Leitsatz (redaktionell)
Die Teilnahme an Kegelnachmittagen steht weder unter dem Gesichtspunkt des Betriebssportes noch der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen unter Versicherungsschutz, wenn es sich lediglich um gesellige Zusammenkünfte handelt, die der kameradschaftlichen Pflege der Verbundenheit der Betriebsangehörigen untereinander zu dienen bestimmt sind.
Normenkette
RVO § 539 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. November 1965 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin ist als Angestellte im Werkstättenbüro der Bundesbahndirektion (BB-Direktion) E beschäftigt. Am 4. August 1960 nahm sie an einer Kegelveranstaltung der Angehörigen des Werkstättenbüros teil. Beim Kegeln glitt sie aus und brach sich das linke Bein.
In dem Werkstättenbüro arbeiteten im Jahre 1960 etwa 40 Beamte und Angestellte. Unter ihnen bestand die Gepflogenheit, sich an Geburtstagen gegenseitig während der Dienstzeit in den Büroräumen zum Umtrunk zu besuchen. Davon wurde seit Herbst 1957 im allseitigen Einverständnis abgesehen; statt dessen fanden regelmäßige Zusammenkünfte in einem Kegellokal statt. Man traf sich am ersten Donnerstag jeden Monats nachmittags in einer Gaststätte in K, weil in Essen weder abends noch nachmittags eine Kegelbahn frei und auch im benachbarten Kettwig nur nachmittags eine Bahn zu bekommen war. Damit genügend Zeit für das Kegeln blieb, hatte die Betriebsleitung den Teilnehmern erlaubt, ihren an sich bis 17 Uhr dauernden Dienst eine reichliche Stunde früher zu beenden. Es nahmen im Durchschnitt 25 Personen teil. Als Kostenbeitrag war pro Nachmittag von jedem Teilnehmer 1,- DM zu entrichten. Die Fahrtkosten hatte jeder selbst zu tragen. Der zuständige Abteilungspräsident und die Dezernenten der BB-Direktion besuchten die Kegelveranstaltungen gelegentlich.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 7. November 1961 den Entschädigungsanspruch der Klägerin mit der Begründung ab, es habe sich bei den von dem Werkstättenbüro durchgeführten Kegelveranstaltungen lediglich um geselliges Beisammensein nach Dienstschluß und nicht um Betriebsgemeinschaftsveranstaltungen gehandelt.
Die Klage hiergegen ist durch Urteil des Sozialgericht (SG) Duisburg vom 8. Februar 1963 abgewiesen worden.
Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Im Termin zur Berufungsverhandlung ist über Anlaß und Durchführung der Kegelnachmittage Zeugenbeweis durch Vernehmung des BB-Vizepräsidenten und des Vorstandes des Werkstättenbüros erhoben worden. Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 30. November 1965 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt: Der Unfall habe sich nicht bei einer betriebssportlichen Veranstaltung zugetragen. Die Teilnahme der Klägerin an den Kegelnachmittagen habe nicht dem Ausgleich für die Belastungen gedient, denen sie durch ihre Betriebsarbeit ausgesetzt gewesen sei. Bei den Zusammenkünften der Angestellten des Werkstättenbüros an den Kegelnachmittagen habe es sich auch nicht um betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen gehandelt. Sie seien nicht von der BB-Direktion oder einer ihrer Dienststellen veranstaltet worden. Die Anregung für die Kegelnachmittage sei vielmehr aus den Reihen der Angehörigen des Werkstättenbüros gekommen; die Veranstaltungen hätten dem Zweck dienen sollen, die im Büro üblich gewesenen Geburtstagsfeiern in anderer Form durchzuführen. Daß es den Teilnehmern an den Kegelnachmittagen von der Betriebsleitung gestattet worden sei, ihren an sich bis 17 Uhr dauernden Dienst eine reichliche Stunde früher zu beenden, weil sich sonst das Kegeln auf der nur für den Nachmittag zur Verfügung stehenden Bahn nicht gelohnt hätte, stelle keine die Veranstaltungen fördernde betriebliche Maßnahme dar. Außerdem sei der mit der Dienstbefreiung verbundene betriebliche Nachteil dadurch aufgewogen worden, daß die früher während der Dienstzeit an Bürostelle durch gegenseitige Besuche abgehaltenen Geburtstagsfeiern weggefallen seien. Zweck und Verlauf der Kegelveranstaltungen ließen erkennen, daß diese nicht von der Autorität des Dienstherrn getragen würden. Dem stehe nicht entgegen, daß hin und wieder der Abteilungspräsident oder die ihm unterstehenden Dezernenten an den Kegelnachmittagen teilgenommen hätten. Damit habe nur die persönliche Verbundenheit der Beamten des höheren Dienstes mit den Angehörigen des Werkstättenbüros zum Ausdruck gebracht werden sollen. Auf die Angehörigen des Büros sei betrieblicherseits keinerlei Einfluß dahin ausgeübt worden, sie für die Teilnahme an den Veranstaltungen zu gewinnen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 27. Dezember 1965 zugestellte Urteil am 13. Januar 1966 Revision eingelegt und diese am 24. Januar 1966 im wesentlichen wie folgt begründet: Das LSG habe verkannt, daß sich der Unfall der Klägerin bei einer ihrer Betriebstätigkeit gleichgestellten Teilnahme an einer Gemeinschaftsveranstaltung der Beschäftigten des Werkstättenbüros ereignet habe. Dieses Büro stelle eine geschlossene Betriebsabteilung dar. Die von den Angehörigen des Büros veranstalteten Kegelnachmittage seien regelmäßig gut besucht gewesen, von der Betriebsleitung gebilligt und durch die Gewährung von Dienstbefreiung für die Teilnehmer gefördert worden. Es habe bei der Planung und Durchführung der Veranstaltungen auch nicht an der für den Versicherungsschutz notwendigen Förderung der betrieblichen Verbundenheit zwischen Betriebsleitung und Belegschaft gefehlt; denn es hätten sich Vorgesetzte (Vizepräsident und Dezernenten) an den Kegelnachmittagen beteiligt. Die Büroangehörigen hätten sich der Teilnahme an den Zusammenkünften nicht entziehen können; es sei insoweit durch den Vorstand des Werkstättenbüros ein Druck auf sie ausgeübt worden.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, des Urteils des SG Duisburg vom 8. Februar 1963 sowie des Bescheides der Beklagten vom 7. November 1961 die Beklagte zu verurteilen, den Unfall der Klägerin vom 4. August 1960 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihr eine Rente im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Durch die Kegelnachmittage habe lediglich die Zusammengehörigkeit und Verbundenheit der Büroangehörigen untereinander gefördert werden sollen. Das genüge zur Begründung des Versicherungsschutzes für die Teilnahme an den Veranstaltungen nicht. Diese seien vom Dienstherrn weder angeordnet worden noch von seiner Autorität getragen gewesen.
II
Die Revision ist zulässig. Sie hatte jedoch keinen Erfolg.
Das LSG hat zu Recht entschieden, daß die Klägerin nicht unter Versicherungsschutz stand, als sie bei der Teilnahme an einem der von den Angehörigen des Werkstättenbüros der BB-Direktion E veranstalteten Kegelnachmittage verunglückte. Bei diesem Kegeln hat es sich weder um die Ausübung versicherten Betriebssports noch um die Durchführung einer der Betriebstätigkeit gleichzuerachtenden Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt.
Es kann ungeprüft bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen das Kegeln als eine Sportbetätigung angesehen werden kann, welche die Leistungsfähigkeit eines Beschäftigten im Unternehmen zu fördern geeignet ist. Denn jedenfalls konnte die Beteiligung der Angehörigen des Werkstättenbüros an den Kegelnachmittagen schon deshalb nicht ihrer versicherten Beschäftigung zugerechnet werden, weil, wie die Revision selbst einräumt, diese Veranstaltungen nach der Art ihrer Durchführung nicht geeignet waren, durch Sportbetätigung dem Ausgleich für die Belastung durch die Betriebsarbeit zu dienen (BSG 16, 1). Das Kegeln wurde vielmehr zur Stimmungsauflockerung des geselligen Beisammenseins betrieben.
Der Beweggrund für die Einrichtung der Kegelnachmittage wurzelte zwar in der gemeinsamen Betriebszugehörigkeit der Teilnehmer und entsprang deren Wunsch, anstelle der im Betrieb üblich gewesenen gegenseitigen Geburtstagsbesuche in regelmäßigen Zeitabständen gesellige Zusammenkünfte abzuhalten. Diese betriebliche Beziehung ist jedoch zu lose, um die Teilnahme an ihnen der Betriebsarbeit gleichstellen zu können. Derartige gesellige Veranstaltungen können, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat und von der Revision nicht beanstandet wird, bei dem gegebenen Sachverhalt dem Betrieb nur unter den Voraussetzungen zugerechnet werden, die nach der allgemein gebilligten Rechtsprechung des erkennenden Senats für den Versicherungsschutz betrieblicher Gemeinschaftsveranstaltungen gegeben sein müssen (BSG 1, 179; 7, 249; 17, 280; SozR Nr. 25 und 66 zu § 542 der Reichsversicherungsordnung - RVO - aF). Danach ist erforderlich, daß die Veranstaltung der Förderung der Verbundenheit von Betriebsleitung und Belegschaft dient, der Betriebsleiter entweder selbst Veranstalter ist oder die Veranstaltung zumindest billigt und fördert, diese in ihrer Planung und Durchführung von der Autorität (i.S. der bestimmenden Einflußnahme) des Betriebsleiters getragen ist und die Erwartung besteht, daß alle Betriebsangehörigen teilnehmen. Diesen Erfordernissen entsprachen die umstrittenen Kegelnachmittage nicht. Zwar ist es für den Versicherungsschutz unschädlich, daß die Zusammenkünfte nur für die Angehörigen des Werkstättenbüros bestimmt waren; denn wenn die Größe des Betriebes oder betriebliche Notwendigkeiten es nicht erlauben, daß sämtliche Beschäftigten gleichzeitig an einer Veranstaltung teilnehmen, kann der Versicherungsschutz auch bei Gemeinschaftsveranstaltungen einzelner Betriebsabteilungen oder -gruppen bestehen, sofern sie den angeführten Grundsätzen entsprechen. Das ist jedoch hier nicht der Fall.
Es kann dahingestellt bleiben, ob es, wie die Revision behauptet, zutrifft, daß die Kegelnachmittage Betriebsfeiern der Angehörigen des Werkstättenbüros in der sonst üblichen Form (z.B. Feiern zum 1. Mai) überflüssig gemacht hätten. Denn auch wenn es der Fall wäre, könnte dieser Umstand nicht geeignet sein, die Annahme zu begründen, daß die Kegelnachmittage ohne weiteres dazu bestimmt gewesen seien, die Verbundenheit zwischen Betriebsführung und Belegschaft zu fördern. Diese für den Versicherungsschutz zu fordernde Zweckbestimmung muß sich aus der tatsächlichen Gestaltung der Zusammenkünfte ergeben. Hierbei ist von ausschlaggebender Bedeutung, daß, wie vorstehend dargelegt, für das Zustandekommen der Kegelnachmittage der gemeinsame Wunsch der Angehörigen des Werkstättenbüros maßgebend war, kameradschaftliche Verbundenheit untereinander zu pflegen. Es sollten die mit dem Dienstbetrieb nicht verträglichen privaten Begegnungen anläßlich der Geburtstagsgratulationen in der Form der Freizeitgestaltung aufrechterhalten werden; das Kegeln konnte nur deshalb nicht abends stattfinden, weil zu dieser Zeit keine geeignete Kegelbahn frei war.
Soweit betriebliche Belange durch die Notwendigkeit berührt wurden, Dienstbefreiung für die Teilnehmer an den Kegelnachmittagen zu gewähren, weil es sich sonst nicht gelohnt hätte, das Kegeln abzuhalten, vermag dies nicht die Annahme einer so engen Verknüpfung betrieblicher Interessen mit dem Veranstaltungszweck zu rechtfertigen, daß die Kegelnachmittage als eine betriebliche Angelegenheit beurteilt werden könnten. Die Dienstbefreiung diente im Gegenteil der Trennung des Gemeinschaftsvorhabens der Belegschaft von ihrer Beschäftigung im Betrieb, indem dieser von störenden Einschiebungen privater Natur in die Arbeitszeit befreit wurde.
Fest steht allerdings, daß sich hin und wieder leitende Beamte der BB-Direktion an den Veranstaltungen beteiligten. Im allgemeinen ist dies zwar als Zeichen dafür zu werten, daß die betreffende Veranstaltung nicht nur einseitig die privaten Belange der Belegschaftsmitglieder angeht. Jedoch lassen nach Auffassung des erkennenden Senats die vorstehend gekennzeichneten Besonderheiten des vorliegenden Falles die Schlußfolgerung des LSG bedenkenfrei erscheinen, daß die Angehörigen des höheren Dienstes aus persönlichen, ihrem privaten Bereich zugehörenden Gründen gelegentlich mit kegelten, d. h. ohne dabei ihre dienstliche Stellung zur Geltung zu bringen. Es bedarf keiner näheren Ausführungen dazu, daß ein solches Verhalten Dienstvorgesetzter den heutigen Vorstellungen vom Arbeitsleben entspricht, was jedoch noch nicht ausreicht, außerbetriebliche Zusammenkünfte der hier gegebenen Art als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen zu kennzeichnen.
Bei diesem Sachverhalt hat das LSG auch zutreffend verneint, daß die Kegelnachmittage von dem Willen der Betriebsleitung gestaltet worden seien, indem Planung und Durchführung der Veranstaltungen unter ihrem Einfluß gestanden hätten. Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht der Umstand, daß der Leiter des Werkstättenbüros, der Bürovorstand K, Organisator der Kegelnachmittage war und für ihre ordnungsmäßige Durchführung zu sorgen hatte. Insoweit handelte er nicht - wie die Revision meint - als Dienstvorgesetzter der Veranstaltungsteilnehmer. Er ist nach den Feststellungen des LSG, denen die Revision nicht entgegengetreten ist, nicht als autorisierter Vertreter der BB-Direktion aufgetreten. Die Umfragen, die er jeweils vor den Kegelnachmittagen bei den Angehörigen des Werkstättenbüros hielt, um die Zahl der Teilnehmer festzustellen, erklären sich aus den vom LSG dargelegten Gründen, nämlich, daß es schon wegen der Unkostenfrage (Miete der Kegelbahn usw.) notwendig war, rechtzeitig zu klären, ob das Kegeln an dem betreffenden Nachmittag überhaupt stattfinden konnte. Die Behauptung der Revision, diese Umfragen hätten als dienstliche Aufforderung zur Teilnahme verstanden werden müssen, ist nicht schlüssig begründet und findet in den auf der Zeugenaussage K beruhenden Feststellungen des LSG auch keine Grundlage.
Da hiernach die Voraussetzungen für den Versicherungsschutz der Teilnehmer an den Kegelnachmittagen, vor allem auch am Unfalltage, nicht gegeben waren, ist das LSG ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Entschädigung für die Folgen ihres Unfalls vom 4. August 1960 gegen die Beklagte hat.
Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen