Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 06.08.1996) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. August 1996 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung zu Unrecht entrichtet worden und zu erstatten sind.
Die Klägerin, eine GmbH nach deutschem Recht, ist eine Tochtergesellschaft eines japanischen Unternehmens (im folgenden: Muttergesellschaft). Der japanische Staatsangehörige M. … U. … (im folgenden: Versicherter) war 1965 von der Muttergesellschaft eingestellt worden. Er war vom 21. Februar 1979 bis zum 30. September 1983 bei der Klägerin als Abteilungsleiter „Forschung und Entwicklung-Pharmazie” tätig. Neben der technischen Beratung und dem Verkauf für ein pharmazeutisches Produkt war seine Aufgabe die Herstellung und Aufrechterhaltung von Kontakten zu Universitäten, Forschungsinstituten und Pharmafirmen in Europa, um die Zusammenarbeit mit europäischen Partnern zu fördern.
Die Geschäftsleitung der Muttergesellschaft entscheidet über alle Personalangelegenheiten japanischer Mitarbeiter und trifft auch die Entscheidung, ob und zu welcher Tochtergesellschaft ein Arbeitnehmer geschickt wird. Die grundlegenden Bedingungen für die im Ausland tätigen Mitarbeiter werden in einem sog Handbuch geregelt. Das Handbuch enthält Aussagen zur Höhe des Gehalts, Umzugskosten, Unterbringung im Ausland, Krankheitskosten uä. Soweit einzelne Fragen nicht in dem Handbuch geregelt sind, werden Vereinbarungen zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem jeweiligen Arbeitnehmer getroffen. Bei Aufnahme der Tätigkeit des Versicherten bei der Klägerin wurde zwischen ihm und der Klägerin ein Arbeitsvertrag geschlossen. Während der Tätigkeit bei der Klägerin erhalten auch die japanischen Mitarbeiter Weisungen vom Geschäftsführer der Klägerin. Ein Teil des Gehalts des Versicherten wurde in Japan von der Muttergesellschaft ausgezahlt, der andere Teil von der Klägerin. Von der Klägerin wurden während der Tätigkeit des Versicherten Pflichtbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abgeführt.
Die Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen zur Rentenversicherung wurden von der Beklagten auf Antrag erstattet (Bescheid vom 1. November 1985).
Im Oktober 1988 beantragte die Klägerin die Erstattung der Arbeitgeberanteile an den Beiträgen zur Rentenversicherung nach § 26 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Rentenversicherung (SGB IV). Sie machte geltend, die Vorschriften über die Versicherungspflicht seien nach § 5 SGB IV nicht anzuwenden gewesen. Der Versicherte sei zu ihr im Rahmen eines im Ausland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses entsandt worden, wobei die Dauer der Beschäftigung im voraus zeitlich begrenzt gewesen sei. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 20. Oktober 1989) und wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16. August 1991).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 4. April 1995); das Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 6. August 1996). Ein Anspruch auf Erstattung der Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung bestehe nicht. Der Versicherte sei als abhängig Beschäftigter bei der Klägerin tätig gewesen. Die Voraussetzungen für die Nichtanwendung der Vorschriften über die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 SGB IV lägen nicht vor. Der Versicherte sei nicht im Sinne dieser Vorschrift zeitlich begrenzt entsandt worden und sei bei der Klägerin nicht im Rahmen eines mit der Muttergesellschaft bestehenden Beschäftigungsverhältnisses tätig geworden. Der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses habe im Inland gelegen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt, daß die Beklagte nicht durch den Vorstand vertreten wird, sowie sinngemäß eine Verletzung des § 5 SGB IV, des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), des Art 103 Abs 1 und des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Das LSG habe das Merkmal der zeitlichen Begrenzung in § 5 SGB IV verkannt. Es habe den Sachverhalt weiter aufklären müssen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG vom 6. August 1996 und das Urteil des SG vom 4. April 1995 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 1991 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die für den Mitarbeiter M. … U. … in der Zeit vom 21. Februar 1979 bis 30. September 1983 entrichteten Arbeitgeberanteile zur Angestelltenversicherung zu erstatten,
hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
Ein Mangel der Vertretung der Beklagten besteht nicht. Diese wird bei den laufenden Verwaltungsgeschäften auch gerichtlich durch die Geschäftsführung vertreten (§ 36 Abs 1 und Abs 4 SGB IV). Zu den laufenden Verwaltungsgeschäften gehört die Entscheidung über die Erstattung von Beiträgen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr getragenen Arbeitgeberanteile an den Rentenversicherungsbeiträgen des Versicherten nach § 26 Abs 2 SGB IV, denn diese Beiträge sind nicht zu Unrecht, sondern zu Recht entrichtet worden. Der Versicherte war in der Zeit von Februar 1979 bis September 1983 bei der Klägerin beschäftigt und deshalb nach § 2 Abs 1 Nr 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) in der Angestelltenversicherung versicherungspflichtig. Die Vorschriften über die Versicherungspflicht galten nach § 3 Nr 1 SGB IV für die Beschäftigung des Klägers, denn er war im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt. Die Geltung der Vorschrift über die Versicherungspflicht war nicht nach § 5 Abs 1 SGB IV ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, nicht für Personen, die im Rahmen eines außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in diesen Geltungsbereich entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind schon deshalb nicht erfüllt, weil während der Tätigkeit des Versicherten bei der inländischen Klägerin das Beschäftigungsverhältnis bei dieser bestand und nicht bei der ausländischen Muttergesellschaft.
Bei der Einstrahlung, dh der Entsendung vom Ausland ins Inland, und auch im umgekehrten Fall der Entsendung aus dem Inland ins Ausland (Ausstrahlung, § 4 SGB IV) besteht das Beschäftigungsverhältnis dort, wo „der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses … liegt” (vgl Begründung des Entwurfs zum SGB IV BT-Drucks 7/4122 S 30 zu § 4). Zu der Frage, wann der Schwerpunkt in diesem Sinne im Inland liegt, hier ein Beschäftigungsverhältnis gegeben und deswegen die Einstrahlung ausgeschlossen ist, hat der Senat im Urteil vom 7. November 1996 (12 RK 79/94, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) in einem Verfahren entschieden, in welchem Angestellte einer koreanischen Muttergesellschaft für eine inländische Tochtergesellschaft im Inland tätig waren. Nach diesem Urteil liegt ein Beschäftigungsverhältnis im Inland jedenfalls dann vor, wenn die Tochtergesellschaft eine inländische juristische Person (dort eine GmbH) ist, der Angestellte in sie eingegliedert ist und er sein Arbeitsentgelt von der Tochtergesellschaft erhält. Demgegenüber ist es bei Konzernunternehmen nicht entscheidend, daß ein Arbeitsvertrag mit der Muttergesellschaft besteht und Weisungen auch von ihr erteilt werden. Im einzelnen wird auf die Begründung dieses Urteils Bezug genommen.
Auf dieser Grundlage liegt ein Beschäftigungsverhältnis zur Tochtergesellschaft im Inland auch im vorliegenden Verfahren vor. Die Klägerin ist eine inländische juristische Person (GmbH). Der Versicherte war während seiner Tätigkeit im Inland in den Betrieb der Klägerin eingegliedert, denn er war der Klägerin zur Arbeitsleistung verpflichtet, seine Tätigkeit war von den im Betrieb der Klägerin bestehenden Verhältnissen geprägt und er war mit seiner Arbeit an der Erreichung des Betriebszwecks der Klägerin beteiligt. Die Klägerin war Schuldnerin des Arbeitsentgeltes und hat dieses im wesentlichen gezahlt. Diese für die Entscheidung ausreichenden und maßgebenden Feststellungen sind vom LSG getroffen worden. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts war nicht notwendig. Die Verfahrensrügen der Klägerin greifen nicht durch. Hierzu wird von einer Begründung abgesehen (§ 170 Abs 3 Satz 1 SGG).
Soweit die Revision geltend macht, bei vergleichbaren Sachverhalten einer Entsendung aus Deutschland ins Ausland werde eine Ausstrahlung (§ 4 Abs 1 SGB IV) angenommen und deshalb der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) verletzt, wenn hier eine Einstrahlung abgelehnt werde, ist dies eine Behauptung, die nicht begründet wird. Im übrigen ist der Senat in dem genannten Urteil vom 7. November 1996 (12 RK 79/94) bei Ausstrahlung und Einstrahlung von der Geltung gleicher Maßstäbe ausgegangen. In diesem Urteil ist auch dargelegt, daß der Fortbestand einer Sozialversicherung im vertragslosen Ausland der Annahme von Versicherungspflicht in Deutschland nicht entgegensteht.
Der Senat brauchte nicht mehr zu entscheiden, ob die Entsendung des Versicherten zur Klägerin iS des § 5 SGB IV zeitlich begrenzt war, wie die Revision geltend macht. Es kam auch nicht darauf an, ob die Beklagte sich mit Erfolg auf Verjährung berufen könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen