Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des "verständigen Grundes" für einen Verzicht der Witwe auf Unterhaltsansprüche.
Leitsatz (redaktionell)
1. Treten für die Zeit der Geltendmachung eines Anspruchs aus der Kriegsopferversorgung Änderungen der für die Beurteilung des Anspruchs maßgeblichen Vorschriften ein, so sind diese vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an zu berücksichtigen, sofern nichts anderes bestimmt ist.
2. Infolge Scheidung der Ehe Unterhaltsansprüche sind unabhängig vom Zeitpunkt des Unterhaltsverzichts - ob vor oder nach Rechtskraft des Scheidungsurteils - anzurechnen, und zwar in Höhe des Betrages, den der geschiedene Ehegatte bei Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs zu leisten gehabt hätte.
3. Die Änderungen des § 44 BVG durch das 2. NOG gelten nicht für die Zeit bis zum 31.12.1963.
4. Die Anwendung der verschiedenen Fassungen des § 44 BVG unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Geltungsdauer verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 GG.
5. Bei einem Verzicht auf Unterhaltsansprüche kommt es nicht auf die Gründe für diesen Verzicht an; bis zum 31.12.1963 kommt es jedenfalls nicht darauf an, ob Verzicht aus einem "verständigen Grund" erklärt worden ist.
6. Als "verständiger Grund" für einen Verzicht kann nicht ein Grund angesehen werden, der allein aus der Lage und den Zielen der Witwe her verständig erscheint.
7. Als "verständiger Grund" iS des § 44 Abs 5 BVG nF kann nur ein solcher angesehen werden, der auch unter Abwägung der Interessen des Beklagten und insbesondere auch unter Berücksichtigung des mit der Gewährung der wiederaufgelebten Witwenrente verfolgten Zwecken als mehr als verständig ein Grund angesehen werden, aus dem heraus um irgendwelcher Vorteile willen die Witwe auf Unterhaltsansprüche verzichtet in der Erwartung, daß zum Ausgleich für die Unterhaltsansprüche die Witwenrente gewährt werden wird.
Normenkette
BVG § 44 Abs. 5 Fassung: 1960-06-27, Abs. 5 Fassung: 1964-02-21; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 25. März 1965 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin war in erster Ehe mit einem Postschaffner verheiratet, der als Soldat im Krieg vermißt und im Jahre 1947 für tot erklärt wurde. Im Jahre 1948 ging sie mit dem nunmehrigen Postoberinspektor B eine zweite Ehe ein, die durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. März 1963 aus alleinigem Verschulden des Ehemannes geschieden wurde. Dieser verpflichtete sich in einem nach Verkündung, aber vor Rechtskraft des Scheidungsurteils geschlossenen Vergleich, unter Verzicht auf die Rechte aus § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) eine Unterhaltsrente von monatlich 250,- DM und die jeweilige Wohnungsmiete (damals 87,33 DM) bis zur Gewährung der Witwenrenten durch die Post und das Landesversorgungsamt zu zahlen; die Klägerin verzichtete für die Zeit nach Bewilligung dieser Renten auf Unterhaltsansprüche gegenüber ihrem geschiedenen Mann. Dieser stellte die Unterhaltsleistungen ab Juli 1963 ein, nachdem der Klägerin mit Bescheid vom 9. Juli 1963 von der Landespostdirektion Berlin Witwengeld in Höhe von monatlich 264,18 DM bewilligt worden war. Mit Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 28. Mai 1964 erklärte die Klägerin, sie verzichte nunmehr auf alle Unterhaltsansprüche einschließlich der Wohnungsmiete für Vergangenheit und Zukunft, und zwar auch für den Fall des Notbedarfs.
Der Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wurde mit Bescheid vom 27. Mai 1963 abgelehnt, weil die Unterhaltsansprüche der Klägerin in Höhe von 337,33 DM auf die Witwenrente anzurechnen wären. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) legte die Klägerin Berufung ein, die sie vor allem damit begründete, daß das SG ihren Anspruch nicht nach § 44 Abs. 5 Satz 2 BVG in der ab 1. Januar 1964 gültigen Fassung geprüft habe, wonach ihr mindestens von diesem Zeitpunkt an eine Witwenrente zustehe, weil der Verzicht auf die Unterhaltsansprüche aus einem verständigen Grund ausgesprochen und deren Anrechnung daher nicht mehr zulässig sei. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 25. März 1965 als unbegründet zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, daß von § 44 Abs. 5 BVG idF des Ersten Neuordnungsgesetzes (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453; GVBl für Berlin 1960, 620 ff) in Verbindung mit den §§ 1 Abs. 2, 14 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 33 BVG (DVO) vom 11. Januar 1961 auszugehen sei. Nach § 44 Abs. 5 BVG seien die infolge Auflösung der neuen Ehe erworbenen Versorgungs-Renten- und Unterhaltsansprüche geltend zu machen und die Leistungen auf die Witwenrente anzurechnen, wobei nach den Bestimmungen der DVO den Einkünften Ansprüche auf Leistungen in Geld gleichstünden, es sei denn, daß sie nicht zu verwirklichen sind oder aus einem verständigen Grund nicht geltend gemacht werden. Sei ohne verständigen Grund über Vermögenswerte verfügt und das anrechenbare Einkommen dadurch gemindert worden, so sei die Rente unter Außerachtlassung der getroffenen Verfügung festzustellen. Die gegenteilige Regelung in den Verwaltungsvorschriften Nr. 5 und 6 zu § 44 BVG aF sei mit dem Gesetz nicht vereinbar und daher nicht bindend (vgl. BSG 18, 265). Da die von März bis Juni 1963 gewährten und anzurechnenden Leistungen von monatlich 337,33 DM die Witwenrente im Betrage von insgesamt 220,- DM überstiegen, sei diese bis zum 30. Juni 1963 zu Recht versagt worden. Sie könne auch für die Zeit nachher nicht beansprucht werden. Obwohl die Klägerin für die Zeit ab 1. Juli 1963 ausdrücklich auf Unterhaltsansprüche verzichtet habe - wobei dahingestellt bleiben könne, ob für diesen Verzicht der Vergleich vom 19. März 1963 oder die ausdrücklich auch auf die Vergangenheit bezogene Erklärung vom 28. Mai 1964 maßgebend sei - müßten die Unterhaltsansprüche auch weiterhin angerechnet werden, weil die in § 1 Abs. 2 DVO bestimmten Ausnahmen nicht zuträfen. Der geschiedene Ehemann der Klägerin könne auch nach seiner Wiederverheiratung im November 1963 den Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der Klägerin nachkommen, da sein Einkommen netto fast 1200,- DM monatlich betragen habe und eine Gefährdung des Lebensunterhalts für ihn, seine Frau und seinen Sohn nicht zu befürchten gewesen sei. Die Bewilligung der Witwenrente durch die Deutsche Bundespost habe die Unterhaltsansprüche der Klägerin nicht untergehen lassen, da nach dem Vergleich das Erlöschen des Unterhaltsanspruchs auch von der Bewilligung der Witwenrente durch das Landesversorgungsamt (LVersorgA) abhängig gemacht worden sei und auch ein Recht nach § 323 ZPO ausgeschlossen nicht hätte geltend gemacht werden können. Für den Unterhaltsverzicht der Klägerin habe auch kein verständiger Grund vorgelegen; darunter sei nur ein nach Abwägung aller Umstände von der Rechtsordnung zu billigender Grund zu verstehen, wobei außer den persönlichen Verhältnissen der Witwe auch der Zweck der Versorgung nach dem BVG in Betracht gezogen werden müsse. Dem § 1 Abs. 2 DVO liege der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, daß aus einem ohne zwingenden Grund ausgesprochenen Verzicht auf Vermögenswerte oder Einkünfte keine versorgungsrechtlichen Ansprüche hergeleitet werden können. Die Klägerin habe nach Ablehnung der Witwenrente durch die Versorgungsbehörde und nach einer fast 15 Jahre dauernden Ehe freiwillig aus Rücksicht auf ihren geschiedenen Ehemann auf Unterhalt verzichtet und damit rechnen müssen, daß für ihren Unterhalt nur noch die Witwenrente der Bundespost bleibe. Das LSG hat die Revision zugelassen, weil es der Frage, welches Gesetz im vorliegenden Falle anzuwenden und wie der verständige Grund im Sinne des § 1 Abs. 2 DVO auszulegen sei, grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 9. Juli 1965 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 30. Juli 1965, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 31. Juli, form- und fristgerecht Revision eingelegt. Sie beantragt,
das angefochtene Urteil sowie das Urteil des SG Berlin vom 15. April 1964 aufzuheben und den Beklagten in Abänderung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, vom 1. April 1963 an Witwenrente zu gewähren.
In der Revisionsbegründung vom 23. August 1965, auf die Bezug genommen wird und die am 24. August 1965 beim BSG eingegangen ist, vertritt die Klägerin zunächst die Auffassung, daß ihr Anspruch nach § 44 Abs. 5 BVG idF des 2. NOG zu beurteilen sei. Obwohl § 44 Abs. 5 BVG nF erst am 1. Januar 1964 in Kraft getreten und nicht ausdrücklich rückwirkend für anwendbar erklärt worden sei, müsse doch von dieser Vorschrift ausgegangen werden, weil sie keinen neuen Rechtssatz, sondern weitgehend die gleiche Regelung enthalte wie § 44 Abs. 5 BVG aF (idF des 1. NOG) in Verbindung mit den §§ 1 Abs. 2, 14 Abs. 1 DVO vom 11. Januar 1961. Bereits nach diesen alten Vorschriften seien von den anrechenbaren Einkünften solche Unterhaltsansprüche ausgenommen gewesen, auf deren Geltendmachung aus einem verständigen Grunde verzichtet worden sei. Das 2. NOG habe diese Regelung entsprechend der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG 18, 263) nunmehr in das Gesetz übernommen und klargestellt. Der Sachverhalt müsse daher nach § 44 Abs. 5 BVG nF beurteilt werden.
Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folge und mit dem LSG der Ansicht sei, daß § 44 Abs. 5 BVG nF als eine neue materiell-rechtliche Vorschrift in das Gesetz aufgenommen worden sei, müsse gleichwohl diese Vorschrift vom 1. Januar 1964 angewendet werden. Das LSG habe sich auf Entscheidungen des BSG (BSG 1, 189; 1, 210) berufen, in denen der Grundsatz ausgesprochen sei, daß die Voraussetzungen, an welche das Gesetz die Entstehung eines Anspruchs anknüpft, während der zeitlichen Dauer des Gesetzes verwirklicht sein müssen. Dieser Grundsatz könne aber im Sozialrecht nicht immer gelten. Die vom BSG erwähnten Rechtsquellen hätten sich zu den Problemen, die sozialrechtliche Vorschriften speziell aufwerten können, nicht geäußert und für die angezogene Auffassung von Rosenberg (Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Auflage, § 6 S. 24) sei eine Begründung nicht erkennbar. Nach der Auffassung von Enneccerus (Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Allgemeiner Teil, 6. bis 8. Auflage, § 55 S. 126 ff) müsse der Zeitpunkt der Wirksamkeit eines nicht ausdrücklich für rückwirkend anwendbar erklärten Gesetzes nach dessen Inhalt ausgelegt und dabei der Zusammenhang und der Grundgedanke jeder Einzelvorschrift berücksichtigt werden. Dem sei beizutreten, weil ein Gesetz sehr wohl vorsehen könne, daß für alle noch nicht rechtskräftig entschiedenen Tatbestände von nun an für die Zukunft die neue Norm gelten solle. Dies müsse vor allem für das Versorgungsrecht, das einen Teil der sozialen Gesetzgebung darstelle, gelten. Die Neufassung des § 44 Abs. 5 BVG sollte zu einer Verbesserung der Rechtslage der Witwen führen, sie sollte nicht nur für die nach dem 1. Januar 1964 aufgelösten Ehen gelten, sondern sinngemäß für alle zu dieser Zeit noch nicht rechtskräftig erledigten Anträge auf Witwenrente.
Vom 1. Januar 1964 an müsse die Neufassung des § 44 Abs. 5 BVG allgemein und unabhängig vom Zeitpunkt der Ehescheidung auch aus Gründen der gleichen Behandlung (Art. 3 des Grundgesetzes - GG -) angewandt werden. Dieser Grundsatz wäre verletzt, wenn die neue Vorschrift bei sonst gleichen Verhältnissen nur für die nach dem 1. Januar 1964 aufgelösten Ehen gelten sollte. Für den Anspruch der Klägerin sei deshalb bis zum 31. Dezember 1963 das damals gültige Recht und danach § 44 Abs. 5 BVG nF maßgebend. In beiden Fällen komme es darauf an, ob für den Unterhaltsverzicht - gleichgültig ob dieser im Vergleich vom 19. März 1963 oder erst wirksam in dem Schreiben vom 28. Mai 1964 erklärt worden sei - ein verständiger Grund vorgelegen habe. Dies sei zu bejahen. Ursprünglich habe ihr Ehemann die Scheidungsklage erhoben, sie dagegen habe zunächst nur die Abweisung der Klage beantragt und erst später Widerklage erhoben. Um eine Scheidung aus ihrem Verschulden und den Verlust ihrer Unterhaltsansprüche zu verhüten, habe sie sich zu einer "einverständlichen" Ehescheidung entschlossen, wobei ihr Ehemann die in der Widerklage vorgebrachten Gründe eingeräumt, seine Klage zurückgenommen und sich zu dem Vergleich vom 19. März 1963 bereitgefunden habe. Dies müsse als verständiger Grund im Sinne des § 44 BVG angesehen werden. Dabei sei zu berücksichtigen, daß ihr Ehemann im Jahre 1963 noch den Lebensunterhalt für seine beiden Söhne aus erster Ehe habe bestreiten müssen, deren Unterhalt sie nicht habe gefährden wollen und daß der Ehemann damals noch nicht das bei seiner Vernehmung im März 1965 angegebene Einkommen bezogen habe. Bei der Abgabe der Erklärung vom 28. Mai 1964 habe sie sich in erster Linie von der Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage ihres früheren Ehemannes leiten lassen, der wieder geheiratet und auf seine weiteren dadurch entstandenen Unterhaltsverpflichtungen hingewiesen hatte. Sie habe die Erklärung in der Vorstellung abgegeben, daß ihr früherer Ehemann nur unter großen Schwierigkeiten in der Lage sein würde, den vereinbarten Unterhaltsbetrag zu leisten.
Die Klägerin, die auch eine Verletzung des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) rügt, hält die Sachaufklärung des LSG deshalb für mangelhaft, weil das LSG nicht berücksichtigt habe, daß der Vergleich vom 19. März 1963 auf der Grundlage geschlossen war, die Klägerin werde beide Renten erhalten, und daß ihr früherer Ehemann, wenn sie sich nicht zu der Verzichtserklärung vom 28. Mai 1964 bereit gefunden hätte, wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage weitere Unterhaltsleistungen hätte verweigern und gemäß § 323 ZPO nach Eingehung der neuen Ehe eine Änderung der ihr gegenüber übernommenen Verpflichtungen hätte herbeiführen können. Zur Vermeidung dieser rechtlichen Auseinandersetzungen habe der Unterhaltsverzicht vom 28. Mai 1964 ebenfalls gedient.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
In der Revisionserwiderung vom 7. Oktober 1965, auf die Bezug genommen wird, vertritt er die Auffassung, daß von § 44 Abs. 5 BVG idF des 2. NOG auszugehen sei, der kein neues Recht, sondern nur eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage enthalte (vgl. Rundschreiben des BMA vom 27. Februar 1964, BVBl 1964, 34; Wilke, Erl. IV zu § 44 BVG; van Nuis/Vorberg, Teil V S. 58). Die Klägerin habe keinen verständigen Grund im Sinne des § 44 Abs. 5 BVG nF für ihren Unterhaltsverzicht gehabt. Sie hätte nicht dartun können, daß ihre Unterhaltsansprüche gegen ihren früheren Ehemann ohne den Verzicht nicht hätten durchgesetzt werden können. Nach den Feststellungen des LSG wäre der geschiedene Ehemann sehr wohl in der Lage gewesen, Unterhalt zu zahlen. Die Absicht, durch den Unterhaltsverzicht einen für die Klägerin günstigen Ausgang der Scheidungsklage zu erzielen, könne nicht als verständiger Grund im Sinne des § 44 Abs. 5 BVG betrachtet werden. Hierbei habe sie das Prozeßrisiko, daß die Ehe auch aus eigenem Verschulden geschieden würde, auf die Behörde abgewälzt. Das sei nicht zu billigen, denn die Witwenrente solle nur dann wieder aufleben, wenn die zweite Ehe ohne alleiniges oder überwiegendes Verschulden der früheren Witwe aufgelöst worden ist.
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Sie ist daher zulässig. Die Revision ist aber nicht begründet. Das LSG hat im Ergebnis zutreffend den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente verneint.
Dieser Anspruch ist für die Zeit bis zum 31. Dezember 1963 nach § 44 BVG in der Fassung des 1. NOG und ab 1. Januar 1964 in der Fassung des 2. NOG vom 17. August 1964 (BGBl I 640) zu beurteilen. Wie das BSG wiederholt entschieden hat (BSG 1, 189 und 210), sind der Entscheidung über Ansprüche aus der Kriegsopferversorgung, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Vorschriften des BVG in der Fassung zugrunde zu legen, die zur Zeit der Verwirklichung der im Gesetz bestimmten Tatbestandsmerkmale - abgesehen von der Antragstellung - gegolten haben. Treten für die Zeit der Geltendmachung eines Anspruchs Änderungen der für die Beurteilung des Anspruchs maßgeblichen Vorschriften ein, so sind diese vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an zu berücksichtigen, sofern nichts anderes bestimmt ist. Die von der Klägerin gegen diese Grundsätze geäußerten Bedenken treffen nicht zu. Sie hat übersehen, daß das LSG seine Auffassung, wie sich insbesondere aus den Hinweisen in BSG 1, 210, 215 ergibt, gerade und vor allem auch auf Ausführungen von Enneccerus/Nipperdey in der 14. Auflage des Allgemeinen Teils des bürgerlichen Rechts (§ 67 S. 222 ff) gegründet hat. Es ist auch nicht ersichtlich, daß für die zeitliche Anwendung des materiellen Rechts der Kriegsopferversorgung andere Grundsätze gelten sollten als für andere materiell-rechtliche Vorschriften. Dies kann insbesondere auch nicht daraus gefolgert werden, daß das Recht der Kriegsopferversorgung ein Teil der sozialen Gesetzgebung sei. Seine materiell-rechtlichen Vorschriften unterscheiden sich ihrer Art nach nicht von materiell-rechtlichen Vorschriften anderer Rechtsgebiete und es liegen auch sonst keine Umstände vor, die es rechtfertigen könnten die zeitlichen Grenzen ihrer Anwendung nicht auch nach den für das materielle Recht allgemein geltenden Grundsätzen zu bestimmen. Da die Änderungen des § 44 BVG durch das 2. NOG aber nicht rückwirkend, sondern am 1. Januar 1964 in Kraft getreten sind, können sie bei der Beurteilung des Versorgungsanspruchs der Klägerin auch erst von diesem Zeitpunkt an berücksichtigt werden, wobei insoweit dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei den Änderungen um die Einführung neuen Rechts oder nur um eine ergänzende Klarstellung der bisherigen Rechtslage handelt. Die Anwendung der verschiedenen Fassungen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Geltungsdauer verstößt auch nicht - wie hier vorab gesagt werden kann - gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Abgesehen davon, daß der Gesetzgeber an Tatbestände, die unter der zeitlichen Geltung unterschiedlicher Gesetze verwirklicht werden, nicht notwendig immer die gleichen Rechtsfolgen knüpfen muß, so liegt im vorliegenden Fall schon deswegen kein Verstoß gegen Art. 3 GG in der Anwendung der beiden Fassungen des § 44 BVG - unterschiedlich für die Zeit vor und nach dem 1. Januar 1964 - vor, weil die Anwendung beider Fassungen zu demselben Ergebnis führt.
Nach § 44 Abs. 2 BVG aF (Fassung des 1. NOG) lebt der Anspruch auf Witwenrente wieder auf, wenn die neue Ehe ohne alleiniges oder überwiegendes Verschulden der Witwe aufgelöst wurde, jedoch sind nach Abs. 5 u. a. die infolge Auflösung der neuen Ehe erworbenen Unterhaltsansprüche geltend zu machen und die Leistungen auf die Witwenrente (Abs. 2) anzurechnen. Auch wenn die Witwe, wie im vorliegenden Fall, 1948 noch keine Witwenrente nach dem BVG bezogen hat, erhält sie in entsprechender Anwendung der Absätze 2, 4 und 5 des § 44 BVG eine Witwenrente (§ 44 Abs. 6 BVG), wenn der frühere Ehemann an den Folgen einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG gestorben ist und sie ohne die Wiederverheiratung einen Anspruch auf Versorgung hätte. Danach hat die Klägerin, deren früherer Ehemann an den Folgen einer Schädigung verstorben ist, aufgrund ihres Versorgungsantrags vom April 1963 jedenfalls für die Zeit bis Ende Juni 1963 keinen Anspruch auf eine Witwenrente nach § 44 Abs. 2 BVG, weil die nach den Feststellungen des LSG bis dahin gewährten und nach Abs. 5 anzurechnenden Unterhaltsleistungen die in Betracht kommende Witwenrente überstiegen. Insoweit hat sich die Klägerin, die zwar in ihrem Revisionsantrag den mit der Klage erhobenen Anspruch auf Zahlung der Witwenrente vom 1. April 1963 an aufrecht erhalten hat, in der Revision weder gegen die vom LSG getroffenen Feststellungen noch gegen die vom LSG gezogenen Rechtsfolgen gewandt. Ihr Begehren geht vornehmlich dahin, vom 1. Juli 1963 an die Witwenrente zu erhalten, weil sie von diesem Zeitpunkt an keine Unterhaltsleistungen von ihrem geschiedenen Ehemann erhalten hat. Dieses Begehren ist nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin auf Unterhaltsansprüche verzichtet hat, die aber auf die Witwenrente anzurechnen sind und die wegen ihrer Höhe einen Witwenrentenanspruch nicht entstehen lassen. Dahinstehen kann dabei, ob für den Unterhaltsverzicht der Vergleich vom 19. März 1963 oder die auch auf die Vergangenheit bezogene Erklärung vom 24. August 1964 als maßgebend anzusehen ist, da unabhängig vom Zeitpunkt des Verzichts - ob vor oder nach Rechtskraft des Scheidungsurteils - die infolge der Scheidung der Ehe erworbenen Unterhaltsansprüche anzurechnen sind. Nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift (§ 44 Abs. 5 BVG aF) sind die infolge Auflösung der zweiten Ehe erworbenen Unterhaltsansprüche geltend zu machen und die Leistungen auf die Witwenrente anzurechnen. Damit ist klar zum Ausdruck gekommen, daß der Betrag anzurechnen ist, den der geschiedene Ehemann bei Geltendmachung der Unterhaltsansprüche zu leisten gehabt hätte und daß ein Verzicht also die Anrechnung der Ansprüche nicht hindern kann. Diese aus dem Wortlaut des Gesetzes hervorgehende Bedeutung des § 44 Abs. 5 BVG aF wird von den Verwaltungs-Vorschriften zu dieser Vorschrift bestätigt. Danach (Verw. Vorschr. Nr. 6) sind trotz eines Verzichts Unterhaltsansprüche mit dem Betrage anzurechnen, den der Ehemann ohne den Verzicht zu leisten gehabt hätte. Dabei kommt es nicht darauf an, welche Gründe für den Verzicht maßgebend waren. Insbesondere kam es jedenfalls nach den bis zum 2. NOG geltenden Vorschriften nicht darauf an, ob der Verzicht aus einem "verständigen Grunde" erklärt worden ist. Entgegen der Auffassung des LSG und der Klägerin galt nämlich der § 1 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 der DVO vom 11. Januar 1961, der bei verständigem Grund für einen Verzicht die Anrechnung der verzichteten Unterhaltsforderung ausnimmt, nicht für die Anrechnung von Einkommen bei den gemäß § 44 BVG zu gewährenden Witwenrenten. Zum Erlaß einer DVO zur Durchführung dieser Vorschrift lag überhaupt keine Ermächtigung der Bundesregierung vor. Daher ist der DVO vom 11. Januar 1961 auch ausdrücklich vorangestellt, daß sie aufgrund einer der Bundesregierung in den §§ 33 Abs. 5, 41 Abs. 4, 47 Abs. 4 und 51 Abs. 9 BVG aF erteilten Ermächtigung ergeht. Soweit daher der § 14 Abs. 1 DVO bestimmt, daß die in § 1 Abs. 2 getroffene Regelung auf Witwen entsprechend anzuwenden ist, kann dies nur die Bedeutung haben, daß bei der Berechnung der "Witwenausgleichsrente nach §§ 41 Abs. 4 BVG" Unterhaltsansprüche nicht anzurechnen sind, wenn auf sie aus verständigem Grund verzichtet worden ist.
Die Rechtslage in der Kriegsopferversorgung war daher unter dem zeitlichen Geltungsbereich des § 44 BVG aF die gleiche wie in der Rentenversicherung der Angestellten und Arbeiter, in der ebenfalls bei der Gewährung wieder aufgelebter Witwenrenten die infolge der Auflösung der zweiten Ehe neu erworbenen Unterhaltsansprüche anzurechnen sind, ohne daß durch Gesetz oder Verordnung eine Möglichkeit vorgesehen ist, von der Anrechnung bei Verzicht auf solche Unterhaltsansprüche unter gewissen Voraussetzungen Abstand zu nehmen. Bei dieser Rechtslage hat der 11. Senat des BSG (vergl. BSG in SozR Reichsversicherungsordnung - RVO - § 1291 Nr. 9) ebenfalls die Unterhaltsansprüche trotz eines Verzichts für anrechnungspflichtig angesehen. Er hat seine Entscheidung vornehmlich auf die Erwägung gestützt, daß nach dem aus der Vorschrift über die Gewährung der wiederaufgelebten Witwenrente (§ 68 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG - § 1291 RVO) hervorgehenden Sinn und Zweck diese Rente bei Auflösung der zweiten Ehe eine subsidiäre Leistung zur Ausfüllung einer Versorgungslücke sein soll. Dieser Sinn aber würde vereitelt werden, wenn die geschiedene Ehefrau durch Verzicht auf die Unterhaltsansprüche die Gewährung der Witwenrente erreichen könnte; dieser Ausschluß der Anrechnung bei Verzicht könne um so weniger Platz greifen, wenn durch den Verzicht ein Schuldanspruch bei der Scheidung vermieden worden sei und somit letztlich das verhindert würde, was vom Gesetz als Voraussetzung für die Gewährung der wiederaufgelebten Witwenrente gefordert würde, daß nämlich die wiederaufgelebte Rente nur den schuldlos geschiedenen früheren Witwen gewährt werden soll. Den gleichen Erwägungen ist auch der erkennende Senat gefolgt, wenn er trotz des Verzichts der Klägerin auf die Unterhaltsansprüche diese für anrechnungspflichtig angesehen hat. Dadurch, daß die verzichteten Unterhaltsansprüche auf die wiederaufgelebte Witwenrente zur Anrechnung kommen, wird nicht die rechtliche Wirksamkeit des erklärten Verzichts, der von der Rechtsordnung vorgesehen ist (§ 72 Ehegesetze - EheG -), in Frage gezogen. Vielmehr geht das Recht der Kriegsopferversorgung gerade davon aus, daß der Verzicht wirksam ist. Wenn der Verzicht nämlich nicht als rechtswirksam angesehen würde, dann hätte es keiner Erörterung und Erwähnung dazu bedurft, daß Unterhaltsansprüche trotz eines Verzichts anzurechnen sind. Das Recht der Kriegsopferversorgung besagt nicht, daß derartige Unterhaltsverzichte unwirksam sind, sondern es schreibt nur vor, daß die infolge Auflösung der neuen Ehe erworbenen Unterhaltsansprüche auf die Witwenrente anzurechnen sind, auch wenn auf diese Ansprüche wirksam verzichtet worden ist.
Sind aber die Unterhaltsansprüche der Klägerin trotz ihres Verzichts auf die wiederaufgelebte Rente anzurechnen, so übersteigen diese Ansprüche - wie das LSG festgestellt hat - die Höhe der Witwenrente, so daß der Klägerin eine Witwenrente, soweit hier zunächst der Zeitraum bis zum 1. Januar 1964 unter dem zeitlichen Geltungsbereich des § 44 BVG aF in Frage kommt, nicht zusteht.
Gegen die dieser Entscheidung zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen des LSG hat die Klägerin keine substantiierten Verfahrensrügen erhoben. Für ihre Behauptung, das Einkommen ihres früheren Ehemannes habe zur Zeit des Verzichts noch nicht die von ihm im Jahre 1965 angegebene und vom LSG zugrunde gelegte Höhe von 1200,- DM monatlich gehabt, hat sie keine Tatsachen und Beweismittel bezeichnet (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG); es ist auch nicht von der Klägerin dargetan, daß der geschiedene Ehemann seinen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der Klägerin nicht ohne Gefährdung des Lebensunterhalts für sich und seine Familie hätte nachkommen können. Die Rüge einer Verletzung des § 103 SGG kann ebensowenig auf die Behauptung gestützt werden, das LSG habe bei seinen Erwägungen nicht auch die Möglichkeit einer Leistungsverweigerung wegen Änderung der Verhältnisse gemäß § 323 ZPO in Betracht gezogen. Abgesehen davon, daß diese Rüge offenbar die rechtlichen Erwägungen des LSG, nicht dessen tatsächliche Feststellungen betrifft, hat die Klägerin jedenfalls nicht angegeben, warum und in welcher Richtung das LSG noch weiter den Sachverhalt hätte aufklären müssen. (Vergl. BSG in SozR SGG § 103 Nr. 14).
Auch für die Zeit nach dem 1. Januar 1964 steht der Klägerin nach der für diese Zeit geltenden Fassung des § 44 Abs. 5 BVG nF die begehrte Witwenrente nicht zu. In dieser Vorschrift ist erstmalig im BVG ein Verzicht auf die aus der neuen Ehe herzuleitenden Unterhaltsansprüche angesprochen und eine Regelung dahingehend getroffen, daß Unterhaltsansprüche ausnahmsweise dann nicht anzurechnen sind, wenn auf sie aus verständigem Grund verzichtet worden ist. Was unter einem verständigen Grund im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist, ist weder im § 44 Abs. 5 BVG nF noch in § 1 Abs. 2 der DVO zu § 33 BVG vom 11. Januar 1961 bzw. 22. Juli 1964 gesagt, der - wenn auch in anderem Zusammenhang - den gleichen Begriff verwendet und zur Auslegung herangezogen werden könnte. Dahinstehen kann, ob mit der Einführung dieser Vorschrift eine Einschränkung der Anrechenbarkeit von Unterhaltsansprüchen zugunsten der Witwen erstmals vorgenommen werden sollte, oder ob es sich bei dieser Regelung nur um eine Aufnahme der von der Rechtsprechung bereits zu dem früheren Recht herausgestellten Grundsätze handelt, nach denen eine Anrechnung dann nicht in Frage kommt, wenn die Unterhaltsansprüche gar nicht zu verwirklichen waren und aus diesem Grunde von ihrer Geltendmachung Abstand genommen oder auf sie verzichtet worden war. Jedenfalls kann als verständiger Grund für einen Verzicht nicht ein Grund angesehen werden, der allein aus der Lage und den Zielen der Witwe her verständig erscheint. Wenn eine Witwe auf Unterhaltsansprüche verzichtet, wird sie immer einen trifftigen Grund haben, der ihren Verzicht erklärt. Eine Vorschrift, nach der die Anrechnung von Unterhaltsansprüchen ausnahmsweise verboten wäre, wenn auf diese Ansprüche aus einem allein von der Witwe her zu beurteilenden "verständigem Grunde" verzichtet worden ist, wäre ebenso überflüssig wie sinnlos. Als verständiger Grund im Sinne der erwähnten Vorschrift kann daher nur ein solcher angesehen werden, der auch unter Abwägung der Interessen der Beklagten und insbesondere auch unter Berücksichtigung des mit der Gewährung der wiederaufgelebten Witwenrente verfolgten Zweckes als verständig erscheint. Damit aber kann nicht mehr als verständig ein Grund angesehen werden, aus dem heraus um irgendwelcher Vorteile willen die Witwe auf Unterhaltsansprüche verzichtet in der Erwartung, daß zum Ausgleich für die Unterhaltsansprüche die Witwenrente gewährt werden wird. Wie auch das LSG zutreffend hervorgehoben hat, kann im Recht der Kriegsopferversorgung nicht als verständig angesehen werden, daß eine Witwe um persönlicher Vorteile willen oder um der Fernhaltung von Nachteilen von sich oder anderen willen auf Unterhaltsansprüche verzichtet, und zwar auf Kosten der Allgemeinheit - aus deren Steueraufkommen letztlich die Versorgungsleistungen geschöpft werden - verzichtet, weil sie zum Ausgleich dafür die Witwenrente beansprucht.
Lag sonst kein verständiger Grund im Sinne des § 44 Abs. 5 BVG nF für den Unterhaltsverzicht der Klägerin vor, gleichgültig ob die Klägerin durch den Verzicht vorwiegend einer Schuldigerklärung entgehen wollte oder Schwierigkeiten von ihrem geschiedenen Ehegatten und dessen Familie abwenden wollte, so müssen die Unterhaltsansprüche auf die Witwenrente auch für die Zeit nach dem 1. Januar 1964 angerechnet werden. Daß diese Unterhaltsansprüche nach den Feststellungen des LSG zu verwirklichen waren und der Höhe nach die wiederaufgelebte Witwenrente überstiegen, ist schon oben erwähnt.
Das LSG hat sonach zutreffend entschieden, daß der Klägerin eine Witwenrente nicht zusteht, weder für die Zeit vor dem 1. Januar 1964 unter dem zeitlichen Geltungsbereich des § 44 BVG aF, noch für die Zeit nach dem 1. Januar 1964 unter der Geltung des § 44 BVG nF. Die Revision der Klägerin ist somit nicht begründet und war daher zurückzuweisen. (§ 170 Abs. 1 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen