Leitsatz (amtlich)
Freiwillige Beiträge im Sinne des ArVNG Art 2 § 52 können wirksam erst vom 1957-01-01 an entrichtet werden.
Normenkette
ArVNG Art. 2 § 52 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts in München vom 2. Dezember 1958 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts in Nürnberg vom 25. April 1955 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der 1889 geborene Kläger, der früher im Sudetenland als selbständiger Bäckermeister tätig gewesen war und dort der gesetzlichen Rentenversicherung nicht angehört hatte, wohnt seit seiner Vertreibung im Jahre 1946 - er ist Vertriebener im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes - in Bayern; dort verrichtete er während der Zeit vom November 1946 bis zum Oktober 1950 versicherungspflichtige Tätigkeiten, für die insgesamt 44 Monatspflichtbeiträge in der Invalidenversicherung nachgewiesen sind. Der Kläger hat darüber hinaus noch 108 freiwillige Wochenbeiträge zur Invalidenversicherung mit dem Jahresaufdruck "52" bzw. "53" entrichtet.
Den vom Kläger am 28. Februar 1953 gestellten Invalidenrentenantrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 23. Februar 1954 ab; der Kläger sei nach dem ärztlichen Gutachten mindestens seit dem 1. Januar 1952 invalide; die freiwilligen Beiträge seien demnach unwirksam; aus den Pflichtbeiträgen allein sei die Wartezeit jedoch nicht erfüllt.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde vom Sozialgericht Nürnberg, das die Auffassung der Beklagten teilte, am 25. April 1955 abgewiesen.
Im Berufungsverfahren, in dem der Freistaat Bayern, vertreten durch die Finanzmittelstelle M des Landes Bayern, beigeladen wurde, verurteilte das Landessozialgericht entsprechend dem insoweit eingeschränkten Antrag des Klägers die Beklagte zur Gewährung einer Rente nach dem Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) wegen Erwerbsunfähigkeit vom 1. Januar 1957 an.
Das Landessozialgericht geht in seinem Urteil vom 2. Dezember 1958 davon aus, daß der Kläger mindestens seit dem 1. Januar 1952, aber jedenfalls nicht vor dem Jahre 1951 invalide im Sinne der alten und berufsunfähig im Sinne der neuen Vorschriften gewesen sei; von der Antragstellung an hält es den Kläger für erwerbsunfähig im Sinne des § 1247 der Reichsversicherungsordnung (RVO) n. F.
Die Wartezeit von 60 Monaten sei zwar durch Beitragsleistungen nicht erfüllt, doch seien dem Kläger nach § 1251 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 Satz 2 Buchst. a RVO n. F. noch 22 weitere Kalendermonate als Ersatzzeiten anzurechnen. Die Anwendbarkeit des § 1251 RVO auf den vorliegenden Fall begründet das Landessozialgericht im wesentlichen damit, daß über den nach Art. 2 § 8 ArVNG anzuwendenden § 1249 RVO n. F. infolge der darin ausgesprochenen Verweisung auch § 1250 RVO n. F. und als Folge der hierin erklärten Verweisung schließlich § 1251 RVO n. F. anzuwenden seien. Seinem Inhalt nach könne § 1249 RVO n. F. für sich allein überhaupt nicht angewendet werden, so daß die Anwendung der folgenden Paragraphen über die doppelte Verweisung zwingend sei. Diesem Ergebnis stehe auch weder Art. 2 § 9 a. a. O. entgegen, der sich nur auf zusätzlich anzurechnende Ersatzzeiten des alten Rechts bei neuen Versicherungsfällen beziehe, noch § 10 a. a. O., der als besondere Vorschrift deshalb notwendig sei, weil die Verweisungskette der §§ 1249 bis 1251 den § 1252 nicht mit erfaßt habe.
Da bei dem Kläger die Wartezeit für die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit somit erfüllt sei, habe er seit dem Inkrafttreten des ArVNG einen Anspruch auf diese Rente.
Gegen das ihr am 29. Januar 1959 zugestellte Urteil legte die Beklagte die vom Landessozialgericht zugelassene Revision am 13. Februar 1959 ein und begründete sie am 11. März 1959. Sie hält die Anwendung des § 1251 RVO n. F. für rechtsirrig; da die Überleitungsbestimmungen des ArVNG für Altfälle die Anwendung der neuen Ersatzzeitvorschriften für die Wartezeit nicht vorsähe, gelte weiter das alte Recht, das eine der angewandten Nr. 6 des § 1251 RVO n. F. entsprechende Vorschrift nicht kenne.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt demgegenüber
kostenpflichtige Zurückweisung der Revision.
Er hält § 1251 RVO n. F. auch im vorliegenden Falle für anwendbar.
Der beigeladene Freistatt Bayern hat keine Anträge gestellt.
Sämtliche Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist vom Landessozialgericht zugelassen und daher statthaft.
Die Revision ist auch begründet.
Wie der erkennende Senat im Anschluß an das Urteil des 1. Senats vom 28. Januar 1959 - 1 RA 139/59 - in seiner heutigen Entscheidung - 4 RJ 47/58 - für Recht erkannt hat, bezieht sich die Verweisung des Art. 2 § 8 ArVNG einzig auf den § 1249 RVO n. F. Auch für Altfälle sollte dadurch trotz Wegfalls des Anwartschaftsrechts die bisher aus dessen Vorschriften folgende Einschränkung der Berücksichtigung von vor 1924 geleisteten Beiträgen dann beibehalten werden, wenn zwischenzeitlich von 1924 bis 1948 kein Beitrag geleistet war. Mit jener Vorweisung auf § 1249 RVO n. F. wurden jedoch nicht gleichzeitig die inhaltlich durchaus selbständigen Wartezeitvorschriften der §§ 1250 und 1251 RVO n. F. auch für alte Versicherungsfälle eingeführt.
Der Kläger, bei dem der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1957 eingetreten ist, hat die Wartezeit somit nicht erfüllt. Eine Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 52 ArVNG ist erst mit dem Inkrafttreten jener Bestimmung zulässig geworden; nach früherem Recht als unwirksam entrichtet beanstandete freiwillige Beiträge werden daher durch § 52 a. a. O. nicht nachträglich zu zulässigen Beiträgen. Beiträge in den neuen Beitragsklassen des § 1388 RVO n. F., durch die etwa rückwirkend die Wartezeit nach § 52 a. a. O. als erfüllt angesehen werden könnte, hat der Kläger bisher seit Inkrafttreten des ArVNG nicht geleistet. Schließlich gilt die Wartezeit auch nicht als nachträglich erfüllt, da weder ein Fall des § 1263 a RVO a. F. noch ein Fall der nach Art. 2 § 10 ArVNG auf Altfälle anwendbaren Nummern des § 1252 RVO n. F. vorliegt.
Es besteht somit kein Anspruch auf eine Rentenleistung für den Kläger.
Die Entscheidung konnte mit Rücksicht auf die Einwilligung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen.
Die Klage war nach den getroffenen Feststellungen unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen