Leitsatz (redaktionell)
Hat der Ehepartner - Ehefrau - zur Vermeidung eines ungünstigen Schuldausspruchs auf den Unterhaltsanspruch verzichtet, muß dennoch der Unterhaltsbeitrag des geschiedenen 2. Mannes auf die wiederaufgelebte Witwenrente angerechnet werden. Die Annahme eines Verzichts aus "verständigem Grund" ist dann nicht gegeben.
Orientierungssatz
Wenn die Klägerin auf den Unterhaltsanspruch aus der neuen Ehe deshalb verzichtet hat, um im Ehescheidungsverfahren die Rücknahme der Anschlußberufung ihres Ehemannes zu erreichen und einen für sie ungünstigen Schuldausspruch zu vermeiden, so lag darin kein objektiv "verständiger Grund" iS des BVG § 44 Abs 5.
Normenkette
BVG § 44 Abs. 5 Fassung: 1960-06-27
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. März 1966 aufgehoben. Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Die Klägerin war in erster Ehe mit dem Kaufmann A U verheiratet, der seit Januar 1945 als Soldat vermißt ist. Am 6. Mai 1955 ging die Klägerin eine neue Ehe mit dem Werkschutzleiter G P ein, der bereits einmal verheiratet war. Seine geschiedene erste Frau befindet sich nach Angaben der Klägerin in einer Nervenheilanstalt; aus der ersten Ehe des P sind drei Kinder vorhanden.
Am 31. Dezember 1955 wurde den Eheleuten P eine Tochter geboren. Nachdem es zwischen den Ehepartnern zu Zerwürfnissen gekommen war, trennte sich die Klägerin im November 1956 von ihrem Mann und erhob im Dezember 1956 Klage auf Ehescheidung, die jedoch durch Urteil des Landgerichts (LG) Düsseldorf vom 7. März 1957 abgewiesen wurde. Hiergegen legten die Klägerin Berufung und ihr Ehemann Anschlußberufung ein. In einem neben dem Scheidungsverfahren gleichzeitig anhängigen Unterhaltsrechtsstreit verpflichtete sich der Ehemann, an die Klägerin und das gemeinsame Kind ab 1. April 1957 monatlich 225,- DM Unterhalt zu zahlen. Am 10. März 1958 trafen die Prozeßbevollmächtigten des Scheidungsverfahrens im Namen der Ehepartner folgende Vereinbarung:
Zwecks vergleichsweiser Beilegung des Ehestreits schließen die Eheleute G P und G P geb. K folgende Vereinbarungen:
1. Der Ehemann zahlt an die Ehefrau den bisherigen Unterhalt für Frau und Kind solange fort, bis die Ehefrau ihre Kriegerwitwenrente wieder erhält. Mit dem Ablauf des Monats, in dem die Rente erstmalig gezahlt wird, spätestens jedoch ein Jahr nach der Rechtskraft des Scheidungsurteils, erlischt die Unterhalts- und Beitragspflicht gegenüber der Ehefrau, nicht jedoch gegenüber dem Kind F. Dieser Unterhaltsverzicht wird hinfällig, wenn auf direkte oder indirekte Veranlassung des Ehemannes die Witwenrente der Ehefrau wieder entzogen werden sollte.
2. Der Ehemann verpflichtet sich, seine Anschlußberufung zurückzuziehen und zu der Berufung der Ehefrau keine Anträge mehr zu stellen.
Der Ehemann nahm darauf seine Anschlußberufung zurück und stellte zur Berufung der Klägerin keinen Antrag mehr; die Ehe wurde sodann durch Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 12. März 1958 aus dem Alleinverschulden des beklagten Ehemannes geschieden.
Nachdem die Klägerin vergeblich die Zahlung einer Witwenbeihilfe beantragt hatte (Bescheid vom 29. April 1959 und Widerspruchsbescheid vom 30. September 1959), beantragte sie am 3. Oktober 1960 die Gewährung der Witwenrente nach dem 1. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) - 1. NOG - und schrieb am 15. Mai 1961 an das Versorgungsamt (VersorgA), sie sei damit einverstanden, daß der Unterhaltsbeitrag ihres Ehemannes von 225,- DM so aufgeteilt werde, daß auf die Tochter 60,- DM und auf sie 165,- DM entfielen; nach diesem Vorschlag habe auch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) ihre Berechnungen durchgeführt. Mit Bescheid vom 17. August 1961 bewilligte das VersorgA der Klägerin eine Witwenrente von 55,- DM monatlich, wobei es 165,- DM als Unterhaltsbeitrag des geschiedenen Ehemannes anrechnete. Es gewährte ferner einen Betrag von 20,20 DM monatlich als Härteausgleich nach § 89 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), weil die doppelte Anrechnung des Unterhaltsbetrages des geschiedenen Mannes auf die Rente von der BfA und die Witwenrente nach dem BVG für die Klägerin eine besondere Härte i.S. des § 89 BVG darstelle. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 1961). Mit der Klage hat die Klägerin Zahlung der Witwenrente ohne Anrechnung des Unterhaltsbeitrages in Höhe von monatlich 165,- DM begehrt. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 14. März 1963 abgewiesen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 3. März 1966 auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG vom 14. März 1963 abgeändert und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin ab 1. Dezember 1961 Witwenrente nach den gesetzlichen Bestimmungen ohne Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsbeitrages des geschiedenen Ehemannes zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Mit dem 8. und dem 9. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) sei auch das LSG der Auffassung, daß ein vor Erlaß des Scheidungsurteils vereinbarter Unterhaltsverzicht es verhindere, daß "infolge der Auflösung der Ehe" ein Unterhaltsanspruch "erworben" werden könne. Das LSG könne der Auffassung des 11. Senats des BSG in BSG 21, 279 nicht folgen, nach der auf die wiederaufgelebte Witwenrente der Unterhaltsanspruch anzurechnen sei, der der Witwe ohne den von ihr im Ehescheidungsverfahren ausgesprochenen Unterhaltsverzicht nach dem Ehegesetz (EheG) zustehen würde. Für eine derartige erweiternde Auslegung des § 44 Abs. 5 BVG bestehe kein Anlaß; denn für die Annahme einer "Subsidiarität" der Witwenrente nach dem BVG sei kein Raum, weil der Witwe für das von ihr durch den kriegsbedingten Tod ihres Mannes der Allgemeinheit gebrachte Opfer ein Anspruch gegen die Gemeinschaft zustehe.
Auch wenn man dieser Ansicht des LSG nicht folge, könne die Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsbeitrages im vorliegenden Fall nicht vorgenommen werden, weil jedenfalls der Verzicht der Klägerin auf Unterhalt gegenüber ihrem Ehemann aus "verständigem Grund" ausgesprochen worden sei. Diese Einschränkung der Anrechenbarkeit sei zwar erst in § 44 Abs. 5 BVG idF des 2. NOG vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) enthalten; sie müsse aber auch für § 44 Abs. 5 BVG idF des 1. NOG gelten, denn insoweit sei § 1 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 33 BVG idF vom 11. Januar 1961 anzuwenden. Die Gründe, die die Klägerin für ihren Unterhaltsverzicht angegeben habe, seien allgemein verständig. Sie habe nach Abweisung ihrer Scheidungsklage in erster Instanz befürchten müssen, an einer für sie unzumutbaren Ehe festgehalten zu werden, da ihr Ehemann ihr gedroht habe, er werde die Scheidung in jedem Fall zu verhindern suchen. Der Verzicht habe daher die Scheidung nicht erleichtern, sondern überhaupt erst ermöglichen sollen. Die Frage ihres etwaigen Mitverschuldens an der Ehescheidung sei für sie nur nebenbei bei der Erklärung des Unterhaltsverzichts maßgebend gewesen. Hinzu komme, daß ihr Unterhaltsanspruch gegen den Ehemann durchaus unsicher gewesen sei, weil P bereits Unterhalt für seine erste Ehefrau, für zwei der Kinder aus erster Ehe und für das gemeinsame Kind Friederike habe zahlen müssen. Es sei für die Klägerin auch nicht zweifelhaft gewesen, daß er nach der Scheidung eine dritte Ehe eingehen würde.
Bei dieser Rechtslage sei nicht mehr zu prüfen, ob die Klägerin vom 1. Dezember 1961 an gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann einen Unterhaltsanspruch in Höhe von 165,- DM verwirklichen könne.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen das ihm am 16. Mai 1966 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am 6. Juni 1966 beim BSG eingegangenen Schriftsatz vom 2. Juni 1966 Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 16. August 1966 durch einen am 15. August 1966 beim BSG eingegangenen Schriftsatz vom 12. August 1966 begründet.
Er beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 3. März 1966 zu ändern und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen;
hilfsweise, das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 3. März 1966 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Beklagte rügt eine Verletzung des § 44 Abs. 5 BVG durch das LSG. Er führt hierzu insbesondere aus, daß die vom LSG vorgenommene Auslegung des § 44 Abs. 5 BVG dem Sinn dieser Vorschrift nicht gerecht werde. Es dürfe nicht in das Belieben der Parteien gestellt sein, durch Unterhaltsvereinbarungen vor oder nach der Scheidung den Umfang der Witwenversorgung zu beeinflussen. Der 11. Senat des BSG habe in der vom LSG zitierten Entscheidung daher mit Recht die Anrechenbarkeit von Unterhaltsansprüchen aus der geschiedenen Ehe auch auf solche Unterhaltsansprüche erstreckt, die wegen des Verzichts der Witwe zwar nicht erworben worden seien, ohne ihn aber erworben worden wären. Es sei auch unzutreffend, im zeitlichen Geltungsbereich des 1. NOG die DVO zu § 33 BVG anzuwenden, weil sie sich nicht auf die Anrechnungsvorschrift des § 44 Abs. 5 BVG idF des 1. NOG beziehe. Die vom LSG festgestellten Tatsachen rechtfertigten auch nicht die Auffassung des LSG, daß der Unterhaltsverzicht der Klägerin aus einem "verständigen Grunde" erklärt worden sei, vielmehr handele es sich insoweit nur um persönliche und somit auch nur subjektiv verständliche Gründe.
Wegen des weiteren Vorbringens des Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 12. August 1966 und 19. April 1967 verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Darstellung ihres Vorbringens wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 25. Oktober 1966 verwiesen.
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig. Die Revision ist auch begründet.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte berechtigt ist, auf die wiederaufgelebte Witwenrente der Klägerin einen fiktiven Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann in Höhe von 165,- DM monatlich anzurechnen. Eine derartige Anrechnung ist - entgegen der Auffassung des LSG - im vorliegenden Fall grundsätzlich zulässig.
Die Frage der Anrechnung eines Unterhaltsanspruches der Klägerin gegen ihren geschiedenen Ehemann ist für die Zeit bis zum 31. Dezember 1963 nach § 44 Abs. 5 BVG idF des 1. NOG, für die Zeit vom 1. Januar 1964 bis 31. Dezember 1967 nach § 44 Abs. 5 BVG idF des 2. NOG und nach diesem Zeitpunkt nach § 44 Abs. 5 BVG idF des 3. NOG vom 20. Januar 1967 zu beurteilen.
Nach § 44 Abs. 2 BVG lebt der Anspruch auf Witwenrente wieder auf, wenn die neue Ehe ohne alleiniges oder überwiegendes Verschulden der Witwe aufgelöst oder für nichtig erklärt wird, jedoch sind gemäß § 44 Abs. 5 BVG (idF des 1. NOG) infolge Auflösung oder Nichtigerklärung der neuen Ehe erworbene Versorgungsrenten oder Unterhaltsansprüche geltend zu machen; die Leistungen sind auf die Witwenrente (Abs. 2) anzurechnen. Entgegen der Auffassung des LSG sind unter den "infolge Auflösung der neuen Ehe erworbenen Unterhaltsansprüchen" auch solche zu verstehen, die die Klägerin ohne den von ihr ausgesprochenen Verzicht erworben hätte. Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 8. März 1966 (KOV 1966, 228) ausgeführt, in § 44 Abs. 5 BVG idF des 1. NOG sei klar zum Ausdruck gebracht worden, daß der Betrag auf die Witwenrente anzurechnen ist, den der geschiedene Ehemann bei Geltendmachung des Unterhaltsanspruches zu leisten gehabt hätte, und daß ein Verzicht die Anrechnung der Ansprüche nicht verhindern kann. Er hat hierzu weiter ausgeführt, daß diese aus dem Wortlaut des Gesetzes hervorgehende Bedeutung des § 44 Abs. 5 BVG sich mit dem Zweck der wiederaufgelebten Witwenrente vereinbart. Diese Rente soll nach Auflösung der zweiten Ehe als subsidiäre Leistung der Ausfüllung einer Versorgungslücke dienen. Dieser Sinn würde aber vereitelt werden, wenn die geschiedene Ehefrau durch Verzicht auf Unterhaltsansprüche die Gewährung der Witwenrente erreichen könnte. Der Ausschluß der Anrechnung bei einem Unterhaltsverzicht der geschiedenen Ehefrau ist umso weniger dann gerechtfertigt, wenn durch den Verzicht ein Schuldausspruch gegen die Ehefrau bei der Scheidung vermieden worden ist und dadurch letztlich erst die Voraussetzung für die Gewährung der wiederaufgelebten Witwenrente, nämlich die Ehescheidung ohne Verschulden der Ehefrau, durch eine Übereinkunft der Parteien geschaffen werden würde. Dieser Auffassung ist der 8. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 30. Januar 1969, Az.: 8 RV 125/68 - unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung im Urteil vom 29. Oktober 1964, Az.: 8 RV 53/62, auf die sich das LSG gestützt hat - gefolgt. Er hat dazu ausgeführt, daß § 44 Abs. 5 BVG idF des 1. NOG auch die Anrechnung von Unterhaltsansprüchen fordere, die wegen eines Verzichts der Witwe zwar nicht "erworben" worden sind, ohne den Verzicht aber erworben worden wären, ohne Rücksicht darauf, ob der Verzicht vor oder nach der Rechtskraft des Ehescheidungsurteils ausgesprochen worden ist. Die Witwe solle zwar, wenn ihre zweite Ehe ohne ihr alleiniges oder überwiegendes Verschulden geschieden worden sei, grundsätzlich die gleiche Versorgung wie nach der ersten Ehe erhalten, jedoch solle diese "Mindestversorgung" in erster Linie aus den infolge der Auflösung der zweiten Ehe neu erworbenen Ansprüchen, d.h. aus den Ansprüchen, die sich aus der zweiten Ehe herleiten, bestritten werden; erst wenn diese "Versorgung" hinter derjenigen nach der ersten Ehe zurückbliebe, solle die wiederaufgelebte Witwenrente die nunmehr vorhandene Versorgungslücke ausfüllen. Es widerspreche diesem aus § 44 Abs. 5 BVG zu entnehmenden Sinngehalt, daß eine von der Witwe durch einen Unterhaltsverzicht - sei er vor oder nach Rechtskraft des Scheidungsurteils ausgesprochen - selbst geschaffene Versorgungslücke vom Gesetzgeber durch Gewährung einer aus öffentlichen Mitteln zu leistenden Versorgung honoriert werde. Wenn das LSG demgegenüber meint, wegen des von einer Kriegerwitwe gegenüber der Gemeinschaft gebrachten Opfers sei es nicht zulässig, von einer "Subsidiarität" bei der Witwenversorgung zu sprechen, so verkennt es, daß im vorliegenden Fall nicht über die Gewährung einer Witwenrente nach der Auflösung der ersten Ehe der Klägerin durch Kriegstod ihres ersten Ehemannes, sondern über ihren Anspruch auf eine wiederaufgelebte Witwenrente nach Scheidung ihrer zweiten Ehe nach § 44 Abs. 2 und 5 BVG zu entscheiden ist. Dieser Anspruch ist aber gerade durch die Anrechnungsvorschrift des § 44 Abs. 5 BVG als subsidiäre Leistung gestaltet; er ist der Höhe nach durch die in dieser Vorschrift näher bezeichneten, aus der zweiten Ehe erworbenen Ansprüche begrenzt und soll nur dann in demselben Umfang wie nach der ersten Ehe der Witwe gewährt werden, wenn sich aus der zweiten Ehe keine Unterhaltsansprüche ergeben.
Auch der Hinweis des LSG auf die Entscheidung des 9. Senats des BSG vom 31. Januar 1963 (BSG 18, 263), mit dem es seine anderweitige Rechtsauffassung stützen will, geht fehl. Der 9. Senat des BSG hat in dem bezeichneten Urteil die Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruches auf die Witwenbeihilfe alten Rechts (§ 44 Abs. 7 BVG idF vor Inkrafttreten des 1. NOG) deshalb nicht als zulässig angesehen, weil in jenem Fall die Klägerin den Unterhaltsverzicht zu einem Zeitpunkt ausgesprochen hatte, zu dem "noch nicht einmal das BVG in seiner 1. Fassung in Kraft getreten war", so daß die Klägerin "damals dem späteren Gesetzesbefehl noch nicht Rechnung tragen" konnte. Schon aus diesem Grunde sei es der Klägerin unmöglich gewesen, "entsprechend der Vorschrift des § 44 Abs. 7 BVG aF Unterhaltsansprüche geltend zu machen". Der jetzt zu entscheidende Sachverhalt ist völlig anders als derjenige, über den der 9. Senat des BSG in seinem Urteil vom 31. Januar 1963 (BSG 18, 263) zu entscheiden hatte. Während in jenem Fall der Unterhaltsverzicht der damaligen Klägerin gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann zu einem Zeitpunkt erklärt wurde, zu dem das BVG nicht einmal in Kraft getreten war und sie daher nicht erkennen konnte, ob und unter welchen Voraussetzungen ihr als geschiedener Frau Versorgung nach dem BVG gewährt werden würde, hat die Klägerin im vorliegenden Fall - wie sich aus dem Unterhaltsvergleich vom 10. März 1958 ergibt - gerade im Hinblick und in Erwartung des Wiederauflebens ihrer früheren Witwenrente auf Unterhaltsansprüche gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann verzichtet. Damit hat sie aber - wie dies der 8. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 30. Januar 1969 (8 RV 125/68) ausgedrückt hat - "selbst eine Versorgungslücke geschaffen", die objektiv ohne den Unterhaltsverzicht nicht bestehen würde. Somit ist für die Zeit der Geltungsdauer des 1. NOG - also bis zum 31. Dezember 1963 - davon auszugehen, daß trotz des Unterhaltsverzichts der Klägerin ein fiktiver Unterhaltsbeitrag auf die wiederaufgelebte Witwenrente gemäß § 44 Abs. 5 BVG (1. NOG) anzurechnen ist.
Das gleiche gilt auch für die Zeit vom 1. Januar 1964 bis 31. Dezember 1966 gemäß § 44 Abs. 5 BVG idF des 2. NOG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind Versorgungsrenten oder Unterhaltsansprüche, die sich aus der neuen Ehe herleiten, auf die Witwenrente (Abs. 2) anzurechnen, soweit sie zu verwirklichen sind. Die Neufassung dieser Vorschrift - ... Ansprüche, die sich aus der neuen Ehe herleiten ... - ergibt nunmehr eindeutig das, was bereits bei zutreffender Auslegung des § 44 Abs. 5 BVG idF des 1. NOG rechtens war, nämlich daß auch diejenigen Unterhaltsansprüche aus der geschiedenen Ehe erfaßt werden, auf die die Witwe - vor oder nach Rechtskraft des Scheidungsurteils - verzichtet hat. Unterhaltsansprüche, die sich aus der neuen Ehe herleiten, sind diejenigen, die sich aufgrund des Eherechtes gesetzlich ergeben, ohne Rücksicht darauf, ob der Berechtigte sie geltend macht oder auf sie verzichtet (siehe dazu auch Urteil des 8. Senats des BSG vom 30. Januar 1969 aaO). Wenn bei einem Unterhaltsverzicht der Witwe vor Rechtskraft des Scheidungsurteils - wie das LSG meint - die Anrechnung eines sich aus der neuen Ehe herleitenden Unterhaltsanspruchs auf die wiederaufgelebte Witwenrente stets unzulässig wäre, so hätte es der besonderen Regelung des § 44 Abs. 5 Satz 2 BVG idF des 2. NOG nicht bedurft, wonach auf die wiederaufgelebte Witwenrente der Betrag anzurechnen ist, den der frühere Ehemann ohne den Verzicht zu leisten hätte, wenn die Witwe ohne verständigen Grund auf einen Anspruch i.S. des Satzes 1 verzichtet hat. Somit ist auch für die Zeit der Geltungsdauer des 2. NOG - vom 1. Januar 1964 bis zum 31. Dezember 1966 - der Unterhalt der Klägerin auf die wiederaufgelebte Witwenrente anzurechnen, den sie ohne den Unterhaltsverzicht von ihrem früheren Ehemann beanspruchen könnte. Auch für die Zeit nach dem 1. Januar 1967 ist durch § 44 Abs. 5 BVG idF des 3. NOG hinsichtlich der Frage, ob bei einem Unterhaltsverzicht der Witwe gegenüber ihrem geschiedenen zweiten Ehemann der Betrag auf die wiederaufgelebte Witwenrente anzurechnen ist, den der frühere Ehemann ohne den Verzicht zu leisten hätte, keine Änderung eingetreten, denn § 44 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 BVG idF des 3. NOG stimmt wörtlich mit § 44 Abs. 5 Satz 1 BVG idF des 2. NOG überein. Der § 44 Abs. 5 Satz 1 BVG idF des 3. NOG schränkt die Anrechnung der sich aus der neuen Ehe herleitenden Ansprüche gegenüber § 44 Abs. 5 Satz 1 BVG idF des 2. NOG allerdings noch insoweit ein, als sie nicht schon zur Kürzung anderer wiederaufgelebter öffentlich-rechtlicher Leistungen geführt haben. Ob im vorliegenden Fall die Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsbeitrages auf die wiederaufgelebte Witwenrente für den Zeitraum nach Inkrafttreten des 3. NOG, also nach dem 1. Januar 1967 deshalb ausscheidet, weil die BfA einen solchen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 165,- DM bereits auf die wiederaufgelebte Witwenrente nach dem Angestelltenversicherungsgesetz anrechnet, kann zunächst dahingestellt bleiben; denn die Klägerin und das LSG sind der Auffassung, daß in jedem Fall deshalb eine derartige Anrechnung auf die wiederaufgelebte Witwenrente nach dem BVG unterbleiben müsse, weil der von der Klägerin gegenüber ihrem zweiten Ehemann ausgesprochene Unterhaltsverzicht aus "verständigem Grund" erfolgt sei, was die Anrechnung ausschließe.
Der § 44 Abs. 5 BVG idF des 1. NOG enthält noch keine Bestimmung darüber, ob unter bestimmten Voraussetzungen, also dann, wenn die Witwe aus einem "verständigen Grunde" auf einen Unterhaltsanspruch aus der neuen Ehe verzichtet hat, die Anrechnung eines ihr ohne den Verzicht aus der neuen Ehe zustehenden Unterhaltsanspruchs auf die wiederaufgelebte Witwenrente ausgeschlossen ist; eine solche Vorschrift besteht erst seit dem Inkrafttreten des 2. NOG - dem 1. Januar 1964 - gemäß § 44 Abs. 5 Satz 2 BVG idF des 2. und 3. NOG. Danach ist der Betrag auf die wiederaufgelebte Witwenrente anzurechnen, den der frühere Ehemann ohne den Verzicht zu leisten hätte, wenn die Witwe ohne verständigen Grund auf einen Anspruch i.S. des Satzes 1 verzichtet hat. Das LSG meint, daß auch für den Geltungsbereich des § 44 Abs. 5 BVG idF des 1. NOG, also vor dem 1. Januar 1964, die Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsbeitrages auf die wiederaufgelebte Witwenrente ausgeschlossen sei, wenn die Witwe auf ihren Unterhaltsanspruch aus "verständigem Grunde" verzichtet hat, weil während der zeitlichen Geltungsdauer des 1. NOG der § 1 Abs. 2 der DVO zu § 33 BVG vom 11. Januar 1961 (BGBl I 19) Anwendung finde, der inhaltlich dem § 44 Abs. 5 Satz 2 BVG idF des 2. und 3. NOG entspreche. Der erkennende Senat hat zwar in seiner Entscheidung vom 8. März 1966 (KOV 1966 S. 228) eine der Meinung des LSG entgegenstehende Rechtsauffassung vertreten, jedoch kann für den vorliegenden Fall diese Frage dahinstehen, denn die Klägerin hat nicht aus einem "verständigen Grunde" auf ihren Unterhaltsanspruch aus der zweiten Ehe verzichtet. Der erkennende Senat hat in seinen Urteilen vom 8. März 1966 (aaO) und vom 11. November 1966 (BSG 25, 262, 266; siehe dazu auch Urteil des 8. Senats des BSG vom 30. Januar 1969 - 8 RV 125/68 -) ausgesprochen, daß als "verständiger Grund" nicht ein Grund angesehen werden kann, der allein aus der Lage und aus den Zielen der Witwe her verständlich erscheint. Die Witwe wird immer, wenn sie auf Ansprüche verzichtet, dafür, allein von ihrer Person aus gesehen, einen "verständigen Grund" haben. Als "verständiger Grund" kann daher nur ein solcher Grund angesehen werden, der auch unter Abwägung der Interessen des Beklagten, der die Allgemeinheit vertritt und insbesondere unter Berücksichtigung des mit der wiederaufgelebten Witwenrente verfolgten Zweckes verständlich erscheint. Als "verständig" kann ein Grund dann nicht angesehen werden, aus dem heraus um irgendwelcher Vorteile willen die Witwe auf den Unterhaltsanspruch verzichtet in der Erwartung, daß zum Ausgleich für die Unterhaltsansprüche die Witwenrente gewährt werden wird. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist aber der von der Klägerin am 10. März 1958 ausgesprochene Unterhaltsverzicht gegenüber ihrem früheren Ehemann nicht aus einem "verständigen Grunde" ausgesprochen. Wenn sie mit dem Unterhaltsverzicht - wie das LSG meint - in erster Linie erreichen wollte, daß ihre Ehe überhaupt geschieden wurde, und die Frage ihres etwaigen Mitverschuldens an der Ehescheidung nur in zweiter Linie für den Verzicht maßgebend gewesen ist, so mag diese Motivierung für die Klägerin, also subjektiv, verständlich sein. Objektiv betrachtet sind diese Motive der Klägerin kein "verständiger Grund" für ihren Unterhaltsverzicht. Nach dem geltenden Eherecht bedarf es keines Unterhaltsverzichtes eines Ehepartners, um "überhaupt" die Ehescheidung zu erreichen; die Frage, wann eine Ehe geschieden werden kann, richtet sich allein nach den im EheG bestimmten Voraussetzungen ohne Rücksicht darauf, in welcher Weise die Ehegatten für den Fall der Ehescheidung ihre späteren Unterhaltsverpflichtungen regeln. Im übrigen ergibt sich aus dem Unterhaltsvergleich vom 10. März 1958, daß für den Unterhaltsverzicht der Klägerin gegenüber ihrem früheren Ehemann die Verschuldensfrage von erheblicher Bedeutung gewesen ist. Ihr früherer Ehemann hat sich nämlich - gewissermaßen als Gegenleistung für den Unterhaltsverzicht der Klägerin - verpflichtet, seine Anschlußberufung gegen das klagabweisende Urteil erster Instanz zurückzunehmen und zu der Berufung der Klägerin keine Anträge zu stellen. Das bedeutete aber prozessual, daß ein Schuldausspruch gegen die Klägerin - jedenfalls auf einen entsprechenden Antrag ihres Ehemannes - nicht erfolgen konnte. Hieraus folgt aber weiter, daß mit der bezeichneten Unterhaltsvereinbarung die Voraussetzungen für die Gewährung der wiederaufgelebten Witwenrente, nämlich die Auflösung der Ehe ohne überwiegendes oder alleiniges Verschulden der Klägerin, durch sie selbst geschaffen worden sind, ohne daß sich aus dem Unterhaltsvertrag oder aus sonstigen Umständen ein objektiv "verständiger Grund" für den Unterhaltsverzicht ergibt.
Ebenso sind die weiteren vom LSG herangezogenen Gründe, die die Klägerin zu dem Unterhaltsverzicht bestimmt haben, nicht als objektiv verständige Gründe anzusehen. Wenn die Klägerin glaubte, diesen Verzicht erklären zu müssen, weil ihr eigener Unterhaltsanspruch wegen der sonstigen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen und wegen einer möglichen neuen Eheschließung ihres Ehemannes unsicher sei, so hat sie dabei einen in der Zukunft liegenden ungewissen Tatbestand von ihrer persönlichen Warte aus beurteilt, der allein die Verwirklichung ihres Unterhaltsanspruchs betrifft. Ob sie ihren Unterhaltsanspruch aber verwirklichen konnte, hängt nicht nur von den weiteren Unterhaltsverpflichtungen ihres früheren Ehemannes, sondern auch davon ab, in welcher Einkommens- und Vermögenslage er sich bei der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin befand. Es wäre daher Aufgabe der Klägerin gewesen, den Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Ehemann geltend zu machen, wie dies § 44 Abs. 5 BVG idF des 1. NOG vorschreibt, um danach festzustellen, ob ihr Unterhaltsanspruch zu verwirklichen ist (§ 44 Abs. 5 BVG idF des 2. und 3. NOG).
Das LSG hat daher § 44 Abs. 5 BVG in seiner jeweils geltenden Fassung verletzt, so daß die Revision des Beklagten begründet ist. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben.
Da das LSG wegen seiner anderweitigen Rechtsauffassung keine Feststellungen getroffen hat, in welcher Höhe die Klägerin für die Zeit ab 1. Dezember 1961 - dem Beginn der wiederaufgelebten Witwenrente - gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann einen Unterhaltsanspruch verwirklichen konnte, war der erkennende Senat noch nicht in der Lage, abschließend zu entscheiden.
Die Sache mußte daher an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Das LSG wird nunmehr auch zu prüfen haben, ob - wie es das 3. NOG in § 44 Abs. 5 BVG vorschreibt - die Anrechnung eines der Klägerin zustehenden und zu verwirklichenden Unterhaltsanspruchs auf die wiederaufgelebte Witwenrente deshalb nicht oder nicht in voller Höhe in Betracht kommt, weil er bereits in Höhe von 165,- DM zur Kürzung der der Klägerin von der BfA gewährten wiederaufgelebten Witwenrente geführt hat.
Fundstellen