Leitsatz (amtlich)
Gewährt ein Träger der Rentenversicherung Vorschüsse auf die künftige Rente, so entsteht zwischen ihm und dem Berechtigten ein öffentlich-rechtliches Verhältnis eigener Art. Es ist von vornherein nur für eine Übergangszeit bestimmt und führt zu gegenseitigen Ausgleichs- und Verrechnungsansprüchen bei der Festsetzung der Rente.
Die Ausgleichspflicht des Empfängers der Rentenvorschüsse entfällt nur, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen. Sie können nicht schon darin gesehen werden, daß die Vorschüsse die Höhe der für die gleiche Zeit zustehenden Rentenbezüge erheblich überschritten haben.
Leitsatz (redaktionell)
Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn streitig ist, ob der Versicherungsträger einen Überempfang, ggf durch Verrechnung mit der laufenden Leistung, wieder einziehen darf.
Normenkette
RVO § 1299 Fassung: 1957-02-23, § 1301 Fassung: 1957-02-23; AVG § 78 Fassung: 1957-02-23, § 80 Fassung: 1957-02-23; SGG § 78 Fassung: 1953-09-03, § 79 Fassung: 1953-09-03, § 80 Fassung: 1953-09-03, § 81 Fassung: 1955-08-17; RVO § 119 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1924-12-15
Tenor
Die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. September 1959 und des Sozialgerichts Dortmund vom 28. November 1958 werden aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Rechtsstreit wird um die Frage geführt, ob die Beklagte Vorschußzahlungen auf die Rente, die sie der Klägerin nach der Stellung des Rentenantrags gewährt hat, bei der späteren Rentenfeststellung auch insoweit ausgleichen darf, als die Rentenbezüge hinter den für die gleiche Zeit geleisteten Vorschüssen zurückbleiben.
Die Klägerin beantragte im März 1957 eine Rente aus der Rentenversicherung der Angestellten wegen Berufsunfähigkeit. Mit Schreiben vom 23. Juli 1957 teilte ihr die Beklagte u. a. mit:
"Die endgültige Feststellung Ihrer Rente ist erst nach Abschluß der durch die gesetzliche Neuregelung der Berechnung der Renten in der Rentenversicherung notwendigen Vorarbeiten möglich. Für die Übergangszeit gewähren wir Ihnen daher vom 1.9.1957 an laufend eine vorläufige Leistung von monatlich 105.- DM als Rente. ...
Bei der endgültigen Feststellung Ihrer Rente werden wir die jetzt vorläufige Leistung verrechnen."
Mit Bescheid vom 11. Februar 1958 setzte die Beklagte die Rente der Klägerin auf einen monatlichen Betrag von 45,20 DM fest. In dem Bescheid traf sie zugleich folgende Regelung:
"Bei der Anweisung der Vorschußrente wurden die versicherungsrechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Vergleichsberechnung außer acht gelassen. Somit ist eine Überzahlung Ihrer Rente von DM 777,40 eingetreten. Unter Anwendung des § 78 AVG n. F. werden wir die Überzahlung Ihres Ruhegeldes monatlich um 5.- DM kürzen."
Mit der Klage wandte sich die Klägerin gegen die Kürzung der Rente. Sie beantragte,
"den Bescheid der Beklagten vom 10.2.58 insoweit aufzuheben, als die Beklagte in ihm wegen eines Rückforderungsanspruchs in Höhe von 777,40 DM mit dem Rentenanspruch der Klägerin aufrechnet, und festzustellen, daß ein Rückforderungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin nicht besteht."
Das Sozialgericht (SG) Dortmund entsprach diesem Antrag mit Urteil vom 28. November 1958. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hielt die Rückforderung der Überzahlung in dem späteren Bescheid nicht für gerechtfertigt, weil die Leistung nicht ohne rechtlichen Grund gewährt worden sei. Die Klägerin verdiene Vertrauensschutz auch gegenüber dem früheren Bescheid, weil sie an dem rechtmäßigen Ergehen der inhaltlich fehlerhaften Verwaltungsentscheidung kein Verschulden treffe. Die Überzahlung sei nicht dem Verantwortungsbereich der Klägerin zuzurechnen. Ihr habe es nicht in den Sinn zu kommen brauchen, daß sie zu viel erhielt und eines Tages die Überzahlung ausgleichen müsse. Sie habe sich vielmehr darauf verlassen können, daß der gezahlte Betrag das Minimum dessen sei, was ihr zustehe. Die Beklagte setze sich mit ihrem früheren Verhalten in Widerspruch und verstoße gegen Treu und Glauben, wenn sie die Höhe der Rente nunmehr anders beurteile als in ihrem ersten Bescheid. Auch die Zwischenfeststellungsklage sei zulässig und begründet; ein Rückzahlungsanspruch der Beklagten bestehe überhaupt nicht (Urteil vom 8.9.1959).
Die Beklagte legte gegen das Urteil die - vom LSG zugelassene - Revision ein mit dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG die Klage abzuweisen.
Gerügt werde die Verletzung des § 78 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts. Der Vorschuß an die Klägerin sei gewährt worden, weil der große Arbeitsanfall anläßlich der Rentenumstellung nach der gesetzlichen Neuregelung es nicht gestattet habe, alle eingehenden Anträge alsbald abschließend zu verbescheiden. Die Klägerin habe gewußt, daß es sich nur um vorläufige Leistungen gehandelt habe, die später verrechnet werden sollten; sie sei deshalb beim Empfang der Leistung nicht gutgläubig gewesen und habe mit einer Überzahlung rechnen müssen. Jedenfalls bestehe ein Rückerstattungsanspruch in Höhe von 59,80 DM, weil nach der Bekanntgabe der neuen Rentenhöhe noch eine Monatsrate in der früheren Höhe ausbezahlt worden sei.
Die Klägerin beantragte die Zurückweisung der Revision.
Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet.
Der von der Klägerin angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 1958 enthält außer der endgültigen Festsetzung der Rente die Feststellung des Betrags (777,40 DM), um den die vorläufigen Leistungen die der Klägerin für die gleiche Zeit zustehenden Rentenbezüge überschritten haben und in Höhe dessen die Beklagte einen Ausgleich von der Klägerin verlangt; er regelt ferner die Durchführung dieses Ausgleichs durch ratenweise Aufrechnung gegen die laufende Rente. Die Klägerin wendet sich ersichtlich allein gegen das Ausgleichsverlangen der Beklagten, das sie für ungerechtfertigt und unbillig hält. Insoweit haben die Vorinstanzen zwar zutreffend angenommen, daß der Erhebung der Klage im vorliegenden Rechtsstreit ein Vorverfahren nach § 78 ff des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht vorauszugehen hatte. Eines solchen Verfahrens bedurfte es, wie sich aus den späteren Ausführungen ergibt, nicht. Jedoch kann der Senat der Auffassung des LSG, daß der Klägerin die überzahlten Beträge belassen werden müssen, nicht beitreten. Die Beklagte war vielmehr berechtigt, die der Klägerin gewährten vorläufigen Leistungen, auch soweit sie in ihrer Höhe über die für die gleiche Zeit zustehenden Rentenbezüge hinausgingen, im Wege der (ratenweisen) Aufrechnung gegen den Rentenanspruch der Klägerin auszugleichen. Dies gilt nicht nur für den Vorschußbetrag, den die Klägerin nach der Bekanntgabe des Rentenfeststellungsbescheids vom 10. Februar 1958 noch für den Monat März 1958 ausgezahlt erhielt, sondern für die ganze bis dahin bewirkte Rentenvorschußleistung.
Nach § 78 AVG dürfen gegen Leistungsansprüche (nur) aufgerechnet werden u. a. gezahlte Vorschüsse. Hierunter fallen alle vorläufigen Leistungen, die der Versicherungsträger vor der eigentlichen, ihm obliegenden Leistung, aber in Anrechnung auf sie gewährt hat, also auch Vorschußzahlungen auf eine (erst später festzusetzende) Rente. Soweit Rentenvorschußzahlungen nicht auf ausdrücklicher gesetzlicher Regelung beruhen, wie z. B. Leistungen nach Art. 2 § 42 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) oder die Leistungen auf Grund des Rentenvorschußzahlungsgesetzes vom 23. Dezember 1956 (BGBl I 1072), sondern auf einer Verwaltungsanordnung des Versicherungsträgers, hat die Rechtsprechung sie als rechtmäßige Leistungen angesehen, wenn der Berechtigte zuvor die Rente beantragt hatte, der verpflichtete Versicherungsträger aber aus besonderen Gründen, z. B. weil der Umfang der Leistung noch nicht zu ermitteln war, sie nicht endgültig festsetzen konnte, der Berechtigte darüber unterrichtet war, daß ihm nur vorläufige Leistungen gewährt werden, die auf die spätere eigentliche Leistung anzurechnen waren, und sich weder aus den Erklärungen des Berechtigten noch aus den Umständen ergab, daß er mit der Vorschußzahlung nicht einverstanden war (vgl. BSG 4, 75, 82; 11, 60; 12, 265). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Streitfall gegeben.
Die Klägerin hat die Rente am 2. März 1957 beantragt. Wenige Tage zuvor (23.2.1957) waren die Rentenreformgesetze erlassen worden, die eine umfassende Neuordnung des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherungen und für neue Versicherungsfälle eine von der bisherigen völlig abweichende Art der Rentenberechnung gebracht hatten. Die Beklagte war infolge dieser Änderungen vor umfangreiche Aufgaben in verwaltungsmäßiger und organisatorischer Hinsicht gestellt und besaß zunächst noch keine Erfahrungen auf dem vielfach Neuland bildenden Rechtsgebiet. Andererseits war es aus sozialen Gründen nicht zu verantworten, die Berechtigten allzu lange auf die Rentenbezüge warten zu lassen. Es mußte deshalb ein Anliegen der Beklagten sein, der Klägerin - nachdem ihre Rentenberechtigung feststand - möglichst bald Geldmittel in die Hand zu geben. Hierzu bot sich der Weg eines Rentenvorschusses an. Die Beklagte hat in der Mitteilung vom 27. Juli 1957 die Zahlungen ausdrücklich als vorläufige Leistungen bezeichnet und darauf hingewiesen, daß sie die Leistungen später mit der zustehenden Rente verrechnen werde. Die Klägerin war also über die Art der ihr zufließenden Leistungen und über ihre spätere Ausgleichspflicht unterrichtet. Sie hat nach dem Erhalt dieser Mitteilung keine Einwendungen erhoben und nicht zu erkennen gegeben, daß sie nicht Vorschußzahlungen, sondern ausschließlich die ihr endgültig zustehende Rente begehrte. Unter diesen Umständen kann das Vorgehen der Beklagten und die Anordnung von vorläufigen Leistungen rechtlich nicht mißbilligt werden. Die Rentenvorschüsse an die Klägerin bildeten vielmehr rechtmäßig gewährte Leistungen. Dies gilt nicht nur, soweit es sich um die Leistungen dem Grunde nach handelt, sondern ebenso für deren Höhe. Hierüber gibt es für die nicht auf gesetzlicher Regelung beruhenden Rentenvorschüsse keine Vorschriften. Die Festsetzung ist allein dem pflichtmäßigen Ermessen der Verwaltung überlassen. Sie wird zwar schon in ihrem eigenen Interesse - um Überzahlungen zu vermeiden - regelmäßig darauf achten, daß die Vorschüsse sich möglichst im Rahmen dessen halten, was dem Berechtigten voraussichtlich an endgültiger Leistung zusteht. Wenn diese sich aber nicht voraussehen läßt, fehlt es an solcher Richtschnur. Es kommt indessen für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht darauf an, wie insoweit die Verhältnisse zur Zeit der Anweisung der Rentenvorschüsse an die Klägerin lagen, ob insbesondere die voraussichtliche Höhe der nach der neuen Rentenformel zu berechnenden Rente der Klägerin damals mehr oder weniger leicht zu ermitteln war. Denn die vorläufigen Zahlungen an die Klägerin waren auch insoweit rechtmäßige, den Charakter von Rentenvorschüssen tragende Leistungen, als sie über die Höhe der für die gleiche Zeit zustehenden endgültigen Leistungen hinausgingen. Es ist rechtlich nicht möglich, sie aufzuteilen und nur denjenigen Teil der Vorschußzahlungen als solchen zu werten, der an die Höhe der endgültigen Leistung heranreicht, den darüber hinausgehenden Teil der Leistungen dagegen etwa als "zu Unrecht gewährte Leistungen" anzusehen. Vielmehr hat es sich um einheitlich als Rentenvorschüsse zu beurteilende Leistungen gehandelt.
Durch die Bewilligung der Rentenvorschüsse entstand zwischen den Beteiligten ein öffentlich-rechtliches Verhältnis eigener Art. Es verpflichtete die Beklagte, der Klägerin die zugesagten monatlichen Rentenvorschüsse zu gewähren, wogegen der Klägerin die Pflicht erwuchs, gegebenenfalls die empfangenen Leistungen bei der endgültigen Rentenfestsetzung (Zug um Zug, d. h. im Wege der gegenseitigen Aufrechnung oder Verrechnung) zurückzugeben. Diese Rückzahlungs- oder Ausgleichspflicht liegt im Begriff des Rentenvorschusses begründet (so schon Reichsversorgungsgerichtsentscheidung 8 S. 199; 9, S. 180, 185; 11, 25, 26; Bayer. LVAmt in ZfS 1951 S. 247 und 250; vgl. auch BSG 12, 265). Der Empfänger kann sich im allgemeinen weder auf guten Glauben noch auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Die Ausgleichspflicht besteht im vollen Umfang auch dann, wenn sich - wie hier - nachträglich herausstellt, daß ein Anspruch auf die Leistungen nur in geringerer Höhe gegeben ist. Davon geht auch das Gesetz aus, denn sonst hätte es z. B. der ausdrücklichen Regelung in Art. 2 § 53 AnVNG (Art. 2 § 54 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - ArVNG -; Art. 2 § 30 des Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetzes - KnVNG -) nicht bedurft, wonach den auf Grund von § 1 des Rentenvorschußzahlungsgesetzes vom 23. Dezember 1956 Berechtigten der überschießende Betrag der Vorschußzahlung (ausnahmsweise) zu belassen war.
Das durch die Bewilligung der vorläufigen Rente begründete öffentlich-rechtliche Vorschußverhältnis zwischen den Beteiligten war von vornherein nur - wie es in der Mitteilung der Beklagten hieß - "für die Übergangszeit", d. h. nur so lange beabsichtigt, als die Beklagte die Rente der Klägerin noch nicht festgesetzt hatte. Es endete von selbst mit dem Zeitpunkt der Rentenfeststellung. Gleichzeitig mit dem Ende des Vorschußverhältnisses setzten die gegenseitigen Verrechnungs- und Ausgleichsansprüche ein, welche die Rechtslage zwischen den Beteiligten in den nach dem Gesetz rechtmäßigen Stand zu bringen hatten.
Entgegen der Auffassung des LSG entfiel die Verpflichtung der Klägerin zum Ausgleich auch nicht aus besonderen Gründen. Die Grundsätze von Treu und Glauben, auf die das LSG die Entscheidung stützt, stehen nicht entgegen. Verlangt der Versicherungsträger den Ausgleich von Leistungen, die er für den Empfänger erkennbar als Rentenvorschüsse gezahlt hat, so liegt in diesem Vorgehen regelmäßig kein Verstoß gegen Treu und Glauben. Vielmehr handelt gegen diese Grundsätze im allgemeinen derjenige, der sich weigert, einen (als solchen) empfangenen Vorschuß zurückzuzahlen, wenn sich nachträglich herausstellt, daß er Leistungen nicht in dieser Höhe zu beanspruchen hat. Die Meinung des LSG, die Klägerin habe beim Empfang der Rentenvorschüsse nicht damit zu rechnen brauchen, daß sie zuviel erhielt und daß sie eines Tages eine etwaige Überzahlung ausgleichen müsse, sie habe sich vielmehr darauf verlassen dürfen, daß der gezahlte Betrag das Minimum dessen sei, was ihr in jedem Falle zustehe, verkennt das Wesen der Vorschußzahlungen. Bei ihnen weiß der Empfänger in der Regel nicht, ob sie ihm in der angeordneten Höhe auch tatsächlich zustehen. Solche aus sozialen Erwägungen ohne genaue Prüfung der Voraussetzungen gewährten Leistungen können meist nur pauschal festgesetzt werden. Hätte der Versicherungsträger vor der Bewilligung der Vorschüsse jeweils bis ins einzelne zu prüfen, in welcher Höhe dem Berechtigten ein Rentenanspruch zusteht und danach die Höhe der Vorschüsse zu bemessen, so würde der Zweck der Vorschußzahlung, eine rasche Hilfe für den Berechtigten zu bringen, vereitelt. Die Beklagte hat in ihrer Mitteilung vom 23. Juli 1957 auch nichts davon erwähnt, daß die Vorschüsse das Mindeste seien, was der Klägerin zustehe. Diese mußte daher auch einen Mehrempfang in Rechnung stellen. Sie meint nun, sie hätte sich gegen den Bescheid der Beklagten nicht gewehrt, wenn ihr statt der vorläufigen Rente von 105,- DM eine endgültige von z. B. 96,- DM oder 102,- DM bewilligt worden wäre; solche geringen Differenzen hätte sie in Kauf genommen, nicht dagegen den beträchtlichen Unterschied zu der endgültigen Rente von 45,20 DM. Allein die mehr oder weniger große Überzahlung der Rente kann rechtlich keinen Unterschied begründen, weil eine Grenze, bis zu der - im Sinne der Ausführungen der Klägerin - eine Überzahlung noch hingenommen werden kann, nicht ersichtlich ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sich die Beklagte durch die Gewährung der Rentenvorschüsse auch nicht auf eine bestimmte Berechnung der Rente festgelegt. Sie hat zwar die Vorschüsse in einer Höhe gezahlt, wie sie nur unter den - für die Klägerin nicht gegebenen - Voraussetzungen des Art. 2 § 41 AnVNG festzusetzen gewesen wären.
Die Bewilligung der Vorschüsse bedeutet aber kein Anerkenntnis der Beklagten für einen Rentenanspruch der Klägerin nach dieser Vorschrift; anderenfalls hätte es der Vorschußleistungen gar nicht bedurft, weil die Beklagte die Rente nach Art. 2 § 41 Satz 1 AnVNG sofort berechnen konnte. Dagegen könnte der Ausgleichspflicht der Klägerin entgegenstehen, wenn die Beklagte die Rentenfeststellung ungebührlich hinausgezögert und die Rentenvorschüsse übermäßig lange Zeit wie endgültige Leistungen gewährt hätte. In einem solchen Fall (Rentenfestsetzung nach über 2 1/2 Jahren) hat das Bundessozialgericht (BSG) den für die Vergangenheit verlangten Ausgleich als unzulässige Rechtsausübung angesehen (BSG 7, 226). Solche außergewöhnlichen Umstände haben aber hier nicht vorgelegen. Die Beklagte hat die Rente verhältnismäßig bald nach dem Ergehen des vorläufigen Bescheides, nämlich am 10. Februar 1958 (nicht ganz 7 Monate nach der Bewilligung der Rentenvorschüsse) festgesetzt, gleichzeitig die Klägerin von der Überzahlung benachrichtigt und die ratenweise Aufrechnung der Vorschüsse mit der laufenden Rentenzahlung erklärt. Dies war noch rechtzeitig. Die Klage ist daher, da auch Bedenken gegen die Höhe der monatlichen Kürzungsraten weder von der Klägerin vorgetragen sind noch nach Lage der Verhältnisse bestehen, unbegründet.
An der Entscheidung des Rechtsstreits in diesem Sinne ist der Senat auch nicht aus prozessualen Gründen gehindert. Wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, bedurfte es im vorliegenden Rechtsstreit vor der Erhebung der Klage keines Vorverfahrens nach den §§ 78 ff SGG. Zwar sind nach der Rechtsprechung Ermessensentscheidungen der Verwaltung - vorbehaltlich des § 81 SGG - in einem Vorverfahren nachzuprüfen (BSG 3, 209, 215; 7, 292; Urteil vom 9.8.1962 - 4 RJ 355/60 --) und es wird beim Fehlen des gesetzlich vorgeschriebenen Vorverfahrens angenommen, daß die Klage unzulässig ist (BSG 8, 3). Die Entscheidung über den Ausgleich von Vorschußzahlungen liegt jedoch nicht im Ermessen des Versicherungsträgers; er ist vielmehr, wenn nicht ausnahmsweise außergewöhnliche Umstände vorliegen, verpflichtet, den Ausgleich durchzuführen. In § 80 AVG ist der Vorschußfall nicht genannt. Es wäre allenfalls zu erwägen, ob nicht diese Vorschrift, wonach der Versicherungsträger bestimmte Leistungen nicht zurückzufordern braucht, hier analoge Anwendung finden kann. Dafür spräche, daß der Versicherungsträger die Fälle nochmals zu überprüfen hätte. Da aber der Versicherungsträger den Ausgleichsanspruch geltend machen muß, außer in den seltenen Fällen, in denen die Grundsätze von Treu und Glauben dem Anspruch entgegenstehen, könnte die Widerspruchsstelle auch nur diese Frage berücksichtigen. Sie unterliegt aber gerade der Prüfung durch das Gericht, was für den Betroffenen einen viel stärkeren Rechtsschutz bedeutet. Eine Notwendigkeit, den Gedanken des § 80 AVG entsprechend heranzuziehen, besteht daher nicht.
Aus den vorstehend angegebenen Gründen müssen die von der gegenteiligen Rechtsauffassung ausgehenden Urteile des LSG und des SG aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 1958 wiederhergestellt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Eine Überprüfung des Falles durch die Beklagte, ob nicht - unbeschadet der Rechtslage-unter den gegebenen Verhältnissen die Ausgleichsforderung niedergeschlagen werden sollte, dürfte angebracht sein.
Fundstellen