Leitsatz (amtlich)

Hat das Landessozialgericht einen gemäß SGG § 214 Abs 4 als Berufung geltenden Rekurs mit einer gemäß SGG § 215 Abs 8 übergegangenen Berufung gemäß SGG § 113 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, so ist trotzdem die vom LSG zugelassene Revision nur gegen die im Verfahren über die Berufung gemäß SGG § 215 Abs 8 ergangene Entscheidung statthaft, wenn beide Verfahren verschiedene Ansprüche betreffen (Fortsetzung BSG 1955-07-07 10 RV 175/54 = BSGE 1, 104).

 

Leitsatz (redaktionell)

Unter Entscheidung nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften ist eine rechtskräftig gewordene Entscheidung zu verstehen, die eine abweichende Beurteilung in einem späteren Verfahren hinderte; denn nur eine solche Wirkung der früheren Entscheidung entspricht der in BVG § 85 S 1 abgeordneten Bindung. Die mit der Verkündung des Urteils des LSG nach SGG § 214 Abs 5 eingetretene Rechtskraftwirkung kann nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses eines Bescheides nach der SVD 27 zurückbezogen werden, so daß die erst mit Verkündung dieses Urteils rechtskräftig gewordene Entscheidung über den SVD-Bescheid nicht als bindend i S des BVG § 85 S 1 für die im gleichen Urteil getroffene Entscheidung über den BVG-Bescheid angesehen werden kann.

 

Normenkette

SGG § 113 Fassung: 1953-09-03, § 162 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03, § 214 Abs. 4 Fassung: 1953-09-03, Abs. 5 Fassung: 1953-09-03, § 215 Abs. 8 Fassung: 1953-09-03; BVG § 85 Abs. 1; SVD 27

 

Tenor

1.) Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. April 1954 wird insoweit aufgehoben, als es unter Aufhebung des Urteils des Landesverwaltungsgerichts Düsseldorf vom 27. Januar 1953 den Bescheid des Beklagten vom 27. März 1952 bestätigt hat. In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

2.) Im übrigen wird die Revision des Klägers als unzulässig verworfen.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Der Kläger bezog eine Beschädigtenrente auf Grund des Reichsversorgungsgesetzes (RVG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) um 50 v.H. wegen großer Bauchnarbe nach operiertem Bauchsteckschuß und nervöser Störung der Herztätigkeit, hervorgerufen durch Dienstbeschädigung - Verwundung -. Die Landesversicherungsanstalt (LVA.) als damalige Versorgungsbehörde bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 13. Januar 1949 eine Beschädigtenrente nach einer MdE. um 30 v.H. nach der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 (SVD 27), ohne jedoch eine nervöse Störung der Herztätigkeit in die Schädigungsfolgen einzubeziehen. Der Beschwerdeausschuß wies den Einspruch des Klägers zurück. Das Oberversicherungsamt (OVA.) Düsseldorf hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 10. April 1951 ebenfalls zurückgewiesen, da ein organisches Herzleiden beim Kläger nicht bestehe und seine nervösen Herzstörungen weder durch den Wehrdienst im ersten Weltkrieg noch durch die Verwundung verursacht seien. Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 10. Mai 1951 beim OVA. Rekurs eingelegt. Infolge Fehlens eines Rekursgerichts wurde über den Rekurs bis 31. Dezember 1953 nicht entschieden.

Inzwischen bewilligte das Versorgungsamt (VersorgA.) dem Kläger mit Umanerkennungsbescheid vom 27. März 1952 nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) eine Rente nach einer MdE. um 30 v.H. unter Übernahme der in dem Bescheid vom 13. Januar 1949 anerkannten Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen. Der Kläger hat gegen diesen, am 31. März 1952 zur Post gegebenen Bescheid am 19. April 1952 Einspruch eingelegt. Der Beschwerdeausschuß hat über den Einspruch nicht entschieden. Am 7. Mai 1952 hat der Kläger beim Landesverwaltungsgericht (LVerwG.) Düsseldorf Klage erhoben und zuletzt beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 27. März 1952 zur Zahlung einer Rente nach einer MdE. um 50 v.H. zu verurteilen.

Das LVerwG. hat durch Urteil vom 27. Januar 1953 nach dem Klageantrag entschieden. Es hat ausgeführt, durch Urteil des Versorgungsgerichts (VersorgG.) Stettin vom 30. Juni 1937 sei dem Kläger eine Rente von 50 v.H. zuerkannt worden, weil auch seine nervösen Herzstörungen Folgen einer Dienstbeschädigung seien; diese Entscheidung über den ursächlichen Zusammenhang sei nach § 85 BVG rechtsverbindlich.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Mit Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) am 1. Januar 1954 ist die Sache gemäß § 215 Abs. 8 SGG vom Oberverwaltungsgericht (OVerwG.) für das Land Nordrhein-Westfalen auf das Landessozialgericht (LSG.) Nordrhein-Westfalen übergegangen. Der Rekurs des Klägers gegen das Urteil des OVA. wurde vom Sozialgericht (SG.) dem LSG. vorgelegt.

Vor dem LSG. erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 6. April 1954, daß sich durch das von ihm eingeleitete Verfahren vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit sein Rekurs vom 10. Mai 1951 erledigt habe, insoweit es sich um den Umanerkennungsbescheid vom 27. März 1952 handele. Nach der Verhandlungsniederschrift stimmten die Beteiligten darin überein, daß das LSG. über die Rechtslage seit Antragstellung (7.6.1948) entscheide. Das LSG. hat das Verfahren über den Rekurs des Klägers gegen das Urteil des OVA. mit dem vom OVerwG. auf das LSG. übergegangenen Verfahren über die Berufung des Beklagten verbunden und am 6. April 1954 folgendes Urteil erlassen:

Die Berufung des Klägers vom 10. Mai 1951 gegen das Urteil des Oberversicherungsamtes Düsseldorf vom 10. April 1951 wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Beklagten vom 1. April 1953 wird das Urteil des Landesverwaltungsgerichts Düsseldorf vom 27. Januar 1953 aufgehoben und der Bescheid des Beklagten vom 27. März 1952 bestätigt.

Kosten hat kein Beteiligter dem anderen zu erstatten.

Das LSG. hat den gegen das Urteil des OVA. vom 10. April 1951 eingelegten Rekurs des Klägers als Berufung nach § 214 Abs. 4 SGG und die gegen das Urteil des LVerwG. vom 27. Januar 1953 eingelegte Berufung des Beklagten als Berufung nach § 215 Abs. 8 SGG angesehen. Es hat den ursächlichen Zusammenhang der nervösen Herzbeschwerden mit Einwirkungen des Wehrdienstes verneint. Das Urteil des VersorgG. Stettin vom 30. Juni 1937 sowie der zu seiner Ausführung erlassene Bescheid des VersorgA. Stettin vom 4. August 1937 seien für die Rentenfeststellung nach der SVD Nr. 27 nicht rechtsverbindlich. Dies ergebe sich aus § 14 SVD Nr. 27 und § 26 der Sozialversicherungsanordnung (SVA) Nr. 11. Auch bei Erteilung des Umanerkennungsbescheids vom 27. März 1952 sei der Beklagte nicht nach § 85 BVG an die 1937 ergangene Entscheidung über den Versorgungsanspruch gebunden gewesen. Bindend sei die Beurteilung nach der SVD Nr. 27 vom 13. Januar 1949. Dieser Bescheid sei gemäß § 214 Abs. 5 SGG rechtskräftig geworden, nachdem das LSG. den nach § 214 Abs. 4 SGG als Berufung geltenden Rekurs des Klägers gegen das Urteil des OVA. zurückgewiesen habe. Die Revision wurde zugelassen.

Gegen das Urteil des LSG. hat der Kläger Revision eingelegt und beantragt:

1.) den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts Essen vom 6. April 1954 - A.Z. LS VII KB 19/54 - und unter Aufhebung der Entscheidungen des Oberversicherungsamts Düsseldorf vom 10. April 1951 und des Beschwerdeausschusses des Beklagten vom 19. Mai 1950 und in Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 13. Januar 1949 und 27. März 1952 "nervöse Herzbeschwerden" als weiteres Versorgungsleiden anzuerkennen und ihm ab 1. Juni 1948 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 % zu gewähren,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht in Essen zurückzuverweisen.

2.) Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger die diesem entstandenen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Der Kläger rügt, das LSG. habe über seinen Rekurs gegen das Urteil des OVA. nicht mehr entscheiden dürfen, nachdem der Kläger diesen durch das beim LVerwG. eingeleitete Verfahren für erledigt erklärt habe. Das LSG. habe seine Sachaufklärungspflicht nach §§ 157, 103 SGG verletzt, weil es die wissenschaftlichen Gutachten der Dres. I... sowie S... nicht berücksichtigt und nicht noch andere ärztliche Sachverständige gehört habe. Die Vorschriften der § 85 BVG, § 14 SVD Nr. 27, Nr. 26 SVA Nr. 11 seien nicht richtig angewandt. Der Bescheid vom 13. Januar 1949 sei beim Inkrafttreten des BVG (1.10.1950) nicht rechtskräftig gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe nur die rechtskräftige Entscheidung aus 1937 vorgelegen.

Der Beklagte hat beantragt:

die Revision des Klägers als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist jedoch nur teilweise zulässig.

Die Zulassung der Revision durch das LSG. ist ohne Beschränkung ausgesprochen. Bei Zweifeln über den Umfang der Zulassung ist dieser durch Heranziehung des sonstigen Akteninhalts, insbesondere der Entscheidungsgründe zu ermitteln (BSG. Urteil vom 3.7.1956 - 1 RA 87/55 - SozR. zu § 162 SGG - Da 8). Da das LSG. seine Entscheidung über den früheren Rekurs vor dem Ausspruch über die Zulassung selbst als endgültig bezeichnet hat, ist der Senat der Überzeugung, daß die Zulassung der Revision nur die im früheren Berufungsverfahren ergangene Entscheidung betreffen sollte. Die Zulassung der Revision durch das LSG. gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG bewirkt die Statthaftigkeit der Revision nur insoweit, als die Entscheidung des LSG. nicht endgültig ist. Hat das LSG. in einem Übergangsfall nach § 214 SGG entschieden, so ist seine Entscheidung gemäß Abs. 5 a.a.O. endgültig und eine trotzdem ausgesprochene Zulassung der Revision unbeachtlich (BSG. 1 S. 104). Die Zulassung kann wirksam auf einen Teil der Entscheidung beschränkt werden, wenn das LSG. in einem Verfahren über verschiedene materiell-rechtliche Ansprüche entschieden hat und die Revision nur hinsichtlich eines Anspruchs zuläßt (Urteil des 1. Senats des BSG. vom 3.7.1956 - s. oben -). Das gleiche muß gelten, wenn das LSG. ein Verfahren nach § 214 Abs. 4 SGG und ein Verfahren nach § 215 Abs. 8 SGG, die beide verschiedene materiell-rechtliche Ansprüche betreffen, verbindet. Auch dann kann die Revision nur hinsichtlich des Anspruchs, über den gemäß § 215 SGG nicht endgültig entschieden ist, wirksam zugelassen werden. Die eine Vereinfachung des Verfahrens bezweckende Verbindung mehrerer Rechtsstreitigkeiten gemäß § 113 SGG kann nicht zu einer Erweiterung des Rechtszugs und zur Statthaftigkeit eines vor der Verbindung nicht zulässigen Rechtsmittels führen.

Das LSG. hat hier über zwei materiell-rechtliche Ansprüche, die Gegenstand zweier vorausgegangener Verfahren waren, entschieden, nämlich über den Rentenanspruch nach der SVD Nr. 27 und über den nach dem BVG. Der Kläger stützt zwar in beiden Fällen sein Begehren auf denselben äußeren Vorgang. Trotzdem sind es verschiedene Ansprüche, weil sie auf verschiedenen, zeitlich begrenzten Gesetzen beruhen. Nach Aufhebung des RVG durch das Kontrollratsgesetz (KRG) Nr. 34 stand dem Kläger kein Versorgungsanspruch mehr zu; ein solcher ist erst durch die SVD Nr. 27 neu begründet worden. Er war zeitlich beschränkt durch die Gültigkeitsdauer der SVD Nr. 27, d.h. bis zum 30. September 1950. Nach diesem Zeitpunkt beruht der Anspruch ausschließlich auf dem BVG und ist an die Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 1 und 29 BVG geknüpft.

Das Urteil des OVA. vom 10. April 1951 betraf nur den Versorgungsanspruch nach der SVD Nr. 27. Auch der hiergegen gerichtete Rekurs konnte sich im Zeitpunkt seiner Einlegung nur auf diesen Anspruch beziehen, da der BVG-Bescheid noch nicht erlassen war. Mit seinem in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG. erklärten Einverständnis, daß das Gericht über die Rechtslage seit seinem Antrag vom 7. Juni 1948 entscheide, sowie mit der ausdrücklichen Begrenzung des Rekurses auf den SVD-Bescheid, hat der Kläger die Weiterverfolgung des Rekurses beantragt (§ 214 Abs. 4 Satz 3 SGG). Das LSG. hatte daher über den Streitgegenstand des Verfahrens vor dem OVA., d.i. den Anspruch nach der SVD Nr. 27, gemäß § 214 Abs. 4 SGG zu entscheiden. Die weitere Erklärung des Klägers, daß sich sein Rekurs durch das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten insoweit erledigt habe, als es sich um den BVG-Bescheid vom 27. März 1952 handele, entsprach seinem Antrag in der mündlichen Verhandlung vor dem LVerwG., der nur auf Aufhebung des BVG-Bescheids gerichtet war. Bei dem eindeutigen Wortlaut dieser Erklärung vor dem LSG. kann dahingestellt bleiben, ob das seit Einlegung des Rekurses anhängige, wenn auch ruhende, Rekursverfahren etwa den BVG-Bescheid nach § 1608 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zunächst mit erfaßt hat; denn der Kläger hat durch die Erklärung vor dem LSG. jedenfalls auf diese Rechtsschutzwirkung des § 1608 Abs. 1 RVO wirksam verzichtet. Die Revisionsrüge, das Rekursverfahren sei durch die Erklärung des Klägers als Ganzes erledigt gewesen, ist deshalb unbegründet.

Das LSG. hat mit Recht das Rekursverfahren noch als anhängig angesehen und in diesem über den Versorgungsanspruch nach der SVD Nr. 27 - und nur über diesen - entschieden. Diese Entscheidung betrifft einen Altfall, in dem das Urteil des LSG. nach § 214 Abs. 5 keiner weiteren Anfechtung unterliegt und endgültig ist. Die Revision des Klägers ist daher insoweit gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht statthaft und war als unzulässig zu verwerfen.

Die Zulassung der Revision ist insoweit wirksam, als es sich um den Rentenanspruch des Klägers nach dem BVG handelt, der Gegenstand des Verwaltungsrechtsstreits war. Die Revision ist daher insoweit nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft.

Das beim OVerwG. rechtshängig gewesene Berufungsverfahren ist gemäß § 215 Abs. 8 SGG auf das LSG. übergegangen. Der 3. Senat des BSG. hat ausgesprochen, daß das LSG. in den Übergangsfällen des § 215 Abs. 7 und 8 SGG nicht mehr nachzuprüfen habe, ob der vorausgegangene Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten überhaupt zulässig war (BSG. 1 S. 82 [88]). Das Urteil deutet an, ohne hierauf im einzelnen einzugehen, daß trotzdem die Rechtmäßigkeit von Prozeßhandlungen, die im vorhergehenden Verwaltungsgerichtsverfahren vorgenommen wurden, wie die rechtzeitige Einlegung der Berufung, auch für die Entscheidung des LSG. von Bedeutung sein kann. Im vorliegenden Fall kann indessen dahingestellt bleiben, ob die vor Ablauf der in § 48 Abs. 2 Satz 1 der Militärregierungsverordnung (MRVO) Nr. 165 vorgeschriebenen Monatsfrist erfolgte Klageerhebung beim LVerwG. eine Prozeßhandlung darstellt, deren Rechtmäßigkeit das LSG. von Amts wegen hätte prüfen müssen. Ein etwa in der verfrühten Klageerhebung liegender Mangel ist jedenfalls durch den bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem LVerwG. eingetretenen Ablauf dieser Frist geheilt (vgl. ähnlich für die Nachholung des Einspruchsbescheides während des Verfahrens: BVerwG. in DVBl. 1956 S. 579). Das LSG. hat daher mit Recht sachlich entschieden.

Die Revision ist begründet, da das LSG. § 85 BVG verletzt hat.

Welche Gesundheitsstörungen des Klägers nach dem BVG als Schädigungsfolgen anzuerkennen sind, hängt zunächst davon ab, ob bei der Umanerkennung in Anwendung des § 85 BVG von der Entscheidung nach dem RVG oder von der Entscheidung nach der SVD Nr. 27 auszugehen ist.

Nach § 85 Satz 1 BVG ist, soweit nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über die Frage des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 BVG entschieden worden ist, die Entscheidung auch nach dem BVG rechtsverbindlich. Unter Entscheidung nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften ist eine rechtskräftig gewordene Entscheidung zu verstehen, die eine abweichende Beurteilung in einem späteren Verfahren hinderte; denn nur eine solche Wirkung der früheren Entscheidung entspricht der in § 85 BVG angeordneten Bindung. Dies ergibt sich aus dem Sinn des § 85 BVG, der nach Beseitigung der materiellen Rechtskraftwirkung früherer Entscheidungen durch Aufhebung der zugrunde liegenden Versorgungsgesetze (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 5.12.1956 - 9 RV 138/55) einer gewissen Kontinuität der Versorgung dienen will. Daß die frühere Entscheidung rechtskräftig geworden sein muß, ergibt sich außerdem aus der Beziehung des Wortes "auch" auf das Wort "rechtsverbindlich" in § 85 Satz 1 BVG.

Der SVD-Bescheid vom 13. Januar 1949 ist erst mit Erlaß des Urteils des LSG. rechtskräftig geworden. Der Rekurs gegen das Urteil des OVA. bewirkte, daß dieses Urteil nicht rechtskräftig werden konnte, bis über ihn entschieden war. Die mit der Verkündung des Urteils des LSG. gemäß § 214 Abs. 5 SGG eingetretene Rechtskraftwirkung kann jedoch nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des SVD-Bescheides zurückbezogen werden. Das LSG. hat daher, wie die Revision mit Recht rügt, zu Unrecht die erst mit der Verkündung seines Urteils rechtskräftig gewordene Entscheidung über den SVD-Bescheid als im Sinne des § 85 BVG bindend für seine im gleichen Urteil getroffene Entscheidung über den BVG-Bescheid angesehen.

Bei Erlaß des BVG-Umanerkennungsbescheids vom 27. März 1952 war der Bescheid nach der SVD Nr. 27 noch nicht rechtsverbindlich und konnte daher der neuen Bescheiderteilung nicht zugrunde gelegt werden. Dagegen lag damals als letzte rechtskräftige Entscheidung nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften die in Ausführung des Urteils des VersorgG. Stettin vom 30. Juni 1937 ergangene Benachrichtigung der Versorgungsbehörde an den Kläger vom 4. August 1937 vor, in der eine nervöse Störung der Herztätigkeit als Dienstbeschädigung anerkannt wird. Das VersorgA. war daher gemäß § 85 BVG durch diese rechtsverbindliche Entscheidung nach dem RVG an einer anderen Neubeurteilung des ursächlichen Zusammenhangs der nervösen Störung der Herztätigkeit mit einer Schädigung im Sinne des BVG gehindert.

Dies hat das LSG. verkannt. Sein Urteil war daher insoweit aufzuheben, als es das Urteil des LVerwG. aufgehoben und den BVG-Bescheid vom 27. März 1952 bestätigt hat.

Eine Entscheidung des BSG. in der Sache selbst nach § 170 Abs. 2 SGG war nicht möglich, da noch tatsächliche Feststellungen darüber zu treffen sind, ob bei dem Kläger die früher anerkannte nervöse Störung der Herztätigkeit noch vorliegt; denn die Bindung nach § 85 BVG wirkt nur, wenn eine früher anerkannte Gesundheitsstörung noch besteht (BSG. 2 S. 113). Bejahendenfalls hat das LSG. weiter festzustellen, ob und in welchem Umfang hierdurch zusammen mit den anderen Schädigungsfolgen die Erwerbsfähigkeit des Klägers gemindert ist; denn die Bindung des § 85 BVG erstreckt sich nicht auf den früher anerkannten Grad der MdE. (BSG. 2 S. 263).

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2336636

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