Verfahrensgang
LSG für das Saarland (Urteil vom 23.05.1975) |
SG für das Saarland (Urteil vom 28.11.1974) |
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 23. Mai 1975 wird aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 28. November 1974 wird zurückgewiesen.
Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin bezieht Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz –BVG– (zuletzt festgestellt durch Bescheid vom 6. April 1973). Ihr Ehemann, der als Maschinensteiger im Saarbergbau beschäftigt gewesen war, ist für tot erklärt worden. Bei Feststellung des Schadensausgleichs ist die Versorgungsverwaltung von einem Bruttoeinkommen der Klägerin ausgegangen, das um den Wert von Deputatkohle erhöht war. Die Klägerin bezog jährlich kostenlos 50 Zentner Deputatkohle. Diesen Bezug bewertete die Behörde als eine monatliche Einnahme von 38,08 DM.
Der gegen die Anrechnung des Kohledeputats erhobene Widerspruch hatte keinen Erfolg (Bescheid vom 23. Januar 1974). Die Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil des SG vom 28. November 1974); das Landessozialgericht –LSG– (Urteil vom 23. Mai 1975) hat ihr stattgegeben, es hat den angefochtenen Bescheid dahin „abgeändert, daß bei der Bewertung des Schadensausgleichs der Wert der Deputatkohlen außer Ansatz zu lassen” sei. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, Deputate gehörten zwar zu dem bei der Berechnung des Schadensausgleichs anzusetzenden Bruttoeinkommen; dies deshalb, weil nur steuerfreie betriebliche Vergünstigungen außer acht zu bleiben hätten. Als wiederkehrende Bezüge seien solche Deputate sonstige Einkünfte, die der Einkommensteuerpflicht unterlägen (§§ 8, 2 Abs. 3 Nr. 7, 22 Abs. 1 Buchst. b Einkommensteuergesetz – EStG 1971 – idF vom 1. Dezember 1971, BGBl I 1882). Verdeutlicht werde diese Rechtsfolge durch § 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV 1971 – idF vom 29. April 1971, BGBl 397) iVm § 4 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV 1969 – idF vom 21. April 1970, BGBl I 373), wonach zu versteuernde Einnahmen alle Güter seien, die in Geldeswert bestünden; darunter fielen auch Deputate aus einem Dienstverhältnis. Obgleich sonach die Sachbezüge der Klägerin steuerpflichtig seien, dürften diese Leistungen versorgungsrechtlich nicht als Einkünfte in Betracht gezogen werden. Andernfalls werde die Klägerin als Hinterbliebene eines Bergmanns schlechter gestellt als ein aktiver Arbeiter der Saarbergwerke, bei dem der Bezug verbilligten Hausbrands nicht als Einkommen angesehen werde. Für diese Ungleichbehandlung lasse sich kein sachlich einleuchtender Grund anführen.
Der Beklagte hat die – zugelassene – Revision eingelegt. Er hält die Unterscheidung, die in bezug auf die Kohlebelieferung an aktive und ausgeschiedene Arbeiter bzw. deren Hinterbliebene vorgenommen werde, für gerechtfertigt. Es sei zu bedenken, daß der im Arbeitsleben stehende Versorgungsberechtigte in der Regel ein wesentlich höheres Einkommen habe als der Ruheständler. Lasse man gleichwohl bei dem Aktiven die Entgegennahme des Hausbrandes als Einkommen gelten, dann mindere sich seine Beschädigtenrente außerordentlich stark, zumal auch sein Arbeitseinkommen in Rechnung zu stellen sei. Dagegen falle bei der Hinterbliebenen die Berücksichtigung des kostenlosen Kohledeputats nicht allzusehr ins Gewicht.
Der Beklagte beantragt,
das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie beanstandet nicht die steuerrechtliche Beurteilung des Sachverhalts im Berufungsurteil, hält aber an der Auffassung fest, daß die Praxis der Versorgungsverwaltung zu einer mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbaren Ungleichbehandlung von aktiven Bergarbeitern und deren Hinterbliebenen führe. Im übrigen stützt sie sich auf einen Erlaß des Arbeits- und Sozialministers von Nordrhein-Westfalen vom 30. Januar 1961, in dem ganz generell, also auch gegenüber den Hinterbliebenen von Bergleuten, der verbilligte oder kostenlose Bezug von Hausbrand zu den lohnsteuerfreien betrieblichen Vergünstigungen gezählt werde.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten ist begründet.
Der Klägerin steht ein höherer Schadensausgleich (§ 40 a BVG) nicht zu. Als Teil ihres Bruttoeinkommens, von dem bei Berechnung des Schadensausgleichs auszugehen ist (§ 40 a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 iVm § 30 Abs. 8 c BVG sowie § 12 Satz 1 der Verordnung –VO– zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG – alle Vorschriften in der 1973 geltenden Fassung), ist das ihr von den Saarbergwerken zur Verfügung gestellte Kohledeputat einzusetzen. Diese Naturalleistungen sind Einkünfte mit Geldeswert und damit „Einkommen” (§ 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 iVm § 14 Abs. 1 VO zu § 33 BVG). Die Berücksichtigung dieser betrieblichen Vergünstigungen hätte nach § 2 Nr. 18 VO zu § 33 BVG nur zu unterbleiben, wenn sie lohnsteuerfrei blieben, m.a.W. wenn es sich um Annehmlichkeiten handelte, die kein Arbeitsentgelt darstellen. Dabei wird an Zuwendungen an Arbeitnehmer während ihrer Betriebszugehörigkeit gedacht. Mit solchen Zutaten des Arbeitgebers sollen lediglich die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Darüber hinaus ginge es jedoch um die Verschaffung eines wirtschaftlichen Vorteils, durch den die Vermögenslage des Empfängers nennenswert aufgebessert würde. Hiervon wäre im Falle des Kohledeputats an die Hinterbliebene eines Bergbauarbeiters auszugehen. Ein solches Deputat bleibt infolgedessen auch nicht lohnsteuerfrei, sondern gehört zu den einkommen- und lohnsteuerpflichtigen Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 3 Nr. 4, § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1971). Diese steuerrechtliche Einordnung des Kohledeputats hat das Bundessozialgericht (BSG) in dem Urteil vom 24. März 1976 – 9 RV 154/75 – näher erläutert. Tatsächlich werden solche Naturalbezüge auch von der Finanzverwaltung versteuert.
Entgegen der Ansicht des LSG verstößt es nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG), daß das Kohledeputat an die Witwe eines Bergmannes ihrem Bruttoeinkommen zugeschlagen wird. Das Gegenteil folgt namentlich nicht daraus, daß das Bruttoeinkommen nicht in gleicher Weise bei Feststellung des Berufsschadensausgleichs an aktive Bergbauarbeiter bestimmt wird. Das aktive Arbeitsverhältnis läßt sich aus vielerlei Gesichtspunkten nicht ohne weiteres mit dem Rentnerstatus gleichsetzen (mehr darüber: Urteil vom 24. März 1976). Dafür ist ua wichtig, daß diese Sachbezüge für Arbeitnehmer den betrieblichen Vergünstigungen, wie kostenlosen oder verbilligten Getränken und Mahlzeiten zur Seite zu stellen sind. Rentner und Hinterbliebene erhalten die Deputate jedoch nach dem Ende des Dienstverhältnisses zusätzlich zu den bereits früher empfangenen Zuteilungen. Ferner dienen die für die Dienstzeit zugesagten Deputate als Anreiz zum Eintritt und Verbleiben im Bergbau. Dies ist eine Zweckbestimmung, die mit solchen Zuwendungen an Rentner und Hinterbliebene nicht oder doch nur mittelbar erfüllt werden kann.
Was schließlich den Hinweis der Klägerin auf den Erlaß des Arbeits- und Sozialministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 30. Januar 1961 anbetrifft, so kann damit eine andere Entscheidung nicht gerechtfertigt werden. Soweit sich aus diesem Erlaß eine Meinung ergibt, die von der hier getroffenen und dem Gesetz abgeleiteten Entscheidung abweicht, kann ihr nicht gefolgt werden (Urteil des erkennenden Senats vom 24. März 1976 – 9 RV 102/75 –).
Sonach kann das Urteil des LSG keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben. Die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Dr Baresel, BR Dr. Renner ist durch Dienstreise verhindert, das Urteil zu unterschreiben, Dr Baresel, Dr Ecker
Fundstellen