Leitsatz (amtlich)
Zur Eignung eines niedergelassenen Zahnarztes, der als Polizeizahnarzt beschäftigt ist, für die Ausübung kassenzahnärztlicher Tätigkeit.
Normenkette
ZO-Zahnärzte § 20 Abs. 1 Fassung: 1957-05-28
Tenor
Die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 6. November 1963 und des Sozialgerichts Berlin vom 14. November 1962 sowie die Bescheide des Zulassungsausschusses für Kassenzahnärzte in Berlin vom 15. Juni 1961 und des beklagten Berufungsausschusses vom 9. Oktober 1961 werden aufgehoben.
Der beklagte Berufungsausschuß wird verpflichtet, den Kläger in Berlin-Hermsdorf als Kassenzahnarzt zuzulassen.
Der beklagte Berufungsausschuß hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger ist approbierter Zahnarzt und seit 1950 in der Polizeizahnklinik des Polizeipräsidenten in Berlin 30 (Tiergarten) als angestellter Zahnarzt beschäftigt. Außerdem ist er in eigener Praxis in Berlin-Hermsdorf niedergelassen. Ihm obliegt als Polizeizahnarzt die Behandlung der in freien Heilfürsorge stehenden Bereitschaftspolizisten. Seine Dienstbehörde hat ihm die Genehmigung zur Behandlung von Privat- und Kassenpatienten erteilt.
Der Kläger hat sich mehrfach erfolglos um die Zulassung als Kassenzahnarzt bemüht. Sein Zulassungsantrag wurde zuletzt vom zuständigen Zulassungsausschuß für Kassenzahnärzte mit der Begründung abgelehnt, infolge seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Polizeizahnarzt stehe er für die Ausübung der kassenzahnärztlichen Tätigkeit nicht in dem erforderlichen Maße zur Verfügung (Beschluß vom 15. Juni 1961).
Der Kläger machte mit seinem Widerspruch geltend, daß er trotz seiner Tätigkeit als Polizeizahnarzt durchaus in der Lage sei, die kassenzahnärztliche Tätigkeit in dem erforderlichen Umfange auszuüben. Er könne Sprechstunde am Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag und auch am Mittwoch in der Zeit von 16.00 bis 20.00 Uhr halten, d. h. mindestens 20 Stunden in der Woche. Bei Ärzten genüge nach § 4 des Gesamtvertrages vom 25. Juli 1953 sogar schon eine Zeit von mindestens 12 Stunden wöchentlich; das müsse auch für Zahnärzte gelten. Für Notfälle und Nachbehandlung habe er die Erlaubnis des Polizeipräsidenten, diese in der Polizeizahnklinik durchzuführen. Außerdem sei der Zahnarzt Dr. J in Hermsdorf jederzeit bereits, ihn in Notfällen zu vertreten. Patienten - besonders aus den Kreisen der berufstätigen Bevölkerung - seien daran interessiert, Zahnärzte in den Nachmittags- und Abendstunden aufsuchen zu können; zu Behandlungen in dieser Zeit sei er in der Lage. Schließlich übten eine Anzahl von Zahnärzten außer ihrer Tätigkeit als Kassenzahnärzte noch eine andere Beschäftigung aus, z. B. der Schulzahnarzt Dr. Sch. und die in der Polizeizahnklinik beschäftigten Zahnärzte Dr. M. und Dr. H. Daher widerspreche es dem Gleichheitssatz, wenn ihm jetzt die Zulassung versagt werde. In letzter Zeit habe sich eine Rechtsprechung entwickelt, wonach die Tätigkeit als Knappschaftszahnarzt eine Zulassung als Kassenzahnarzt nicht ausschließe. Ferner könnten neuerlich vollbeschäftigte S. als Rechtsanwälte tätig bleiben.
Der beklagte Berufungsausschuß für Kassenzahnärzte wies den Widerspruch durch Beschluß vom 9. Oktober 1961 zurück. Er bestätigte die Ansicht des Zulassungsausschusses und fügte hinzu, der Kläger sei Zahnarzt in einem festen Angestelltenverhältnis mit festen täglichen Dienststunden, sei also rechtlich und moralisch verpflichtet, seine ganze Arbeitskraft seinem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen.
Das schließe eine zusätzliche Tätigkeit als Kassenzahnarzt aus. Festgelegte Sprechstunden seien niemals ein Merkmal für den Umfang der tatsächlichen Arbeit des Zahnarztes. Sie seien nur ein Hinweis für neue Patienten, wann sie den Zahnarzt bestimmt antreffen würden. Daher komme es nicht auf die Zahl der Sprechstunden oder die verbliebene Freizeit an, sondern allein darauf, ob der Arzt den Versicherten persönlich seine ganze Arbeitskraft zur Verfügung stellen könne. Bei den vom Kläger genannten Fällen handele es sich um altzugelassene Kassenzahnärzte, denen die Zulassung nicht ohne weiteres entzogen werden könne. Die Rechtsprechung in Knappschafts- und Rechtsanwaltssachen sei für den vorliegenden Fall unbeachtlich.
Der Kläger wiederholte in seiner Klage im wesentlichen sein früheres Vorbringen und verwies noch auf den Fall eines Zahnarztes, der neben seiner Tätigkeit als Chefredakteur einer zahnärztlichen Zeitschrift als Kassenzahnarzt zugelassen sei. Es gebe auch unzählige Assistenzärzte, Oberärzte und Chefärzte, die trotz ihrer festen Anstellungsverhältnisse Kassenärzte seien.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 14. November 1962 abgewiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag,
das Urteil des SG Berlin vom 14. November 1962 und die Bescheide des Berufungsausschusses vom 9. Oktober 1961 und des Zulassungsausschusses vom 15. Juni 1961 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn im Ortsteil Hermsdorf als Kassenzahnarzt zuzulassen.
Der beklagte Berufungsausschuß und die Beigeladenen haben beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat eine Auskunft des Polizeipräsidenten in Berlin vom 11. Juli 1963 über die Art und Weise der Beschäftigung des Klägers als Polizeizahnarzt eingeholt. Im Hinblick hierauf hat der Kläger vorgetragen, die Auskunft sei insoweit nicht richtig, als darin erklärt werde, die Dienststunden erstreckten sich täglich von 7.45 bis 16.30 Uhr. Es sei seit Beginn seiner Tätigkeit in der Polizeizahnklinik, also seit ungefähr 14 Jahren, ständige Praxis, daß er und andere Zahnärzte ungefähr um 15.00 Uhr die Zahnklinik verlassen könnten. Irgendein Grund, daß in Zukunft von dieser ständigen Praxis abgegangen werde, sei nicht ersichtlich.
Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 6. November 1963). Es hat im wesentlichen ausgeführt: § 20 Abs. 1 der Zulassungsordnung für Kassenzahnärzte (ZO-Zahnärzte), wonach ein Zahnarzt für die Ausübung kassenzahnärztlicher Tätigkeit nicht geeignet sei, der wegen eines Beschäftigungsverhältnisses oder wegen anderer nicht ehrenamtlicher Tätigkeit für die Versorgung der Versicherten persönlich nicht in dem erforderlichen Maße zur Verfügung stehe, sei verfassungsgemäß. Hiernach müsse davon ausgegangen werden, daß die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen ihrer Verpflichtung, die zahnärztliche Versorgung der Versicherten sicherzustellen, nur dann genügen könnten, wenn sich die zugelassenen Kassenzahnärzte dieser Aufgabe als freipraktizierende Zahnärzte wenigstens mit dem überwiegenden Teil ihrer Arbeitskraft widmeten. Sie brauchten sich nicht darauf einzulassen, daß der Zahnarzt die kassenzahnärztliche Tätigkeit nur nebenbei ausübe.
Beim Kläger liege der Schwerpunkt seiner Berufstätigkeit in seiner Arbeit in der Polizeizahnklinik. Durch diese Tätigkeit werde seine Arbeitskraft stark in Anspruch genommen, wenn nicht erschöpft. Er sei nicht in der Lage, an seinem Kassenzahnarztsitz dem kranken Versicherten auch zu anderen Zeiten als dem späten Nachmittag und Abend zur Verfügung zu stehen. Seine Arbeitsstelle in der Polizeizahnklinik dürfe er nur gelegentlich kurzfristig und dann auch nur mit Genehmigung des Leiters der zahnärztlichen Abteilung verlassen. Eine Vertretung durch einen anderen Zahnarzt in Notfällen, wie vom Kläger vorgeschlagen, widerspreche der Verpflichtung des Kassenzahnarztes, die kassenzahnärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision mit dem Antrag eingelegt,
das angefochtene Urteil, das Urteil des SG sowie die Bescheide des beklagten Berufungsausschusses vom 9. Oktober 1961 und des Zulassungsausschusses vom 15. Juni 1961 aufzuheben und den beklagten Berufungsausschuß zu verpflichten, den Kläger in Berlin-Hermsdorf als Kassenzahnarzt zuzulassen.
Zur Begründung der Revision hat er vorgetragen: Zu Unrecht sei das LSG davon ausgegangen, daß die ambulante Behandlung der Versicherten solchen freipraktizierenden Ärzten vorbehalten sei, die überwiegend freiberuflich tätig seien. Freipraktizierende Ärzte seien vielmehr auch solche im Hauptberuf angestellten oder beamteten Ärzte, die in keiner irgendwie gearteten Abhängigkeit von dem Dienstherrn eine Nebenbeschäftigung als niedergelassener Arzt in eigenen Praxisräumen ausübten. - Was die Dienstbereitschaft des Kassenzahnarztes betreffe, so verlange der Bundesmantelvertrag - Zahnärzte - vom 2. Mai 1962 (§ 6 Abs. 2) nur, daß der Kassenzahnarzt seine Sprechstunden entsprechend den Bedürfnissen nach einer ausreichenden und zweckmäßigen kassenzahnärztlichen Versorgung und den Gegebenheiten seines Praxisbereichs festzusetzen und auf einem Praxisschild kundzutun habe. Keineswegs brauche der Kassenzahnarzt außerhalb seiner Sprechstunden dem Kassenarzt zum Dienst am kranken Versicherten bereitzustehen. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung habe nach § 6 Abs. 4 des Bundesmantelvertrags für einen Notdienst an Tagen zu sorgen, an denen die Sprechstunden allgemein ausfallen. Sei der Kassenzahnarzt im übrigen an der Ausübung seiner Praxis verhindert, so habe er nach § 6 Abs. 5 des Bundesmantelvertrags durch geeignete Maßnahmen die Versorgung seiner Patienten zu regeln. Das habe der Kläger getan: Er habe die Erlaubnis, Patienten aus eigener Praxis in Notfällen in der Polizeizahnklinik zu behandeln. Außerdem sei der Zahnarzt Dr. J in Berlin-Hermsdorf jederzeit bereit, ihn in Notfällen zu vertreten. - Auch der Gesamtvertrag zwischen der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Berlin und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Berlin vom 18. Mai 1957 idF vom 4. Mai 1962 (abgedruckt bei Sixtus/Haep, Zahnärztliches Gebühren- und Vertragsrecht, Teil 9 S. 3) sehe keine weitergehenden Verpflichtungen des Kassenzahnarztes vor.
Der beklagte Berufungsausschuß hat beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Wenn § 6 Abs. 5 des Bundesmantelvertrags den Kassenzahnarzt im Falle seiner Verhinderung verpflichte, durch geeignete Maßnahmen die Versorgung seiner Patienten zu regeln, so gelte das nur für Einzelfälle, nicht aber für eine dauernde Verhinderung an den Vormittagen. - Zu Unrecht habe der Kläger die örtliche Situation an seinem Kassenzahnarztsitz so geschildert, als ob kein Bedürfnis für Behandlungen am Vormittag bestehe. Nichtberufstätige, aber auch Berufstätige hätten vielfach die Möglichkeit und den Wunsch, am Vormittag zahnärztlich behandelt zu werden - Eine ständige Vertretung durch einen anderen Kassenzahnarzt in Notfällen genüge nicht dem Erfordernis, daß der Kassenzahnarzt persönlich im erforderlichen Maße zur Verfügung stehen müsse. - Zu Unrecht nehme der Kläger an, § 20 Abs. 1 ZO-Zahnärzte habe mit dem Wegfall der Zulassungsbeschränkung durch die Verhältniszahl einen Bedeutungswandel erfahren. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Beschluß vom 23. Juli 1963 (BVerfG 16, 286) § 20 Abs. 1 ZO-Zahnärzte als verfassungsgemäß angesehen, soweit er als Berufungsausübungsregelung vom Arzt verlange, daß er sich der ärztlichen Versorgung der Kassenmitglieder in vollem Maße widme. Die Tätigkeit des Kassenzahnarztes könne nur freiberuflich ausgeübt werden. Dazu gehöre die Unabhängigkeit in der gesamten Berufsgestaltung, was beim Kläger nicht der Fall sei.
Die beigeladene AOK hat gleichfalls beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist begründet. Zu Unrecht hat der beklagte Berufungsausschuß dem Kläger die Zulassung als Kassenzahnarzt mit der Begründung versagt, er stehe wegen seines Beschäftigungsverhältnisses als Polizeizahnarzt für die Versorgung der Versicherten persönlich nicht in dem erforderlichen Maße zur Verfügung.
Die hierfür maßgebliche Vorschrift - § 20 Abs. 1 ZO-Zahnärzte - ist vom BVerfG in seinem "Chefarzt"-Beschluß vom 23. Juli 1963 (BVerfG 16, 286, 297 f) als verfassungsgemäß angesehen worden. Zusammenfassend hat es hierzu festgestellt, eine Berufsausübungsregelung, die vom Arzt verlange, daß er sich der ärztlichen Versorgung der Kassenmitglieder in vollem Maße widme, und also solche Ärzte von der Zulassung ausscheide, die "nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung stehen", sei sachgemäß und im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht zu beanstanden.
Wie die Revision jedoch mit Recht vorträgt, ist der in diesem Zusammenhang verwandte Rechtsbegriff des "erforderlichen Maßes", in dem ein Kassenzahnarzt für die Versorgung der Versicherten persönlich zur Verfügung zu stehen hat, von dem durch die Entscheidung des BVerfG vom 8. Februar 1961 (BVerfG 12, 144) neu gewonnenen Verständnis des § 368 a Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht unberührt geblieben. Sollte nach der ursprünglichen Konzeption dieser Vorschrift das auf der Verhältniszahl aufbauende und mit den Mitteln einer dirigistischen Planung arbeitende Zulassungssystem den ihm zugedachten Zweck erfüllen, bei zahlenmäßiger Beschränkung der Kassenzahnarztsitze eine ausreichende zahnärztliche Versorgung der Versicherten und die freie Wahl unter einer genügenden Zahl von Kassenzahnärzten zu gewährleisten, so mußte jede Kassenzahnarztstelle von ihrem Inhaber voll ausgefüllt werden. Deshalb mußte das in § 20 Abs. 1 ZO-Zahnärzte aufgestellte Erfordernis, daß der Zahnarzt nicht durch anderweitige Tätigkeit gehindert sein dürfe, für die Versorgung der Versicherten persönlich in dem erforderlichen Maße zur Verfügung zu stehen, streng in dem Sinne verstanden werden, daß er im wesentlichen mit seiner vollen Arbeitskraft für die Aufgaben eines niedergelassenen Zahnarztes zur Verfügung stehe (BSG 21, 118, 121).
Wie der erkennende Senat in der genannten Entscheidung weiter ausgeführt hat, kann jedoch an dieser strengen Auslegung unter der Geltung eines Zulassungssystems nicht festgehalten werden, das nicht mehr eine durch die Verhältniszahl bestimmte Begrenzung der Kassenzahnarztsitze kennt. Nunmehr kann das "erforderliche Maß", in dem ein Kassenzahnarzt für die zahnärztliche Versorgung der Versicherten zur Verfügung zu stehen hat, nur noch von dieser Sachbeziehung her bestimmt werden. Die sachgerechte zahnärztliche Versorgung der Versicherten gibt den Maßstab ab, mit dem die Eignung des zulassungsbereiten Zahnarztes für die Ausübung kassenzahnärztlicher Tätigkeit zu messen ist.
Damit sind Deutungen des § 20 Abs. 1 ZO-Zahnärzte ausgeschlossen, die dahin zielen, diese Bestimmung als Schutznorm für den "freien Beruf" des Zahnarztes oder als Sicherung der Existenz der Zahnärzte zu verstehen, die ausschließlich oder überwiegend als niedergelassene Zahnärzte tätig sind. Die "Eignung" des Zahnarztes für die Ausübung kassenzahnärztlicher Tätigkeit, um die es bei § 20 Abs. 1 ZO-Zahnärzte allein geht, wird von solchen Sicherungsgedanken nicht berührt. Sie kann demnach auch durch ein Beschäftigungsverhältnis nur in Frage gestellt werden, wenn dadurch die zahnärztliche Versorgung der Versicherten nicht mehr gewährleistet ist.
Dabei ist davon auszugehen, daß ein Zahnarzt, der - wie der Kläger - nach dem für ihn geltenden Berufsordnungsrecht freiberuflich neben seinem Beschäftigungsverhältnis in eigener Praxis tätig sein darf und dies auch unbeanstandet seit einer Reihe von Jahren getan hat, grundsätzlich in Erweiterung dieses freiberuflichen Tätigkeitsfeldes auch für die zahnärztliche Versorgung der Versicherten geeignet ist. Nur wenn die Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung strengere Voraussetzungen als die allgemein geltenden Grundsätze für die Ausübung des freien Berufs notwendig macht, können die Maßstäbe für die Eignung eines Zahnarztes zur Privatpraxis und zur Kassenpraxis verschieden sein (BSG 20, 52, 54 f).
Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, daß die zahnärztliche Versorgung der Versicherten durch die Zulassung des Klägers nicht mehr gewährleistet sein würde. Im Gegenteil stellt die Zulassung eines Zahnarztes, der wenigstens mit einem begrenzten Teil seiner Arbeitskraft zusätzlich für die zahnärztliche Versorgung der Versicherten zur Verfügung steht, in der Regel eine Förderung dieser Versorgung dar; denn sie erleichtert den Versicherten die diesen verbürgte freie Wahl unter den Kassenzahnärzten (§ 368 d Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 368 Abs. 1 Satz 4 RVO).
Demgegenüber fallen die Beschränkungen, denen sich der Kläger bei der Ausübung der kassenzahnärztlichen Tätigkeit wegen seines Beschäftigungsverhältnisses ausgesetzt sieht, nicht entscheidend ins Gewicht. Daß der Kläger - abgesehen vom Samstag - keine Sprechstunden an den Vormittagen der Wochentage abhält, entspricht zwar nicht der Regel, ist aber nicht völlig unüblich und hält sich jedenfalls im Rahmen seiner Befugnis zur Festsetzung der Sprechstunden (§ 6 Abs. 2 des Bundesmantelvertrags-Zahnärzte-). Ernster ist das Bedenken zu nehmen, daß der Kläger für dringende Fälle an den Wochentagen Montag bis Freitag bis 16 Uhr an seinem Kassenarztsitz nicht erreichbar ist. Der durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung einzurichtende Bereitschaftsdienst ist nur für Tage vorgesehen, an denen die Sprechstunden allgemein ausfallen (§ 6 Abs. 4 des Bundesmantelvertrags-Zahnärzte; § 4 Abs. 3 des Berliner Gesamtvertrags). An den anderen Tagen bestehen jedoch ohnehin für alle Versicherten - wie auch für Privatpatienten - die gleichen Schwierigkeiten, in dringenden Fällen einen dienstbereiten Zahnarzt außerhalb der Sprechstunden zu finden; denn der Kassenzahnarzt ist nicht verpflichtet, sich außerhalb der Sprechstunden am Kassenzahnarztsitz dienstbereit zu halten. Überdies hat der Kläger für dringende Fälle, die erfahrungsgemäß bei Zahnärzten selten sind, Vorsorge getroffen: Er kann in der Polizeizahnklinik aufgesucht werden und darf dort in Notfällen Patienten aus eigener Praxis behandeln; er darf auch gelegentlich in dringenden Fällen, die ein Aufsuchen des Patienten erfordern, mit Genehmigung seines Dienstvorgesetzten seine Dienststelle verlassen.
Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß der Kläger in dem in § 20 Abs. 1 ZO-Zahnärzte vorausgesetzten "erforderlichen Maße" für die Versorgung der Versicherten persönlich zur Verfügung steht. Demnach waren die Urteile der Vorinstanzen und die angefochtenen Bescheide aufzuheben. Der beklagte Berufungsausschuß hat den Kläger, wie beantragt, zuzulassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
Haufe-Index 2387426 |
BSGE, 13 |
NJW 1967, 1535 |