Entscheidungsstichwort (Thema)
Staffelung der Altersgelder
Orientierungssatz
1. Nur volle Beitragsjahre des Versicherten, die er nach 15 vollen Kalenderjahren an Beiträgen (180 Monate) zurückgelegt hat, führen zu einer Steigerung der Rente in Höhe von jeweils 3 vH des Altersgeldgrundbetrages iS von § 4 Abs 1 S 1 GAL.
2. Diese Regelung in GAL § 4 Abs 1 S 4 ist verfassungsgemäß.
Normenkette
GAL § 4 Abs 1 S 4; GG Art 14 Abs 1 S 1; GG Art 3 Abs 1; GG Art 12 Abs 1
Verfahrensgang
SG Konstanz (Entscheidung vom 29.07.1988; Aktenzeichen S 5 Lw 957/86) |
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Altersgeldes.
Der im Oktober 1920 geborene Kläger entrichtete von Januar 1969 bis Oktober 1985 (202 Monate) Pflichtbeiträge zur beklagten Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) Württemberg. Sie bewilligte ihm mit dem streitigen Bescheid vom 5. Mai 1986, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1986, Altersgeld nach § 2 Abs 1 Buchst a des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) ab November 1985 in Höhe von 551,60 DM monatlich. Zur Begründung führte sie aus, das Altersgeld für Verheiratete betrage monatlich 535,50 DM. Gemäß § 4 Abs 1 Satz 4 GAL erhöhe es sich für je 12 Kalendermonate an Beiträgen, die über die Zahl 180 hinaus und für Zeiten vor Vollendung des 65. Lebensjahres entrichtet worden sind, um 3 vom Hundert (vH), hier also um 16,10 DM (3 vH von 535,50 DM für ein Beitragsjahr).
Das Sozialgericht (SG) Konstanz hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. Juli 1988), weil § 4 Abs 1 Satz 4 GAL verfassungsgemäß und von der Beklagten zutreffend angewandt worden sei.
Mit der - vom SG zugelassenen (Beschluß vom 23. September 1988) - Sprungrevision trägt der Kläger vor, § 4 Abs 1 Satz 4 GAL sei nicht so auszulegen, daß die Erhöhung nur erfolge, wenn ganze 12 Kalendermonate an Pflichtbeiträgen gezahlt worden seien. Andernfalls müßten ihm zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes - GG) entweder die Pflichtbeiträge für 10 Monate erstattet werden oder es müsse ihm Gelegenheit gegeben werden, Beiträge für zwei Monate freiwillig zu entrichten. Ein ungerechtes Sonderopfer in Form von 10 Monatspflichtbeiträgen dürfe von ihm nicht gefordert werden. Er halte es für keine gerechte Lösung, die Erhöhung um 3 vH entsprechend zu kürzen, soweit weniger als 12 Kalendermonate an Beiträgen vorhanden seien. Eine gesetzliche Beitragspflicht müsse nämlich zu einer Gegenleistung führen. Zumindest müsse er die Möglichkeit haben, seine Beiträge freiwillig auf 12 Monate aufzustocken.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Konstanz vom 29. Juli 1988 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 5. Mai 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1986 zu verurteilen, ihm ab 1. November 1985 höheres Altersgeld unter Berücksichtigung sämtlicher Pflichtbeiträge zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Sprungrevision gegen das Urteil des SG Konstanz vom 29. Juli 1988 zurückzuweisen.
Sie meint, § 4 Abs 1 Satz 4 GAL sehe eine Erhöhung des Altersgeldes um 3 vH nur vor, soweit ganze 12 Kalendermonate an Pflichtbeiträgen vorhanden seien. Die vom Kläger vermißte Gegenleistung für seine Pflichtbeiträge habe sie durch Übernahme des Versicherungsrisikos bereits erbracht. Denn in einem Versicherungsverhältnis sei es ganz normal, daß es Beitragszahlungen ohne Leistungsansprüche gebe. § 4 Abs 1 Satz 4 GAL sei verfassungsrechtlich in keiner Weise zu beanstanden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Sprungrevision ist unbegründet. Das SG hat zutreffend entschieden, daß dem Kläger kein höheres Altersgeld zusteht.
Gemäß § 4 Abs 1 Satz 4 GAL erhöhen sich die Altersgelder für je 12 Kalendermonate an Beiträgen als landwirtschaftlicher Unternehmer, die über die Zahl 180 hinaus und für Zeiten vor Vollendung des 65. Lebensjahres entrichtet worden sind, um 3 vH. Entgegen der Ansicht des Klägers führen nur volle Beitragsjahre des Versicherten, die er nach 15 vollen Kalenderjahren an Beiträgen (180 Monate) zurückgelegt hat, zu einer Steigerung der Rente in Höhe von jeweils 3 vH des Altersgeldgrundbetrages iS von § 4 Abs 1 Satz 1 GAL. Satz 4 aaO in der Fassung des Siebenten Änderungsgesetzes GAL (7. ÄndG-GAL) vom 19. Dezember 1973 (BGBl I S 1937) bezweckt, jedes über 15 Jahre hinausgehende volle Beitragsjahr solle seinen Niederschlag in einer Erhöhung des Altersgeldes finden ("Staffelung der Altersgelder nach Beitragsjahren" - BT-Drucks 7/934 S 10). Nach den tatsächlichen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des SG steht die richtige Anwendung von Satz 4 aaO durch die Beklagte außer Frage: der Kläger hat über 180 Beitragsmonate hinaus nur ein volles Beitragsjahr zurückgelegt. Das Gesetz läßt nicht zu, das Altersgeld um einen fiktiven Steigerungsbetrag zu erhöhen, der dem Verhältnis von 10 Beitragsmonaten zu einem vollen Beitragsjahr entspricht.
Diese Regelung steht im Einklang mit dem GG. Sie verstößt nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG. Unterstellt, der Anspruch auf Altersgeld nach § 2 Abs 1 GAL unterliege dem Schutz dieser Vorschrift, kommt ein Grundrechtsverstoß schon deswegen nicht in Betracht, weil ein berechtigter Anspruch auf Altersgeld von vornherein nur in einer sich aus dem GAL ergebenden Höhe entstehen kann (vgl BSG SozR 5850 § 4 Nr 4 S 3). Die Entscheidung des Gesetzgebers, den Altersgeldgrundbetrag um einen nach vollen Beitragsjahren gestaffelten Erhöhungsbetrag aufzustocken, enthält eine Inhaltsbestimmung des Rechts des Altersgeldberechtigten, die der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums genügt und dem betroffenen Personenkreis kein unverhältnismäßiges, unzumutbares bzw gegen den Lastengleichheitssatz verstoßendes ("Sonder"-)Opfer auferlegt.
Der Umstand, daß es für die Beitragspflichtigen eine gewisse Härte bedeuten mag, uU für elf Monate zur Beitragsentrichtung verpflichtet zu sein, ohne dadurch eine weitere Erhöhung des Altersgeldes bewirken zu können, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Leistungen der landwirtschaftlichen Altershilfe werden nämlich weit "überwiegend aus Bundesmitteln und nur zu einem geringen Teil aus den Beiträgen der Versicherten gezahlt" (Bundesverfassungsgericht -BVerfG- SozR 5850 § 4 Nr 6 S 9; Urteil des erkennenden Senats vom 10. August 1989 - 4 RLw 1/88 - S 8, zur Veröffentlichung vorgesehen; Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Agrarsozialpolitik - Situation und Reformvorschläge, 1979 S 35 f; Hagedorn, Agrarsozialpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, 1982, S 131; Krasney/Noell/Zöllner, Das landwirtschaftliche Sozialrecht und Möglichkeiten seiner Fortentwicklung, 1982 S 19 f, 119 ff; von Maydell, Weiterentwicklung des landwirtschaftlichen Sozialrechts, 1987, S 83 ff; jew mwN). So trägt der Bund zB 80,3 vH der Aufwendungen aller landwirtschaftlichen Alterskassen für Altersgelder, vorzeitige Altersgelder, Hinterbliebenengelder und Waisengelder. Es kann dahingestellt bleiben, ob unter diesen Umständen die Beiträge der Versicherten überhaupt erhebliche Eigenleistungen iS von Art 14 Abs 1 Satz 1 GG sind. Im Blick auf die Höhe der Bundesmittel kann von einer erheblichen Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Werts der Eigenaufwendungen der Versicherten keine Rede sein, zumal die Altershilfe für Landwirte eine eigenständige, einer eigenen Sachgesetzlichkeit unterliegende Materie ist (vgl BVerfGE 25, 314, 321 f = SozR Nr 77 zu Art 3 GG). Durch § 4 Abs 1 Satz 4 GAL hat der Gesetzgeber - zulässig typisierend - die Gewährung eines höheren, auch insoweit zu mehr als 80 vH aus Steuern finanzierten Altersgeldes davon abhängig gemacht, daß weitere Beiträge in einem Mindestumfang (12 Kalendermonate) geleistet worden sind. Nicht ersichtlich ist, daß § 4 Abs 1 Satz 4 GAL gegen das Willkürverbot aus Art 3 Abs 1 GG verstößt oder die Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) grundrechtswidrig beeinträchtigt.
Nach alledem war die Revision des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen