Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht. Selbständigkeit. Ärztebesucher
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Beurteilung der Frage, ob eine unselbständige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, muß nach dem Gesamtbild des beruflichen Einsatzes vorgenommen werden, wobei letztlich entscheidend ist, ob die Merkmale der Unselbständigkeit oder die der Selbständigkeit überwiegen; vertragliche Vereinbarungen können hierbei nur insoweit herangezogen werden, als sie mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmen.
2. Wesentliches Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit ist das eigene Unternehmerrisiko; dies gilt allerdings nur insoweit, als dem Unternehmerrisiko eine größere Freiheit bei der Gestaltung des Arbeitsablaufs und der Bestimmung des Umfangs der eigenen Arbeitskraft oder höhere Verdienstmöglichkeiten gegenüberstehen.
3. Zur Beurteilung des Gesamtbildes der Tätigkeit von Ärztebesuchern, die im Auftrag eines Arzneimittelherstellers für bestimmte Präparate bei Ärzten werben, gehört auch die Frage nach Art und Umfang von Tätigkeiten für andere Firmen sowie die Frage nach der Regelung der Unkostenvergütung.
Orientierungssatz
1. Zur Frage der abhängigen Beschäftigung eines Ärztebesuches, dessen beruflicher Einsatz Merkmale sowohl einer selbständigen Tätigkeit als auch einer abhängigen Beschäftigung aufweist.
2. Zur Auslegung der Begriffe "Abgeben" und "Abgebenlassen" in AMG § 34 Abs 3.
Normenkette
AVG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; AFG § 168 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1969-06-25; AMG § 34 Abs. 3 Fassung: 1961-05-16
Verfahrensgang
LSG für das Saarland (Entscheidung vom 02.12.1976; Aktenzeichen L 1 K 3/75) |
SG für das Saarland (Entscheidung vom 31.10.1974; Aktenzeichen S 1 Kr 9/73) |
Gründe
I.
Unter den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene zu 1), J. S. (S.), in seiner für die Klägerin - einer Arzneimittelherstellerin - bis zum 31. März 1972 ausgeübten Tätigkeit als Ärztebesucher sozialversicherungspflichtig beschäftigt war und deshalb für ihn Beiträge an die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) abzuführen sind.
Der Tätigkeit des S. liegt ein zwischen ihm und der Klägerin geschlossener Vertrag vom 6. November 1966 zugrunde. Darin ist ua bestimmt, S. werde "als freiberuflicher wissenschaftlicher Mitarbeiter" für die Klägerin in einem genauer bezeichneten Vertriebsgebiet tätig (§ 1 des Vertrages). Zu seinen Aufgaben gehörte es, für bestimmte Präparate im Rahmen von sogenannten Fachgesprächen zu werben mit dem Ziel, den betreffenden Präparaten eine erhöhte Geltung auf dem Arzneimittelmarkt zu verschaffen (§ 4 des Vertrages). Als Vergütung wurde ihm für jedes Fachgespräch ein Betrag von 4,- DM zugesagt (§ 3 des Vertrages). Zu seinen Pflichten gehörte insbesondere, die Zahl von wöchentlich 40 Arztbesuchen nicht zu überschreiten und nach den jeweiligen ersten Fachgesprächen Wiederholungsbesuche - spätestens nach etwa 15 bis 18 Wochen nach dem ersten Besuch - durchzuführen (§ 5 des Vertrages). Darüber hinaus bestand die Verpflichtung, wöchentlich in Form einer entsprechenden Aufstellung einen bestimmte Angaben enthaltenden Bericht über seine Tätigkeit abzugeben (§ 7 des Vertrages). Schließlich war er noch gehalten, für die Zeit des "Beschäftigungsverhältnisses" mit der Klägerin nicht für dritte Firmen tätig zu werden, die auf dem Arzneimittelmarkt mit gleichartigen oder ähnlichen Präparaten in Wettbewerb stehen. Von jedem weiteren Beschäftigungsverhältnis oder der Übernahme einer Vertretung bei einer anderen Firma mußte der Klägerin Kenntnis gegeben werden, damit diese die Möglichkeit hatte, im einzelnen zu prüfen, ob sie ihr Einverständnis hierzu erteilen könne (§ 8 des Vertrages). In einem Schreiben der Klägerin vom 3. November 1966 wurde S. nochmals darauf hingewiesen, daß er als freiberuflicher wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Klägerin beschäftigt sei. Steuern, soziale Abgaben usw gingen zu seinen Lasten. In dem Schreiben ist weiter vermerkt, daß sich das Vertragsverhältnis nur dann auf die Dauer erfolgreichen gestalten könne, wenn es gelinge, in seinem Bezirk innerhalb eines halben Jahres für die beiden von ihm vertretenen Präparate bestimmte Umsätze zu erreichen.
Mit Bescheid vom 19. September 1972 stellte die Beklagte die Sozialversicherungspflicht des S. fest und forderte die Klägerin auf, die Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1. Dezember 1969 bis 31. März 1972 abzuführen. Mit Bescheiden vom 4. Dezember 1972 und 28. Dezember 1972 setzte die Beklagte auch die Höhe der zu zahlenden Beiträge zur Angestelltenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) fest. Hierbei wurde berücksichtigt, daß Beiträge zur BA wegen zwischenzeitlich eingetretener Vollendung des 63. Lebensjahres vom 1. Juli 1970 ab nicht mehr zu erheben waren. Der gegen den Bescheid vom 19. September 1972 erhobene Widerspruch blieb wie die Klage ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 7. März 1973, Urteil des Sozialgerichts - SG - für das Saarland vom 31. Oktober 1974). Im Widerspruchsbescheid der Beklagten ist dargelegt, daß Versicherungs- und Beitragspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten und zur BA bestehe, in der Krankenversicherung sei S. jedoch wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze versicherungsfrei.
Das Landessozialgericht (LSG) für das Saarland hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 2. Dezember 1976). Es hat zur Begründung ua ausgeführt: Zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen S. habe ein die Versicherungs- und Beitragspflicht begründendes entgeltliches Beschäftigungsverhältnis bestanden. Das für den Begriff des Beschäftigungsverhältnisses entscheidende Merkmal der persönlichen Abhängigkeit müsse nach Abwägung aller für das Gesamtbild der Tätigkeit maßgeblichen Einzelumstände bejaht werden. Der Ärztebesucher übe nicht etwa eine - selbständige - Vermittlertätigkeit iS des § 84 des Handelsgesetzbuches (HGB) aus. Die Einschaltung eines Ärztebesuchers gehöre wesentlich zum Vertrieb von pharmazeutischen Erzeugnissen einer Firma bzw einer bestimmten Kategorie von Arzneimittelherstellern. Diese deute hin auf eine gewisse Eingliederung des Ärztebesuchers in den Betrieb des Arzneimittelherstellers. Eine weitere starke Bindung des Ärztebesuchers an die Herstellerfirma könne aus § 34 Abs 3 des Arzneimittelgesetzes (AMG) vom 16. Mai 1961 (BGBl I, S 533) geschlossen werden. Des weiteren sprächen für das Vorliegen einer unselbständigen Beschäftigung sowohl die vertragliche Verpflichtung des S., seine Arbeit für die Klägerin auf höchstens 40 Arztbesuche in der Woche zu beschränken, als auch die Pflicht, über seine Tätigkeit in vorgeschriebener Weise wöchentlich Bericht zu erstatten. Schließlich sei gegen die Selbständigkeit des Beigeladenen S. anzuführen, daß für ihn keine Möglichkeit bestanden habe, Hilfskräfte auf eigene Rechnung anzustellen. Der Annahme einer abhängigen Beschäftigung stehe nicht entgegen, daß S. für mehrere Firmen, für die die Klägerin die Werbung übernommen hätte, tätig gewesen sei; praktisch sei diese eine Tätigkeit für die Klägerin gewesen. Zwar gebe es auch Merkmale, die bei isolierter Betrachtung für die Selbständigkeit des Beigeladenen S. sprächen. Außer der fehlenden vertraglichen Urlaubsregelung seien dies die fehlende Bindung an eine bestimmte Arbeitszeit, das Fehlen einer Regelung über die Teilnahme an betrieblichen Sozialeinrichtungen und über die Weiterzahlung des Entgelts im Krankheitsfall oder die Zahlung von Weihnachtsgeld bzw Urlaubsgeld. Anzuführen zugunsten einer selbständigen Ausübung der Arbeit sei weiterhin, daß S. nicht verpflichtet gewesen sei, regelmäßig im Betrieb der Klägerin zu erscheinen, daß er seinen Betrieb beim Gewerbeamt angemeldet habe, daß er keine Lohnsteuer gezahlt habe und daß er die Fahrtroute sowie den Zeitpunkt für seine Besuche selbst habe wählen können. Diese Merkmale gäben jedoch im Gegensatz zu den für die Unselbständigkeit sprechenden Umständen der Stellung des Beigeladenen S. nicht das entscheidende Gepräge, weil sie zu einem nicht unerheblichen Teil nicht Folge einer gewollten Selbständigkeit gewesen seien, sondern notwendiger Ausfluß dessen, daß sich die Tätigkeit des Ärztebesuchers nicht in einer so engen Bindung zum Herstellungsbetrieb durchführen lasse, wie andere mit der Herstellung, Verpackung und Versendung der Arzneimittel verbundene Arbeiten in den Räumen des Betriebes.
Die Klägerin hat - die vom LSG zugelassene - Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung von § 2 Abs 1 Nr 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und § 168 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Der zwischen ihr und dem Beigeladenen S. geschlossene Vertrag enthalte nur wenige Anhaltspunkte für das Bestehen eines die persönliche Abhängigkeit kennzeichnenden Weisungsrechts. S. habe seine Arbeitszeit nicht nur nach eigenem Gutdünken einrichten, sondern auch die Fahrtstrecken seiner Reisen in dem ihm überlassenen Bezirk selbständig gestalten können. Er habe auch keine Mindestarbeitszeit nachweisen müssen, bei weniger Besuchen habe sich dies lediglich auf seinen Verdienst ausgewirkt. Es müsse auch gewürdigt werden, daß Einzelweisungen nach § 6 des Vertrages überhaupt nur bei besonderen Werbeaktionen in Betracht gekommen seien. Eine damit verbundene Weisung habe jedoch nur eine sekundäre Wirkung; die Freiheit der Gestaltung der Besuche durch den Beigeladenen S. (einschließlich ihrer Reihenfolge) sei davon nicht berührt worden. Soweit das LSG seine Entscheidung mit darauf gestützt habe, für eine gewisse Eingliederung des Ärztebesuchers "in den Betrieb" spreche, daß zu dessen wesentlichen Aufgaben gehöre, zum Vertrieb von pharmazeutischen Erzeugnissen beizutragen, werde das Tätigwerden für den Betrieb mit dem - davon scharf zu unterscheidenden - Tätigwerden im Betrieb verwechselt. Aus der Zielsetzung der Förderung von Vertrieb und Absatz könnten keine sozialversicherungsrechtlichen Schlüsse gezogen werden. Dem Berufungsgericht könne ferner nicht gefolgt werden, soweit es den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes besondere Bedeutung beimesse. Der Auslegung des § 34 Abs 3 dieses Gesetzes, wie sie im angefochtenen Urteil vorgenommen worden sei, stünden verfassungsrechtliche Bedenken entgegen. Die Beschränkung der Tätigkeit des Beigeladenen S. auf höchstens 40 Ärztebesuche in der Woche spräche nicht gegen ein freies Mitarbeiterverhältnis. Die Klägerin habe die Tätigkeit des S. nicht voll für sich in Anspruch genommen; ihm sei vielmehr gestattet gewesen, bei seinen Ärztebesuchen auch Muster anderer Unternehmen abzugeben und Werbegespräche zu führen. Die von S. zu fertigenden Berichte zwängen ebensowenig zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung wie die Tatsache, daß es für ihn nicht möglich gewesen sei, Hilfskräfte auf eigene Rechnung zu beschäftigen. Letzteres liege in der Natur der Tätigkeit, die eine gewisse Vertrauenswürdigkeit des Ärztebesuchers voraussetze. Der fehlende Kapitaleinsatz des Beigeladenen zu 1) sei ohne Bedeutung. Zudem habe dieser im Gegensatz zur Ansicht des LSG auch ein Unternehmerrisiko getragen, weil sein Entgelt sich nach der - nach unten nicht vorgeschriebenen - Zahl der Besuche gerichtet habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 2. Dezember 1976, das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 31. Oktober 1974 und die Bescheide der Beklagten vom 19. September 1972, 4. und 28. Dezember 1972 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. März 1973 aufzuheben.
Die Beklagte, die beigeladene BfA und die beigeladene BA beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Der Beigeladene zu 1) ist nicht vertreten.
Sämtliche Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Der Rechtsstreit ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die streitige Frage, ob der Beigeladene S. als Ärztebesucher für die Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder als selbständiger freier Mitarbeiter tätig war, muß nach dem Gesamtbild seines beruflichen Einsatzes beantwortet werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine versicherungspflichtige Beschäftigung voraus, daß der Dienstverpflichtete vom Dienstherrn persönlich abhängig ist. Dazu gehört aber nicht zugleich eine wirtschaftliche Abhängigkeit. Eine persönliche Abhängigkeit ist vielmehr bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn er einem Zeit, Dauer und Ort der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Dienstherrn unterliegt. Allerdings kann dies - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß" verfeinert sein. Andererseits kennzeichnen eine selbständige Tätigkeit das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen freigestellte Tätigkeit und Arbeitszeit. Ob eine Tätigkeit abhängig oder selbständig verrichtet wird, entscheidet sich letztlich danach, welche Tätigkeitsmerkmale überwiegen. Hierbei ist auch die vertragliche Ausgestaltung des Verhältnisses zu beachten. Weicht diese jedoch von den tatsächlichen Verhältnissen ab, haben letztere ausschlaggebende Bedeutung (vgl zum ganzen BSG SozR 2200 § 1227 Nrn 4 und 8 mwN).
Von diesen vom BSG zum Begriff des Beschäftigungsverhältnisses entwickelten Grundsätzen ist zutreffend auch das LSG ausgegangen. Es hat daher zu Recht seine Aufmerksamkeit auf die vertragliche und tatsächliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und dem Ärztebesucher S. gelenkt. Dementsprechend hat es weder die in dem der Tätigkeit zugrunde liegenden Vertrag gewählte Bezeichnung "freier Mitarbeiter" noch den ebenfalls gebrauchten Begriff "Beschäftigungsverhältnis" zugunsten einer Selbständigkeit oder einer Unselbständigkeit des S. gewertet.
Die Feststellungen des LSG reichen allerdings nicht aus, die für das Gesamtbild der Beschäftigung des S. wesentlichen Umstände in vollem Umfang eindeutig zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Das Ergebnis der Gesamtwürdigung und die Rechtsausführungen des LSG können deshalb mangels gesicherter tatsächlicher Grundlage einer Überprüfung nicht standhalten. Dabei zwingen schon Widersprüchlichkeiten im Urteil - das LSG stellt einerseits darauf ab, daß S. seine gesamte Arbeitskraft der Klägerin zu widmen hatte, während es gleichzeitig feststellt, daß er für mehrere Firmen tätig gewesen ist - von Amts wegen zur Aufhebung und Zurückverweisung (Meyer-Ladewig SGG § 163 RZ 3; BAG NJW 1967, 2226; BSG Urteil vom 24. Oktober 1978 - 12 RK 60/76 - USK 78135).
Das LSG hat nicht verkannt, daß der berufliche Einsatz des S. für die Klägerin Merkmale sowohl einer selbständigen Tätigkeit als auch einer abhängigen Beschäftigung aufweist. Die Annahme, S. habe deshalb in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden, weil die Tätigkeit des Ärztebesuchers ihr entscheidendes Gepräge durch die Regelungen des Arzneimittelgesetzes und durch die Besonderheiten des Vertriebes von Arzneimitteln erhalte, ist jedoch nicht gerechtfertigt. Das LSG beruft sich zur Stützung seiner Auffassung zu Unrecht auf § 34 Abs 3 AMG. Danach dürfen ua Hersteller Muster von Arzneispezialitäten an einen näher bezeichneten Personenkreis abgeben oder abgeben lassen. Dem Gesetz läßt sich nicht entnehmen, daß die vom Hersteller mit der Abgabe betrauten Personen ausschließlich - genauen Einzelanweisungen unterworfene - Arbeitnehmer sein müssen. Die vom LSG vertretene Auslegung ließe sich allenfalls dann aufrechterhalten, wenn in § 34 Abs 3 AMG nur vom "Abgeben", nicht aber auch vom "Abgebenlassen" die Rede wäre. Im Gegensatz zum ersten Begriff ("Abgeben"), der die Verteilung durch den Hersteller in eigener Person oder durch seine für ihn unmittelbar handelnden Arbeitnehmer kennzeichnet, meint die zweite Alternative den weiteren Tatbestand, daß der Hersteller Arzneimittel über von ihm ausgewählte Personen, die in eigenem oder fremden Namen auftreten, an die Zielgruppen weiterleitet. Eine andere Auslegung nähme den in Abs 3 des § 34 AMG im Gegensatz zu Abs 1 gebrauchten Worten "abgeben lassen" jede eigenständige Bedeutung.
Doch selbst die Richtigkeit der Meinung des Berufungsgerichts unterstellt, vermag sie nicht das Gesamtbild der Tätigkeit des S. entscheidend zugunsten einer abhängigen Beschäftigung zu beeinflussen. Denn § 34 Abs 3 AMG betrifft lediglich einen kleinen Bereich der weit umfassenderen Tätigkeit des Ärztebesuchers. Ein Weisungsrecht könnte allenfalls bezüglich der Verteilung von Ärztemustern bestehen. Weitergehende Bindungen des Besuchers hinsichtlich der Gestaltung seiner Arbeit, insbesondere solche, die auch Zeit, Dauer und Ort umfassen - dem wesentlichen Merkmal abhängiger Beschäftigungsverhältnisse - vermag die arzneimittelrechtliche Vorschrift jedenfalls nicht zu begründen. Schließlich würde aber auch die Stellung als freier Mitarbeiter nicht dadurch infrage gestellt, daß seine Tätigkeit gegen ein Gesetz verstößt.
Auch soweit nach Meinung des LSG der Umstand, daß die Einschaltung eines Ärztebesuchers wesentlich zum Vertrieb von pharmazeutischen Erzeugnissen einer bestimmten Kategorie von Arzneimittelherstellern gehöre, entscheidend für eine "gewisse Eingliederung" des Ärztebesuchers in den Betrieb des Arzneimittelherstellers sprechen soll, kann dem nicht beigepflichtet werden. Werbung und sonstige Förderung des Vertriebes von Erzeugnissen können nämlich sowohl durch (abhängige) Arbeitnehmer des Herstellungsunternehmens als auch durch fremde (selbständige) Unternehmer - wie insbesondere das Beispiel der Handelsvertreter zeigt - erfolgen. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß diese Tätigkeiten nicht typischerweise gerade durch unselbständig Beschäftigte wahrgenommen werden. Aus der Funktion, den Absatz von Arzneimitteln verbessern zu helfen, können daher sozialversicherungsrechtliche Schlüsse (Vorhandensein einer Eingliederung in den Betrieb) nicht ohne weiteres gezogen werden.
Der vom LSG festgestellte Sachverhalt läßt zwei Umstände nicht erkennen, die für das Gesamtbild der Tätigkeit des S. wesentlich sind, nämlich zum einen Art und Umfang der Nebentätigkeiten und zum anderen die Regelung der Unkostenvergütung. Die vorliegenden vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und S. begründen keine Verpflichtung des S., für "Schwesterfirmen" oder mit der Klägerin sonstwie vertraglich verbundene Firmen tätig zu werden. Es ist daher erforderlich, zu klären, welche Rechtsbeziehungen oder auch rein faktische Gestaltungen neben dem Vertrag vorhanden waren, und ob sich hieraus ergibt, daß die Klägerin befugt war, den Einsatz des S. für Dritte anzuordnen und zu regeln oder jedenfalls faktisch einseitig bestimmt hat. Weitere Hinweise ergeben sich daraus, ob der Beigeladene S. aus den 4,- DM, die er für jeden Ärztebesuch erhielt, auch die Unkosten (Fahrtkosten, Tagesspesen, Büroartikel) zu tragen hatte oder ob diese von der Klägerin zusätzlich erstattet oder (zB durch Stellung des Materials und eines Firmenwagens) unmittelbar getragen wurden. Wenn diese Kosten zu Lasten der Klägerin gingen, spricht dies mehr für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses. Wenn der Beigeladene S. sie zu tragen hatte, traf ihn ein erhöhtes Unternehmerrisiko und dies wäre ein Indiz für seine Selbständigkeit. Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, daß nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ein Unternehmerrisiko nur dann auf eine selbständige Tätigkeit hindeutet, wenn mit diesem Risiko eine größere Freiheit bei der Gestaltung der Arbeit und der Bestimmung über den Umfang des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft oder höhere Verdienstchancen erreicht werden. Die Belastung eines Erwerbstätigen, der im übrigen nach der Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als Arbeitnehmer anzusehen wäre, mit zusätzlichen Risiken, vermag keine Selbständigkeit zu begründen (BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17).
Ob das LSG die übrigen - ausreichend ermittelten - Einzelumstände richtig gewichtet und beurteilt hat, kann erst anhand der vollständig ermittelten Gesamtumstände erkannt werden. Es muß deshalb dem LSG überlassen bleiben, die etwa erforderliche erneute Abwägung nach Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen im Rahmen der Gesamtwürdigung selbst vorzunehmen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen