundsätzlich auch andere prozeßfähige Personen, so auch Angestellte eines Verbandes von Versicherungsträgern, beauftragen. Gegen die Rechtmäßigkeit der Einlegung der Revision durch den bei dem Verband der Ortskrankenkassen Westfalen-Lippe tätigen Assessor (jetzt Verwaltungsrat) Ramsch bestehen daher keine Bedenken.
IV.
Das LSGer. hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Gegen die Entscheidung des LSGer. über die Zulassung der Revision ist im Sozialgerichtsgesetz kein Rechtsmittel gegeben. Das BSGer . ist daher an die Entscheidung des LSGer. über die Nichtzulassung der Revision gebunden. Die Nichtzulassung der Revision kann auch grundsätzlich nicht als wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG angesehen werden. Hat das LSGer. von der Zulassung der Revision abgesehen, weil es der zu entscheidenden Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung beigelegt hat, so handelt es sich, auch wenn die grundsätzliche Bedeutung zu Unrecht verneint wurde, nicht um eine mangelhafte Durchführung des Verfahrenserror in procedendo -, sondern um einen Mangel in der rechtlichen Beurteilung - error in iudicando - (vgl. Urteil des 7. Senats des BSGer . vom 23.11.1955 - 7 RAr 30/55 - und des 1. Senats des BSGer . vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 -). Die von der Beklagten wegen der Nichtzulassung der Revision erhobene Verfahrensrüge greift daher nicht durch.
Im übrigen liegt auch eine Abweichung von der Grundsätzlichen Entscheidung Nr. 3792 des RVA. (AN. 1930 S. IV 303) nicht vor, weil die Entscheidung des RVA. nicht die hier zur Erörterung stehende Frage der Versicherungspflicht des Vertreters eines Privatarztes betrifft, sondern sich mit der Versicherungspflicht eines im Hauptberuf bei einem Versorgungsamt tätigen Vertragsarztes befaßt.
V.
Es war daher zu prüfen, ob die weitere Rüge der Beklagten, das LSGer. habe zu Unrecht eine Entscheidung in der Sache getroffen weil es sich um einen Altfall im Sinne des § 214 SGG gehandelt habe, durchgreift. Würde das Berufungsgericht an Stelle eines Prozeßurteils zu Unrecht ein Sachurteil gefällt haben, so würde dies einen wesentlichen Mangel des Verfahrens im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG darstellen. Der Meinung der beigeladenen BfA., daß unter Verfahrensmängeln im Sinne dieser Vorschrift im allgemeinen nur die in § 551 ZPO aufgeführten Gesetzesverletzungen zu verstehen seien, kann nicht beigetreten werden. Zwar begründen Verstöße dieser Art die unwiderlegliche Vermutung dafür, daß das Urteil auf einer Gesetzesverletzung beruht. Es handelt sich hier um Verstöße gegen fundamentale Prozeßgrundsätze, bei denen aber der Beweis, daß ohne ihre Verletzung anders entschieden worden wäre, häufig unmöglich ist (vgl. Stein - Jonas - Schönke, 18. Aufl., Anm. I, 1 zu § 551 ZPO). Der Begriff "wesentlicher Mangel des Verfahrens" im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG ist weiter zu fassen. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Reichsgerichts wird man als wesentliche Verfahrensmängel auch diejenigen Mängel ansehen müssen, die eine Verletzung unverrückbarer Grundlagen des Verfahrens darstellen (vgl. RGZ. Bd. 94 S. 13). Nach der Rechtsprechung des RVA. liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel dann vor, wenn das Gericht eine zum Schutze öffentlicher Interessen erlassene zwingende Vorschrift verletzt hat (vgl. Grundsätzliche Entscheidung des Großen Senats des RVA., AN. 1922 S. 179). Im sozialgerichtlichen Verfahren wird man daher grundsätzlich die Verletzung einer zwingenden Verfahrensvorschrift, die aus rechtsstaatlichen Gründen im öffentlichen Interesse erlassen ist, als wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG ansehen müssen. Die unzulässige sachliche Prüfung einer nach verfahrensrechtlichen Vorschriften nicht nachprüfbaren Entscheidung durch das Berufungsgericht würde mithin einen Verfahrensmangel in diesem Sinne darstellen (vgl. auch Urt. des 4. Senats des BSGer . v. 27.10.1955 - 4 RJ 105/54 - und RGZ. Bd. 161 S. 219).
VI.
Die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge ist aber nicht schlüssig, weil das LSGer. die Entscheidung des OVA. vom 31. März 1953 zu Recht sachlich geprüft hat. Die Streitsache, bei der es sich um die Frage der Versicherungspflicht einer Arztvertreterin handelt, war durch Erhebung der Anfechtungsklage gemäß §§ 22, 23 MRVO Nr. 165 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit der britischen Zone beim Landesverwaltungsgericht Gelsenkirchen rechtshängig geworden. Da die Streitigkeit eine Angelegenheit des § 51 SGG betrifft, nämlich einen öffentlich-rechtlichen Streit in Angelegenheiten der Sozialversicherung, ging die beim Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes bei einem allgemeinen Verwaltungsgericht des ersten Rechtszuges anhängige Sache als Berufung auf das LSGer. über (§ 217 Abs. 7 SGG). Nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 215 Abs. 7 Halbsatz 2 SGG richtet sich die Zulässigkeit der Berufung nach diesem Gesetz. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 16. Juni 1955 ( BSGer . Bd. 1 S. 82) ausgeführt hat, können unter den nach § 215 Abs. 7 bzw. Abs. 8 SGG anzuwendenden Vorschriften nur die allgemeinen Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes über die Berufung, nämlich die §§ 143 ff. SGG verstanden werden, nicht dagegen die für "Altfälle" geltenden besonderen Vorschriften des § 214 SGG über die beschränkt zulässige Einlegung von Rechtsmitteln. Die Prüfung der Übergangsfälle des § 215 SGG unter Mitberücksichtigung der für "Altfälle" geltenden einschränkenden Vorschrift des § 214 a. a. O. würde dem Sinn der gesetzlichen Regelung widersprechen. Denn die §§ 214 und 215 SGG ordnen unterschiedliche Gruppen von Fällen nach verschiedenen Gesichtspunkten; mit dieser unterschiedlichen Ordnung der beiden Gruppen wäre es nicht vereinbar, "rechtshängige Sachen" im Sinne des § 215 SGG hinsichtlich der Zulässigkeit eines Rechtsmittels nach den ganz anderen Grundsätzen des § 214 zu behandeln. Hatte ein Beteiligter auf Grund der Vorschriften der MRVO Nr. 165 gegen eine Entscheidung des OVA. den Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten beschritten und war die Sache z. Zt. des Inkrafttretens des Sozialgerichtsgesetzes damit bei einem der in § 215 Abs. 6 bis 9 SGG genannten Gerichte rechtshängig, so bestimmt diese Rechtshängigkeit das weitere Verfahren. Dieses richtet sich mithin allein nach § 215, nicht aber nach § 214 SGG.
Dem steht auch nicht entgegen, daß das OVA. nach § 405 Abs. 2 RVG § 194 Abs. 1 AVG endgültig zu entscheiden hatte. Der Kläger hatte gegen diese Entscheidung Anfechtungsklage beim Landesverwaltungsgericht Gelsenkirchen erhoben, das nach § 22 MRVO Nr. 165 "über die Anfechtung von Verwaltungsakten sowie über andere Streitigkeiten des öffentlichen Rechts" zu entscheiden hat. Die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit in der britischen Besatzungszone hatten die OVÄ. teilweise als besondere Verwaltungsgerichte anerkannt, ihnen aber teilweise nur den Charakter von Verwaltungsbehörden zuerkannt (vgl. Sammlung der Entscheidungen der OVerwGer . Münster und Lüneburg Bd. 4 S. 11 - OVerwGer . Münster -; Bd. 5 S. 266, 276, 277, 359, 362 - OVerwGer . Lüneburg -), worauf auch die Begründung zu § 154 des Entwurfs einer Sozialgerichtsordnung (vgl. Bundestagsdrucksache, 1. Wahlperiode Nr. 4357) hinweist. Die Übergangsvorschriften der §§ 214 ff. SGG können daher nur unter Berücksichtigung der zersplitterten und unsicheren Rechtslage nach 1945 ausgelegt werden. Wenn das Sozialgerichtsgesetz vorschreibt, daß die bei seinem Inkrafttreten in Angelegenheiten des § 51 bei den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit rechtshängigen Sachen auf das LSGer. "als Berufung" übergehen, so sollte damit nach Auffassung des Senats klargestellt werden, daß alle diese nunmehr zur Zuständigkeit der Sozialgerichte gehörenden Streitigkeiten ohne Rücksicht auf die Zulässigkeit des Verfahrens vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten im Sinne einer vereinfachenden Regelung als Berufungsverfahren im Sinne des Sozialgerichtsgesetzes anzusehen und nunmehr nach den Vorschriften über die Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren weiterzuführen sind (vgl. auch Urteil des 4. Senats vom 27.10.1955 - 4 RJ 105/54 -).
Das LSGer. hat deshalb im vorliegenden Falle, in dem der verstorbene Ehemann der Klägerin gegen die Entscheidung der Spruchkammer des OVA. rechtzeitig Anfechtungsklage beim Landesverwaltungsgericht erhoben hatte, die Zulässigkeit der Berufung zu Recht bejaht; denn es handelt sich um einen Streit über die Versicherungspflicht, bei dem die Berufung nach §§ 144 bis 149 SGG nicht ausgeschlossen ist. Selbst wenn man annehmen wollte, daß der Anspruch auf Entrichtung von Versicherungsbeiträgen als Anspruch auf wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG anzusehen sei, wäre die Berufung auch nach dieser Vorschrift nicht ausgeschlossen gewesen, weil Beiträge für einen Zeitraum von mehr als dreizehn Wochen im Streit befangen sind.
VII.
Wenn die Beklagte schließlich geltend macht, dem Vorderrichter sei bei Prüfung der für die Beurteilung der Versicherungspflicht maßgebenden Weisungsgebundenheit der Beigeladenen zu 3.) insoweit ein "Denkfehler" unterlaufen, als er auf die tatsächlich erteilten Weisungen und nicht auf die Befugnis zu ihrer Erteilung abgestellt habe, auf die es allein ankomme, so handelt es sich hier nicht um die Rüge eines Verfahrensmangels, sondern um den Vorwurf der unzutreffenden Beurteilung eines für die Versicherungspflicht maßgebenden Tatbestandsmerkmals. Die Rüge betrifft mithin allein das Gebiet der materiell-rechtlichen Beurteilung des Vertragsverhältnisses zwischen Dr. B. und der Beigeladenen zu 3.), nicht aber das Verfahren vor dem LSGer..
Da die Revisionsklägerin somit keinen Verfahrensmangel schlüssig gerügt hat (vgl. § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG), war die Revision nicht statthaft und mußte als unzulässig verworfen werden (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung und die Festsetzung der Gebühren für die Berufstätigkeit des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin beruhen auf §§ 193, 196 SGG.
Fundstellen