Entscheidungsstichwort (Thema)
Überweisung. poliklinische Behandlung. Notfallbehandlung
Orientierungssatz
1. Den aufgrund eines Vertrages nach § 368n Abs 2 S 3 RVO aF an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden poliklinischen Einrichtungen sind nur echte Behandlungsfälle, nicht jedoch Untersuchungen aus Gründen der Lehre und Forschung zu vergüten.
2. Um eine echte Überweisung iS der Berechtigung zur Behandlung nach dem Poliklinikvertrag handelt es sich nicht, wenn aus der Überweisung hervorgeht, daß die Behandlungsbedürftigkeit fehlt. Zusätze auf dem Überweisungsschein (wie etwa "Auf Anforderung des Patienten", aus denen sich ergibt, daß der Arzt die Entscheidung nicht getroffen hat, stehen der Berechtigung nach dem Poliklinikvertrag entgegen.
3. Es liegt kein Notfall nach dem Notfallvertrag vor, wenn die sofortige Behandlung notwendig ist und von einem Kassenarzt im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung durchgeführt wird. Einen Überweisungsschein iS einer Berechtigung zur weiteren kassenärztlichen Versorgung darf er nicht auf einen Nichtkassenarzt ausstellen. Wenn aber die Überweisung eines Kassenarztes an die Poliklinik vorliegt, bekommt der Kassenpatient damit nach dem Poliklinikvertrag die Berechtigung, sich in der Klinik behandeln zu lassen, wie bei einem Kassenarzt. Der Notfallvertrag, der seinem Zweck nach nur die Fälle ohne Berechtigungsschein erfaßt, kommt bei Vorliegen einer Berechtigung nach dem Poliklinikvertrag nicht zur Anwendung. Er ist insoweit gegenüber dem letzteren nachrangig.
Normenkette
RVO § 368n Abs 2 S 3 Fassung: 1955-08-17, § 368n Abs 2 S 4 Fassung: 1955-08-17, § 368n Abs 3 S 3 Fassung: 1976-12-28, § 368n Abs 3 S 4 Fassung: 1976-12-28, § 368d Abs 1 S 3 Fassung: 1955-08-17
Verfahrensgang
Tatbestand
In dem Rechtsstreit geht es um die Abrechnungsfähigkeit einer größeren Zahl von Untersuchungen und Behandlungen von Kassenpatienten in den Universitätspolikliniken Mainz in den Quartalen III und IV 1975.
Die Beteiligten schlossen zuletzt am 21. Juni 1974 einen Vertrag gemäß § 368n Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF (= § 368n Abs 3 RVO idF des Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes -KVWG- vom 28. Dezember 1976 - BGBl I 3871 - und § 368d Abs 1 RVO). Darin wurden die ärztlichen Direktoren der Universitätspolikliniken Mainz ermächtigt, im Rahmen ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit persönlich und durch die ihnen nachgeordneten Ärzte nach Maßgabe der weiteren Vertragsbestimmungen die Untersuchung und Behandlung von Mitgliedern von RVO-Kassen und deren anspruchsberechtigten Familienangehörigen zu übernehmen. Diese Krankenkassenpatienten waren berechtigt, sich während der Dauer des Vertrages aufgrund einer Überweisung durch einen Kassenarzt in den Sprechstunden der Universitätspolikliniken untersuchen und behandeln zu lassen. Die Beklagte verpflichtete sich, zur Abgeltung der in den Polikliniken ausgeführten Verrichtungen und aller bei der Untersuchung und Behandlung eines Kassenpatienten entstehenden Kosten einen Pauschbetrag von 25.00 DM je Behandlungsfall - höchstens jedoch für 4000 Behandlungsfälle pro Quartal - zu zahlen. Außerdem bestand ein Vertrag über die ärztliche Notfallversorgung in den Polikliniken ohne Überweisung durch Kassenärzte. Danach waren die Polikliniken berechtigt, Krankenkassenpatienten in Notfällen ohne Überweisung durch Kassenärzte zu Lasten der Beklagten ärztlich zu versorgen. Als Notfälle bezeichnete der Vertrag Erkrankungen oder Verletzungen, bei denen die sofortige Behandlung ohne Gefahr für Leib oder Leben nicht aufgeschoben und die ärztliche Versorgung durch einen Kassenarzt nicht rechtzeitig herbeigeführt oder deren Inanspruchnahme den Versicherten nach Sachlage und unter Berücksichtigung aller Umstände aus anderen Gründen nicht zugemutet werden konnten. Die Notfallbehandlung wurde ausdrücklich auf die notwendige Erstversorgung beschränkt. Alle anläßlich eines Notfalls in einer oder mehreren Polikliniken ausgeführten Verrichtungen wurden mit einem Pauschbetrag von je 20.00 DM abgegolten. Beide Verträge zwischen den Beteiligten waren für die Quartale III und IV 1975 gekündigt, wurden aber weiterhin angewandt, weil die Kündigung nur zum Zweck der Vereinbarung einer höheren Fallpauschale erfolgt war.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 1975 und 29. März 1976 lehnte die Beklagte in insgesamt 911 Fällen aus III/1975 und 2702 Fällen aus IV/1975 die Abrechnung nach dem Vertrag vom 21. Juni 1974 ab. Es handelte sich ohne die im Laufe des Rechtsstreits erledigten Fälle um Überweisungen auf Anforderung der Patienten (85 und 120 Fälle), auf Anforderung der Universitätskliniken (55 und 45 Fälle), auf Anforderung der Universitätskliniken zu Kontrolluntersuchungen (647 und 669 Fälle), auf Anforderung der Universitätskliniken zu Kontrolluntersuchungen nach stationärer Behandlung (44 und 2 Fälle), um Überweisungen an Fachärzte (0 und 1337 Fälle) sowie um ambulante Behandlungen anstelle der verordneten Krankenhauspflege (0 und 450 Fälle) und schließlich um Notfälle, die nach dem Notfallvertrag abzurechnen seien (76 und 36 Fälle).
Den Widerspruch hat die Beklagte zurückgewiesen (Bescheid vom 11. August 1976). Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die genannten Behandlungsfälle - außer den Überweisungen an Fachärzte und denjenigen, in denen Krankenhauspflege verordnet wurde, ohne daß eine Überweisung zur ambulanten Behandlung vorlag - abzurechnen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die angefochtenen Bescheide in vollem Umfang aufgehoben und die Beklagte verurteilt, auch die 1337 Behandlungsfälle ohne ausdrückliche Überweisung an die Universitätspoliklinik und die 450 Fälle mit ambulanter Behandlung anstelle verordneter Krankenhauspflege aus dem Quartal IV 1975 abzurechnen. Die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Es hat in den Gründen ausgeführt, es verstoße nicht gegen den Poliklinikvertrag, wenn die Universitätskliniken oder die Patienten den Überweisungsschein anfordern. Soweit die Behandlung oder Untersuchung nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich sei, liege dies auf der Hand. Aber auch soweit die Ärzte der Klägerin - wie die Beklagte behaupte - Kontrolluntersuchungen allein zur Durchführung von Lehr- und Forschungsaufgaben über das im Rahmen einer kassenärztlichen Behandlung normalerweise zulässige Maß hinaus ausgedehnt hätten, schließe dies deren Abrechnungsfähigkeit nicht aus. Die ärztlichen Leistungen bei der poliklinischen Behandlung von Kassenpatienten und damit auch Kontrolluntersuchungen seien durch den Vertrag vom 21. Juni 1974 von der Bindung an die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit ausgenommen. Außerdem entscheide letztlich der Kassenarzt, ob er die Überweisung vornehme. Es sei im übrigen gerade Sinn und Zweck der Verträge nach § 368n Abs 3 Satz 3 RVO, in Universitätskliniken über die Durchführung kassenärztlicher Behandlungen hinaus auch die Möglichkeit zu geben, Patienten in dem für ihre Lehr- und Forschungstätigkeit erforderlichen Umfang zu untersuchen und zu behandeln. Bei den streitigen Notfällen handele es sich nicht um Notfallbehandlungen iS des Notfallvertrages, sondern um Überweisungen im Rahmen des Vertrages vom 21. Juni 1974. Die 1337 Behandlungsfälle mit Überweisungen an Fachärzte seien ebenfalls nach diesem Vertrag abzurechnen. Es genüge jeder von einem Kassenarzt ausgestellte Überweisungsschein für fachärztliche Behandlung in den Universitätskliniken. Die gegenteilige Auffassung verkenne, daß das Recht der freien Arztwahl auch für die Inanspruchnahme der poliklinischen Einrichtungen der Hochschulen gelte, soweit die hierüber abgeschlossenen Verträge keine Einschränkungen enthielten. Der Vertrag vom 21. Juni 1974 enthalte keine solchen Einschränkungen. Die 450 Behandlungsfälle, in denen eine Krankenhauseinweisung erfolgt war, müsse die Beklagte nach Treu und Glauben nach dem Vertrag abrechnen, denn sie habe dies in entsprechenden Fällen rund 10 Jahre lang ohne Beanstandung getan.
Die Beklagte hat Revision eingelegt und macht geltend, Gegenstand der Verträge nach § 368n Abs 3 Satz 3 RVO sei die Behandlung der Kassenpatienten. Dafür sei ein Behandlungsbedürfnis Voraussetzung, also ein Krankheitszustand iS der RVO. Nach dem unstreitigen Sachverhalt hätten jedoch die Universitätskliniken auch Patienten angefordert, die nicht krank gewesen seien. Ob eine behandlungsbedürftige Krankheit vorliege, entscheide nach dem Vertrag der Kassenarzt. Das LSG habe aber verkannt, daß der Kassenarzt gar nicht von der Behandlungsbedürftigkeit der Patienten überzeugt gewesen sei, denn sonst hätte es der Kennzeichnung "zur Kontrolluntersuchung" oder "auf Wunsch des Patienten" nicht bedurft. Diese Überweisungen habe die Beklagte vertragswidrig veranlaßt. Das LSG habe zu Unrecht unterstellt, daß die Versicherten in den Einrichtungen der Universitätskliniken immer von Fachärzten behandelt würden. Schon deshalb seien die 1337 Fälle mit Überweisungen zu Fachärzten nicht abrechnungsfähig. Die 112 Notfälle könne die Klägerin nicht nach dem Vertrag vom 21. Juni 1974 abrechnen. Das LSG habe den Grundsatz der freien Arztwahl verkannt, denn freie Arztwahl bestehe nur unter den niedergelassenen Kassenärzten und den ermächtigten und beteiligten Ärzten. Gegen Treu und Glauben verstoße es nicht, wenn sie, die Beklagte, die Abrechnung der 450 Verordnungen zur Krankenhauspflege ablehne, denn die Klägerin habe diese Überweisungsscheine in rechtswidriger Weise umfunktioniert.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Januar 1980 und das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 6. September 1978 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht geltend, entscheidend sei, daß die überweisenden Ärzte eine Behandlungsbedürftigkeit bescheinigt hätten. Eine besondere Kennzeichnung der Universität auf dem Behandlungsschein sei im hier streitigen Zeitraum nicht erforderlich gewesen. Unzutreffend sei die Behauptung der Beklagten, daß die Patienten in den poliklinischen Einrichtungen der Klägerin nicht immer und ausnahmslos auch von Fachärzten untersucht und behandelt worden seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nur zum Teil begründet.
Für den Rechtsstreit ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ( § 51 Abs 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- ). Der Anspruch der Klägerin ist öffentlich-rechtlicher Natur, da die streitige Vergütung gemäß § 368n Abs 2 Satz 3 RVO aF im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Beteiligten geregelt ist. Es handelt sich um eine Angelegenheit, die aufgrund der Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen im Rechtsweg zu entscheiden ist ( § 51 Abs 2 Satz 1 SGG). Dafür ist maßgebend, daß die Verträge nach § 368n Abs 2 Satz 3 RVO aF und ihre Abwicklung zu der den Krankenkassen obliegenden ärztlichen Versorgung gehören, die die Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄV) sicherzustellen haben. Die Ärzte der Polikliniken werden im Rahmen des Vertrages vom 21. Juni 1974 den Kassenärzten gleichgestellt.
Wegen der vier ersten Gruppen von Behandlungsfällen, also bei den Überweisungen auf Anforderung der Universitätskliniken oder der Patienten ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Das LSG hat offengelassen, inwieweit es sich dabei um Untersuchungen von kranken und behandlungsbedürftigen Patienten gehandelt hat. Dem Urteil ist im Zusammenhang zu entnehmen, daß es nach Meinung des LSG auf die Behandlungsbedürftigkeit nicht ankommt und der Anspruch auf die Vergütung nach dem Vertrag vom 21. Juni 1974 auch besteht, wenn eine Untersuchung lediglich aus Gründen der Lehre und Forschung durchgeführt wurde.
Dieser Meinung des LSG stimmt der Senat nicht zu. Seine Meinung stützt das LSG auf den Vertrag vom 21. Juni 1974. Der Vertrag ist irrevisibles Recht. Dies ist aber für die Entscheidung in den genannten vier Fallgruppen unerheblich. Auch bei irrevisiblem Recht muß nämlich das Revisionsgericht nachprüfen, ob durch seine Anwendung revisibles Recht verletzt ist (BSGE 3, 77, 80; 39, 252, 254). Die Beklagte rügt eine Verletzung des § 368n Abs 2 Satz 3 RVO aF. Diese Rüge ist begründet.
In der Auslegung, die er durch das LSG erfahren hat, verstößt der Vertrag vom 21. Juni 1974 gegen das Gesetz. Die in den Verträgen nach § 368n Abs 2 Satz 3 RVO aF zu regelnde Vergütung setzt die Behandlungsbedürftigkeit voraus. Nach § 368n Abs 1 RVO iVm § 368 Abs 2 Satz 1 RVO haben die KÄVen die den Krankenkassen obliegende ärztliche Versorgung, die ärztliche Behandlung, sicherzustellen. Ärztliche Behandlung gewähren die Krankenkassen als Krankenhilfe vom Beginn der Krankheit an ( § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst a) RVO). Krankheit iS des § 182 RVO ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (BSGE 39, 167 f= SozR 2200 § 182 RVO Nr 9 mwN; siehe dazu im einzelnen Schroeder-Printzen, WzS 1979, 129 ff). Zur kassenärztlichen Versorgung gehören allerdings über die ärztliche Behandlung iS des § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst a) RVO hinaus auch noch andere ärztliche Leistungen (siehe § 368 Abs 2 Satz 2 RVO). Damit werden aber nicht etwa alle ärztlichen Untersuchungen in die kassenärztliche Versorgung einbezogen.
Die poliklinischen Einrichtungen nehmen aufgrund eines Vertrages nach § 368n Abs 2 Satz 3 RVO aF an der kassenärztlichen Versorgung teil (Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, 5. Auflage, Anm C 744; Peters/Mengert, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1. Januar 1982, Anm 3 c)bb) S 17/1801). Zu vergüten sind ihnen demgemäß nur echte Behandlungsfälle (Peters/Mengert aaO: Vergütung nur für Leistungen im Rahmen des § 368e).
Der Begriff der Behandlung, die nach § 368n Abs 2 Satz 3 RVO aF zu vergüten ist, stimmt mit der Behandlung iS § 368 Abs 2 RVO überein. Dafür spricht schon die Verwendung desselben Wortes in dem beide Bestimmungen enthaltenden Unterabschnitt der RVO. Die Möglichkeit einer vertraglichen Einbeziehung von Untersuchungen zum ausschließlichen Zweck der Lehre und Forschung würde auch dem gesetzlichen Auftrag der KÄV widersprechen. Diesen Auftrag hat die RVO in § 368n Abs 1 dahin geregelt, daß die KÄV die den Krankenkassen obliegende ärztliche Versorgung in dem in § 368 Abs 2 bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen hat, daß die kassenärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Der Abschluß der Verträge mit den Hochschulen gehört zu dem Auftrag nach § 368n Abs 1 RVO. Das kommt insbesondere auch dadurch zum Ausdruck, daß die Verträge nach der Neufassung des § 368n Abs 2 Satz 3 RVO aF durch das KVWG im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen zu schließen sind. Durch diese Gesetzesänderung wird der auch schon vorher geltende Grundsatz bestätigt, daß die Behandlungen nach § 368n Abs 3 Satz 3 RVO nF zur kassenärztlichen Versorgung gehören, für die die Krankenkassen die Gesamtvergütung entrichten. In der Begründung zum KVWG ist ausgeführt, die Krankenkassen müßten beim Abschluß der Poliklinik-Verträge gleichberechtigt mitwirken, da sie in gleichem Maß wie die KÄV für die kassenärztliche Versorgung verantwortlich seien (BT-Drucks 7/3336 S 42 zu Art 1 § 1 Nr 30 Buchstabe c). Auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes über Kassenarztrecht (GKAR) vom 17. August 1955 (BGBl I 513) ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß die Poliklinik-Verträge auch Untersuchungen ausschließlich zum Zweck der Forschung und Lehre erfassen könnten. Zur Begründung des in § 368n Abs 2 Satz 4 RVO aF Gesetz gewordenen Antrags war nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen worden, es sei bekannt, daß die Polikliniken manche Untersuchungen durchführen, die nicht nur der Heilbehandlung, sondern auch der Forschung dienen (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, 82. Sitzung Seite 4513 A, 4522 D).
Über das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Krankheit entscheidet der überweisende Kassenarzt. Davon gehen die Beteiligten auch übereinstimmend aus. Dies entspricht dem Sinn und Zweck einer Überweisung im Kassenarztrecht. So ist es zB nach § 368a Abs 8 RVO Sache des Kassenarztes zu entscheiden, ob die Einschaltung eines Krankenhausarztes und deshalb die Überweisung an ihn erforderlich ist (Heinemann/Liebold aaO Anm C 145). Um eine echte Überweisung im Sinn der Berechtigung zur Behandlung nach dem Poliklinikvertrag handelt es sich aber nicht, wenn aus der Überweisung hervorgeht, daß die Behandlungsbedürftigkeit fehlt. Zusätze auf dem Überweisungsschein, aus denen sich ergibt, daß der Arzt die Entscheidung nicht getroffen hat, stehen der Berechtigung nach dem Poliklinikvertrag entgegen. Das LSG hat in diesem Zusammenhang festgestellt, es verstoße nicht gegen den Vertrag vom 21. Juni 1974, wenn die Ärzte der Klägerin Kassenpatienten einbestellen oder wenn die Klägerin oder wenn die Patienten Überweisungsscheine anfordern. Zur - alternativen - Begründung dafür hat das LSG ausgeführt, letztlich entscheide der Kassenarzt selbst, ob er die Überweisung vornimmt, weil sie nach den allgemeinen Grundsätzen der kassenärztlichen Versorgung oder nach Sinn und Zweck des Vertrages angebracht ist. Das LSG hat aber nicht festgestellt, daß in den hier streitigen Abrechnungsfällen die Kassenärzte diese Entscheidung getroffen haben. Dem angefochtenen Urteil ist zu entnehmen, daß für die Abrechnung eines Behandlungsfalles nach dem Vertrag vom 21. Juni 1974 die Überweisung durch einen Kassenarzt erforderlich ist und daß in den streitigen Fällen Überweisungsscheine vorhanden sind. Das Urteil enthält aber keine Feststellung über den Inhalt der Scheine. Deshalb ist das Urteil hinsichtlich der ersten vier Fallgruppen (1667 Fälle) an das LSG zurückzuverweisen. Es ist noch zu ermitteln, ob in diesen Fällen Aufträge von Kassenärzten zur Mit- oder Weiterbehandlung in den Universitätspolikliniken vorgelegen haben, so daß es sich um Behandlungsfälle iS des Vertrages und des § 368n Abs 2 Satz 3 RVO aF gehandelt hat. Sollten die Überweisungsscheine Zusätze wie etwa "Auf Anforderung des Patienten" enthalten, wären die Erklärungen der Ärzte gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen. Entscheidend ist, ob die Ärzte der Klägerin die Erklärungen der Kassenärzte als Überweisungen im Sinn des Vertrages und insbesondere ohne Einschränkung hinsichtlich der Behandlungsbedürftigkeit verstehen mußten.
Hinsichtlich der Behandlungen aufgrund von Überweisungen an Fachärzte kann die Revision keinen Erfolg haben. Das angefochtene Urteil beruht insoweit nicht auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts (§ 162 SGG).
Die Beklagte rügt, das LSG habe den Grundsatz der freien Arztwahl in seiner Reichweite verkannt. Nach § 368d Abs 1 Satz 1 RVO besteht grundsätzlich freie Wahl unter den an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten. Eine Verletzung dieser Norm liegt jedoch nicht vor.
Allerdings sind die Universitätspolikliniken keine an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte iS dieser Vorschrift. Die Inanspruchnahme der poliklinischen Einrichtungen der Hochschulen richtet sich vielmehr nach den hierüber abgeschlossenen Verträgen (§ 368d Abs 1 Satz 3 RVO). Demgemäß besteht ein Recht der Kassenpatienten, sich in der Poliklinik untersuchen und behandeln zu lassen, nicht kraft Gesetzes, sondern kann sich erst aus dem Vertrag ergeben. Das LSG hat im Urteil ausgeführt, das Recht der freien Arztwahl gelte auch für die poliklinischen Einrichtungen der Hochschulen, soweit die hierüber abgeschlossenen Verträge keine Einschränkungen enthielten. Damit hat das LSG aber nicht die Meinung vertreten, Kassenpatienten hätten originär (auf Krankenschein) das Recht, die Polikliniken in Anspruch zu nehmen. Eine derartige Meinung wäre unverständlich, denn sie würde den Poliklinikvertrag weitgehend überflüssig machen. Offensichtlich meint das LSG, daß durch den Poliklinikvertrag die Kassenpatienten berechtigt werden, mit der Überweisung zum Facharzt auch die ärztlichen Direktoren der Klinik und ihre nachgeordneten Ärzte aufzusuchen, daß also insoweit diese Ärzte in die freie Arztwahl mit einbezogen werden. Das LSG führt im Anschluß an den zuvor erwähnten Satz aus, die Begriffe "Überweisung", "Überweisungsschein" und "gültiger Behandlungsausweis" hätten im Vertrag keine andere Bedeutung als sonst im Kassenarztrecht. Sie bedeuteten für die Inanspruchnahme der ermächtigten Klinikärzte nichts anderes als für die Inanspruchnahme eines an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Facharztes. Damit hat das LSG den Begriff der Überweisung als Voraussetzung für die Abrechnung nach dem Vertrag ausgelegt. Überweisung im Sinn des Vertrages setzt nach der Auslegung des LSG nicht voraus, daß der Kassenarzt ausdrücklich an die Poliklinik überweist. Die Auswahl, welche Kassenpatienten berechtigt sind, sich in den Polikliniken behandeln zu lassen, trifft also im Ergebnis nicht der Kassenarzt. Vielmehr bekommt der Patient einen Überweisungsschein ohne Nennung eines bestimmten Arztes, und er wählt dann aus, zu welchem niedergelassenen Arzt der benannten Gruppe oder ob er in die einschlägige Poliklinik geht. Für das Ergebnis, daß die Überweisung zu einem Facharzt ausreicht, ist es bei dieser Begründung unerheblich, ob die Ärzte der Poliklinik kraft Gesetzes in das Recht der freien Arztwahl nach § 368d Abs 1 Satz 1 RVO einbezogen sind.
Die Auslegung des Vertrages vom 21. Juni 1974 durch das LSG verletzt keine Vorschrift des Bundesrechts (§ 162 SGG). Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Vertrag überhaupt um eine Norm handelt. Der Geltungsbereich des Vertrages beschränkt sich auf das Land Rheinland-Pfalz, in dem die Vertragspartner ihren Sitz haben und in dem auch die vertraglich geregelten Tatbestände anfallen. In anderen Bundesländern gibt es keine Poliklinikverträge, die bewußt und gewollt mit dem Vertrag vom 21. Juni 1974 übereinstimmen (vgl BSGE 38, 21, 29 mwN). Aus denselben Gründen gehört der Erklärungswert des Begriffs Überweisung zu den tatsächlichen Feststellungen, an die das Revisionsgericht gebunden ist (vgl BAG AP Nr 30 zu § 133 BGB). Wegen des Fehlens gleichlautender Verträge handelt es sich nicht um typische Erklärungssachverhalte, die der Auslegung durch das Revisionsgericht zugänglich sind (BGHZ 20, 389; BGHZ 53, 315, 320).
Aus keiner Bestimmung der RVO und auch nicht aus § 10 des ab 1. Oktober 1959 geltenden Bundesmantelvertrages (Ärzte) läßt sich herleiten, daß für eine Behandlung in der Poliklinik ein auf die Klinik ausgestellter Überweisungsschein vorliegen müßte. Den Begriff der Überweisung mögen die Vertragspartner zwar in demselben Sinn verwendet haben wie etwa in § 368a Abs 8 RVO. Daraus folgt aber nicht, daß dieser Begriff im Vertrag revisibles Recht wäre. Das wäre anders, wenn der Begriff in der revisiblen Norm festgelegt wäre und diese Norm nach Ansicht des LSG im irrevisiblen Recht unmittelbar gelten sollte (BSG SozR Nr 43 zu § 162 SGG). Das LSG hat den Vertrag vom 21. Juni 1974 nicht so ausgelegt.
Die Rüge der Beklagten, das LSG habe nicht ermittelt, daß die an Fachärzte überwiesenen Patienten in den poliklinischen Einrichtungen der Klägerin nicht immer auch von Fachärzten untersucht und behandelt würden, greift nicht durch. Eine Feststellung, daß die Behandlungen stets durch Fachärzte durchgeführt worden seien, enthält das angefochtene Urteil nicht. Es handelt sich deshalb bei dem Vorbringen der Beklagten nicht um die Rüge mangelnder Sachaufklärung, sondern um Einwendungen gegen die Rechtsmeinung des LSG, nach der nämlich die angeblich fehlende Sachaufklärung überflüssig war. Entscheidend ist nach Meinung des LSG, daß der Klinikdirektor zur Behandlung auch durch nachgeordnete Ärzte berechtigt war, so daß es auf die Facharzteigenschaft dieser Ärzte nicht mehr ankommt. Das LSG hat damit wiederum den Poliklinikvertrag, also irrevisibles Recht, ausgelegt und angewendet. Vorschriften des Bundesrechts sind insoweit nicht verletzt.
Wegen der 112 "Notfälle" ist die Revision unbegründet. Es ist zwischen mehreren Fallgruppen zu unterscheiden:
In (30 und 14 =) 44 Fällen hat das LSG festgestellt, die Überweisung sei erfolgt, weil der überweisende Arzt aufgrund der von ihm gestellten Diagnose ambulante Mitbehandlung oder Weiterbehandlung in der Poliklinik für notwendig erachtete. Die Beklagte macht mit der Revision geltend, das LSG habe nicht davon ausgehen können, daß hier eine Mitbehandlung oder Weiterbehandlung für notwendig erachtet wurde, weil sich dies nach den Feststellungen des LSG aus den Überweisungsscheinen überhaupt nicht ergeben habe. Das LSG hätte nachprüfen müssen, ob die überweisenden Ärzte in diesen Fällen eine Mit- oder Weiterbehandlung wünschten. Gerügt werde "auch" ein Verstoß gegen §§ 106, 128 SGG.
Mit diesem Vorbringen wendet sich die Beklagte gegen tatsächliche Feststellungen des LSG und will einen Verfahrensmangel rügen. Die Rüge ist erforderlich, da das Bundessozialgericht (BSG) an tatsächliche Feststellungen des LSG gebunden ist, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind (§ 163 SGG). Indessen hat die Beklagte solche Gründe nicht vorgebracht. Sie hat die Tatsachen nicht bezeichnet, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG).
Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich die Rüge einer Verletzung des § 103 statt § 106 SGG, denn es geht der Beklagten darum, daß der Wille der überweisenden Ärzte aufgeklärt wird. Die in dieser Vorschrift niedergelegte Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, verletzt das Gericht, wenn sich ihm weitere Ermittlungen aufdrängten (BSG SozR Nr 7 zu § 103 SGG; BSGE 40, 49, 50; SozR 1500 § 160 SGG Nr 5). Mit der Revisionsbegründung hat die Beklagte indessen nicht vorgetragen, welche Ermittlungen das LSG noch hätte anstellen sollen. Darüber hinaus ist die Rüge einer Verletzung der §§ 103, 106 SGG unzulässig, weil die Beklagte nicht angegeben hat, zu welchem Ergebnis die von ihr für erforderlich gehaltenen Ermittlungen nach ihrer Ansicht geführt hätten. Dies wäre aber zur Begründung der Revision insoweit ebenfalls notwendig gewesen (BSG SozR Nr 28 zu § 164 SGG). Aus dem zuletzt genannten Grund entspricht auch die Rüge einer Verletzung des § 128 SGG nicht den Formerfordernissen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG. Für diese Rüge ist es notwendig anzugeben, zu welchem Ergebnis das LSG bei einer gesetzmäßigen Beweiswürdigung nach Ansicht des Revisionsklägers hätte kommen müssen (BSG aaO). Die Klägerin hat ferner nicht dargelegt, auf welche Tatsachen oder Beweisergebnisse das LSG die beanstandete Beweiswürdigung gestützt oder ob es etwa die Gründe nicht angegeben hat, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 128 Abs 1 Satz 2 SGG). Die von der Klägerin insoweit nur vorgebrachte Rüge, das LSG hätte nicht von einer Tatsache, nämlich daß die Mit- oder Weiterbehandlung nach ärztlichem Urteil notwendig war, ausgehen dürfen, ist keine formgerechte Rüge einer Verletzung des § 128 SGG.
Die Klägerin hat in den 44 Fällen aufgrund der Feststellungen des LSG einen Anspruch auf Vergütung nach dem Poliklinikvertrag. Es handelt sich nicht um Fälle, für die nur eine Vergütung nach dem Notfallvertrag in Betracht kommt. Nach den Feststellungen des LSG hat in allen 44 Fällen ein Kassenarzt den Patienten an die Poliklinik überwiesen, nachdem er eine Diagnose gestellt hatte. Damit sind die Voraussetzungen für den Vergütungsanspruch nach dem Poliklinikvertrag - wie das LSG ihn anwendet - erfüllt. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß diese Patienten in der Poliklinik sofort behandelt werden mußten in dem Sinn, daß die Behandlung ohne Gefahr für Leib und Leben nicht aufgeschoben werden konnte. Deshalb liegt schon die erste Voraussetzung für eine Notfallbehandlung im Sinn des Kassenarztrechts (s. BSG Breithaupt 1972, 809) und auch des zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Notfallvertrages nicht vor.
Das Revisionsvorbringen der Beklagten ist im Zusammenhang dahin zu verstehen, daß auch wegen der (2 und 1 =) 3 Fälle mit ausdrücklicher Überweisung zur Mit- bzw Weiterbehandlung ohne Angabe einer Diagnose Revision eingelegt werden sollte. Insoweit gilt das zu den 44 ersten Fällen Dargelegte. Das LSG stellt darüber hinaus noch ausdrücklich fest, daß auch in diesen Fällen die notärztliche Erstuntersuchung und Erstbehandlung bereits stattgefunden hätten.
In den (acht und sechs=) 14 Fällen, in denen die Notfallbehandlung in den Kliniken erfolgte, die Patienten aber anschließend dort weiterbehandelt wurden, handelt es sich nach den Feststellungen des LSG um (echte) Überweisungen im Sinn des - irrevisiblen - Poliklinikvertrages, so daß der Vergütungsanspruch begründet ist.
Hinsichtlich der (34 und 15 =) 49 Fälle, die außer dem Vermerk Notfall keine Angaben zur Diagnose und zum Grund der Überweisung enthielten, hat das LSG festgestellt, es sei anzunehmen, daß die Überweisungen erfolgten, weil die überweisenden Ärzte ihre mögliche weitere Behandlung nicht für ausreichend hielten. Aus dem Vermerk "Notfall" könne nicht geschlossen werden, daß die notärztliche Erstversorgung erst in den Kliniken stattfinden sollte oder stattgefunden hätte. Die Beklagte rügt einen Verstoß gegen §§ 106 und 128 SGG - gemeint ist auch insoweit statt § 106 der § 103 SGG. Sie hat aber nicht angegeben, welche Ermittlungen das LSG hätte anstellen sollen und zu welchem Ergebnis sie geführt hätten. Dies wäre, wie dargelegt, notwendig gewesen. Unzulässig ist auch die Rüge einer Verletzung des § 128 SGG; auf die Ausführungen zu den ersten 44 Fällen wird verwiesen.
Auch in den 49 Fällen mit dem Vermerk Notfall liegen die Voraussetzungen für den Vergütungsanspruch nach dem Poliklinikvertrag vor. Es handelt sich nicht um nach dem Notfallvertrag zu vergütende Notfälle. Allerdings ist den Feststellungen des LSG zu entnehmen, daß in den 49 Fällen die sofortige Behandlung in der Klinik wegen der Gefahr für Leib und Leben nicht aufgeschoben werden konnte. Die Vergütung richtet sich trotzdem nach dem Poliklinikvertrag. Ein Notfall nach dem Notfallvertrag liegt nur vor, wenn die Versorgung durch einen Kassenarzt nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann. Damit entspricht der Vertrag dem Zweck des Notfallbegriffs im Kassenarztrecht. Nur im Notfall darf der Kassenpatient nach § 368d Abs 1 Satz 2 RVO einen Arzt in Anspruch nehmen, der nicht an der kassenärztlichen Versorgung teilnimmt. Es liegt kein Notfall in diesem Sinn vor, wenn die sofortige Behandlung notwendig ist, aber von einen Kassenarzt im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung durchgeführt wird. Wenn der Kassenarzt dann den Patienten an einen anderen Arzt überweist, muß er sich auch insoweit im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung halten. Einen Überweisungsschein im Sinn einer Berechtigung zur weiteren kassenärztlichen Versorgung darf er nicht auf einen Nichtkassenarzt ausstellen. Wenn aber die Überweisung eines Kassenarztes an die Poliklinik vorliegt, bekommt der Kassenpatient damit nach dem Poliklinikvertrag die Berechtigung, sich in der Klinik behandeln zu lassen, wie bei einem Kassenarzt. Der Notfallvertrag, der seinem Zweck nach nur die Fälle ohne Berechtigungsschein erfaßt, kommt bei Vorliegen einer Berechtigung nach dem Poliklinikvertrag nicht zur Anwendung. Er ist insoweit gegenüber dem letzteren nachrangig.
Unbegründet ist die Revision auch hinsichtlich des Falles mit dem Vermerk, Überweisung sei nicht erforderlich. Es liegt eine den Vergütungsanspruch begründende Überweisung iS des -irrevisiblen- Poliklinikvertrages vor. Die Willenserklärung der Überweisung wird durch den Zusatz, die Überweisung sei überflüssig, nicht beeinträchtigt.
Wegen des letzten, als Notfall und Arbeitsunfall gekennzeichneten Falles sind Revisionsrügen nicht vorgebracht.
Hinsichtlich der 450 Behandlungsfälle ohne Überweisung eines Kassenarztes zur ambulanten Behandlung aus dem Quartal IV 1975 ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Die Feststellungen im angefochtenen Urteil reichen insoweit nicht für eine abschließende Entscheidung aus.
Zu unterscheiden ist bei den 450 Fällen mit dem LSG zwischen zwei Gruppen. Allen Fällen liegt eine Krankenhauseinweisung eines Kassenarztes zugrunde. Bei der ersten Gruppe hat die Klägerin nur geprüft, ob die verordnete Krankenhauspflege notwendig war, bei der zweiten hat sie die Patienten anschließend ambulant weiterbehandelt und will die Weiterbehandlung abrechnen. Der Vergütungsanspruch der Klägerin besteht in den Fällen der zweiten Gruppe, dagegen nicht für die Eingangsuntersuchungen. Die Zurückverweisung an das LSG ist geboten, weil das LSG nicht festgestellt hat, wie viele Fälle zur ersten und wieviele zur zweiten Gruppe gehören.
Beide Gruppen sind nach dem schriftlich abgeschlossenen Vertrag vom 21. Juni 1974 nicht abrechnungsfähig. In allen streitigen Fällen fehlt es an gültigen Behandlungsausweisen iS des Vertrages. Die Krankenhauseinweisungen sind keine Überweisungen zur ambulanten Untersuchung und Behandlung in einer Poliklinik. Außerdem fallen die streitigen Eingangsuntersuchungen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Vielmehr obliegt die stationäre Versorgung der Kassenpatienten unmittelbar den Krankenkassen nach Maßgabe der §§ 371 ff RVO. Die Eingangsuntersuchungen gehören nach den Feststellungen des LSG zum stationären Bereich. Sie werden vom Poliklinikvertrag nicht erfaßt.
Ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung der Weiterbehandlungsfälle ergibt sich aber aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. Insoweit folgt der Senat dem LSG.
Der Grundsatz von Treu und Glauben, der in § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) niedergelegt ist, beherrscht auch das gesamte öffentliche Recht (ständige Rechtsprechung, vgl ua BSGE 41, 126, 127). Nach diesem Grundsatz kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn sich der Berechtigte mit seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzt. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann darüber hinaus unter besonderen Umständen auch eine Leistungspflicht begründen, insbesondere, wenn jemand jahrelang einem anderen ohne Rechtspflicht Leistungen erbracht hat (s. BSGE 35, 91, 94; vgl auch Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 12. Auflage, Erster Band Allgemeiner Teil S 118). Für die Begründung eines Anspruchs reicht indessen die lang andauernde Handhabung eines Vertrages allein nicht aus. Allgemein ist die Arglisteinrede bei einem Wechsel der Rechtsanschauung nur begründet, wenn der andere Teil auf eine gleichbleibende Rechtsanwendung vertrauen durfte und sich auch tatsächlich darauf eingerichtet hat in einer Weise, daß ihm die Anpassung an eine veränderte Rechtslage nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann (BGHLM ZPO § 549 Nr 81 Bl 3 vgl auch BSGE 35, 91, 95). Dies gilt auch, wenn aus der Handhabung in der Vergangenheit ein Leistungsanspruch hergeleitet werden soll (Larenz aaO; vgl weiter BSGE 47, 194, 199).
Die Beklagte hat nach den Feststellungen des LSG Weiterbehandlungsfälle nach Krankenhauseinweisung ohne förmliche Überweisung rund 10 Jahre lang ohne Beanstandung vergütet. Deshalb kann die Klägerin Vergütung dieser Fälle auch noch für das Quartal IV 1975 verlangen. Auf die Fortsetzung dieser im Einvernehmen der Beteiligten geübten Praxis hat die Klägerin vertraut. Sie durfte das auch. Allerdings war die Beklagte nach dem schriftlichen Vertrag zu der Vergütung nicht verpflichtet. Die Beteiligten hielten sich aber mit der Vergütung im Rahmen der Vorschrift des § 368n Abs 2 Satz 3 RVO. Ein Vertrag, nach dem die Klägerin Krankenhauseinweisungen in den hier streitigen Fällen als gültige Ausweise für die poliklinische Behandlung gelten lassen sollte, hätte in der rechtmäßigen Verfügungsmacht der Beteiligten gelegen. Auch die entsprechende tatsächliche Handhabung ohne Vertrag verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Wenn ein Vertrag dieses Inhalts erlaubt wäre, muß es auch die entsprechende tatsächliche Handhabung sein. Das Vertrauen der Klägerin in eine in diesem Sinn rechtmäßige Handhabung ist berechtigt.
Die Klägerin hatte sich auf eine Fortsetzung der geübten Praxis im Quartal IV 1975 eingerichtet in einer Weise, daß ihr eine andere Handhabung nicht zugemutet werden kann. Im Quartal IV 1975 hat die Klägerin die Patienten mit Krankenhauseinweisung in den streitigen Fällen ambulant weiterbehandelt. Es wäre ihr nicht zuzumuten, auf die Vergütung für ihre Leistung zu verzichten. Anders könnte die Rechtslage zu beurteilen sein, wenn es um die Vergütung für spätere Behandlungsfälle ginge, also für eine Zeit nach Bekanntwerden der geänderten Rechtsauffassung der Beklagten (vgl dazu BAG AP Nr 26 zu § 1 Feiertagslohnzahlungsgesetz sowie BSGE 47, 194, 199).
Der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe die Überweisungsscheine (gemeint sind wohl die Krankenhauseinweisungen) rechtswidrig umfunktioniert, greift demgegenüber nicht durch. Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG hat es sich um eine im Einvernehmen beider Beteiligter geübte Praxis gehandelt. Diese Praxis war nicht rechtswidrig im Sinn eines Verstoßes gegen eine Norm, der die Beteiligten unterworfen waren.
Für die streitigen Eingangsuntersuchungen besteht dagegen auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben keine Vergütungspflicht der Klägerin. Die Klägerin durfte insoweit nicht auf eine gleichbleibende Rechtsanwendung vertrauen. Mit einer Vergütung für Leistungen im stationären Bereich handelte nämlich die Beklagte außerhalb ihrer Zuständigkeit. Krankenhauspflege, auch durch die Hochschulkliniken, wird von den Krankenkassen (unmittelbar) gewährt (vgl §§ 184, 368 Abs 2, § 371 Abs 1 RVO aF). Außerdem hatte die Klägerin sich insoweit nicht auf eine Fortsetzung der Praxis eingerichtet in der Weise, daß ihr deren Änderung nicht zugemutet werden könnte. Ihre Leistungen haben außerhalb des Poliklinikvertrages gelegen, gehören vielmehr - wie bereits hervorgehoben - in den stationären Bereich, der durch die Krankenhauseinweisung gedeckt ist. Zu vergüten sind stationäre Leistungen im Rahmen der darüber abgeschlossenen Verträge durch die Krankenkassen. Der Klägerin war daher nach der Beanstandung der Abrechnung für das Quartal IV 1975 zuzumuten, sich wegen der streitigen Vergütung an die Krankenkassen zu halten.
Die Sache ist wegen der 450 Fälle ohne Überweisung zur ambulanten Behandlung an das LSG zurückzuverweisen. Nachzuholen ist insoweit die Feststellung, in wievielen dieser Fälle eine ambulante Behandlung stattgefunden hat. Der Klägerin steht die Vergütung nur für diese Fälle, nicht aber für die Eingangsuntersuchungen zu.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs 4 SGG.
Fundstellen